nando, den Dolch in der Hand, öffnete leise die Thür und. verschwand im Innern des Hauses. Bernardo chlieb zurück.
„Me Teufel!" stotterte er, als er, das dicht in der Hand, 'die-. Pchlafende betrachtete: „sind denn, die Todten auferstanden? Das ist ja leibhaftig meine arme, Jeannette!"
. Ein kaltes Frösteln überkam ihn. Er konnte eine abergläubische Anwandlung nicht unterdrücken. Erlas, um sich zu zerstreuen, einen auf dem Tisch liegenden Brief. Er bebte. Es war die Mütheilung der sterbenden Amme. „Hoho!" rief er, gezwungen lachend: „mein Töchterchen also.?. Nun da wird eö dem Vater Niemand wehren, sein hübsches Kind in der Nahe zu schauen und allenfalls ... Aber ihm schwankten die Kniee, als sein Auge auf die geisterhaften Zuge des BildeS fiel, das ernst, ja streng auf ihn herabschaute. Ist denn das ganze Geiflerreich wider mich verschworen?" rief er. „Das ist nicht blos Jeannet- teu's totstes Conterfci, das Auge lebt — Brr! wie cS mich anstiert— Possen! Wie? ich alter Praktikus bebe vor ein paar Pinselstrichen? Bist du," sprach er frech, wie um sich selbst su beweisen, daß abergläubische Feigheit nicht sein Fehler sei, „bist du wirklich in der Nähe, Geist der längst Entschlafenen, so gicb ein Zeichen, daß ich sehe,, und glaube!"
Das Bild fiel herab. Ein scharfer Windstoß fuhr durch das Fenster und warf die Thür in's Schloß; das Licht erlosch. Entsetzlicher Schauder packte ihn.
Bertha war mir einem Schrei erwacht. An Bernar- do's'klappernden Zähnen merkte sie mit Schrecken, daß Jemand in ihrem Zimmer sei. „Um Gott! wer ist bei mir?" fragte sie ängstlich.
„Dein Vater!" ertönte nach einer kleinen Pause eine .Stimme wie aus dem Grabe.
Tief erschrocken beeilte sich Bertha, daö Licht anzuzünden. Diese Stimme, — der Brief, — ihr Traum, — sie fühlte ein namenloses Bangen. Sie hatte ihn im Draume gesehen, deutlich gesehen.. Das Licht brannte — Himmel, er war cs! eS war der Mordet ihrer Mutter, war ihr Vater!
Unwillkürlich warf sie sich auf die Kniee und flehte zu Gott mit erhobenen Händen; das Auge schaute gen Himmel, die Lippen bewegten sich, aber kaum wußte sie selbst, was und warum sie flehte. Nicht Angst war es, was aus ihren Zügen sprach; eine Märtyrerin, deren ahnender Geist im Vorgenusse der seligen Freuden schwelgt, die sie nun bald erwarten: eine Heilige, die den Himmel offen sieht, lag sie da-
Es giebt Augenblicke, in denen das Herz deö verstocktesten Bösewichls. das Jahre lang wie von einer un- durchdriuglichcn Eisrinde umgeben in starrer Kälte da lag und allen milderen Gefühlen fremd geworden ist, sich Plötzlich erweicht. Tie Eisrinde schmilzt dabnv an den wärmenden Strahlen der Liebe, die je unverhoffter und seltener, um so glühender sind. Ungewöhnlichste Anregungen sind freilich erforderlich, wenn in einem solchen verhärten ten Gemüthe lang unterdrückte, sanftere Empfindungen auch nur'auf Augenblicke trinmphireu sollen. Alles hatte sich vereinigt, in Bernardo eine solche nie geahnte milde Stirn-
Muug hervorzurufeu. Er fühlte in dem gegenwärtigen Mo- ment nur Liebe, die Liebe des Vaters zu feiner Tochter. An ihr, wollte er,, so viel in seinen Kräften stand, wieder gut Wachen, was er an der Mutter verbrochen. Er wußte nur zu genau, daß Bertha verloren war, sobald sie in Fernaiido'S Klauen gerieth; sein Entschluß, sie zu retten, war gefußt. Es war seit lange die erste gute That, die er geübt, sie sollte auch seine letzte sein.
Plötzlich fällt ganz in der Nähe ein Schuß. Die Betende hört ihn nicht. Bernardo öffnet erschrocken die Thür. Bleich, blutbcsprltzt, den triefenden Dolch in der Hand, stürzt ihm Fernando entgegen. Grausenerregend war sein Anblick. „Heisa!" rief er, indem er Bertha mit sich fort- reißen wollte, „lustig, kleine Heilige! jetzt geht's zur Hochzeit! Freu'st du dich nicht zur Hochzeit? Komm mit, komm mit!"
' Schaudernd wandte sich Bertha ab.
„Verruchter!" schrie Bernardo, indem er sich auf ihn stürzte,: „laß deine Beute fahren, berühre sie nicht, oder ich erdrossle dich!"
„Hoho!" pfeifst du mir so auS dem Loche?" Er schwang den Dolch — Bernardo lag in seinem Blute.
Bertha stieß einen Schrei des Entsetzens aus; sie rief nach Hülfe.
„Sperr' dich nicht!" befahl er. „Noch ist mein Dolch nicht stumpf!" und schleppte sie gewaltsam dem Fenster zu. Sie widerstrebte nicht mehr. Es war vergeblich. Liebe und Abscheu, Verzweiflung und Seligkeit zerrissen ihr den Busen, als sie sich von seinen Armen getragen fühlte. Aber aus ihrem tiefsten Innersten flehte sie zu ihrem Schöpfer um Rettung, und ihr Gebet wurde erhört. Plötzlich öffnet sich die Thür; Fernando läßt seine Beute fahren, um das eigene Leben zu retten — eS war zn spät. Ein Schuß streckt den Verbrecher zu Boden.
Walter war's. „Das traf besser," rief er, indem er ihn stürzen sah, „als die erste Kugel, die dem armen Nimrod das Lebenslicht ausblasen mußte." Und erst jetzt erkannte er in dem gefallenen Mörder seinen Nebenbuhler. Willibald war mit einer leichten Wunde davon gekommen. Ter treue Nimrod hatte den Mord verhindert. Wie ein Tiger halte er sich auf seine Beute geworfen; Walter, in dem angrenzenden Zimmer ruhend und von seinem erschrockenen Prinzipal zu Hülfe gerufen, hatte ein heladeiieS Pistol ergriffen, aber die für den Mörder bestimmte Kugel hatte den Kopf des armen Bullenbeißers durchbohrt. Judeß war Fernando im Dunkel der Nacht den ihm Nach- setzendeu verschwunden, und erst Bertha's Hülferuf lenkte die Suchenden aus die richtige Fährte.
Dies war das Ende der beiden Misscthätcr.
Aeee auch Bertha, deren wirre Aussagen über die Erlebnisse der Nacht einiges Licht verbreiteten, sollte den nächsten Morgen nicht erleben. Die ersten Strahlen der Sonne fänden sie nicht mehr im Reiche der Lebendigen.
Auflösung der Eharade in Nr. 35:
Handkuß.