Beipult, Tische und Stühle waren der ganze Inhalt. Am Fenster aber stand ein alter Mann, mit gramgcfurchtem Gesichte, mit weißem Haar und Bart, ohne Kraft in sei­ner Haltung, und schaute hinaus in den Abendhimmel, den die letzten Strahlen der geschiedenen Sonne mit leichtem Roth gefärbt. Er bemerkte den Eintretendcn nicht, der ruhig stehen blieb, und erst als das Roth des Himmels immer blässer wurde, als das Licht immer mehr von der Erde schwand und die Nacht sich über die Fluren lagerte, wandte er sich um. Da sink der Wanderer auf ein Knie vor dem Alte», küßte ihm den Saum des Kleides nud sagte leise:ich bin zurück, mein kaiserlicher Herr." Ter Alte sah lange den Knicenden an und sagte endlich:was bringst Du für Neuigkeiten? Was sa-,en die getreuen Fri sten, zu denen ich Dich heimlich sandte, daß sie ihren Kaiser er­lösen möchten aus Gefangenschaft und tiefer Schmach?" Der Augeredete schwieg, und Heinrich IV., Kaiser von Deutschland, und dies war der Gefangene, fuhr nach kur­zem Bedenken fort:Dein Schweigen ist mir Antwort ge­nug. Erhebe Dich, denn eS ziemt sich nicht, daß Du vor einem Manne kniest, den die Menschen ausgestoßen haben." Ec wandte sich ab und trat an das Fenster. Kurt, der treue Knecht, um 20 Jahre alter als der Kaiser, aber ihm treu ergeben von Jugend auf, vergoß heiße Thränen und sprach:o, daß ich solche Reden hören muß aus Eu­rem Munde, gnädigster Herr. Aber Ihr habt Recht. Die Menschen haben Euch ausgestoßen. Cure getreuen Fürsten sind nicht eingedenk, daß Ihr in mehr den sechzig Schlach­ten zum Siege geführt habt, daß Ihr das Reich mit star­ker Hand geschützt gegen die Zwietracht im Innern und die Anmaßungen von Außen. Wohin ich kam, Eure Noch zu schildern, fand ich taube Ohren, und sie drehten mir kalt den Rücken zu. Tie Fürsten, die sonst vor Euch sich beugten und Euch schmeichelten, wenn es galt, etwas zu erlangen, ließen Euren treuen Diener ohne Zehrpfennig von dannen ziehen, daß ich Noch und Entbehrung leiden mußte auf meiner langen Wanderung." Der Kaiser wandte sich um und sagte bitter:so arm bin ich geworden, daß ich meinen Diener klagen hören muß über sein Elend, daß ich nicht mehr die Hand öffnen kann für treue Dienste Lohn zu spenden. Was jammerst Du, alter Mann? Sieh' her, kaum sind fünf,lg Jahre über meinen Scheitel gegangen, und doch ist mein Haar weiß geworden von den Sorgen und dem Kummer, den mir das Leben brachte. Was jam­merst Tu, alter Mann, über die Undankbarkeit der Men­schen ? Sind sie doch nicht anders von Anbeginn der Welt. Aber ich muß weinen über die Undankbarkeit meiner Söhne. Ais ich barfuß und im Hemde zu Canossa vor meinem nnverföhnlichen Feinde stand, der mit Hohn auf mich herab sah, war ich nicht so elend als jetzt. Damals brüteten noch kräftige Pläne in meinem Kopfe, und der Durst nach Rache hob meinen Busen, die ich genommen habe, glän­zend, wie es dem t rutschen Kaiser ziemt. Aber was ich später erfahren mußte, hat mir die Kraft gebrechen, die mich damals aufreckt erhielt. Hat sich nicht Conrad, mein ältester Sohn, empört gegen mich? Er starb zu Flo­renz, verlassen und geächtet, in gerechter Strafe Gottes. Aber ist nicht schlimmer noch sein Bruder geworden? Habe

ich ihn nicht zu meinem Nachfolger wählen lassen? Aber er konnte den Tod seines Vaters nicht erwarten. Auch er empörte sich gegen mich und jetzt sitze ich hier, ein ar­mer Gefangener, zu Ingelheim in der kaiserlichen Pfalz, wo meine Vorfahren thronten in ihrer Herrlichkeit. Alter Mann, Du mußt nicht sprechen von der Treulosigkeit der Menschen zu einem Manne, an dem seine eigenen Söhne zu Verräthern geworden sind. Geh' auch Du von mir, ich kann Deine Treue nicht belohnen geh', verlaß mich daß die Nachwelt von einem Kaiser erzähle, der einsam gestorben ist, verlassen von allen Menschen." Der Kaiser warf sich ans sein Bette und sprach nicht mehr. Kurt aber ging nicht, sondern blieb die Nacht bei seinem Herrn, und manche Thräne fiel in seinen grauen Bart.

2 .

Die Wanderung.

Es waren mehrere Monaie seit jener Nacht vergan­gen , als zwei Wanderer am Ufer der Maas hinabzogcn. Sie trugen die Kleiber gemeiner Rcitersknechte und schrit­ten mühsam dahin, gebeugt von der Last des Alters, nie­dergedrückt von schwerem Kummer, ermüdet von der weiten Fußwanderung. Der Kaiser Heinrich IV. war cs, und sein treuer Kurt. Viel Bitteres hatte der Erste erfahren seit jener Nacht. Sein unnatürlicher Sohn hatte von ihm verlangt, er solle dem Reiche entsagen in einer feierlich öe- siegclten Schrift, daß alle Fürsten sein Recht aus den Thron anerkennen müßten. Ter Kaiser hatte sich geweigert. Da trennte der böse Sohn den treuen Kurt vou seinem Herrn, ließ die bisherigen Wächter, die es mit dem Kaiser gut gemeint, und auch damals dem Kurt zu seiner geheimen Sendung behülflick gewesen waren, durch lombardische Lanz- kncckte ersetzen, die ihm blind ergeben waren, und ließ so seinen Vater schmachten in tostloser Einsamkeit, entbehrend alles, was das Leben erst zum Leben macht. Da stand der arme Kaiser allein an seinem vergitterten Fenster, schaute hinaus aus das herrliche Thal, das der Rhein durchströmt, schaute die grünen Berge, mit Reben bewachsen, die blaue Luft, von fröhlichen Schwalben durchkreuzt, hörte das fried­liche Läuten der Abcndglocke, wann die Sonne Abschied nahm für die kurze Sommernacht von der blühenden Erde und das Herz des armen Gefangenen schwoll von unend­licher Sehnsucht. Bald traten das Gefühl des beleidigten Vaters, der Wunsch der Vergeltung für die Mißhandlung des Kaisers, die Träume von Macht und Hoheit in den Hintergrund seiner Seele, und der Wunsch frei zu sein, und wenigstens frei zu sterben, behielt die Oberhand bet ihm. So brach die Tücke des eigenen Sohnes den Stolz, deS Helden, den mehr als dreißig Jahre des Kampfes und deS vielfachen Mißgeschicks nicht beugen konnten.

(Schluß folgt.)

Auflösung deS RäthselS sin Nr. 34. DaS Heer.