wie auch das noch nicht abgestorbene Feudalkastensystem auf die deutsche Sprache gewirkt hat, möge folgende Abstufung der Wortform für einen und denselben Begriff bienen.
Die Thiere fressen, der Bürger und Bauer ißt, wenn das Essen auf dem Tische steht. Der Aristokrat speist, wenn die Speisen aufgetragen sind. Der Monarch geruht zu speisen, sobald die Tafel servirt ist; denn Alles, was er thut, geruht er zu thun, d. h. er thnt Alles ruhend, um seine Verdauung nicht zu beeinträchtigen. Im Betreff des Essens zu verschiedenen Tageszeiten, so frühstücken die Bürger, essen ihr Mittag- und Abend- brod; die Vornehmen aber dejennircn, diniren und son- piren. Bei den magengesunden Wienern tritt noch der, Jausen (Nachmittagsgenuß) ein; bei den Engländern der Imnolioon vor dem viiumr, und bei den Russen die Sa- kuska, ehe man sich zur Tafel begibt.
Jede Zeit hat ihre Narren.
Im Jahr 1738 wurde ein Mensch in's Narrenhaus gesteckt, weil er behauptet hatte, in hundert Jahren werde man mit Blitz schreiben, mit Luft beleuchten, mit Licht malen und mit Dampf fahren. Und doch hatte dieser Mann Recht. Es gibt jetzt elektromagnetische Telegraphen, Gasbeleuchtung, Daguerreotypen und Dampfwagen. — Wir meinen, man sollte nicht abermals einen Abderiten-Streich begehen und die Leute in's Narrenhans einsperren, welche die freilich noch keckere Behauptung wagen, daß Deutschland, noch ehe 100 Jahre vergehen, einig sein werde.
Vom Rüdesheimer Weine.
Zu Ingelheim am Rheine Herr Karl der Große stand.
Und labte sich am Weine,
Beschaute froh sein Land.
Noch schmückten SchneegrwLnder Die Berge und die Au'n,
Cs war'n, wie Silberbänder Die Ströme anzuschau'n.
Doch wie sein Auge schaute Nach Rüdesheim hinein.
Sah er, wie dort schon thaute Der Schnee im Sonnenschein.
Da sprach Herr Karl, der Kaiser: „Wie muß es warm dort sein,
„Da Pflanz' ich edle Reiser „Und ernte Feuerwcin."
Was er gesprochen eben.
Erfüllte sich zur Stund',
Er ließ die schönsten Reben Sich holen aus Burgund.
Die wuchsen und gereihten Zu Rüdesheim am Rhein,
Gepriesen aller Zeiten Wwv dieser Kaiserwein.
Drum, wenn ihr sitzt beim Becher Pom Berge Rüdesheim,
Und singt als frohe Zecher Vom Rhein manch' gute» Reim, Dann dankt dem Kaiscrdclden,
Der in des Weines Pracht,
Wie alte Kunden melden.
Uns solch' Geschenk gemacht.
(Jllust. Fam.-Iournl.)
Probates Mittel gegen schwatzhafte Frauen in alter Zeit.
Bis zum Schluffe des vorigen Jahrhunderts war eS in der Stadt Mühlhausen im Elsaß Vvlksgebrauch, diejenigen Weiber und Mädchen, welche sich geflissentlich Klatschereien hatten zu Schulden kommen lassen oder sonst eines bösen Lenmunds beschuldigt und überführt wurden, einer eigenthümlichen Strafe zu unterziehen. Ein glatt behauener Stein mit folgender Inschrift:
„Zum Plapperstein bin ick genannt,
De» böse» Mäuler» wohl bekannt.
Wer vust zu Zank und Hader bat.
Der muß mich tragen durch die Stadt." wurde ihnen um den Hals gehangen, den sie, unter Hobn- gelächter der mnthwilligen Straßenjugend durch die Hauptstraßen tragen mußten.
A » e k d o t e n.
— Ein irischer Bauer kam zu seinem Pfarrer und theilte ihm in voller Angst mit, er habe einen Geist gesehen. „Wenn und wo?" fragte der Geistliche. „Vergangene Nacht, als ich bei unserer Kirche vorbeiging, bemerkte ich das Gespenst an der Mauer." „In welcher Gestalt erschien cs?" „In der Gestalt eines großen Esels." „Geht heim," erwiederte der Pfarrer. „Ihr seid ein furchtsamer Mann und seid vor Eurem eigenen Schatten erschrocken."
— Der berühmte schwedische Chemiker Berzelius kam von einer Reise nach Palästina nach Rom und befand sich, da die Reise mehr gekostet hatte, als er berechnet hatte, in einiger Geldverlegenheit. Ec klagte seine dürftigen Umstände einem gelehrten Cardinal, an den er empfohlen war und bat ihn um eine Unterstützung. Der Cardinal ricth BerzelinS: er solle eine Quantität des Strohes in Rom zum Verkauf ausbieten, auf welchem die Mutter Gottes mit dem Jesuskinde in Jerusalem geruhet habe. Als hierauf Berzelius ihm den Einwand machte, er habe kein solches Stroh ans Jerusalem mitgebracht, entgegnete ihm der Cardinal lächelnd: „In Rom ist kein Mangel an altem Stroh."
— Auf manchen Universitäten ist cs Sitte, daß beim Doctorexamcn der zu Promovirende zu dem Decan seiner Facultät gebeten wird, um da bei einem Glas Wein und frugalem kalten Souper die Probe seiner Kenntnisse abzulegen. Bei einer solchen Gelegenheit wurde eines Tages ein Student der Medici», dem man einen ziemlich ordinären Rothwein vorgcsetzt hatte, vom Professor der Chemie gefragt: „Sagen Sie mir, Herr Kandidat, welches sind wohl die Hanptbcstandtheile deS RothweinS, der da vor Ihnen steht?" Der Kandidat nippte an seinem Glas, verzog den Mund und erwiderte rasch: Vor Allem enthält er ein großes Quantum Gerbsäure." — Der Wein des Herrn Dekans soll von da an besser geworden sein.
Perantwoniiche Nednklio»: Hölzle. Druck und herausgegebcn von der G. Zaiier'schen Buchbandlunjz.