dm Papieren, welche auf seinen Tod Bezug batten. Eine tiefe, lange Ohnmacht war die erste Aeußcrung ihres Schmerzes; als man sie mit vieler Mühe wieder zum Bewußt- sein gebracht halte, stellte sich ein heftiges Fieber bei ihr ein, und ihr Zustand war beunruhigender als je. —
Etliche Tage später brachten die Eomitatspanduren einen Landstreicher, Jaros Naki, auf, der als Deserteur schon mehrerer Mordthateu und Brandstiftungen verdächtig gewesen war; allein dieser längnete bestimmt, jenen Reiter auch nur gesehen zu habe», obwohl er nicht läugncn konnte, daß er an jenem Tage sich in der Umgegend von Hciligenstatt befunden habe. Eine bedeutende Summe Goldes aber, über deren rechtmäßigen Besitz sich Jaros Naki, bei welchem man sie gefunden, nicht triftig genug auszuweisen vermochte, galt den gestrengen Herren als schlagender Beweis seiner Urheberschaft an jenem Raubmorde, und Jaros Naki wand in Oedcnbnrg in bester Form zum Strange verurtheitt. — ^
Aus das Gerücht von der Ermordung ihres zukünftigen Oheims waren die Grafen Peter und Ludwig ebenfalls herbeigecilt, um der Tante ihr Beileid über ein Ereigniß auözudrücken, das ihnen — obwohl es ganz zu ihrem Glücke ausschlug — doch gar nicht so willkommen zu sein schien, oder worüber sie wenigstens ihre Freude recht gut hinter der Maske des Mitgefühls zu bergen wußten.
„Ergib Dich in den Willen Gottes, Tantchen," sagte Peter, der als der Beredtere das Wort sührte, „es ist allerdings ein harter Schlag für Dich, allein, du lieber Gott! das kann ja allen Menschen begegnen. Erst gestern auf der Jagd hätte mich Ludwig aus purem Ungeschick um ein Haar erschossen — nicht wahr, Bruder?"
„Ja," versetzte dieser, gleichgültig mit den Ohren seines Jagdhundes spielend.
„Und obendrein, Lndmille," fuhr der ungebetene Tröster fort, „was solltest Du Dich darüber so sehr grämen? Du bist ja jung, schön und reich genug, um noch einen Andern zu bekommen; hundert brave Edelleute gibl'S noch, die sich gar nicht sperren werden, Dich in's Bramgemach zu führen; — nicht wahr, Bruder?"
„Freilich!" sagte Ludwig.
„Nie, niemals werde ich einem Andern angehören!" rief Lndmille, welcher diese plumpen Trostversuche die Größe ihres Verlustes noch begreiflicher machten. — Sie legie von nun an Trauer an, verbat sich alle Besuche, und äußerte gegen i. re wahren Freunde, daß sie diese traurigen Gewänder lebenslang nicht mehr ablegen werde. Ach, sie wußte nicht, wie gar cng begrenzt ihr Leben sein sollte!
Der schwere Verlust, welchen Ludmille erlitten, und der Gram um denselben halte das alte Uebel mit verdoppelter Heftigkeit zurückgerufcn, und sie fühlte bald gar deutlich, daß ihre Auflösung nicht mehr ferne sei. Sie wollte jetzt zuerst ihre irdischen Verhältnisse ordnen, um dann ganz ungestört sich auf ihr Ende und die Zukunft in einem schöner» Jenseits vorzubereiten; namentlich wollte sie Elisen, ihrer Pflegetochter, eine sorgenfreie, sichere Cristen; gründen. El se war, wie ich schon erzählte, sech- ^ zehn Jahre alt, u d unter der sorgsamen Leitung der Ba
ronin zu einer nach Geist und Körper gleich v.llcndeten, jugendlich frischen Schönheit herangewachsen; sie war — das hätte der gütigen Pflegemutter nicht entgehen können — einem jungen Manne, der schon seit einigen Jahren im Tone S. wohute und sowohl in Geschäften der Schloßherrin als auch seiner geselligen Talente wegen häufig im Hcrrenhause erschien, dem Juraten MikloS Vara von Herzen gut, und diese Neigung wie der Charakter des Gegenstandes derselben, den seinerseits ebenfalls eine wahrhafte Liebe zu der armen Waise hinzog, waren der Baronin die sichersten Bürgschaften, daß sie für die Zukunft Elisens nicht wohl besser sorgen könne, als wenn sie sich den stillen Wünschen der beiden jungen Leutchen füge und sie mit den hinreichenden Mitteln zu angenehmem, sorgenfreien Auskommen zusammeugebe. Schon im Stillen hatte Ludmille bei sich beschlossen, daß an demselben Tage, wo der Segen der Kirche sie mit ihrem Moritz vereinige, auch Elise mit ihrem MikloS zum Altäre treten sollte, und der Tod ihres Geliebten, der ihrem eigenen Glücke ein frühes Ziel setzte, durfte, ihrer Meinung nach, das Glück der Pfl gelochter nicht verzögern, um so mehr, als LudmillenS Gesundheit von Tag zu Tag sich verschlimmerte. Der her- beigerufene Arzt rieth zu einer Reise nach Jralien, allein Ludmille konnte sich nicht entschließe», anderswo zu sterben, als wo sie ihre glücklichsten, wie ihre traurigsten Stunde» verlebt, wo sie die Augen ihree theueen Mutter geschlossen hatte. Lange andauernde und wicdeekeh^nde Ohnmächten, verbunden mit fürchterlichen Krämpfen, erschöpften sichtlich vollends den Rest von Lebenskraft in Ludmillens schwachem, ätherischen Körper, und sechs Wochen nach Moritz'S Ermordung war sie mehr einem Schatten, als einem lebenden Wesen ähnlich.
Elise und die Wartefran saßen eines Abends am Bette der Dulderin, Eestere weinend aus einem Eebauu»„sbuche vorlesend, die Letztere schlummernd vor Ermüdung , da richtete sich die Kranke Plötzlich empor und. legte ihre abgezehrte Hand auf das Haupt der weinenden Elise.
„Warum weinst Du, Kind?" fragte sie mit leisem Vorwurfe; „gönnst Du mir nicht die nahe Erlösung von meinen Leiden, die Auflösung meines hinfälligen Leibes und die Vereinigung mit ihm, den mir der undurchdringliche Nathschluß der Vorsehung so frühe entriß?" — Die Weinende vermochte nicht zu antworten, sondern beugte sich schluchzend auf die Hand der Wohlthäterin, und ihre Tbrä- nen flössen heißer. „Over fürchtest Du vielleicht, ich l- sse Dich allein und hülflos zurück unter den bösen, herzlosen Menschen? Nicht doch, meine Liebe; ich habe Dir einen Beschützer bestimmt in einem Manne, den Du liebst und ! der Deiner Liebe werth ist: MikloS Vara soll Dein Gatte sein. Geh' mein Kind, rufe ihn, daß er meinen letzten Willen aufnehme!" (Fons, folgt.)
Auflösung des Logogryphs in Nro. 58:
Kleid.