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Nr. 826

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Tirnsiag, den 28. September 1926.

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1011 Jahrgang

Poinears und die ArmSherrmgspolitik.

Die alten Quertreibereien.

TU Paris, 28. Sept. Die mit großer Spannung erwartete Rede Poincares in Bar-le-Duc anläßlich der Eröffnungssitzung des Generalrates beschäftigte sich im wesentlichen mit innerpoliti­schen Fragen und beschränkte sich auf eine Verteidigung des Poiic- careschen Ersparnis- und Einschränknngsprogramms. Die Kriegs- schuldfragr wurde nur flüchtig gestreift und nur am Ende seiner Red« wurden die in Thoiry mit Deutschland angebahnten Ver­handlungen berührt. Poincare verteidigte zunächst sein Kabinett. Er habe es ursprünglich auf breiterer Basis durchführen wollen, als es ihm schließlich gelungen sei. Seine Hauptaufgabe sehe er nicht in einer Popularitätshoschrrei sondern in einer für die All­gemeinheit nützlichen Politik. Er sei sich dessen bewußt, daß er damit auf lebhafte Opposition stoßen würde, aber er habe nur zu wählen zwischen einer Katastrophe und einer Zeit schwerer Opfer. Die Annahme der bedeutenden neuen Steuern sei notwen­dig gewesen, um den finanziellen Zusammenbruch Frankreichs zu -verhindern. Durch andere Mitte! sei das Defizit nicht zu beseiti­gen gewesen. Die schwere Verschuldung Frankreichs fiele nicht ihm selber zur Last. Die schweren Ausgaben für den Krieg, der «ns von früheren Zentralmächtcn Europas aufgczwnngen wurde, und der Uinstand, daß Deutschland sein« Reparationszahlungen mehrere Jahre hindurch verzögerte, hat unser Schätzet zugrunde gerichtet, erklärte hierbei Poincare. Die durch die technischen Schwierigkeiten der Bonseinlöfung entstandene Vertrauenskrise sei jedoch seit dem Monat August behoben.

Dennoch müßten weitere Garantien gegeben werden, die er in der Begründung einer selbständigen Kaffe für die Einlösung der Dons sehe. Zur weiteren Sanierung Frankreichs gehöre außer­dem die Stabilisierung des Franken, die jedoch erst in einiger Zeit erreicht werden könne. Hierbei unterstrich er erneut, daßFrank­reich keinerlei Verantwortung für die schwere Prüfung, die es' durchmacht, trägt." Es habe keinerlei Fehler begangen und sich nichts vorzuwerfen.Wir sind die Opfer des Schicksals, das nur «ine mächtige patriotische Aufwallung und die nationale Ein­tracht besiegt hat. Frankreich wurde überfallen. Es verteidigte sich glänzend und verschaffte sich durch feinen Heldenmut Respekt in der ganzen Welt. Aber der Sieg hat es verarmt und geschwächt znrückgelassen, und es ist nun notwendig, daß sich Frankreich neue Opfer auferlegt, um seine Finanzen und seine Währung wieder aufzurichten." Hierher gehörten vor allen Dingen die Ersparnisse in der Verwaltung und im Gerichtswesen, zu deren Durchführung die Regierung von ihren Vollmachten hätte Gebrauch machen müssen. Das Parlament würde bald Gelegenheit haben, sich zu äußern, ob es die Beschlüsse guthciße oder ablehne. Da sich die Re­gierung innerhalb der Grenzen ihrer Vollmachten gehalten habe, werde sie an ihre Verordnungen die Vertrauensfrage knüpfen. Man solle bedenken, daß Frankreich von allen Seiten mit Auf­merksamkeit beobachtet werde, die nicht immer eine wohlwollende stt. Man habe sogar dem Wunsche Ausdruck gegeben, einen Ein­blick in Frankreichs Budget und den Charakter seiner Ausgaben zu gewinnen. Nach einem Kriege, den cs nicht verursacht habe, den es aber habe schwer bezahlen müssen, könne es jedoch keinerlei Her­absetzung seiner Hoheitsrcchte und seiner Ehre zugeben. Frank­

reich habe überdies seine auswärtigen Sckulden nie abgeleugnet und habe selbst bereits bedeutende Summen bezahlt und seine Leistungen würde» bereits weit größere sein, wen» sich Deutschland seine«» Zahlungen nicht entzogen hätte und dadurch Frankreich nicht gezwungen worden wäre, seine Reparationen selbst zu bezahlen. Für die Zukunft sei Frankreich jedoch nichtsdestoweniger entschlossen, sich srjnrr Schulden loyal in vol­len« Maße seiner Zahlungsfähigkeit und in den Grenzen der Fairneß zu erledigen."

Die Sicherheit, die Frankreich gegen die Rückkehr der Krise Hobe, sei nur die Sicherheit der kommenden Zeit. Deshalb heiße es arbeiten un die Kolonien und anderen Hilfsmittel Frankreichs entwickeln, da nur im Frieden der notwendige in­nere Resormplan durchgeführt werden könne. Damit kam Poin­care zum Schluß seiner Rede, indem er erklärte,keine Ration ist dem Frieden mehr zugetan als Frankreich, kerne hat den Frieden inehr gewünscht oder den Krieg weniger gesucht als Frankreich, und die Regierung der Republik alles Menschen­mögliche unternommen, um ihn zu verhindern-

Keine Nation ist vom Frieden schwerer als Frankreich ge­troffen und kein anderer Staat hat seine reizenden Gegenden in Schlachtfelder verwandelt gesehen. Seit dem Fricdensschluß hat sich kein anderer Staat mehr als Frankreich bemüht, den Frieden zu beobachten und dessen Klauseln Geltung zu ver­schaffen. Keine andere Nation hat mit mehr Begeisterung dem Friedenswerk des Völkerbundes gedient- Frankreich verlangt nichts anderes als die ständige Sicherheit feines wiederhcrgc- stellten Gebietes und die regelmäßige Zahlung der versprochenen Reparation. Es hat sich niemals dagegen gesträubt, «nit Deutschland loyal über diese Fragen zu sprechen, welche beide Länder interessieren können.

So gerechtfertigt auch die Beschwerden hinsichtlich der Ver­gangenheit sind, so denkt es dennoch nicht daran, mit seinem ehe­maligen Gegner eine Politik des Hasses und der Rachsucht zu führen. Heute wie gestern ist es bereit, die Annäherung zu ver­suche«, vorausgesetzt, daß sie mit unsere« Verträgen und mit unseren Bündnissen vereinbar ist und nutzt zuläßt, daß die Ver­antwortung der kaiserlichen Regierung am Kriege außer Zwei­fel gesetzt wird und daß derselben die militärisch« und mora­lische Abrüstung unseres Nachbarn vorausgcht- Frankreich schuldet es sich selbst und seinem Rufe der Großmut, es schiedet es dem durch einen vierjährigen Krieg so schwer geprüften Eu­ropa und es schuldet es allen Völkern der Welt, alles zu tun, was in unserer Macht sicht, um der in Not befindlichen Menschheit eine weniger traurige Zeit, als die vergangene es war, zu sichern. Frankreich wird diese seine Pflicht nicht ver­fehlen, aber die Zukunft ist noch voller Unsicherheit. Frankreich will weder seine vertraglichen Recht« opfern, noch auf seine Wachsamkeit verzichten.

Um die Abrüstungskonferenz.

Die Vorverhandlungen Ln Genf.

LU Genf, 28. Sept. Die vorbereitende Kommission fiir die Ab­rüstungskonferenz trat gestern vormittag unter den« Vorsitz des Holländers Loudon im Völkerbuiidssekretariat zusammen. Lau­don stellte fest, daß die Kommission sich an die Richtlinien der Völ- kerbuirdsversawmlung halten und sich bemühen müsse, ihre Ar­beiten soweit zu beschleunigen, daß die endgültige Abrüstungskon­ferenz noch vor der 8. Bundesversammlung im März 1827 zusam­mentreten könne. Er begrüßte besonders die Teilnahme Spaniens. Der spanische Vertreter, Eobian, erklärte, daß er nach dem Aus­tritt Spaniens aus dem Völkerbund auf den Vorsitz der Kommis­sion A verzichtete müsse. Gleichzeitig wurde die Demission des Vorsitzenden der Kommission B, Cuerro-Uruguay, Lekanntgegrben. Es wurden als neue Vorsitzende gewählt: De Brouquere-Belgien für die Kommission A und Veverka-Tschechoflowakci für die Kom­mission B. Graf Bernstorff dankte hierauf den Sachverständigen in einer kurzen Ansprache für ihre wertvollen Arbeiten. Zn der «igentlichen Debatte berichtete General De Merinis-Jtalien über die Arbeiten der Dreier-Kommission (Gibson-Vereinigte Staat«», De Merinis-Jtalien, Perez-Argentinien), die zu dem Antrag Eib- son Stellung zu nehmen hatte. In diesem Antrag war Eibson fiir die Ausscheidung der politischen Gesichtspunkte aus den Debatten eingetreten und hatte eine stärkere Berücksichtigung der Anschau­ungen derjenigen Kommissionsmitgliedrr verlangt, die bei den Abstimmungen in der Minderheit geblieben seien. Die Kompro­mißresolution, die Liesen Gesichtspunkten Rechnung trägt, wurde hierauf zur Diskussion gestellt. Eibson billigte sie als erster und stellte folgende Richtlinien für die Abrüstungsarbeiten auf:

1. Di« Abrüstung zu Lande solle durch regional« Verträge er­leichtert werden.

2. Das Washingtoner Abkommen müsse auf diejenigen Fra­gen erweitert werden, die später behandelt würden.

Lord Robert Eecil-England unterstützte diese Ausführungen. Er wies die in der Oeffentlichkeit gegen die britische Regierung und die Regierung der Vereinigten Staaten gerichteten Angriffe zurück, als ob diese die Hinausschiebung der Abrüstungskonferenz befürwortet hätten. Paul Boncour erklärte, daß die regionalen Verträge die Abrüstungsarbeiten nicht ersetzen könnten. Sie seien nur eine wertvolle Ergänzung. Die Kompromitzrefolution wurde hierauf angenommen und die Sitzung geschlossen. Die Kom­missionen A und B treten heute nachmittag zusammen. Der Ge­mischte Ausschuß der Kommission wird auf den 30. September ein« berufen. Mit einem neuerlichen Zusaminentritt der vorbereiten­den Vollkommission fiir die Abrüstungskonferenz ist in diesem Jahr nicht mehr zu rechnen.

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Ereil verteidigt die englische Haltung vor dein Völkerbund.

TU Genf, 28. Sept. Lord Robert Cecil empfing gestern abend die Presse, um sich gegen die Vorwürfe zu verteidigen, di« gegen -die britische Regierung wegen ihrer Haltung während der Völkerbundstagung gerichtet wurden. Die britische Regierung hätte das größte Zutrauen zum Völlerbunde, ein Zutrauen, das in der britischen Politik traditionell geworden sei. Beson­ders viel versprach sich Lord Robert Cecil von den Arbeiten in der Abrüstungsfrage, doch warnte er vor einer Ueberstürzung. Er schloß mit der Bekanntgabe, daß das Ratskomitee am Mon­tag mögen den Beschluß gefaßt HM«, den Völlerbundsvat auf den 6. Dezember nach Genf einzuberufen. Das RatSkomitee selbst werde bereits am 1- DezeMer in Genf zusammentreten.

Tages-Spiegel.

Poincare hat gestern in einer Rede in Bar ke-Duc wiederum st gewohnter Weise Deutschland der Kriegsschuld bezichtigt und wenig Verständnis für eine deutsch-französische Berstän- dizungsarbeit gezeigt.

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Während man in Frankreich den Ausführungen Poincares zu» stimmt, werden dieselben in Deutschland bedauert, doch ist man trotzdem bereit, an der positiven Verständigung weiter zu arbeiten.

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In Germersheim hat ein französischer Offizier zwei Deutsche nie- dcrgeschosscn und schwer verletzt. Untersuchungen find von deut­scher wie französischer Seite cingcleitet worden.

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I« Genf begannen weitere Vorverhandlungen über die Einberu­fung der Erstwassnungskonferenz.

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Im englischen Unterhaus, übten Lloyd George «nd Macdonakd schärft Kritik an der Haltung der Regierung im Kohlcnstreik.

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Der polnische Ministerpräsident Bartel hat sei» drittes Kabinetz gebildet, das keine Veränderungen gegenüber dem vorhergehen­den aufweist. :

Ist Hamburg ist ein Hascnarbeiterstreil «msgebrocheu, der do» gesamten Hafeuvcrkchr lahmgelcgt hat. '

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Der Eindruck der Rede Poincares in Frankreich.

TU Paris, 28. Sept. In französischen diplomatischen Kreisen haben dre Erklärungen Poincares in Bar-le-Duc einen befriedi­genden Eindruck hervorgeruftn. Es wird besonders betont, daß die Rode Poincares in keiner Weift der Außenpolitik Briands eut- gegengerichtet oder geeignet wäre, derselben Schwierigkeiten in den Weg zu legen. Man gibt auch zu verstehen, daß der Minister­präsident in seinen Erklärungen darauf Hinweise, daß er sich hin­sichtlich der Notwendigkeit einer Verständigungspolitik zwischen den beiden Ländern in grundsätzlicher Uebereinstimmung mit fei- nem Außenminister befinde. Aus diesem Grund wird der Ein- druck der Rede Poincares als keineswegs ungünstiger bezeichnet, DerTemps" sucht im Zusammenhang mit der Rede Poincare, nach einer benchigenden Formel in der Kricgsschuldfrage und möchte, daß nicht mehr von ihr gesprochen werde. Das Deutsch­land von 1S2K würde besser tun, nicht darauf zu bestehen, da, Deutschland von 1914 von der Kriegsschuld zu befreien. Die An­näherung vorzubereiten auf der Grundlage eines Mißverständnis, fes über die Vergangenheit, wäre eine schlechte Methode. Sie würbe die Wahrheit fälschen und würde Unstimmigkeiten in der Zukunft verursachen. Die beiden Völler bekämpfen sich seit vielen Jahrhunderten; sie müßten sich selbst in der ganzen Welt, die durch ihre Streitigkeiten leidet, den unendlich großen Dienst erweisen und Wer die Vergangenheit schweigen und sich selbst in Zukunft verständigen. Andere Blätter, wie dasJournal des Debats" behandeln die Rede Poincares hauptsächlich vom innenpolitischen Standpunkt und versprechen sich von ihr in dieser Hinsicht eine große Wirkung. _

Die Regierungskrise in Polen

Die Demission des Kabinetts Bartel angenommen.

TU Warschau, 28. Sept- Staatspräsident Hoczicki hat die Gesamtdemissson des Kabinetts Bartel, die infolge des Miß­trauensvotums des Sejm gegen den Innen- und Kultusmi­nister erfolgt«, angenommen und den bisherigen Ministerprä­sidenten Bartel mit der Weiterführung der Geschäfte betraut.

Bartel übernimmt die Neubildung des polnischen Kabinetts.

TU Warschau, 28. Sept. Aus dem Sommeraufenthalt Pil- fttdskis kommt soeben die Meldung, daß es Pisludski gelungen sei, den bisherigen Ministerpräsidenten Bartel zu bewegen, di« Neubildung des Kabinetts zu übernehmen. PilsudSki hat be­schlossen, den Kampf gegen die Rechtsparteien nicht aufzugeben und, ungeachtet der Forderungen der Opposition, ausgesprochene Kampflandidate-n in das Kabinett aufzunehmen. BartÄ begibt sich heute früh nach Warschau und wird dem Staatspräsidenten ein« fertige Kabtnettstiste, die noch am Sonntag abend zwischen Pilsudski und Bartel ausgearbeitet wird, vorlegen. De, Staatspräsident ist durch Pilsudski über das Ergebnis seiner Besprechung mit Bartel bereits unterrichtet worden und wird heute früh Bartel den Austvag zur Kabinettsbildung offiziell übertragen. Als neuen Innenminister nennt man Tugutt, als Unierrichisminister ModzianowM.