wunderte sich, mau gratuürte; doch Niemand wagte dem heftigen Manne die leiseste Mißbilligung zu zeigen; kaum aber war er aus dem Gesichte, so schlugen die Frauen die Hände über dem Kopf zusammen, und riefen Ach und Weh über die Unbeständigkeit der Männer; die Männer selbst beschränkten sich darauf, das Unpassende der Ehe mit einer Leibeigenen, die erst frei erklärt werden müsse, zu tadeln. Einige mildernde Stimmen meinten zwar, bei Jwanowitschs Beschränkung auf sein Haus dürfe es Nie­mand wundern, wenn er es nicht ohne seine Hauptzierde, eine Hausfrau, sehen und bewohnen möge; einige Andere, noch Mildere meinten, gerade das Bedürfniß der Liebe, welches durch die Zärtlichkeit für die erste Frau bewiesen sei, führe Naturen wie Jwanowitschs leichter zur zweiten Ehe; Alle indessen vereinigten sich darin, den Gegenstand der Wahl zu tadeln. Als nun aber die Sache wirklich geschehen war, da trat sie in die Reihe der Facta, die immer eine Art Recht am Schlepptau führen; die Welt imKleinen wie die Welt im Großen begrüßt den Erfolg mit Triumphbögen, und schmückt ihn mit Kränzen; vielleicht weil sie sich in's Geheim sagt, daß noch immer eine An verborgener Kraft und Anstrengung dazu gehörte, ihn zu erobern, und diesem Verdienste lohnen will; vielleicht auch nur, weil sie alles Bestehende erst duldet, dann verehrt, indem ihr das Factum des Daseins immer bald als ein Recht aus die Existenz erscheint. Kurz, man sprang plötz­lich von einem Extrem zum andern, und das vorher so bitter angegriffene Mädchen ward als Frau von Jwano- witsch eben so allgemein gelobt.

Wirklich vereinigte auch ihr Wesen manche bedeuten­den Kräfte; sie war von der auffallendsten Schönheit, und eine von Natur gebieterische Art aufzutreten, welche sie sehr gut bei vorkommendcn Fällen mit resignirter Be­scheidenheit zu verhüllen wußte, erschien in ihren jetzigen Verhältnissen wie natürliche Würde. Ueberhaupt gehörte sie zu den sonderbar organistrten Wesen, welchen eine angeborne Sagacität und Fähigkeit, sich in die Gefühle und Denkweise der Welt und Gesellschaft im Allgemeinen zu versetzen, jenen oberflächlichen, oft bessere Gefühle erstickenden Instinkt der conventionellen Schicklichkeiten gibt, welchen man übereingekommen ist, Takt zu nennen, und den ich ganz von der Zartheit der Seele, mit der man ihn gewöhnlich zu vereinigen pflegt, trennen, von dem ich im Gegentheil sagen möchte, daß er ein falsches Surrogat für inneres Zartgefühl sei, womit die, welche Letzteres nicht besitzen, die Nothwcndigkeit dieser Schranke der Zügellossigkeit des Mannes doch heimlich erkennend; sich waffnen, um den innern Mangel, den sie empfinden, durch das adoptirte allgemeine Gefühl zu ersetzen. Daher finden wir, daß gerade die Frauen, welche am wenigsten wahre Weiblichkeit besitzen, sich oft am strengsten an diese legale Schanze halten, wobei dennoch oft die innere Roh­heit hervorblickt; während die Reinheit einer cdeln Natur still und sicher ihren Gang geht, ohne daran zu denken, daß sic existire, weil sie ihrer nicht bedarf. Frau von Jwanvwitsch aber bedurfte ihrer, und setzt sich darin fest; die Gesellschaft um sie her fühlte, daß sie dies gethan hatte, und wußte es ihr Dank; dieser fremde Eindringling, die­

ser weibliche Parvenü war kein socher mehr, er schwor ja mit Herz und Seele zu ihren Farben, ihren Fahnen, und wurde daher bald behandelt, wie ein Eingeweihter. Doch war es auffallend, daß in dem Grade, wie sie sich die Gesellschaft zu gewinnen schien, ihr Mann sich von ihr entfremdete. Mißfiel cs seinem herrischen Wesen, daß sein Geschöpf anfhörte, ganz von ihm abzubängen, oder hatte seine wilde Natur in der ihrigen einen Gebieter gefunden? fühlte er vielleicht das Joch und schüttelte da­ran, wie das gefangene Ranbthier an seiner Kette? Sie sprach viel von ihrer Liebe zu ihm, und die Gesellschaft hörte diese Reden mit Erbauung an; aber von einer Lei­denschaft konnte denn doch wohl eben nicht die Rede bei ibr sein, denn in der Liebe ist derjenige Theil selten der herrschende, welcher am meisten liebt; und daß die Frau cs sei, darüber konnte wohl nicht lange mehr ein Zweifel obwalten. Aber Jwanvwitsch liebte sic also doch wohl noch sehr lebhaft, weil er sich von ihr beherrschen ließ. Jwanowitsch hatte, trotz seiner thörichten Heirath und seiner Heftigkeit, eine große Achtung vor der Meinung der Welt, und konnte nicht ohne ibren Beifall leben; er fühlte vielleicht, daß er unklug gehandelt hatte, aber die Welt sollte cs nicht wissen, sein Stolz durste es nicht gestehen, und so that er sein Möglichstes, »m glück­lich zu scheinen. Frau von Jwanowitsch stellte fick als die zärtlichste Stiefmutter dar, sprach in der Nachbar­schaft nur von der Erziehung ihres Sohnes, und wenn man der Leidenschaft ihres Mannes erwähnte, so schlug sie wohl bescheiden die Augen nieder, »nd erklärte, sie könne nicht glauben, daß ihre Persönlichkeit allein Kraft genug gehabt habe, ihn zu einem ungewöhnlichen Schritte z» verleiten, daß er, der zärtliche Vater, aber wohl gewußt habe, daß sie eine gute Mutter seines Soh­nes sein würde, und daß die Erziehung eines Kindes des Auges der Mutter nicht entbehren könne. Dabei wurde der Sohn prodnzirt, der aber die Liebkosungen seiner fremden Mutter nur mit ungewohnter Scheu, als traue er dem Handel nicht, aufnahm, »nd Frau von Jwanv- witsch ward gepriesen von Alt »nd Jung. Doch in den geheimen Tiefen ihrer Gemächer, behauptete die Diener­schaft, ging eS anders zu; man wollte heftige Scenen ge­hört haben, in denen gleichwohl die Gemahlin Siegerin geblieben sein sollte; Jwanvwitsch schien düster, gedrückt und traurig; er nahm den Sohn oft an die Hand, und machte lange, einsame Spaziergänge mit dem schüchternen Kinde, die Frau von Jwanowitsch ungern zu sehen schien; nach und nach wollten sogar andere Gerüchte von einer früheren Verbindung derselben verlauten, die noch fort­gesetzt werde; man wollte einen jungen Jäger seit einiger Zeit öfter im Schlosse gesehen haben, der sonst die Schenke häufig zu besuche» pflegte; man hatte heftige Vorwürfe, die Jwanowitsch seiner Frau in Bezug auf die­sen Mensche» machte, gehört; die Scenen wiederholten sich, und wurden stürmischer, bis endlich einer derselben die übereilte Niederkunft der Frau von Jwanowitsch mit einem Sohne folgte, welche ihr, vielleicht zu rechter Zeit für ihren Ruf, das Leben kostete. (Schluß folgt.)