„Herr!" rief ich, jetzt die nöthige Rübe vergessend, „sind Ihre Worte mehr als leere, prahlerische Drohung, so muffen Sie mir auf der Steile für Ihre Beleidigung blutige Genugthuung geben!" Und klirrend schlug nun auch ich an den Säbel.
Mein Schützling hatte von dem ganzen Streite kein Wort verstanden, aber sie hatte unsere zornigen Geberden gesehen, sie ahncte, daß ihr Gefahr drohe, und sank jetzt mit dem leisen Ausrufe: Santa Maria! ohnmächtig in die Arme des alten Petro. Wohl ihr, denn so ward sie der Qual übcrhoben, Zeugin des folgenden Auftritts zu sein.
Kaum hatte ich jene Worte gegen den Capitän aus- gestoßen, als dieser wüthend den Degen ans der Scheide riß, und mir zuschrie: „Ziehen Sie, Oberstlieutenant; solche Drohung läßt sich Capitän Cavaux nicht zweimal sagen. — Heraus mit der Klinge, oder — bei'm Satan — ich stoße Sie über den Haufen."
Zugleich drang er mit solcher Hitze auf mich ein, daß keine Zeit zur Gegenwehr zu verlieren war. Schnell kreuzte ich meine Klinge mit der seinigen, doch nur mit der größten Mühe und Geschicklichkeit konnte ich seine wüthenden, blitzschnell auf einander folgenden Stoße parken. Endlich aber glückte es mir, eine Blöße, die er mir gab, zu benutzen; ich schlug seine Klinge seitwärts, hieb rasch nach, und mit einem Fluche ließ mein Gegner den Degen dem blutenden Arme entfallen. Der Sieg war jetzt mein, aber der Capitän schäumte, und wollte ich von ihm, der in seinem trunkenen, aufgeregten Zustande jeder Gewaltthat fähig war, nicht Alles zu fürchten haben, so mußte ich mich der entferntem, vielleicht größer» Gefahr aussetzcn, um mich der nächsten zu entziehen. Jeb gebot daher dem Fuhrmann meines Wagens, die Pferde anzutreiben, schwang mich selbst in den Sattel meines treuen Thicres, und sprengte dem Wagen nach, dem De- taschemcnt vorauSeilcnd.
Die Donna hatte sich während dessen wieder crbolt, und ängstlich suchte ihr Auge nach mir. Als sie mich erblickte, sah ich, wie der Ausdruck der Freude ihre schönen Züge verklärte, und ein unnennbares Wonnegefühl durchzog meine Brust.
Meine erste Sorge war nun unser Aller Sicherheit. „Wo aber nun hink" fragte ich deßhalb den alten Petro. „Ist Barbastro weit von hier entfernt; in welcher Richtung liegt es, und ist französische Besatzung dort?"
„Herr," entgcgncte der Alte, „es liegt kaum drei Stunden seitwärts, und ist schon lange in Euren Händen. Zwar führen von hier nur selten befahrene Wege dorthin, allein ich glaube um so weniger, daß wir jetzt von den Patrioten etwas zu befürchten haben, da sie sich wahrscheinlich beute Alle in jenem Walde, zu dem Angriff auf Euer Detaschement, vereinigt hatten. Und sollten ja noch Einige zurückgeblieben sein, so hofft der alte Petro, daß seine Begleitung, und die Gegenwart der Donna, deren Vater in der ganzen Provinz in hoher Achtung steht, hinrcichen werden, jeden feinlichcn Angriff abznwenden."
Es kam dahin nicht. — Der Alte kannte die Wege
genau, und gegen Mitternacht langten wir wohlbehalten in Barbastro, bei dem Hause au, welches dem Oheim der Donna gehörte. Petro weckte die Bewohner, welche bereits in tiefem Schlafe lagen, und ihm mürrisch und brummend öffneten, sogleich aber anderes Sinnes wurden, als sie ihn erkannten.
Er bat meine schöne Begleiterin, noch einen Augenblick zu verweilen, daß er ihren Oheim ans ihren Empfang vorbereiien könne. Ich durchschaute seine Absicht, und freute mich seines Zartgefühles, das bei Leuten seines Standes selten gefunden wird.
Nach einer kleinen halben Stunde kehrte er zurück, und bat mich im Namen des Don Cäsar Guzman von Hi- narejas, seine Nichte zu ihm zu begleiten.
Don Cäsar war einige Jahre jünger als sein Bruder, der Marquis, aber das Offene, Zutrauen Erweckende, welches mich bei dem ersten Blicke zu diesem unwiderstehlich hingczogen hatte, vermißte man bei Jenem. Er war finster, mürrisch, »nd man sah cs ihm an, welchen Zwang cs ihn kostete, dem Retter seiner Nichte, indem er nur den Feind seines Vaterlandes sah, selbst mit wenigen Worten zu danken. Unsere gartze Unterredung währte kaum fünf Minuten, und war kalt, steif und förmlich, wie man sie nach einem solchen Dienste, als ich ihm geleistet, nicht hätte erwarten sollen.
Empört über sein Betragen, verneigte ich mich schweigend gegen ihn, richtete dann noch einige Worte an seine Nichte, die bisher stumm und in sich versunken an seiner Seite gestanden hatte, und wollte das Zimmer Verlagen, da ermannte sich die schöne Gerettete, trat rasch ans mich zu, zog einen Ring von ihrem Finger, und sagte, ihn mir überreichend, mit unendlich zarten Tönen: „Edler Manu, großmüthiger Retter Ihrer Feinde, nehmen Sie dies geringe Zeichen des Dankes gütig von mir an, und erinnern Sie sich bei dessen Anblick Olivia's Hinarcjas, in deren Brust die Dankbarkeit für ihren Netter nur mit ihrem Leben enden wird."
Die Rührung hemmte ihre Sprache; gern hätte ich ihr geantwortet, Härte ihr gesagt, daß ihr Bild ans ewig in mein Her; gegraben sei, aber Don Cäsar warf mir giftige Blicke zu, und sein Anblick war mir so widerlich, daß ich rasch, die Hand auf das Herz drückend, das Zimmer verließ.
Für immer, für dieses Leben wenigstens, war ich jetzt von ihr geschieden, und die Ueberzengung davon durchzuckte mich mit unendlichem Weh. Aber nicht lange hatte mein Herz Raum für diesen Schmerz. Zwei Tage später traf ich wieder mit meinem Regimente zusammen, und das wcchselvvlle Geschick deS Krieges nahm meine ganze Kraft, meine ganze Thätigkeit so sehr in Anspruch, daß mir kaum so viel Zeit blieb, an die reizende Olivia zu denken, »nd war dies dennoch ja einmal der Fall, so geschah cs mehr wie an ein schönes, unerreichbares Traumbild, wie an eine verlorne Wirklichkeit. (Schluß folgt.)
Auflösung der Charade in Nro. 80:
Rothbart.