Der Pope (Geistliche) hat mich erst gestern noch vcr- sichert, daß der Krieg nicht mehr lange dauern werde," erwiderte die gute, alte Frau, indem sie frisches Garn über ihr Rädchen spannte;unsere.Truppen werden den ungläu­bigen Türken bald vollends de» Garaus. gemacht haben-

Gott erhöre unser Gebet!" seufzte Olga vertrauend und machte bei reinen Seelen rettet sich ja die Hoffnung immer unter die Filtige der Religion andächtig vor einem in einer Ecke der Hütte hängenden MuttergotteSbild daS gläubige Zeichen deS Kreuzes.

Plötzlich ertönten in der Ferne vollstimmige Gesänge, begleitet von den Balalcika (eine Art Guitarre mit drei Saiten), die immer näher kamen, und bald sah Olga durch die Thüre brr Halte einen Hochzeitzug vorüberwallen. Das Brautpaar kehrte von der Kirche zurück uud begab sich in KaS Haus dcs Bräutigams oder nunmehrigen Gatten, be­gleitet von einer Menge junger Leute beiderlei Geschlechts, die ihre Festgcwänder angethan hatten und ihre lärmende Freude durch Rufen und Singen zu erkennen gaben; auf sie folgten die Männer und Frauen, ernsteren Schrittes ein­herziehend, und die Greise und der Starost (der OrtS- Äelteste) machte den Schluß. Es war ein Bild des Lebens in feinen drei verschiedenen Hauptstnfen: die Jugend mit ihren rührenden und sarb.schimmcruden Träumereien, das reifere Alter mit seiner Philosophie des Genusses und das krafttose Alter verloren in seine Erinnerungen des Diesseits und in die Betrachtungen der Geheimnisse deS Jenseits.

Wie glücklich diese sind!" sagte traurig Olga und kehrte in die Stube zurück;und ich. .. ach, Gott, hat denn der Himmel keinen Segen für eine arme Sklavin?"

Kind," versetzte die Mutter strenge, lästere Gott nicht mit Deinen Klagen. Mer weiß, was er in seiner Weis­heit über uns beschlossen hat?"

Kaum hatte die fromme Frau diese Worte gesprochen, so trat der Verwalter in die Hütte und das gme Weib war nicht wenig bestürzt über diesen Besuch. Sir stand von ihrem Sitze auf und verneigte sich tief vor dem Ange- kommcnen, während Olga sich hinter ihre Mutter zu ver­bergen suchte. Dieser Mann war erst seit Kurzem in seine Funktionen als Verwalter eingetreten und man wußte noch nicht, um welchen Preis und durch welche Opfer seine Un­tergebenen seinen Verfolgungen ein schlüpfen würden.

Andreas Petrowitsch," stotterte die Bäuerin,ich weiß wohl , daß ich noch ein wenig im Rückstand bin mit der verfallenen Steuer, aber in acht Tagen hoffe ich, sie bezahlen zu können."

Der Verwalter ließ, ohne zu antworten, seine Späher­blicke im Zimmer herumspazieren, wie wenn er übersicht­lich schon das Jnvcntarium der armen Hütte machen wollte, und erblickte aus dieser Jagd die schöne Olga, die sich sei­nen Bücken zu entstehen suchte. Ter Verwalier rief sie zu fick her mid das Mädchen gehorchte- Mit abgewandtem Kopfe, ohne es zu wagen, ihn anzublickcn, blieb sie end­lich gau; rerduzd vor ihm stehen und ihre Flugw entblät­terten eine Fe dblume.

Was machst Du, Margarethe, mit diesem schönen Kmde?" fragte der Verwalier und strich mit seinen- räube­

rischen Hände» über die blonden Locken des jungen Bauern­mädchens hin.

Meine Tochter hilft mir spinnen," erwiderte die Mut­ter.Ach, gestern erst ... doch verzeih!, ich langweile Euch nur mit solchen Kleinigkeiten . ."

Immer zu, Margarethe," entgegnete Petrowitsch.

Nun, gestern erst hat sie von Morgens frühe an ge­arbeitet und die Mitleruachtsstnnde hat sie noch an der Arbeit angclrvffen. Es ist ein äußerst gutes Mädchen, nur etwas furchtsam . .. Olga, so sehe doch nur den Herrn Verwalter an!"

Aber Olga war bereits schon ganz beschämt verschwun­den, ehe noch die mütterliche Ermahnung zu Ende war.

Die Besuche des Verwalters im Hütichen der armen Bäurin wiederholten sich in rascher Folge. Bald brachte er Olga Bänder, welche er ausdrücklich für sie, wie er vorgab, auS Moskau habe kommen lassen, bald drohte er der Mutter, ihre Geräthschaften verkaufen zu lassen, wenn sie nicht ihre Steuer entrichte und Reste nachbezahle, welche sic gar nicht schuldig war. Olga begnügte sich, die Bän­der oberflächlich zu betrachten, verweigerte aber aufS Be- stimmteste deren Annahme, da sie sich nur von ihrem Bräu­tigam Geschenke machen lasse. Margareihe hingegen sah jetzt nur gänzlichen Ruin oder die Etiiehnmg ihrer Tochter als nächste Zukunft voraus. An ihrer Stelle würden hun­dert andere Sk avinncn nickt geschwankt haben wie sel­ten siegt sogar in Ländern, wo der Mensch nicht das Ei- genthum Anderer ist, die Tugend über daS Interesse! aber sic besann sich keinen Augenblick- Olga war ihre Hoffnung, ihr theuerster Schatz, ihr Leben, ihr AlleS; sie betete inbrünstig und bat Gott um die Gnade, ihre Tochter den Schüagen dcs Verführers zu entziehen, oder ihr, falls dieß gegen seinen Raihschluß sein sollte, die Kraft zu ver­leihen, sterben zu können, unentweihl und unbefleckt.

Sic suchte hierauf den Pope ans, Iheille ihm ihren Kummer rmo ihre Trübsal mit und bat um seinen Segen und seinen Rath. Dieser war einer j uer lauen Priester, welche daS Guie weniger, um sich die Gnade des Himmels dadurch zu erwerben, als um des Vortheils willen thun, durch eine gute Handlumg in dem Ansehen ihrer Pfarrkin- der zu gewinnen, worauf sie unendlich ehrgeizig sind; er selbst hatte Gründe, sich über den Verwalter zu beklagen und ergriff daher um so begieriger die Gelegenheit, seinem persönlichen Hasse Genüge 'zu leisten, und zugleich sich da­durch das Verdienst eines guten Werkes beimcssen zu kön­nen. Er streckte daher sogleich der armen Frau das Geld vor, welches sie Andreas Petrowitsch schulden sollte, in der gewissen UcbcrMgnng, daß Margarethens Dankbarkeit da­für nicht verfehlen würde, diese edle Freigebigkeit überall auszuposaanen. Der Verwilrer aber, der es nun nicht mehr wagen mochte, eine Familie ferner zu verfolgen, wel­che der Pope so sichtlich in Schutz nal m, verbiß seinen Grimm und verschob die Ausführung s iner Pläne bis auß eine günstig-re Gelegenheit. (Fortsetzung folgte)