Man versichert, daß die französische Kaiserin seit einiger Zeit sehr traurig ist und sich mit einem Entschlüsse herumträgt, der dem romantisch-frommen Gemüthe sehr angemessen ist, und dos um so mehr, als sie ihren Ge­mahl wirklich liebt. Sie sieht, daß sie daS Hindermß der Begründung der napoleonischen Dynastie sey, uitd will sich, nachdem der Pabst die Che aufgelöst, nach Nom in ein Kloster zurückziehen.

Dle bei den Schwestern.

(Forts-ßmig.)

Einige Monate später traf Eleonore ihre Mutter daheim in Thronen an

WaS fehlt Ihnen Mütterchen? fragte die Jungfrau besorgt.

Die Frau beantwortete diese Frage nur durch stär­kere Thränengüsse. So weinte sie, von Schmerz über­mannt, still fort, bis sie endlich erwiedern konnte:

Du wirst wohl meinen Gram ahnen, Lorchen! Ach, du wirst ihn wohl ebenso stark mit empfinden wie ich, nur daß du mehr Stärke besitzest, ihn vor mir zu ver­bergen.

Was meinen sie denn? versetzte Eleonore verlegen.

Verstelle dich nicht Lorchen! bat die Mutter. Be­gegnet mir eine Bekannte, so heißt eS: Ei, ei Frau Niev- ner muffen Sie sich immer noch mit der Wäsche herum- plagen? Sie haben ja eine Tochter, an die Sie Alle gewendet haben und die jetzt 800 Thaler Gehall bezieht. Thur sic denn nichts für Sie? Eine Andere murrt gif­tig auf dem Trocknenplahe neben mir: Es ist doch ent­setzlich, was für habgierige Menschen es gibt! haben 800 Thaler Einkommen, gehen in Samet und Seide einher, und nehmen unser Einem noch das Bißchen Verdienst weg. Im Tageblatte sollte man solche Nimmersatte bla- miren. In die Erde möcht ich vor Scham versinken, wenn mir der Gläubiger unsers seligen Vaters oder Herr Morelli begegnet, die beiden noch keinen rothen Heller abgezahlt bekommen haben. Ich darj's keinem Menschen klagen, daß, außer den 7 Thalern, welche Camilla uns von ihrem ersten Monatsgehalte schenkte, sie nichts weiter geihan hat, daß wir uns mühsam und kümmerlich von unsrer Hände Arbeit erhalten müssen.

Lassen sie die Leute reden, jo viel sie wollen trö­stete Lorchen. Ich mache cs eben so und thue als hörte ich ihre Lpitzreden gar nicht.

Aber du kränkst dich doch im Stillen! versetzte die Mutier. Warum ich aber gerade jetzt so sehr weinen mußte? Höre nur, Lorchen! Vorhin gehe ich zu Camilla, um sie zu bitten, dem armen Morelli wenigstens einige Thaler abzuzahlen. Da besucht sie eine andere Lpern- sangerin und da diese mich sieht, fragt sie: Was für ei­ne gute Frau haben Sie denn da bei sich? Sie ist meine Wäscherin! versetzte Camilla und wurde nicht ein­mal roch bei dieser Lüge. Vielmehr sagte sie, um diese zu beschönigen, zu mir: Sie sieht, liebe Frau, baß ich jetzt nicht Zeit habe. Kommen Sie morgen wieder! So verleugncte mich mein Kino vor den Leuten! Dasselbe, welches ich unter meinem Muttcrherzen gelragen, mir Schmerzen geboren, mit Sorgen groß erzogen habe; das

ich nimmer verleugnen würde und wenn cS als eiiie große Sünderin und als die ärmste Bettlerin vor mich hinträte. Das schmerzt bitter.

Und die Frau weinte wieder. Die Engel im Him­mel aber zäblicn unv sammelten diese Kummerthränen und trugen sie ein in daS schwarze Buch Camilla's, der schönen, allbcwunderten und vergötterten Sängerin.

Eines Abends trat Camilla in die kleine, mütterliche Wohnung, was sie noch nie gelban hatte. Sie sah sehr erhitzt und aufgeregt aus, streifte nach einem flüchtigen Gruße den rauschenden Atlasmantel von sich und r>ß den tbeuern Seidenhut vom Haupte, welchen sie auf den nächsten Stuhl hinwarf.

Lore! ein Glas Wasser! schnell! ich ersticke sonst noch! sprach Camilla hastig und fächelte sich mit dem gestickten Battlstiuche Lust in's gerölhele Antlitz. Mich so zu behandeln! Aber ich wtll mich dafür an den er­bärmlichen Nenschen rächen.

Was ist geschehen? Sprich, um Gotkeswillen! bat die erschrockene Mutier.

Glauben die Elenden, fuhr Camilla fort daß ich mich für lumpige 800 Thaler werde mit Füßen tre­ten lassen? Bitter sollen sie es bereuen, mich mißhandelt zu haben.

Mißhandelt? Mit Füßen getreten? fragte die Mutter und schlug entsetzt die Hände zusammen. Wer uniersteht sich das?

Wer? der Generalintendant, der Kapellmeister, die neidische AUegrini und noch viele andere Mißgünstige beim Theater -- versetzte Camilla. Schon längst habe ich dem Generalintendanten rund heraus erklärt, daß ich nicht länger für 800 Thaler diene. Da will man mir bloß 200 zulegen, während die Allegrini für ihre rumirte Stimme 2000 bekommt. Ist bas gerecht? Weil ich die Liebesaitträge des dürren, spindelbeinigcn Kapellmeisters Mazzini mit gebührender Verachtung znrückgewiesen habe, so schickanirt er mich seitdem aus alle ersinnliche Weise. Bald soll ich nicht bei Stimme seyn, bald keinen Takt Hallen, bald unrein, bald ausvruck.os, bald zu stark, bald zu schwach singen. Kurz! uh möchte in den Proben manch­mal aus der Haut fahren. Liber ich dulde bicß länger nicht. Ich gehe fort. Es gieb! der Bühnen in Deutich- land genug, die mich mit offenen Armen aufnehmen. Der Prophet gilt nun einmal nichts in seinem Vaterlande

Fort willst du? sprach die Mutter tu, ein junges unerfahrenes Kind? Ach, Camilla, folge mir; bleibe bier.

O Mutter! versetzte Camilla, ein Jahr bei dem Tbea- ter verlebt, beißt eine zehnjährige Erfahrung gemocht zu haben. Ich bin dadurch mehr als mündig geworden.

U.eberlege wobl, was du Ibun willst ricth die Mutter wohlmeinend und bevor du deine Stelle kün­digst. Tausend Thaler jährlich ist ein schönes Geld unv mancher stub-rie Rath hat nicht mehr.

Dafür kann er auch nicht singen versetzte Ca­milla. Doch ich muß fort. Lore! es sängt an, mich an den Hals zu frösteln. Borge mir ein leichtes Seiden- ,uch, jedoch dem allerbestes, damit es nicht zu sehr ge­gen meinen Anzug absticht.

Äerisetzung folgt^