Die erste Veränderung, der sich nun Vevcle unterwerfen mußte, war eine sehr traurige. Der Brönner schickte ihm eines Tages eine Näherin aus der Stadt und ließ ihm Kleider anmessen. Vcvele kam sich vor wie ein Rekrut, der nickr mehr Herr über sich ist und sich in jede beliebige Uniform stecken lassen muß, weil ihn das Loos so getroffen; cS ließ AlleS ohne Widerrede an sich machen. Als es nun am Lwnntage darauf die neuen Kleider anziehen mußte, stand es weinend bei der Näherin in der Kammer, es nahm von jedem einzelnen Stückchen wchmnthig Abschied, es war ihm, als ob es seinem ganzen bisherigen Leben damit entsagte. Mit besonderer Wehmuth betrachtete es den feinen Wiflingrock; seine Mutter hatte ihn ihm gegeben, als es gcfirmt wurde, cs war darin zum ersten Male zur Beichte und zu Gottes Tisch gegangen, und die Mutter hatte ihm gesagt, cs solle einst damit zum Traualtäre gehen. Auch das ist eine Unannehmlichkeit der Ltadtkleidcr und bezeichnet schon das Hcrrenwesen, daß man sich damit nicht allein anziehen kann und Jemand zum Zuhaften braucht. Ve-. vclc schauderte immer zusammen, wenn die Näherin so an ihm herum bosselte. Die Haare waren in einen Zopf geflochten und mit einem Kamme aufgesteckt, und als nun das Vcvele endlich fir und fertig da stand und sich im Spiegel betrachtete, mußte cs über sich lachen, und eS verbeugte sich höflich vor sich selber.
Brönner war hocherfreut, als das Vevcle schüchtern in die Stube trat: er bemerkte, daß cs zehnmal hübscher aussche. Als aber Vcvele sagte: daß die Stadtkinder doch nichts'scyen, und daß ein einziges Daucrnklcid mehr werth sei und auch mehr koste, als sechs solcher Stadt- fahncn, da mackic der Brönner ein böses Gesicht und sagte, das wäre dummes Bauerngeschivatz. Das Vevcle preßte die Lippen zusammen und die Tdränen standen ihm in den Augen, es ging hinaus und weinte.
Das Vevelc ging fast gar nicht ans dem Hause, denn cS schämte sich, so vermaskirt zu scyn; es meinte, Jedermann müsse cs drum ansehcn. Nur ein einziges Mädchen im Dorfe, das bei der alten Ursnle aufgezogen ward, hatte auch Stadtkleidcr an, und man wußte nicht recht, woher cs war.
Das Vevcle hatte schwere Zeiten in dem Hause Mel- chior's, dessen Frau ,ein böser Drache war und immer lodie Kinder gebar, so daß die Leute sagrcn, ihr Gift lödre die Kinder im Leibe. - Oft saßen Melchior und Vevcle in der Scheune und sic thaten, als ob sic sich zum Spas; Rüben schälten; in der That aber aßen sic mit gutem Appetit. Vcvele gab sich alle Mühe, seinen Bruder zu steter Nachgiebigkeit zu ermahnen. Es hatte erfahren, was Unfriede in einem Haufe mar, und es drang nun darauf, daß bei allen Enibchrnngcn Friede scyn solle; der gute Melchior willigte gern in Aller.
Doppelt und dreifach drang aber Vevelc bei Brönner auf baldige Verheirarhung. Da trat dieser mit einem neuen Plane hervor: er wolle nach Amerika auswandern, er könne so gut doktern wie der Amtsphysikus, hier zu Lande aber dürfe er das nicht, und darum wolle und müsse er fort. DaS Vevcle rang die Hände, warf sich auf die Knice und bat, daß er von diesem Plane abstehe, sie hätttn ja Vermögen genug, um auch ohne Doktorei zu leben. Der Brönner aber blieb unerschütterlich und nannte das Vevelc ein dummeS Horskind, das nicht wisse,!
daß hinter'm Berge auch noch Leute wohnen. Da sank l das Vevelc in sich zusammen, es lag mit dem Angesichte auf dem Boden und ein furchtbarer Gedanke ging ihm durch die Seele, der Gedanke: daß es mißachtet und auf ewig unglücklich seyn werde. Brönner mochte daS ahnen, er kam zu ihm, hob es freundlich auf, küßte eS und redete gar fein und höflich, so daß das Vcvele Alles vergaß und in Alles willigte; cS wollte mit ihm nach Amerika auswandern, es wäre ihm in die Hölle gefolgt, so hatte er sein Herz und seine Sinne bestrickt.
Brönner hatte schon Alles vorbereitet, das Vermögen Vevele's wurde zu Geld gemacht, und um zur Reise bequemer zu seyn, in lauter Gold eingewechselt. Vcvele hob cs bei seiner Aussteuer auf.
Vevcle und Brönner sollten in der Kirche verkündet werden; aber die Papiere Brönncr's, der aus dem Hohen- loheschcn gebürtig war, blieben immer aus. Da kam dieser eines Tages, Vcvele stand in der Küche am Waschzuber, und er sagte: Vevcle, weißt Du was? ich muß heim und die Papiere selber holen, unten ist ein guter Freund mit einer Chaise, ich habe gerade Gelegenheit nach Tübingen zu fahren; dann lass' ick auch für uns den Paß von den Gesandten unterschreiben und dann gehen wir noch den Herbst fort.
Lieber heut als Morgen, sagte das Vcvele.
Apropos, sagte Brönner wieder, ich habe jetzt gerade kein Geld, kannst Du mir nickt was geben?
Da hast Du den Schlüssel, sagte Vcvele, hol' Dir droben; Du weißt ja, wo's liegt, links bei den neuen ' Hemden, die mit dem blauen Bändele zusammcngcdun- den sind.
Brönner ging hinauf und kam nack einer Weile wieder, Vevcle trocknete an der Schürze die Hand und reichte ihm dieselbe, Brönncr's Hand zitterte. Vevcle wollte ihm ein Stuck Weges ausfolgcn; er aber bat cs, da zu bleiben, und er rannte schnell die Treppe hinab.
Es war Vevcle traurig zu Murhe, daß Brönner sich nicht einmal bis unter die Hansrhür bcglciicn ließ, eS glaubte, er schäme sich seiner vor seinem Freunde; cs dachte darüber nach, wie das einst werden solle, und bittere Thranen tröpfelten in den Waschzuber. Dennoch ging cs hinauf in seine Dachkammer und schaute ;nm Fenster hinaus, um die Kutsche noch mit den Blicken begleite» zu können. Wie erstaunte cs aber, als es sah, daß die Kutsche nickt nack Tübingen, sondern den Weg nach Hcrrenberg fuhr. Es halte schon den Mund geöffnet, es war ihm, als müßte oder könnte cS ihnen zürn- fen, sic scyen auf falschem Weg; da besann es sich, daß cS sich wohl verhört, oder der Brönner sich versprochen haben möge.
(Schluß folgt.) ,
Vexir.-Ikäthfel.
Ich bin und war (denk den erhabenen Gedanken)
2m Nichts, und dennoch strab ich hoch im picht.
Durchbrich des MeuschengeistcS Schranken,
Und suche mich, wo nie geschaffne Schatten schwanken,
Du stndst mich nicht.
Ja, um das Schreckliche ganz zu verkünden,
Du bist nicht du, bist ich.
Und wirst gleichwohl hicniedcic mich Errathen zwar — vielleicht, doch nie ergründen.
Auflösung des Nächseis in Nro. 13: Zeitung.