Allerlei.

Die Gebärdensprache.

* Ein inniger, noch nicht genug erkannter Zusammen» Hang findet zwischen den Tönen und den Gestalten statt. Je vollkommener eine Gestalt ist, desto reiner der Ton, der aus ihr hervorgeht. Die unorganische Welt ist noch lautlos, höchstens in dumpfen oder doch unklaren, ver­worrenen Tönen, im Rollen dcS Donners, im Rauschen dcS Wassers, im Brausen oder Häuseln deS WindeS ver­nehmbar^ Die organische Welt, in ihren untern Stufen, in Pflanzen und nieder» Thiercn, ist auch noch stumm, sie erhält dagegen eine Stimme in den höher» Organis­men, und im Menschen die Sprache.

Aber jeder Ton, und je reiner er ist, desto mehr, ruft auch eiue Gestalt oder doch, ein Bild hervor, selbst auS leblosen Stoffen. Die Alten, die Griechen wie die Hebräer, nannten in ihren Dichtungen sogar oft einzelne noch unklare Töne der leblosen Natur die Botschaft ei­nes liebenden oder zürnenden Gottes. Die neuere Wis­senschaft der Natur hat nun aber die sichtbaren Gestal­ten gefunden, welche einen klaren Ton begleiten. Es sind zwar nicht die Gestalten jener Götter der Mythe, aber es sind die Formen der organischen Welt, welche plötz- lich, wie durch einen Zauber, während der Dauer des TonS aus dem tönenden Körper in unübersehbarer Man­nigfaltigkeit hervortreten. Jeder tönende Körper theilt sich nämlich während deS TönenS in schwingende und nicht schwingende Theile ab. Die nicht schwingenden, ruhi­gen Stellen umgrenzen die bewegten und bilden in viel­fachen Bogen- und Wellenlinien eine Figur, den räum­lichen Auödruck deS Tons, das flüchtige Bild deS or- .gallischen. Lebens in der unorganischen Welt. Diese Thei- -luyg ded Körper in tönende und nicht tönende Stellen und diese Bildung von Figuren ist die nothwendige Be­gleitung und Folge eines jeden TonS. Nur ist diese Er­scheinung nicht bei allen so leicht zu bemerken, wie bei denen, welche aus schwingenden Glasscheiben sich ent­wickeln.

Diese Wechselwirkung zwischen Ton und Gestalt findet auch im Einzelnen, nicht bloß im Allgemeinen statt. Die Hähern Organismen der Thierweft, und insbesondere der Mensch, haben nicht bloß im Allgemeinen zugleich nift. ihrer höher» Gestaltung die Fähigkeit, Stimmen zu erzeugen, sondern eS entspricht auch jeder Veränderung ihrer Stimme eine bestimmte Stellung und Haltung ihres Körpers. Der Löwe kann nicht brülle», daö Pferd nicht wiehern, der Hund nicht bellen, ohne eine entsprechende Haltung des Körpers, .so daß man diese Thiere nicht bloß brülle», wiehern, bellen hört, sondern auch steht. Wie die Stimmen sich ändern, je nachdem sie Freude oder Schmerz, Zorn oder Zuneigung auSdrücken, ändern sich auch die Stellungen. deS Körpers. ' Man kann nicht bloß hören, mall, sieht, auch, ob die Thiere von Freude oder Schmerz, von Zorn, öder Liebe bewegt werden.

Aber noch unendlich reicher ist die menschliche Ge­stalt an Bildern der Stimme durch hie Gebärdensprache. Die Gebärdensprache des Menschen übertrifft die der

Thiere an Mannigfaltigkeit so vielmal als seine Stimme dir der unter ihm stehenden Organismen. Das eigcnt» liche Werkzeug deS Menschen zu dieser Uebertragung der Töne in Bilder ist die Hand. Die Hand ist für die Bildersprache, was der Mund für die Tonsprache. Durch die Hand erhält jeder Ton Gestatt. Nie»,and kann leb- Haft, bei gleichem Antheil deS GemüthS und Beistandes, sprechen, ohne daß er, selbst oft ohne eS zu wissen oder zu wollen, die Hand bewegt. Dicß zeigt sich besonders bei solchen Menschen, die noch mehr mit vollem Gemüth sprechen, bei Frauen, bei Ungelehrten, bei Allen im Zu- stand der Aufregung. Ließ zeigt sich aber wohl noch mehr bei den Nrvölkern, die, wie eS scheint, ihre Bildersprache in Ermanglung anderer Schrift auf Steine und andere Flächen übertrugen, deren mit Bildern bedeckte Denkmale wir noch heule staunend zu enträibseln uns bemühen.

Erst als der Verstand bei fortschreitender Bildung vom Gemüih sich loszutrennen begann, entstand, wie eS scheint, eine Art zu sprechen ohne lebendige Beziehung auf Gebärde», und zugleich durch die Buchstabenschrift eine Weise, Gedanken darzustellen, ohne innere Beziehung auf die natürlichen Bilder des Tons. So entstand jene Spaltung zwischen Ton und Zeichen, in der sich jetzt noch unsere Bildung fortbewegt. Sobald aber wieder daS Bedürfniß erwacht, aus der ganzen Kraft des Geistes, wobei Verstand und Gemüth eins sind, und zu dem gan­zen Menschen zu sprechen, so bald wieder das lebendige Wort über große Dinge bei den VolkSmassen Geltung erhält, so kommt auch die Gebärdensprache wieder zur Bedeutung, so darf der Redner nicht mehr die Hand ruhen lassen beim Sprechen, so betreten wir wahrschein­lich wieder den Weg zum Verständlich jener Zeichensprache der Urwelt.

Wir mögen zwar noch sehr weit von diesem Ziel entfernt sein.. Kaum ist das Bedürfniß deS lebendigen Wortes über große Dinge wieder rege geworden. Noch steht die auSschtteßenbe Herrschaft der Buchstabenschrift dem Fortschritt in einer frischen Zeichensprache entgegen. Aber doch ist eS wohl Zeit, an den großen Reichihum von Bildern zu erinnern, der in der menschlichen Hand liegt, auch wenn sie nicht mit Griffel und Pinsel bewaff­net ist, von Bildern, die bei jedem lebhaften Gespräch so schnell wie das Wort entstehen und vergehen, (Fortsetzung folgt.),

Artekd ot

Eine Obsthändlcrin in Berlin lag auf dem Sterbe­bette und schied sehr ungern von dieser Welt, in der sie so viele Früchte an den Mann gebracht hatte. Ihr Ehe­genosse stand etwas in Nebel gehüllt vor ihr und tröstete sie mit. den Worten:Jräme Dir »ich darüber, det De sterben mußtj. det findt sich AllenS, und et wird schon sehen! Seh 'mal, een Mal müssen wir alle irr unfern Leben sterben!"Schafskopp!" lispelte die Kraftlose und richtete sich mit Mühe ein wenig empor,det iS et ja eben I I, wenn man zehn oder zwölf Mal sterben müßte, denn wird' ick mir auS bet. eene Mal nischt machen."

LZkMilrortliche NedakiionH ö l z.l e. Dr»ff und herauSgegeben ven der G. Z a!se r'scherz Buchhandlu»