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Er schafft vom ersten Scheine Der Sonne bis zur Nacht,
Und trinkt im Schlaf vom Weine,
Den ihm sein Berg gebracht.
Doch bringt der Berg in Wahrheit Ihm einmal goldnen Wein,
Laßt er die Gottesklarheit Dem reichen Trinker sehn.
Er aber, mit der Flasche Voll Wasser, geht in Ruh,
Ein Brod in seiner Tasche,
Und deckt die Reben zu.
Einst deckt auch ihn, den Armen,
Der lang geschafft, gewacht.
Ein Engel voll Erbarmen Und flüstert: gute Nacht! —
Anekdoten und Erzählungen.
Der Freischütz.
Das Jungfernbrautlied aus dem Freischützen: „Schöner grüner Jungfcrnkranz" hatte das Gemüth der lebenslustigen Kammerjungfer einer Dame so tief ergriffen, daß sse es gar nicht mehr los werden konnte. Nicht nur sang sie es bei jeder Arbeit, die sie ausser dem Zimmer ihrer Herrschaft zu verrichten hatte, den ganzen Tag Trepp' auf. Trepp' ab, mit lauter Stimme; auch einzelne Töne entschlüpften ihr bei jedem Ruhepunkt des Abendsegens, den sie ihrer Dame vor dem Schlafengehen vorlesen mußte, und kam sie selbst zu Bette, so hörte man dasselbe Lied von ihr noch Stundenlang. Es war also natürlich, daß sie des Morgens zu spät erwachte, und ihre nachsichtige Dame begnügte sich lange damit, ihr diese Unart zu verweisen und ihr eine zweckmäßigere Lebensordnung zu empfehlen.
Da dieses aber nichts fruchtete, und ihre Gebieterin einst gar zu lange vergebens auf ihr Frühstück wartete, entschloß
sie sich, aufzustehen und die Faule selbst zu wecken.
Von dem Knarren der Thüre erweckt, fuhren auf einmal die Köpfe der Kammerjungfer und des Jagers noch Schlaftrunken vom Kissen auf, und die gute Dame zog sich mit einer stillen Verwünschung des Freischützen zurück.
„Dieser ist allein Schuld, daß die Mädchen nimmer aus den Federn wollen, denn mit dem Jungfern kranz legen sie sich nieder, und mit dem Jägerchor stehen sie auf."
Gewissen.
Eine Frau rieth ihrem Manne vom Trünke ab, er aber sagte, er schäme sich den Krug Vorbeigehen zu lassen; die Ca- meraden würden ihn verspotten. „Gut," erwiederte sie, „ich will zu rechter Zeit das Licht auslöschen, wenn der Krug an Dich kommt, dann weißt Keiner, ob Du trinkst oder nicht." Er war'S zufrieden, trank aber doch in dem entscheidenden Augenblick. Die Frau machte ihm bittere Vorwürfe, und sagte: „es sieht's ja Keiner!" — „„Gott sieht's!"" antwortete er.
Respekt.
Bei einem Gastmahle, das ein Dorfschulze seinem Oberforstmeister gab, tischte derselbe nach mehreren Sorten fremder Weine auch noch Champagner auf: „Lieber Freund," sagte der Oberforstmeister, „wir haben schon fast zu viel gethan, wie wird uns vollends der Champagner bekommen?" „Euer Excellenz," entgeg- nete mit einem tiefen Bückling der Schulze, „können sich nachher gnädigst erbrechen, und ich werde da draußen unterthänigst speien."