Gebirge getrieben, hielten wir uns hier einige Tage verborgen. Dann trennten wir uns, die Einen begaben sich nach Trinidad, auf der Südseite von Cuba, die Andern nach Havannah. Die Mannschaft der Entreprise zerstörte unser Fort, und nahm die Ladung der Karoline, wie die unsrer beiden Schooner, der« Picciana und Margarita, mit sich."
Bemerkenswerth ist Gibbs Antwort, als man ihn vor Gericht fragte, wie er so viele Menschen mit kaltem Blute habe morden können, während er doch schon im Besitz seiner Beute war.
„Die Gesetze," sagte er, „sind die Ursache so vieler Mordthaten. Der Seeräuber an sich wird schon mit dem Tode bestraft wie der Mörder; ich hatte also keine schärfere Strafe zu erwarten, wenn ich mich Aller entledigte, Tue je gegen mich Zeugniß geben konnten. Fest überzeugt bi» ich, daß bei Weitem weniger Mordthaten verübt nmrdeu, wäre nicht die Bestrafung für beide Verbrechen dieselbe."
Zu einer Zeit kreuzte Gibbs länger als drei Wochen an den Vorgebirgen von Delaware, in der Hoffnung, auf die Rebeeca Sims, ein Schiff aus Philadelphia, zu stoßen, das, wie sie wußten, eine große Summe baarcs Geld an Bord hatte. Allein das Schiff lief in einer Nacht aus und die Beute entkam so ihren Händen.
Im Laufe des Jahres 1819 verließ Gibbs Havannah und begab sich nach den Vereinigten Staaten mit einem Vermögen von mehr als 30,000 Dollars, das ihm sein blutiges Gewerbe eingetragen hatte. Nach einem Aufenthalte von mehreren Wochen zu Neu-Uork ging er nach Boston, von wo aus er auf dem Sckisfe Emerald nach Liverpool sich eiuschiffte. Bevor er jedoch an Bord ging, hatte er bereits einen großen Theil seines Blutschatzes durch Verschwendung und im Spiel verloren. Er hielt sich einige Monate zu Liverpool aus und kehrte dann nach Boston zurück. Sein damaligerAufenthalt in Liverpool ist ausser seinem eigenen Geständnisse noch durch die Aussage einer Frau hergeftellt, die dort mit ihm bekannt war und gegenwärtig in Neu - Jork sich befindet. Nach ihrer Angabe lebte er in Liverpool wie ein Mann von Staude und großem Vermögen. Eben über dieses Weib äußerte sich Gibbs in seinem Geständniß mit folgenden Worten: „Ich faßte damals eine Leidenschaft für ein Weib, das ich für die Tugend selbst hielt; aber sie betrog mich, und leider muß ich bekennen, daß mein Herz, das nie erschüttert wurde bei dem Anblicke von Mord und Blutvergießen, weich wie ein Kind wurde. Ich stürzte mich in Zerstreuungen, um der Qualen los zu werden."
Nach seiner Ankunft zu Boston begab er sich nach Havannah, und begann sein Sccräuberlcbcn von Neuem. Im Jahre 1826 besuchteer die Vereinigten Staaten, und da gerade zwischen Brasilien und Buenos-Ayrcs der Krieg ausgebrvchcn war, so faßte er den Entschluß, sein Glück in der Vertheidigung der Republik zu versuche». Bei seiner Ankunft zu Buenos - AyrcS stellete er sich dem Admiral Brown vor, und gab sein Verlangen zu erkennen, im Secdicnste eine Anstellung zu erhalten. Gibbs wurde auf einem Schiffe von 54 Kanonen, „Der fünf
und zwanzigste Mai" als fünfter Lieutenant angestellt, auf dem er in dieser Eigenschaft vier Monate diente. Da es ihm gelungen war, das Vertrauen des Admirals Brown zu erwerben, so wurde ihm von diesem der Befehl über einen eigenen Schooner übertragen, auf welchem er von Buenos-Ayrcs auslief und mit zwei guten Prisen glücklick wieder dahin zurückkehrte. Hierauf kaufte er sich die Hälfte eines Baltimore Schooners und ging von Neuem unter Segel. Allein er gcricrh sieben Tage darnach in Gefangenschaft und wurde nach Rio-Janeiro gebracht, wo er bis zum Friedensschlüsse blieb, und dann nach Buenos-Ayres und von da nach Neu-Uork zurückkehrte.
Ein Jahr später, während dessen er bald da bald dort sich aufhielt, erregte der Krieg Frankreichs mit Algier seine Aufmerksamkeit. Da er wußte, daß Frankreichs Handel reiche Beute hoffen ließ, so entschloß er sich, nach Algier zu gehen und dem Dey seine Dienste anzu- bicten. Er schiffte sich in dieser Absicht auf der Sally Anna nach Barcelona ein, von wo aus er sich nach Port Mahon begab, in Erwartung einer Gelegenheit um nach Algier zu entkommen. Die Wachsamkeit der französischen Flotte hinderte ihn jedoch, sein Vorhaben anszuführen, und er begab sich nach Tunis. Von hier aus schiffte er sich nach Marseille ein, und kehrte endlich wieder nach Boston und von da nach Neu-Orleans zurück. Hier nahm er unter der Schiffsmannschaft der Brigg, „Vin- eyard," als gemeiner Matrose Dienst. Als man ihn befragte, wie er, bisher gewohnt, selbst zu befehlen, sich als gemeiner Seemann habe verdingen können, erwiederte er: er habe Beschäftigung gesucht, um den Schrecken der Erinnerung zu entfliehen.'
Gibbs war zu Buenos-Ayrcs verheirathct, wo noch ein Kind von ihm lebt, e^eiiie Frau ist gestorben. Durch eine seltsame Fügung des Zufalls theilt jetzt das nämliche Weib, mit der er zu Liperpool in Verbindung stand, mit ihm ein und dasselbe Gefängniß zu Ncu-Pork. Seit seiner Verhaftung hat er an sie schon mehrmals Briefe geschrieben.
Hartnäckig verweigerte bis jetzt der Pirat, den Namen von irgend Jemand zu neunen, der an seinen Raubzügen Theil hatte. Doch gestand er, daß Viele seiner Genossen gegenwärtig in den Vereinigten Staaten leben. Obgleich er, setzt der amerikanische Berichterstatter hinzu keine Spur einer Zerknirschung blicken läßt, so ist cs doch nicht zu verkennen, daß er nur mit Abscheu seiner schuldbeflcckten Vergangenheit gedenkt. Seit seinem Prozesse ist seine Gestalt einigermaßen eingesnnkcn, sein Gesicht blässer, und das Feuer seiner Augen etwas erloschen; aber noch sind die Züge seiner kühnen, verwegenen und wilden Seele unverkennbar. Er ist gesprächig und mit- thcilend, und nur wenn er lächelt, nimmt der Ausdruck seines Gesichtes ciue solche Milde und Freundlichkeit an, baß Niemand dahinter den grauenvollen Missethäter er- rathcn würde.
Auflösung des Räthscls in Nr. 74: Der Spie ge!.