gezogen; zwei Regimenter sind im Angesicht deS Königs zu den Aufständischen übergegangen. Der englische Ge­sandte rieth der Königin zur Nachgiebigkeit, und schon ist ein neues Ministerium mit dem Feldmarschall Sal­band» an der Spitze ernannt. ES ging daS Gerücht, die Königin werde abdanken müssen.

Die Wetterheiligen Pankratius und Servatius ha­ben zwar die Gärten und Felder mit Frost verschont, dagegen war aber der Himmel sehr trüb und eS fehlte weder an Regen, noch an Kühle. Während Pankraz einen sonnenhellen Morgengruß bot, sich aber dann in Nebel hüllte, ist Serva; mit einem heftigen Sturmwind in'S Land gekommen. Vielleicht will er die trüben Wolken verjagen und freundliches und beständiges Maiwetter herbeiführen, waS gut wäre.

Dorina.

(Fortsetzung.)

So schwer eS dem Oheim fiel, sich von seinem Nef­fen noch einmal und auf so lange Zeit zu trennen, so wollte er rhm doch diese Bitte gewähren und nachdem Otto an dem Grabe seines Vaters gebetet und den ge­liebten Abgeschiedenen um seinen Segen zur Verbindung mit seiner Dorina angeflehet hatte, nahm er von seinem Oheim Abschied und eilte so schnell es seine Pferde ver­mochten,, nach der Schweiz, um das Glück, daS ihn in Dorina's Armen erwartete, nicht länger entbehren zu müssen.

Dorina's Freude bei Otto's Ankunft war eben so groß, als ihr Schmerz bei seiner Abreise war. Otto kaufte ein freundliches Landhaus, daS >n dem Thale/ nicht weit von Dorina'S Häuschen, stand. Nachdem er alle Anstalten getroffen hatte, feierte er seine Vermählung mit ihr. Wie glücklich beide Liebende sich nun fühlten, wie so ganz sie sich ihrem Glücke Hingaben, bedarf kei­ner Schilderung wer selbst solche Augenblike durchlebte, kann ihnen nachempfinden.

Zn diesem Glücke schwelgten sie, ohne sich darin durch irgend eine Sorge für die Zukunft stören zu las­sen. Otto's einzige Beschäftigung war die Malerei und das Lesen schöner und nützlicher Schriften, in Gemein­schaft mit seiner Dorina; aber ihr reines häusliches Glück mußte doch irdischem Wechsel unterliegen. Do­rina's Mutter, die immernoch in ihrem Häuschen wohnte, welches sie, den dringendsten Bitten ihrer Kinder ungeach­tet, nicht verlassen hatte, ward plötzlich krank und bei ihrem hohen Alter an eine Genesung nicht mehr zu den­ken. Mit stillem Schmerze sah Dorina der nahen Tren­nung entgegen und selbst Otto's zärtliche Liebe war nicht im Stande, sie ln ihrem Schmerze aufzurichten.

Von Tag zu Tage ward die Mutter schwächer. Eines Morgens ließ sie ihre Kinder vor sich kommen. Ich werke Euch bald verlassen, sagte sie und darum will rch Euch zuvor noch ein Geheimniß, das meine Dorina betrifft, mirtheilen.

Weinend lag Dorina vor ihrem Bette auf den Knieen, mrt stummem Schmerze sah Otto auf sie beide und die Mutter fuhr fort: Sey ruhig, meine gute Do­rina, gräme Dich nicht zu sehr, ich hätte zwar gerne noch einige Jahre Dein Glück getheilt, Gott wollte es an­ders, doch mit leichtem Herzen gehe ich aus dieser Welt, denn ich weiß Dich ja in den Armen Deines Otto glück­

lich; ich fühle so ganz die Wonne einer Mutter, die ihr einziges, geliebtes Kind glücklich sieht, obschon ich nicht Deine Mutter bin!

Was, rief Dorina zitternd und mit dem Ausdrucke des tiefsten Schmerzes, was, Du nicht meine Mutter? Du wärest nicht meine Mutter ? nein, nein sagte sie, Du bist meine Mutter, ich habe ja sonst keine Mutter, als Dich!

Erstaunt hörte Otto die letzten Worte der Mutter und mit schwächerer Stimme fuhr diese fort: Sey zu­frieden, meine gute Dorina, vielleicht findest Du Deine Ellern wieder, sie werden Dir dann vielfach ersetzen, was Du an mir verloren hast; aber fasset Euch, Kinder, ich fühle mich immer schwächer, meine letzten Augen­blicke sind gezählt und ehe ich von Euch scheide, will ich Euch von Dorina's Geschichte erzählen, was mir da­von bekannt ist:

ES sind nun 18 Jahre, als ich eines Abends vor meiner Wohnung saß und mich mit einer Handarbeit beschäftigte; es war schon spät und ich wollte eben in mein Stübchen gehen, da kam ein Mann auf mich zu, auf seinen Armen lag ein schlafendes Kind, und bat mich, solches bis morgen bei mir zu behalten und zu pflegen, weil er noch heute Abend in die nahe Stadt müsse, wo er ein unaufschiebbares Geschäft habe, morgen käme er wieder zurück, dann wollte er das Kind wieder adholen. Gerne erfüllte ich die Bitte dieses Mannes, ich nahm das Kind zu mir und der Mann entfernte sich. Als ich in mein Stübchen gekommen war, betrachtete ich das holde Kind, das darüber wach wurde, näher, lächelnd blickte es mich an und, als sey ich seine Mut­ter, so liebend schmiegte eS sich an mich. Halb und halb wünschte ich, der Mann möge nicht wieder zurückkommen und mir das liebe Kind lassen.

Mein Wunsch ward erfüllt, denn ich sah den Mann nie wieder. Des andern Morgens fand ich auf dem Boden ein Papier, das auS dem Kleidchen des Kindes gefallen seyn mußte. Ich hob eS auf, eS war ein Schrei­ben an mich, worin man mich bat, das Kind zu erzie­hen und es wie mein eigenes zu pflegen. Ich dankte Gott für daS holdeKino und pflegte es wie eigenes. Du warst dieses Kind, meine Dorina. Nach jenem Schreiben ist Dem Vater ein deutscher Graf, der, seinen Pflichten als Soldat gehorchend, in sein Vaterland zurückkehren mußte, ohne Dich mitnehmcn zu können. Hier ist dieses Schreiben sagte sie, indem sie Otto selbiges überreichte, auch dieses Medaillon hier hatte Dorina bei sich, nimm es zu Dir, vielleicht kann Euch Beides noch einmal von Nutzen seyn.

Gott! sie ist meine Schwester! schrie Otto, als er das Blatt gelesen hatte und verzwe felnd stürzte er zum Zimmer hinaus. Besinnungslos fiel Donna, als sie Otto'S Ausruf hörte, vor dem Bette der Sterbenden nieder; ihre Dienerin eilte herzu, man trug sie hinweg und nur mit unsäglicher Mühe gelang es dem in der Eile herbeige- ruscnen geschickten Arzte, sie wieder in daS Leben zurück­zudringen.

Die Mutter war verschieden, als man sie, iheen dringenden Bitten nachgebend, an ihr Bette gedacht hatte; die schreckliche Entdeckung, daß Dorina Otlo'S Schwester sey, hatte den nur schwachen Faden, der sie noch an daS Leben hielt, zerissen.

(Schluß folZ.)