stes und der Ermuthigung; es fiel ihm durchs»« nichts ein, was er hätte sagen mögen, und so begnügte er sich denn damit, Elise um Erlaubniß zu bitten, da er in Eiscnfurt sehr besannt sey, in Auffindung deS HauseS der Frau Auwall behülflich zu seyn, welche B-tte denn auch ohne Ziererei gewahrt wurde.
Als der Postwagen in der eben erwähnten Stadt Halt gemacht halte, stiegen die Beiden aus und gingen gleich alten Bekannten durch die lebhaften Straßen. Bald standen sie vor der Wohnung der Wlttwe. Rodert wollte sich gerade von seiner interessanten Reisegefährtin verabschieden, da öffnete sich auf einmal die naheThüre, und ein schöner, junger Mann mit einem blonden Barte trat heraus; es war Ferdinand Auwall, der vor zwei Stunden aus Brüssel zurückgekehrt war. Er erkannte alsbald Elise, die er vor einem Jahre gesehen, bewillkommnte sie auf's Freundlichste, und als er erfahren, auf welche Weise sich der fremde Jüngling ihrer angenommen, nölhigte er diesen so lange, bis er einwilligke, mit herein in die Wohnung seiner Mutter zu gehen. Selbst einem oberflächlichen Beobachter wurde eine gewisse Aehnlichkeit in den Gesichtszügen der beiden jungen Männer nicht entgangen seyn; ich sage in den Gesi vtS- zügen, denn in sonstiger Beziehung waren sie in ihrem Aeußern sehr verschieden. Robert war z B. stämmig und untersetzt, Ferdinand hochgewachse» und schlank; Ersterer hatte dunkles, Letzterer blondes Haar u. s. w.
Frau Auwall, eine Vierzigerin, und ihre Tochter Eleonore, ein lebcnsfrischeS, munteres Mädchen, nahmen Elise mit der größten Herzlichkeit auf. Zuletzt erkundigte sich Ferdinand nach dem Namen seines neuen Lekannien. Kaum hatte Letzterer aber die Morre Robert von Sündenfeld über seine Lippen gebracht, als Frau Auwall einen leisen Schrei auSstieß und einige Schritte zurücktrat; auch Ferdinand war blaß geworden, hatte sich aber bald wieder geMl und den jungen Baron gebelen, er möge das Benehmen seiner Mutter, das durch gewisse unangenehme Erinnerungen hervorgerufen worden, an denen er jedoch keinen Anrheil habe, entschuldigen.
Eine Viertelstunde nach diesem Vorfall empfahl sich Robert der Familie Auwall und Elisen und fuhr bald hierauf mit Ertrapost seinem väterlichen Slammschlosse Sündenfeld zu.
Am Morgen nach seiner Ankunft ward der relegirte Sind. jur. vor seinen gestrengen Herrn Vater beschieden. Derselbe saß behaglich m einem Armstuhl, dessen Ueber- zug aus kostbarem Sammt bestand, trank Chocolade und rauchte eine Havannacigarre. Die düstern Wolken aber, welche über der Stirne des alten Freiherrn lagerten, verküadeie» den nahen Ausbruch eines Gewitters.
„Hölle und Teufel!" brummte er, als er sah, wie furchtlos, offen und grade Rodert vor ihm stand; Hölle und Teufel! ich glaub gar, der Kerl sieht seine Schand- lichkciren nicht einmal ein. Bursche! donnerte er nun seiner Gewohnheir nach mit überlauter Stimme, Bursche! erkennst Du jetzt die Folgen Deines Umganges mir den gemeinsten und liederlichsten Studenten der Universität?!
Verzeihung, Vater! entgegnete Robert mit Ehrerbietung, ich wählte meine näheren Bekannten und Freunde unter den sittlichsten Jünglingen.
Hölle und Teufel! brach der Alte nun wieder los. SittlicheJünglinge! — hm! — hm! — Nein elende Lcma- gogen sind Deine sittlichen Jünglinge, und Du bst auch
einer davon. Menschen seyd Ihr, welche, kaum hinter denOhren trocken, die Welt umkehrcn und die Herrschaft des Pöbels heraufbeschwören möchten! Hölle und Teufel? wie beschimpfst Du Deine Ahnen! 's ist wahrlich zum Tollwrvden — der Sprößling eines der ältesten Adelsge- schiechter des Landes» ein Sündenfeld, kann sich so tief erniedrigen, Leute wie Bassermann, Welcker, Hecker und Jtzstein zu bewundern, Leute, die darauf ausgehen, die erbliche Aristokratie zu stürzen und die Gewalt der Fürsten zu beschranken, die in jeder Kammersitzung nach ! Preßfreiheit schreien und auf die Menschenrechte pochen,
I die nicht selten sogar mit einer bevorstehenden Revolution i drohen — in's Gesicht solltest Du solchen Menschen speien.
Das wäre ja russisch, Vater, bemerkte Robert, und russisch will ich bei Gott nicht werden.
Immer besser russisch geworden, wie heckerisch oder bassermannisch, fuhr der aufgebrachte Vater fort- In Rußland hat der Kaiser noch Macht, da gidls kerne -Demagogen, keine Lanttagsredner, und nur der Adel und d e Soldaten haben dort Geltung, und wer sich regt, kommt nach Sibirien, einem Lande, das auch ein herrlicher Aufenthalt für die unruhigen Köpfe in Deutschland wäre. Da machte sich vor einiger Zeit der Ab- ' geordnete Bassermann auf der Tribüne breit, sprach von ! der Noihwentigkeit deutscher Einheit und beging sogar ! die Lhorheit, die Gründung eines deutschen Parlamentes !als erne nützliche Sache hinzustellen. Dann salbaderte der Welcker davon, wie wenig Achtung die Deutschen im ! Auslande genösien, und Gott weiß, was er all noch weiter von Preß- und Lehrfreiheit schwatzte. Wären solche Leute denn nicht für Sibirien reif?
§ Diese Männer haben nicht Unrecht, Vater! versetzte Robert mitRuhe. Ein Parlament wäre ein mächtiges Elnheitsdand für unser zerrissenes Vaterland. Vor eenem Volke aber, das seine innere Freiheit nicht zu ' verlheitigen und selbst seine beidenHauprströme nicht frei zu machen we-ß, vor einem solchen Volke kann auf die Dauer Niemand Achtung haben.
l „Bursche, Du bist durchaus verdorben," rief der Freiherr, sich von seinem Sitze erhebend, aus. Schade, - daß sie Dich nicht schon lange fortgejagt haben — da ' warst Du vielleicht
noch zu retten gewesen; aber was ! nun jetzt? Gut —ich hab'S. Diesen Sommer bleibst Du hier unter meiner Aufsicht, und künftigen Herbst gehst Ln nach Wien und sehest dort Deme Studien unter ! der speziellen Aufsicht Deines BruderS fort. Eine Aufsicht ! wird aber am Ende in der Kaiserstadt gar nicht nöthig seyn, denn der Metternich hat eine prächtige Ordnung m Oestreich geschaffen. Da will ich'S Keinem gerathen haben, öffentlich über Politik zu reden; Niemand spricht da von Menschenrecht, Freiheit u. s. w. Darum herrscht in Oestreich allein die tiefste Ruhe, während es allenthalben gährt. O, der Metternich ist ein göttlicher Mann. Also, Bürschchen, künftigen Herbst gehr's nach Wim.
Das wird eine ganz angenehme Veränderung für mich avgeben, sagte Robert; ich muß Sie aber im Voraus daraus aufmerksam machen, Vater, daß der Metlecmch- sche Absolutismus meine politischen Ansichten schwerlich ändern wird, im Gegentheil dürfte er meine liberalen, der Würde der Menschheit angemesseneren Grundsätze nur noch mehr befestigen.
„Hölle und Teufel, Bursche!" grollte der Freiherr. Jehi geh, s'tst genug für heute. (Fortsetzung folgt.)