ein Jahr später wieder in diese Apotheke. Der Prinzi­pal war nicht zugegen, statt dessen aber ein rothhaarigcr Gehülfe, der erst seit einem halben Jahre dort war. Der Gehülfe fragre nun den Bauern, ob er weit vom Orte wohne, weil er ihn noch nie gesehen, woraus der Bauer antwortete: Ja schauns, i wohn holt nit so nob bei der Stadt, aber i hob Sie doch schon g'sehen, wie Sie noch als Lehrbub in dem Rädchen gelaufen sind.

In Huesca (Spanien) war ein junger Mann ei­nes schändlichen Verbrechens wegen zum Tode verur- theilt, fand aber Mittel, sich vor dem zu seiner Hinrich­tung angesczten Tage selbst zu tobten. Der Richter in dem Orte kam über diese Vorerltgkeit des Verbrechers außer sich und damit dem Gesetze sein Recht werde, ließ er den Leichnam auf den Richtplatz schleifen, dort auf das errichtete Schaffst bringen, aus ernen Stuhl binden und von dem Scharfrichter unter allen sonst gebräuchli­chen Förmlichkeiten den Kopf abschlagen. Die spanischen Zeitungen machen mit Recht darauf aufmerksam, daß eine solche grauenhafte Leichenköpfung in der Welt noch nie dagewesen,, also wirklich etwas Neues unter der Sonne

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Die beiden Halbbrüder.

(Fortsetzung.)

Lass' uns schweigen von dem Schurken, fuhr die Mutter fort. Früher oder später wird ihn die strafende Hand GotteS erreichen. Von dem Pfarrer des Dörfchens, in dem ich mich aufhielt, erfuhr ich das schreckliche Ende meines geliebten Brüters und mehr dem Wahnsinn als der Verzweiflung nahe, wanderte ich eines Tages ohne bestimmtes Ziel rn die Welt hinein. Es war ein lieb­licher Frühlingstag, an welchem ich meinen seitherigen Aufenthalt verließ, ein Tag wie heute. Freundlich lächelte die milde Sonne von dem reinen, blauen Himmel der grünenden und blühenden Erde zu, und wer nicht gerade bis in den Tod betrübt war, mußte unwillkürlich ein­stimmen in den Jubel der Natur. Daß ich baS nicht konnte, kannst Du Dir leicht denken. Matt und müde ließ ich mich am Nachmittage auf einen Stein nieder, der an einem nach einem großen Marktflecken führenden Wege lag, und reichlich flößen meine Thronen. Da kam auf einmal ein leichtes, mit einem Pferde bespanntes Wäglein, daS ein einfach gekleideter Mann lenkte, daher gerollt. Als der gewahrte, wie traurig ich da saß und daß ich weinte, hielt er an und erkundigte sich mit einer Stimme, die von Mitleid und Herzensgüte zeugte, nach der Ursache meines Kummers, und ob er mir in etwas dienen könne. Ich schwieg; was sollte ich auch dem Fremden antworten? Dieser aber, dem da ahnete, daß er eine verlassene Unglückliche vor sich habe, stieg von seinem Sitze herunter, trat zu mir, und von meinem ju­gendlichen , aber traurigen und verzweifelten Aussehen gerührt, ergriff er meine Hand und drang so lange in mich, bis ich ihm antwortete. Was ich ihm damals ge­sagt, ist mir nicht mehr bewußt; das aber ist mir noch erinnerlich, daß er mich tröstete und michnöthigte, mich in seinem Wägelein, dessen Hinterraum nick allerlei- cken und Ballen angefüllt war, an seine Seite zu setzen. Wie wir nun zusammen dahin fuhren, erzählte er mir, daß er in dem noch drei Stunden entfernten Städtchen B. wohne und mit verschiedenen Artikeln, vornemlich mit Schreibmaterialien, das Land weit und breit bereise, und

daß er zuweilen in Monaten seinen Wohnort nicht sehe. Es war Nacht, als wir das Städtchen B. erreichten, und ein gewisses ängstliches Gefühl bemächtigte sich nun meiner im Hinblicke auf meme elende Lage. Ich seufzte tief auf, als das Fuhrwerk vor, einem ziemlich ansehn­lichen Hause hielt und war in großer Verlegenheit, was ich jetzt zu thun habe. Mein Beschützer übergab hier Pferd und Wäglein einem jungen Menschen, mit dem er zuvor einige Worte leise sprach, reichte mir dann den Arm und bat, daß ich Mich beruhigen möge; er wolle, fuhr er fort, mich zu Jemanden führen, wo tch gut auf­gehoben wäre. Cr thats. Eine alte Verwandte von ihm, die ganz allein in der Welt stand und die er großmü, thlg unterstützte, theilte ihre Wohnung mit mir, in wel­cher Du bald hierauf geboren wurdest. Mein Wohlthater blieb vor dem Wiederantritte seiner Handelsreise nur vierzehn Tage in dem Städtchen, während welcher Zeit ich ihm aber mit großer Aufrichtigkeit meine ganze,Le- bensgeschichte mittheilte. Als er nach zweimonatlicher Abwesenheit wieterkehrte, reichte er mir mit aufrichtiger Freundlichkeit die Hand, schaute Dir in das frische Ge- sichtchen und sagte mir, daß er in der Gegend von Ef- senfurl gewesen; er hatte durch ein Gerücht meine An­gaben bestätigt gefunden. Ein halbes Jahr später reichte ich ihm meine Hand, und der für uns unvergeßliche Au- wall war Dein Vater» wcinigstcns in den Augen der Welt. Es ist wohl unnöthig, Dich daran zu erinnern, wie liebevoll er Dich erzog, wie rastlos thätig er war, und ! wie er uns, hinübergehend in das räthselhafte Land, im Besitze eines Vermögens ließ, das uns eine unabhängige Stellung bereuet. Das ist's, mein guter Sohn, was ich Dir zu erzählen für meine Schuldigkeit hielt.

!Arme, arme Mutter!" bedauerte Ferdinand, die Sprecherin unterbrechen) und eine Thräne im Auge zer­drückend. Wie viel hast Du geduldet und gelitten! Edler ^ Auwall! Mit noch größerer Liebe werde ich jezt Deiner gedenken, da ich weiß, welche Opfer Du gebracht, indem Du mich, den Sohn eines Andern erzogst!

! Und nun wird Dir vollständig erklärlich seyn, nahm die Wittwe wieder erleichterten Herzens das Wort, warum ich so zusammenschrack, als sich jencrjunge Mann vor einigen Wochen als einen Baron von Suntenfeld zu erkennen gab.

Gewiß! versetzte der Sohn etwas zerstreut; dann, nachdem er einige Sekunden, wie in Nachdenken ver» funken, geschwiegen, fuhr er fort: Wunderbar; Hab ich doch beim ersten Blick für diesen Robert eine Art Sym­pathie verspürt, die mich mit Wohlwollen gegen ihn er­füllte, und diese Sympathie ist natürlich jetzt gewachsen, seitdem mir bekannt, daß ich durch die Bande des Bluts in nahen verwandtschaftlichen Verhältnissen mit ihm stehe. Auch mir ist vor einigen Tagen von Leuten, die zuweilen in das Schloß Sündenfeld kommen, gesagt worden, daß der junge Baron mit seinem Vater auf sehr gespanntem Fuße lebe, und das ist es gerade, was mir den Jüngling noch werther macht. Wer mit einem Manne, wie der alte Freiherr, in Frieden zu leben vermag, ist gewiß kein guter Mensch.

So ists, stimmte Frau Auwall bei. Nun aber, mein Sohn, fuhr sie, die Thüre wieder aufschließend, fort, nun aber muß ich Dich noch bitten, selbst gegen Deine Sckwester Dasjenige geheim zu halten, was ich Dir eben offenbart habe. (Fortsetzung folgt)