Hand niedergesetzt worden war, hob Ahl, der Holzhauer eilig zum Hübelfritze, dem Geigenmacher, an: Na, Gott befohlen, Nachbar! ich muß eilen, daß er mir nicht ent­wicht. Mein muß er werden oder ich werde darüber zum Narren. Er rannte davon. Hübelsritze langte jetzt auS seiner Hosentasche die Fragmente eines bunten Tu­ches hervor, womit er sein schweißtriefendes Antlitz über­fuhr. Dann sähe er sich in seiner neuen Wohnung um.

Gute Nachbarschaft, Kamm-Kühn! sprach er und reichte seine Rechte einem Manne zu, welcher an dem Fenster der Seitenwand mit dem Fertigen von Ahorn­kämmen beschäftigt war.

Gute Nachbarschaft! fuhr Hübelfr-tze fort, die Hand­reichung bei deS Kammachers Ehefrau wiederholend, welche die gefertigten Kämme mit Lackfarbe überzog und polirle. Gute Nachbarschaft, Gtrickerjule! sagte er zum drutenmale, zu einer Jungfrau htnlretcnd, die an dem Fenster der Hiiuerwand vor einem großen Stickrahmen gebückt saß und die Nadel flink handhabte. Eine Frau, welche aus zehn und mehr allen Stücken den Anzug ei­nes erwarteten, neuen Erdenbürgers derzustellen beflissen war, empfing den letzten Gruß und Händedruck des Gei- genmachers, den in seine neue Wohnung einzuweisen der Hausherr jetzt erschien.

Scho» willkommen! sprach der Webermeister und ,ückte die weiße Zipfelmütze unmerklich aus dem Haupte. Er reichte dem Miciheman die Linke und bückte sich dann, um mit dem Stücke weißer Kreide in rer Rech­ten euren Doppclstrich auf den Dielen zu erneuern, »vel­arer die Stube rn vier, ziemlich gleiche Bezirke eimhciile.

Ließ Euer Winkel, Hübelfritze! sagte nun der Hausherr und hier Eure Grenze. Ich hoffe, daß Ihr keine Stänkereien bei uns anfangen werdet. Dieses Vier­tel ist zur Zeit noch unbesetzt und solltet Ihr einen rich­tigen Micchsmann für dasselbe wissen, würde ichs Euch schön banken.

Das vakante Viertel war das der Stubenthüre zu­nächst gelegene und darum fluch im Winler das kälteste, weshalo es sich am schwersten vermieihete. Sobald der Webermeistern, seine Stube rechts zurückgekehn war, rich­tete sich der Geigemnacher ein. Die Hobelbank schob er an bas zweite Fenster der Vorderwand und ding das Wandschränkchen, so wie sein Handwerkszeug, den Man­tel und die Tuckjacke auf bcreus eingeschlagene Nägel an dem Therle der Vorder- und Steinwand auf, weicher chm vom Witthe zugcsprochen worben war. Ein hölzencr Schemel und ein alter Polsterstuhl, welche der Geigen- wacher bereits früher erngeräumt hatte, machten mit Aus­nahme einiger Kleinigkeiten dessen ganzes Wirihschasts- geräthe aus. Indem Hübelfritze noch mir seiner Einrich- mag beschäftigt war, fiel sein Blick zufällig bei dem Kam­macher vorbei durch dessen Fenster, wobei er eine Schaar von Kindern enrdeckie, die, rn dem Alter von 2 dis 11 Jahren, tbci's barfüßig, tpeils mit dem bloßen Heinde, ryciis vollständig bekleidet, an derjenigen Seitenwand der Hütte versammelt waren, welche gerade von den Son- nenstrakleu beschienen und erwärmt wurde. Die Klei­neren saßen aus der Erde, wo sie spielten, Häuser bau­

ten und Backöfen gruben, die Größeren hingegen bemal- leu mit bunter Leimfarbe hölzerne Steckenpferde, kleine Schaukeln, Schubkarren, Wiegen und ähnliche Kinder- vergnügungen, die sie in die Sonne zum Trocknen auf- stellten und gegen das Betasten dee Kle.ncrei, hüteten.

Unsere kleine Gesellschaft? fragte der Geigenmacher seinen Nachbar.

Ja versetzte dieser. Die drei Farbenkleckser und der eine Hemdenmatz sind unser, und die übrigen fünf der Frau Nachbarin Weberlieb.

Gut! gur! lachte der Geigcnmachcr. Sie werden im Winler die Stube warm halten und uns mehr denn ein Klafter Holz ersparen.

Hübelfritze schloß jetzt sein Schränkchen auf, in wel­chem verschiedene Holzmersel, Bohrer, Schnitzer und an­deres Handwerkszeug in schönster Ordnung aufgehängt sich befanden. Auch lag auf denselben ein Gegenstand in eine alte, blaue Leinwanvschürze gewickelt, die der Gei- genmacher aus einander schlug und aus ihr eine neue, kaum erst fertig gewordene, Geige nebst Bogen zum Vorscheine brachte. Kaum daß er die Saiten zu stimmen begonnen und einige Striche darauf gethan hatte, so quoll durch die geöffnete Thüre eine jubillrcnde Kinder- schaar herein, die, obschon die Geigeniöne nichts weni­ger als einem Walzer oder Hoppser ähnlich klangen, paarweise sich erfaßte und tanzend in der Stube sich um- herschwenkie. Es strampelten die kleinen Barfüßler, cs flogen ihre Hemden, cS jauchzien und kreischten die kind- l-.chen Lippen, zum fröhlichen Lachen öffnete sich der Mund ^ und bar de» Ausspicler, mit der Musik fortzufahren. Doch nett und kunstgerecht bewegten sich die Füße eines et­was größeren Mädchenpaares, während die noch älteren > Knaben gleich Trampeltdieren auftraten und Alle über den Haufen zu rennen drohten. Und die beiden Mütter ! blichen auf ihre taiizfcrtigen Töchier mit beifälligem- ^ cheln und selbst die unermüdlichd Stickerin »pendele das ! Haupt von ihrer Arbeit weg, in ihren Gedanken Theii ! nehmend an dem fröhlichen Neigen. Die drei jungen Raphaele aber draußen, bereits gewöhnt an den Ernst der Arbeit und Ausdauer, begnügten sich, den Farben­pinsel »n der Hand, ihre Gesichter an dos Fenster zu legen und dem Tanze ihrer Gespielen drin in der Stube zuzuschauen. Sw kehrten sofort zu ihrer Malerei zurück, l als Hübelfritze die Geige und den Bogen hmlegte, so , wre auch die Tanzenden alsbald wieder aus der tzrule in'S Freie hinauestieblen. !

Ich behaupte, daß den Mädeln das Tanzen gleich angeboren wird sagte Hübelfntze.Sabct Ihr, Nach­bar, wie die beiden kleinen Kröten einen richtigen Hoppser tanzten? Heut zu Tage sollte es dem SatanaS nicht so leicht werden, das Weib rn den Apfel be>ßcn zu machen; ^ wenn er aber'nen Strauß aufspielte oder'nen Lanner vor- j pfiff, so tanzten ihm alle Weiber und Mädels nach, ging es dabei auch für »mmer zum Paradiese hinaus. Doch, Nachbar, habt Ihr heute nrchiö abzuiiefern? Ich gehe, meine Geige beim Böhme zu versilbern und neuen Em< ^ kauf zu machen. Seid Ihr dabei oder nicht?" !

(Fortsetzung folgt.)