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Mord begangen worden ist, spielte ich geacn seinen Willen; und verlor eine ansehnliche Summe. Fast bis zum Wahnsinn aufgebracht, wünschte ich mein Leben los zu sehn, weil es mir an Mitteln fehlte, dasselbe mit Ehren fortzuführen; denn eine Menge Unglücksfalle hatten mich in große Armuth gestürzt. Da ich jedoch den Gedanken nicht ertragen konnte, durch meine eigene Hand zu sterben, so suchte ich mehrmals meinen Detter dadurch aufzubringen, daß ich ihm Vorwürfe machte. Der Himmel ist mein Zeuge, daß ich nicht daran dachte, einen Anlall auf sein Leben zu machen; alles, was ich wünschte, bestand darin, lieber durch fremde Hände zu sterben, als durch meine eigenen. Meine Wuth konnte jedoch meinen edlen Ferdinand nicht»aujbringen; er gab mir eine sanfte Antwort, und ob er sich gleich erbot, mich hinaus zu begleiten, so bethcuerte er doch, daß er nie die Hand gegen mein Leben aushebcn werde. „Es gicbt also kein Mittel mehr?" fragte ich, und wandte mich von ihm weg. „So scheiden wir nicht, Julio, rief er und hielt mich zurück. Ich fürchte, nur allzugut errathe ich die Ursache Deines plötzlichen und grundlosen Unwillens. Der Verlust an diesem Abende hat Dich zur Vcrweiflung gebracht. Laugne es nicht, Julio; haben wir nicht bisher wie Brüder mit einander gelebt ? Ist nicht Deine Ehre die weinige? Eröffne Dein Herz, lieber Detter, ohne Rückhalt gegen mich, und seh versichert, daß Dein Geheimniß in meinem Busen verschlossen bleiben soll, wie in dem Deinigen." Von dieser unerwarteten, unverdienten Güte besiegt, gestand ich alles ein, mein Verlust in dieser Nacht konnte blos durch den augenblicklichen Verkauf meines Eigenthums wieder gut gemacht werden, allein wenn ich dieses thun wollte, so konnte es nicht anders, als mit großem Nachtheile ge
schehen, und ich wäre ein Bettler gewesen.
„Das ist nicht nöthig, rief mein edeldenkender Vetter, nimm dieß Juwelen- kastchcn, und gehe damit zum Juden Isaak; er wird Dir so viel darauf geben als Du brauchst, und wird glauben, es gehöre Dir; aber ersuche ihn nur, es Niemanden sehen zu lassen: in Kurzem bekomme ich so viel Geld, daß Du die Juwelen wieder einlösen kannst." - Anfänglich wollte ich sie durchaus nicht an- nehmcn. Wollte Gott! ich wäre bei diesem Vorsätze geblieben! Ich wußte, daß sie als Hochzeitgcschenk für seine Bianka bestimmt waren. Er antwortete, die Hochzeit werde erst in einem Monat gefeiert werden, und'die Juwelen werden weit bälder wieder eingclöst sehn. Ich nahm daher das Kästchen an, und eilte damit zum Juden Isaak, der mir wirklich die Summe darauf gab die ich verlangte, und das Kästchen in meiner Gegenwart versiegelte. Ich hatte versprochen, meine Schuld am folgenden Morgen abzutragen; da ich jedoch den geringsten Anschein zu vermeiden wünschte, so gieng ich nach dem Spielhause zurück, und bezahlte das Geld mit dem heimlichen Gelübde, von diesem Augenblicke an einem Laster zu entsagen, das ich, wie ich dachte, damals so theuer bezahlt hatte. Aber ach! wie wenig sah ich die schreckliche Strafe voraus, die mir noch Vorbehalten war! Beimeiner Ankunft zu Hause befiel mich Nasenbluten, von welchem der Flecken auf meinem Kleide herrühren muß.
(Die Fortsetzung folgt.)
Eigensin n.
Soll so viel als eigner Sinn sagen. Man macht ihn uns zum Vorwurf. Unterdessen glaub ich immer cs seh vernünftiger, sich seiner eignen Sinne zu bedienen als fremder.