„Cr kam ein Jahr später als ich" — berichtete der Circularprcdiger — „auf die Universität, und verließ sie ein Jahr früher."

„Oas war sehr der Ordnung gemäß" — sagte der Husar ernst — „so ward Später und Früher in Einklang gebracht. Und übrigens verstand ich cs, weit schneller fertig zu werden, als Du und Andere."

„Bist Du denn überhaupt" — wandte sich der On­kel an ihn — „jemals fertig geworden?"

„Warum nicht, mein Oheim?" — lächelte Felir höchst wohlgefällig, — „was mangelt an mir? Erami- nircn Sie mich über Alles, was Vollmer dort getrieben, ich stehe Rede; er that dasselbe, was ich gethan!"

„Das wolle Gott nicht!" — erwiederte der Onkel und entfernte scherzhaft mit dem Arme den Geistlichen vom Soldaten — „und was war denn Dein Hauptstudium?"

„Lcbenspraris!" — versicherte der Husar, verbeugte sich mit bescheidenem Anstande und fuhr fort: „sic zerfallt in mehrere Haupt- und unzählige Unterabtheilungen; oben an stehet der blaue Dunst! Er kann in allen Lebens­verhältnissen walten und wirken, und thut's auch recht häufig. Aktiv dunstend, passiv umdunstet."

„Zur Suppe!" — herrschte Rosa freundlich, welche vorhin abgegangen, dem nachzusehen, was nothwendig, und setzte hinzu: „Leb' wohl, Felir!"

„Ich esse mit!" - versickerte dieser sehr ernst.

„Bist Du toll? Drei Stühle, drei Gedecke, wo soll man Dich hinthun?" — sprach Rosalle.

„Auf meinen Säbel gestützt" — entgegnete der leichte Reiter — „ruhe ich stehend so bequem, wie im wollüstig­sten Lehnsessel des Podagristen. Die Suppe zu genießen, dient mir mein Zschako, das Brod in der Faust, den Braten an der Säbelspitze!"

„Und den Rapontika? Möglichmacher?" — erami- nirte die Wirthliche.

„Empfange ich scheibchenweise von meiner lieben Nach­barin ,"— lachte der Vetter ich halte Dir zur Linken!"

Man ging in's Speisezimmer. Das Zahnweh des Kuntius epkoi-slis mochte nicht bedeutend scyn, er stand hinter dem Sitze des Ephorus und cs war für Vier gedeckt.

„Oi-emus!" — sagte der ehrwürdige Superinten­dent, und nahm das schwarze Käppchen zwischen die Hände. Man betete still, von des Husaren Munde ward das „Amen" zuerst vernehmbar.

„Voreiliger!" — zürnte Rosa, und zeigte ihm ein verweisendes, und doch so unendlich liebliches Gesicht.

„Die leichten Truppen" — sprach Felir — „und ab­sonderlich wir Husaren, wir sind immer voran bei jedem Strauß! ich denke einen ehrenvollen Kampf zu kämpfen mit jenem Vogel, dessen Ascendenten die alte Roma .... doch zur Sache!" unterbrach er sich, als der Nuntius ihm den Teller reichte.

„Wie ich sehe, mein akademischer Bruder" — redete der junge Geistliche zu ihm — „ist sich Dein Naturell voll­kommen gleich geblieben. Suche es auch ferner immer so,

durch nichts getrübt, lachend, und wenn Du willst, h,'m- mclaufjauchzcnd, zu erhalten!" —

Die beiden Freunde stießen ihre Gläser aneinander. Der Superintendent und Rosalie folgten ihrer Weise, das Mädchen legte die Rechte mit einem ernstfrcundlichen Blicke auf Vollmers Hand, während der Husar ihre kleine Linke mit einer Rührung, die ihm höchst sonderbar stand, küßte. —

Als Vollmer auf seinem nunmehrigen Pastorat die Anzugspredigt hielt, fuhr die junge Gattin des Gerichts­direktors, der zur KirchcnJnspektion gehört, mit unserm Röschen auch dahin, und Beide hatten im heilige» Got­teshause, in einem der vordcrn Sitze Plätze gefunden. Die kurze Fahrt an einem schönen Frühlingsmorgcn hatte die jungen Frauen, welche innige Frcundincn waren, recht heiter gestimmt, dock hatte das Erhabene, Unendliche der Natur dieser Heiterkeit einen still ernsten Charakter gegeben. Im Busen Rosalicns, die die Stadt nur selten verließ, hatte sich ein ihr unendlich wohlthätiges Gefühl gegründet.

Und als sic nun das Kirchlein betrat, und inmitten der Dörfncrinnen sitzend der Orgel Vorspiel mit hörte, da fühlte sie sich heimischer hier im kleinen Raume als in der weiten Hauptkirche der Stadt. Und als nun hoch vom Chore herab cs ertönte: „Allein Gott in der Höh' sey Ehr'!" da ward das Herz des Mädchcnö weiter, und ihr war cs, als ob man die Größe Gottes nur in der freien, herrlichen Natur, nicht aber in den engen Straßen der Städte reckt erkennen lernen möchte.

Da trat nach dem Hauptlicde der blühende Vollmer auf die Kanzel, und das Gefühl, nun hier bleiben und wirken und schaffen zu sollen, eine kleine, ihn ehrende Befangenheit, verliehen seinem ursprünglich schönen Ge­sichte einen Ausdruck, der das Auge lehrte, gern darauf zu weilen. Sein Vortrag war innig. Rosa'v Auge war nicht das letzte, das sick feuchtete. Als er aber spater vor'm Altäre sang, und beim Laute seiner sonoren Stimme Alles unregsam lausckte, da hörte auch sie leise auf, und es ward ihr unendlich wohl.

Nach Beendigung des Gottesdienstes hatten der Su­perintendent und der Gcrichtsdircktor auf Tockkcr und Gattin am Kirchthore gewartet; bei ihnen stand Vollmer, und als Rosa zum Vater trat, da dünkte es sie, als ob bei Vollmers Gruße in seinem Auge ein schnell entstande­nes Gefühl von innigem Wohlwollen sich abspicgele; sie aber drückte wie willenlos die kleine Reckte an die Seite, wo das Herz liegt, und folgte den Andern ins Pfarrhaus.

Nach einem gemeinsamen Mahle, wo cs sich traf, daß Vollmer, gegenüber von Rosa sitzend, öfter wohl mit ihr Rede tauschte, ergieng man sich im hübschen Garten der Pfarrei. Da war nun Vollmer meistens an Nosa's Seite, und als die Herren der Inspektion äußerten, daß es wohl nun Zeit zum Aufbruche sey, da suchte Voumcrs Auge gleichsam trauernd das ihrige, und wartete sehnend, ob ihr Blick ihn treffen möchte. Und sie wußte dieß, ob sie es auch nicht sah. Und als nun der Aufbruch wirk- lich erfolgte, und Vollmer sie zu dem Wagen geleitete, da wußte sie nicht, warum sie einige Schritte weit zurückblei-