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Tritt» gewandelt! Zn meiner Jugend hatte «in Purschc dem Mädchen den Rücken zugewendet, die ihm zu frei in die Augen gesehen! Jetzt aber ist die heilige Zucht von der Erbe ver­schwunden, und die Frechheit wandelt schamlo­sen Angeffchts umher! Kirchenbuße stand sonst auf der verletzten Sitte, sie steht auch noch dar­auf; wer aber ist so hart und klagt ein Mäd­chen an? Behüte! statt Kirchenbuße wird jetzt Mund zu Mund der gute Name an den Pran­ger gebracht, das nennen sic milde seyn! Ich aber schwöre dir, Bube, wenn du Mir nicht ge­horsam bist und bringst mir nicht das fromme Kind, die Erdmnth, ins Haus, so will ich die neue milde Art über den Haufen werfen, und die freche Dirne, die zu nächtlicher Zeit mit dir herum schweift, soll büßen! Das leise Ge­flüster über sie soll sich in laute Anklage ver­wandeln ; nimm sie dann noch, wenn du's ver­magst !

Ich werde es, rief Rudolph mit funkelnden Blicken; aber der Alte fiel ein: Ja, thu es, nimm sie und den Fluch -eS Vaters mit! Vater, rief Rudolph und sank dem todesblassen Greise zu Füßen, mein Mädchen ist fromm und keusch, wie ei» Engel des Himmels; hat uns irgend Jemand gesehen, so fordere ich ihn vor Gott und Menschen auf, uns zu bekennen, daß wir uns in Unschuld gcsvrochen, alle Engel frommer Liebe wachten um uns her! Ein Schritt oder tausend auf der Lasterbahn, rief der Vater, das gilt gleich! Ich will dir glau­be», denn du bist mein Sohn; die Ehrverges­sene aber, die ihren guten Namen nicht höher liebt, denn Alles, die kann meine Tochter nicht seyn; liebte Ke dich, so müßte sic dich um so emsiger meiden, und müßte weinen und beten, daß Gott ihr die sündlichen Gedanken wegschaff- tc; hattest du sic, fort und fort, und mir zuletzt gesagt: Vater! gib mir Müllers Kaihchen, mir und ihr bricht das Herz nun da hätte sich davon reden lassen Aber so'? mein Fluch in alle Ewigkeit hinaus, wenn du sic wieder sprichst und sie nicht zu vergessen strebst! O ich un­glückseliger Mensch! rief Rudolph; nur ich habe sie verlockt zu dielen Zusammenkünften die Ungeduld meiner Liebe, die Furcht vor eurer Strenge, Vater! auf das Alles merkt eine rechtichaffene Jungfrau nicht, fiel der Oberför­ster ein, sie sicht nur ihre Pflicht! Genug, mein letztes Wort: Mit Lrdmuih, die Ringe gewech­selt, den Hochzemag bestimmt, oder meinen Fluch! Bitten sind vergebens, du kennst mich und bringst mich auf, so mach ich die ganze Sache offenbar, und was Leides daraus entsteht, rechne dir selbst zu! Trogest du mir, so habe ich mein Gewehr zur Hand. Hier dicß lebens­müde Herz, das stets für die Ehre geschlagen.

durchbohrt daun die erste beste Kugel, denn Schande überleb' ich nicht.

Rudolph verstummte, er kannte seinen Va­ter; ehemals ein Kriegsmann, dann ein Förster, war sein ganzes früheres Leben unter Stürmen so fest und stark geworden, und was Rudolph für Dorurkheile und Menschensatznng hielt, das war hem Alten heilige- unübertrettbare Schran­ken. Ja, indem Rudolph in sei» Innerstes zu­rück blickte, gestand er es sich selbst, baß die Schranken, die seinen Wünschen entgegen stan­den, seine Leidenschaft noch erhöht und befeuert und ihn, bei der Hoffnungslvstgkeil feiner Lage, zu heimlichem Thun verleidet, womit er Kälb­chen umgarnet, unbekümmert, wohinaus sich der dunkle Weg zum Ziele wenden würde. Schmerzlich klagt er sich selbst an, denn seine schönere Liebe erwachte in dem Maaße, wo die Schlacken abficlen. In all ihrer Unschuld und Holdseligkeit, in ihren Thränen stand Käthchen vor seinem inner» Auge und er beweinte das Leid, das er über ihre Tage gebracht. Doch immer noch nicht erlosch die Hoffnung in sei­nem Herzen, urplötzlich fiel ihm der Ausweg ein, in diesem namenlosen Unglück sich Erdmnth zu entdecken und sic selbst um Hülfe und Rath z» bitten. Kaum war dieser Vorsatz wie ein Blitz durch sein kochendes Herz gezuckt, als der Alic'rief: Was Hab' ich von dir zu erwarten? Und er schnell antwortete: ich gehorche!

Keine Winkelzüge! donnerte der Oberförster; du gehst nach Lichtenhain und Konrad gehr mit dir. O verschont mich, Vater, mit dem gräß­lichen Begleiter, rief Rudolph empört. Er ist ein Schleicher, ein Häbmifchcr Mensch, meine Seele haßt nichts so sehr, als ihn; gebt mir den Fritz mit, ober den Johann, oder wen Ihr wollt, wenn Ihr mir nicht traut. Dieser geht mit dir, kein anderer! rief der Alte wieder. Rudolph blickte nassen Auges gen Himmel, ver­neigte sich abgcwandtcn Angesichts, nahm die Flinte von der Wand und gicng wie taumelnd von dannen durch den Kirnikschgrund. Konrad eilte ihm nach und redete ihn mit grinzendcr Acundkichkeit an; der Jüngling gebot ibm Schweigen, Konrad murmelte wilde Worte vor sich hin. Sie giengen weiter und weiter, der Himmel lächelte im reinsten Bla», die Sonnen­strahlen tanzten auf der Fluch, die Vögel san­gen, süße Düste stiegen von den Wiesen empor, mit heißem Schmerz sah der Liebende auf die Vergißmeinnicht und Feldnelkcn am Rande des Wairsrromcs hin^ und gedachte der gestrigen Nacht. Jeder Schritt mahnte ihn an verlornes Glück,

(Fortsetzung folgt.)