fer geworden, und deren Grundsätze noch habe, auch dar­auf zu sterben gedenke, da war bei dem alten, äcbtprote- stantischen Adam alle Liede, alle Bruderkreue gewichen. Er entfernte sich mit Abscheu vor >hm, und verbat sich, daß Melchior ihn inskünftig nicht mehr Bruder nennen dürfe. Und so er seinen Familiennamen mißbrauche zu seinem gottlosen Sekcenwesen, so würde er selbst, wenn es darauf ankämc, ihn erwürgen mit eigener Hand, so es in seiner Macht stünde. Ruhig Hörle diese Drohung der vielerprobte Melchior an; gelobte seinem Bruder, ihm nie zur, Last zu fallen und begab sich zu einem Verwandten mütterl cher Seit», Namens Hopphan, der den Eingekehr­ten freundlich aufnahm, ihm wegen seiner Lehre nichts entgelten ließ, und der auch im Stillen den Grundsätzen seines Vetters bestens zugelhan war. Aus diesem Her­gang läßt sichs erklären, warum der Herzog später das Todesurtheil über den Pilgrim von Jerusalem aussprach. Erst suchte sein Bruder den Fremdling mit Güte aus Stuttgart auszutreiden, und versprach ihm eine ansehn­liche Summe Reisegeld und eine alljährliche Geldzubuße, so er ferne von dem Herzogthum seinen Wohnsitz nähme. Als aver diese Gute nichiS fruchtete, da wurden Drohun­gen angewendet, die aber alle an dem unerschütterliche» Charakter des Melchior Hoffmann scheiterten. Den Rektor kostete die Einkehr seines Bruders bemahe das Leben, ob­gleich Melchior weder seine Verwandtschaft zu dem hohen geistlichen Herrn Jemand anverlraute, noch daß er von ihm durch eine Belästigung wegen Unterstützung behelligt worden wäre; denn Melchior lernte in eben der Herberge zur Sonne am ersten Tag seiner Einkehr einen gewissen Langermantel, Patrizier aus Augsburg und später Bür­germeister daselbst, nebst seinen Reisekollegen Gerhart Geldenhauer aus Niemwegen kennen, die ihn in der Folge namhaft unterstützten und zur Ausbreitung seiner von ihm geäußerten Lehren dringend aufmunterlen.

Ebenso hatte Melchior Hoffmann einen treuen Freund an Johann Dieterich von Bubenberg, Bürgermeister zu Steenwick, diesen kannte er von Landen aus schon viele Jahre her und erhielt von ihm einmal gar fünfhundert holländische Dukaten zur Benützung für die Zwecke der Wiedertäufer. Sodann unterstützte ihn mit vielem Gelte ein gewisser Heinrich Nikolai aus Münster gebürtig, der noch zu rechter Zeit dorren mit seinem Reichthum entwich, sich nach Hollano und von da nachher nach England be­gab, nnd daselbst das Haus der Liebe stiftete. Viele Wo­chen wobnete Melchior Hoffmann in großer Stille und Eingezogenheit zu Stuttgart unter dem Namen Pil­grim aus Jerusalem. Er suchte Kranke jeden Standes unermüdlich auf, tröstete mir christmildigkayt vnd demuthei, stärkere den zwyfflern ihren schwachen Glauben, pflegete die Kranken und gav mit blendlicher schenkerey Almosen den Armen und Dürftigen; Keiner ging leer bei ihm aus, in weßmaaßen anlcyhen vnd grimmigkayt er zu ihm kam, seis mit Rath oder Thal, bei Tag oder Nacht, da stand er liebevoll bereit. Sein häusliches und öffentliches Be­tragen war musperlich vnd gallig. Doch wollten chm die Prediger zu Stuttgart kein Zutrauen schenken, besonders warnte Herr Magister Hans Epp vor der reissenden Bestie in fromem vließ. Auf all diese Anfechtungen gab Hoff­mann keine Antwort und kümmerte sich um Verunglim­pfungen wenig oder gar nichts. Ja er gab ,sich immer mehr und mehr Mühe, edler und gottesdienstlicher zu leben und zu handeln. Dadurch gewann er sehr viele Herzen,

geringen und vornehmen Standes. Geld fehlte ihm nie und so viel er auch haben mochte, so bezeuget wenigstens Caspar Späth, Forstmeister dahier, in dessen Haus (jetzt Mezger Gärtners Haus in der Hirschgasse) er wohnte, bat er doch nie stolziglich sich überhoben, sondern batte allzeit den weisen Spruch inner Liebes Kindlein, bl»b allweg im nieder» Stand; denn je mehr du dich demüchi- gest, desto höher wirst du erhoben werden. Sein Früh­stück war ein stückle rukkedrodt vnd ayn krigle newbronn» awö demp klosterhof driben (Bedenhäuserhofdrumien) so er selbst dorten füllte. Mit frommem Psalmen begann er seine vielen Scripturen, die er weitfernnig entsandt. Sobalv er solche Geschäfte abgerhan hatte, ho» er an syn» Kammer den rukk zu kehren vnd sich off: kagläwfftig ncm» sehn zw lassen. Mit der Vesperglock fand er sich unter Dach wieder ein und stieg mylt from gesewffzt darnach» zw bett. Also verging der Sommer 1540. Unterm K. August dieses Jahres kaufte der Pilgrim das über dem Zwecrgäßlein nächst gelegene Eckhaus, in der Hirschgasse, ließ darin mehrere Stüblein einrichten, ohne daß Jemand wußte, wozu das alles seyn solle. Unten waren zwei große Gemacher, in dem einen derselben gab er Kindern beiderlei Geschlechts Schulunterricht und in dem andern hielt er Betstunden für Erwachsene, vsrheiralhen und ledi­gen Grandes. Eine Stiege hoch nahm er Kranke auf und pfleate ihnen mit Hilfe einer Engela Sayier, uner­müdlich Tag und Nacht. Und so ayns der ellendigttzea sturd, tiß er sie bestatten ehrbarlich und bettete statt dem Gräbher, ayn from nitvor üblig gebert. Dieses Thu» machte bald gar groß Aussehen zu Stuttgart und sein Wohnhaus war in kurzer Zeit fast zu klein für Fromme und Neugierige. Aber es erwuchs dadurch unter den Lehr- vögren und hochgelohrten Theologen großer Neid gegen den aynnistling und er wurde beim Magistrate hochsurst- iicher Residenz als ein Neuerer verklagt, der weder augs- burgisch, noch römisch, noch kalvnnsch feie, wohl aber »n Splzsindigkeitenkrämer, der Landesverweisung verdiene. Es blieb jedoch vorderhand bei dieser Klage und d» Pilgrim waltete ruhlg in seiner Anstalt fort, die immer mehr und mehr erstarkte und bei den Einwohnern von Stuttgart in guten Klang kam. Er bekam von Bürgern und Ballcibeamten größere und kleinere Unterstützungen an Geld und Naturalien, ja Herr Jakob Harigel und Hans Luz, vulgo Weinsdergler, beide deS RatheS Mitglieder, schenk­ten ihm je einen Vierling Wein, sogenannten Himelshonicb. Das war ein köstlich gwächß; denn das Jahr 1540 ist (sagt Sreinhofer) ein sehr dürr-und heiffer Sommer ge­wesen, deßgleichen man in langer Zeit nicht gehabt, und darinn ein Uebersiuß und Ausbund an Frucht und Wein gewachsen; doch seynt von der Httz viel Trauben eindorrt; Um Bartholomäi hat man die frische Trauben ablesen, und die dürre Einsoker stehen lassen, hernacher aber hat es eine gute Durchfeuchte geben, wodurch die stehenbliebene dürre Träublein wieder ausgeivssen, und frisch worden, also daß man zum andermal gelesen, und ist der letzt Wein besser als der erstllche worden. Und galt der Eimer vom guten 2 fl. 40 kr. Als Welch or den guten Fortgang seines Unternehmens sah, rückte er langsam einen Schritt weiter. Er nahm Männer und Weiber in sein Haus aus, die ihr Vermögen ihm in Hände gaben und dafür Lebensunterhalt und Pflege in kranken und gesunden Ta­gen in seiner Anstalt anzusprechen hatten.,

(Die Fortsetzung folgt.)