habeer nicht den mindesten Laut mehr vernommen, cs habe vielmehr Grabesstille geherrscht! Möchte diese Mircheiiung dazu beitr.agen, den furchtbaren Schmerz zu lindern, dem jeder Fühlende, besonders aber die leider große Zahl von schwer betroffenen Hinterbliebenen preis- gegeben ist.

Ueber die außerordentliche Anstrengung und Ausdauer der von allen Seiten herbeigeeilten Hülfe haben wir uns bereits in unserem ersten Bericht ausgesprochen; es herrscht darüber nur Eine Stimme, und wir dürfen wohl sagen, daß in dem Maße, als das Unglück groß und die Ge­fahr drohend war, es auch die Hülfe gewesen ist, und daß Viele, ja gewiß Viele fast über ihre Kräfte sich an­gestrengt haben, um Menschen zu retten. Wir erachten cs als eine heilige Pflicht der Presse, die uns bekannt gewor­denen Beispiele aufopfernden Muthes und kühner Todes­verachtung um Menschenleben zu retten, unfern Mit­bürgern bekannt zu machen. So hat der Sänger Rle-! gcr aus Stuttgart mehrere Mädchen man sagt 5 bis 6 welche sich durch eine Fensteröffnung nach dem innern Hofraum zu retten gesucht, auf dem Dache des anstoßenden niederen Gebäudes ausgefangen, und, während sich die Flammen rings um ihn verbreiteten und er selbst, ein Familienvater, jeden Augenblick in Lebensgefahr war, in Sicherheit gebracht; es war eine heldcnmütbige An­strengung, in der ihn Schauspieler Hock unterstützte und in einem entscheidenden Augenblick Hrn. Ricger selbst vom Sturze in die Flammen errettete. Auf der andern Seite stiegen Oberlieutcnant v. Peternell und Hanptmann v. Degenseid, beide Familienväter, auf Leitern rm innern Hofraurn, als das Gebäude schon lichterloh aufbrannre, an der äußern Mauer hinauf, um in größter Selbstver­leugnung und edelmüthiger Aufopferung einen Versuch zur Rettung des Arbeiters aus der Kcßler'schen Fabrik zu machen, der in einem Fenster des vierten Stockes in den Kniekehlen hängend später langsam verbrannte; sie muß­ten darauf verzichten, ihn zu reiten, da der Unglückliche von Innen von andern Opfern an den Deinen festgehal ten wurde und» sich nicht losmachcn konnte, wahrend unter ihnen die Flammen zu den Fenstern hcrauSschlugen. Der Geistesgegenwart und mulhigen Entschlossenheit des RecktS- Praktikanten Gustav Kärcher verdanken mehrere Personen ihre Rettung. Derselbe wußte sich nämlich eine Art zu verschaffen und kam, durch eins seltene Fügung des Him­mels mit den Gängen vertraut, die er Morgens erst hatte kennen lernen, an eine verschlossene Thure, hieb sie ein und eilte trotz Dampf und Qualm eine Treppe hinan und brachte eine Anzahl Menschen glücklich durch. In glei­cher Weise hatte RechtSpraktikant Karl Kar cd er mit Hülfe eines entschlossenen Artilleristen einen Mann, der bereits in den Flammen sich befand, herausgeholt und ins Freie gebracht. Der Jsraclire Isaak Reutlingcr rettete einem Unteroffizier das Leben und Kaufmann Adolph Hirsch war unter den Muthigsren voran und brachte wäh­rend drei voller Stunden die Wasserbütte nicht mehr vom Rücken. Das kleine Seitengebäude (Dienstwohnungen) des Theaters wurde lediglich durch die unermüdete Anstren­gung des Lieutenants JuliuS Sachs, Kommandant der Schloßgartenkaserne, erhalten. Als solcher leitete er die Spritze und hielt das Haus von der Seite des botanischen Gartens so unter Wasser, daß es völlig geschützt war, trotz der unmittelbaren Nähe des brenenden Hauptgebau- j

des. Oberlieutenant Emil Schwarz leitete ebenso eine Spritze der Artillerie von dem Innern des Theaterbofes aus und dieser doppelten Anstrengung verdankt dasselbe seine Erhaltung. Hofschauspieler Zeis d. ä. leistete die rhätigsteHülfe auf der Bühne selbst und rettete durchseine Geistesgegenwart viele der mitspielenden Kinder und Chori­sten. - Von den Bemühungen und Anstrengungen man­cher Andern ließe sich noch Vieles berichten, wie überhaupt eine Reihe der edelsten Züge, der rühmenSwerthesten Hand­lungen mitten in den Flammen ein erhebendes Bild ge­währen. Dem neugebildcten Pompiers - Korps von un­serer Nachbarstadt Durlach allein verdankt man die Ret­tung des Koulissen - und Intendanz - HauseS. Von dem Polytechniker Are ns aus Köln werden Beispiele der tbätigsten Hülfe, ungewöhnliche Beweise der Kraft und Energie erzählt. Selbst viele Frauen und Kinder zeig, ten bewunderungswürdige Geistesgegenwart; so sprang Frau Zeis, als rings die Garderobe brannte, mit gleichen Füßen durchs Fenster in den botanischen Garten, ohne Schaden zu nehmen.

Der kleine Sohn des Obersten Schwarz war im Parterre, wo es plötzlich dunkel ward; der Knabe fand den Ausweg nicht, da sprang er ins Orchester, kroch auf die große Trommel und von da auf die Bühne, wo ihn ein fremder Mann, der französisch sprach, mit hinaus zog. Der alte Hofschauspieler Brock leerte noch einen Theit der Damengardcrobe, als vor ihm der brennende Plafond herabstürzte; mit Mühe konnte er sich durchs Fenster ret­ten. Die zwei Militärposten auf der dritten Gallerie, zwei Soldaten vom ersten Infanterieregiment, warfen ihre Gewehre auf die zweite, sprangen diesen nach und sind so glücklich entkommen. Ebenso ist der Polytechniker Walner, ein guter Turner, von der dritten auf die zweite, von da auf die erste und dann ins Parterre gesprungen.

Am 4. Marz, Abends, sind die ans der Brandstätte des Theaters zu Karlsruhe ausgegrabenen Ueber- reste der Verunglückten in acht Särgen in zwei große Gräber feierlichst begraben worden. Es harre sich ein un­absehbarer Trauerzug am Rathhaus und auf dem Markt­platz versammelt und zog um 4f/> Uhr ab, voraus Mili- tarmusik, die sich freiwillig dazu erboten harre. Den Zug cröffnetcn die drei Geistlichen, der katholische geistliche Rath Gaß, der protestantijcke Dekan Sacks, der die Rede hielt, und der Rabbiner Millstätter; nach diesen folgren die leidtragenden Verwandten, Angehörigen und Herrschaften, sodann die Staats- und städtischen Behörden, daraus der hiesige Sängerbund, die Innungen mit beflorten Insig­nien und Militär. Einige Leute, die beim Thearcrbrand gerettet wurden, rruge» die Särge an die Gräber, wo sic von einem Chor von Posaunen empfangen wurden. Die Theilnahme war außerordentlich groß, der Gottesacker wahrhaft überfüllt. In der Waldhornstraßc, zwischen der langen Straße und dem Kirchhofe waren Kreppguirlanden über die Straße gespannt.

Die Verunglückten aus Württemberg sind: Wilhel­mine Becbstadr aus Stuttgart, Christiane Lutz von Wildbad, Obcramts Neuenbürg, Karolinr Eitelbuß von Herrenberg, Paulinc Schwarz von Ludwigsburg, So­phie.Marie Stotz von Rosenfeld (Ludwigsdurg), Christine Pfeiffer von Großaartach und Friederike Ott von Grvßsachsenheim.