Lange schon zeigte sich meinem Aeelenauge ein schreck­liches Ereigniß.

Als die Zeit der Verheirathung sich näherte, wurde Marie von Tag zu Tag ernster. Jetzt erst fühlte sie, wie schwer es ihr werden möchte, ihr Work zu Hallen; und endlich, zn einfach, zn kunstlos für Verstellung, gestand sie mir, daß sie. ein heimlicher Drang von ihrem Bräutigam entferne, daß ...... hier verstummte sie; doch ich

wußte, was sie nicht zu sagen wagte, und sie an mein Herz ziehend, empfing ich von ihren Rosenlippen den süßen Kuß der Neigung und Gewährung. Wir beschlossen, von dem älterlichen Hause zu entfliehen.

Die schon oben erwähnte Unwissenheit meines eigenen Schicksals verhinderte mich, zu erfahren, daß unsere Uebcr- einkunst von Mariens Bräutigam belauscht worden war. Wir hatten unsere Flucht für den kommenden Abend festge­setzt, der zugleich dem Tage ihrer projektirten Heirath vor­herging. Dieser Schlag traf ihn fürchterlich; Wuth, Eifer­sucht und Rache kämpften in seiner Seele, und von dein Augenblicke an, in welchem er unsere gegenseitige Liebe ent­deckt, und unsere Absprache vernommen hatte, las ich mit Entsetzen den verzweifelten Entschluß, der sein Gehirn be­schäftigte.

Denselben Abend noch den nächsten sollte sie mein werden dense.be^ Abend seilte Marie, unserer Verab­redung nach, ihren gewöhnlichen Spaziergang mit ihrem Bräutigam machen , und obgleich er während dem Tage düster geschienen, so hatte ich doch in seinen Gedanken nichts entdeckt, was mich hätte beunruhigen können; als die Dämme­rung aber angebrochen war, und er zu Marien kam, sie zum Gehen abzuholen, sah ich, kraft meiner Sehergabe, den ganzen Laus der Umstände.

Die Waffe, bestimmt, seinem Opfer den Tod zu geben, war in einer seiner Taschen verborgen; in der andern ruhte die Pistole, die seinem Leben ein Ende machen sollte.

Die Folge seiner Gedanken, seiner Entschlüsse lag klar vor mir, und mein Seöenange sah deutlich den Orr, an welchem er den doppelten Mord begehen wollte. Alö Marie den Garten zu verlassen im Begriff war, um ihm entgegen zn eilen, schlich ich ihr nach; ich bat, ich flehte, nicht von der Stelle zu gehen. Ich schützte ein Gewitter, ein Sturm vor ich erwähnte tausend mögliche Unglncks- sälle, die ihr aus dem Spaziergänge begegnen könnten; aber sie amwo.te.e, taß sie es Karl versprochen habe, und sie daher gehen müsse. Als ich mit Bitten nicht aushören wollte, fragte sie mich lächelnd: ob ich etwa eifersüchtig sei?

Nein, mein süßes Mädchen! sagte ich, Dein Leben, mir lheurer als das meine, hängt von der Gewährung meiner Bitte ab, hier zu bleiben.

Mein Leben? fragte Marie.

Ja, Geliebte meines HerzeriS! rief ich verzweifelnd aus: Dein grausamer Bräutigam will Dich ermorde»!

Karl mich ermorden? errigegnete sie ungläubig mid halb ärgerlich, bist Tu bei Sinnen.

Gewiss, gtwiß, ich weiß es! sagte ich, sie fcsthalteird.

DaS ist ja die höchste Tollheit, entgegnete Marie ruhig; bitte, laß mich gehen ich Hab' es versprochen

und will den Argwohn einschläftrn. Bin ich denn nicht die Deine?

Wenn Du gehst, bist Du verloren! antwortete ich. Bleibe, und die Wuth dieses Verrückten wird sich gegen ihn selbst wenden.

Was für Gedanken! sagte das halb zerstreute Mädchen. Laß mich gehen.

Ach nein, nein, Geliebte! was soll ich noch sagen, Dich zurückznhalten ?

Sage mir, wie und woher Du dich Alles weißt, und ich verspreche Dir, zu bleiben.

In meiner Macht lag eS nun, sie durch ein Geständ­nis; zu retten, dann aber war es um meine geistige Scherkraft geschehen; doch die Quelle meines Daseins, das Leben meiner Marie hing davon ab, konnte ich auch nur einen Augenblick im Entschlüsse schwanken?

Marie! rief ich, ich besitze eine übernatürliche Kraft, die Begebenheiten voraus zu sehen. Ich gebe sie auf, indem ich es gestehe! Bleibe! bleibe nun ....

In diesem Augenblick fiel nahe bei uns ein Pistolen- sttnß; wir stürzten nach dem Platze, von welchem der Schall gekommen, und fanden das unglückliche Opfer der Eifersucht sich in seinem Blute wälzend. Die Pistole, deren Bestimmung eS gewesen, meiner Marie das Leben zu rauben, hielt er in der krampfhaft geschlossenen Hand.

Von diesem Augenblicke an war meine Seherkraft verschwunden, und ich sah die Welt wieder auf dieselbe Art wie meine Mitgeschöpfe. Marie wurde mit Genehmi­gung ihrer Aeliern mein Weib, und als ich von der Kirche znrückkam, erblickte ich in Mm Gedränge vor dem Gasthofe des Dorfes meinen alten Fcenav: das grüne Männ­chen, das sogleich zn mir trat, und mir zu meinem be- ncivenswerthen Geschicke Glück wünschte.

Sir, sagte ich, und drückte dem Alien die Hand, ich danke Ihnen, und danke zugleich, daß Sie, aus eine mir in gewisser Beziehung unbegreifliche Art, die wilde Leiden­schaft meines Herzens geheilt. In meiner Unwissenheit begehrte ich eine Kraft zu besitzen, die sich mit unseren übri­gen Fähigkeiten und Geistesgaben, so wie mit der einmal feststehenden Ordnung der Dinge nicht vertragen kann. Ich habe nun durch Erfahrung gelernt: daß dem Menschen zn seinem Glücke eine Grenze des WiffrnS gesetzt ist; und ich werde für die Zukunft mit den Segnungen, lvelche eine weise Vorsehung über uns ausgicßt, vollkommen zufrieden sein, und nie mehr wünschen, die Grenze deS Wissens zu überschreiten, das uns schon so hoch über alle andere le­bende Wesen erhebt.

Eine sehr moralische und bcaneme Betrachtung, ent- gegnctc der Grüne, augenscheinlich ärgerlich über mein Mo- ralissreii. Ist Unwissenheit Seligkeit, dann ist ja weise sei»

Wahnsinn!

Ließ sagend, drehte er sich um, und verlor sich uuier der Menge.-

Jch kehrte nach Hanse zurück, gesegnet mit einem lie­benden Weibe, das Beste hoffend, die Vergangenheit be­nutzend, die Gegenwart genießend und meine Hoffnung der Zukunft auf Gott setzend.