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Anekdoten und Erzählungen.

In bei, ersten Jahren des achtzehnte»! Jahrhunderts, zu riner^Zeit, wo sehr viele Waaren in Frankreich als Contrebande strenge verpönt waren, kam einst ein Frachtwagen an ein Thor von Paris. Der Fuhrmann hatte ganz den Anzug, da? Wesen und die Mienen eines gemeinen, fast albernen Bauern. Der Wagen war mit vielen Ki­sten bepackt, in welchen noch die Schlüssel in den Lbchern sich befanden. Oben lagen klne Menge Matrazen, Betten nnd ande- reS Hausgeräth.

An der ersten Barriere wurde der Wa­gen von dem Acciscbedienten angehalten, und der Fuhrmann befragt, was in den Kisten wäre?Ich weis nicht, verseztc der Befrag­te treuherzig: sehen sie selbst zu, was dar­innen ist."

Nun öffneten sie die Kisten, und fan­den darinn nicht- als Contrebandwaaren, seltene persische und indische Stoffe.Das sind ja lauter verbotene Waaren!" sagte einerber Commis zu dem Fuhrmann.Ja, bas versteh' ich nicht," versetzte dieser gleichgültig. Diese kalte Ruhe verscheuchte bei den Accisebeamten jeden Verdacht, daß der Fuhrmann Theil an der beabsichtigten Einschwarzung von verbotenen Waaren habe. Sir fragten ihn daher, um die Contrebandiers auszumitteln:Wohin wollt ihr mit dem Wagen fahren?"Er nannte eine Straße, in der Dorstadt St. Germain, und den Namen eines Mannes, der dort wohne, und dem die Sachen ge- hbrten.Ihr müßt mit dem Wagen auf den Packhof fahren, sagte einer der Douaniers, ehe ihr die Sachen an ihren Herrn abliefern könnt. Dort muß erst dazu die Erlaubniß ertheilt werden." Meinetwegen!" versetzte der Fuhrmann,

und nun fuhr er, unter Begleitung von zwei Douaniers, weiter.

Als er eine Strecke Wegs gefahren war, und in eine Seitengasse einlcnken mußte, kamen sechs Gardesoldaten dem Wagen entgegen. Sie blieben stehen, tra­ten naher zu den beiden Douaniers, sa­hen ihnen unter die Augen und schrieen bann:Eh, finden wir euch endlich, ihr eidbrüchigen Deserteurs? Wir haben euch lange gesucht."

Bei diesen Worten zog der eine der Soldaten ein Blatt Papier aus der Tasche, überlas eS, und sagte:Alles stimmt ge­nau mit dem Signalement überein. UnS sollt ihr nicht entwischen." Die Soldaten, ergriffen nun die Douaniers, trotz alle» StraubenS und aller Bctheurungen, daß man sie verkenne, daß sie niemals Solda­ten gewesen »raren u. bergl. Das Volk hatte sich bei diesem Auftritte zahlreich ver­sammelt, aber niemand zweifelte an dem Vergeben der Soldaten. Diese führten die Douaniers als ihre Gefangenem ab, und überlieferten sie dem Gefangenwärter de» Gefängnisses St. Martin, der auch kein Bedenken trug, sie vorläufig in Empfang zu nehmen. Während dieser Zeit fuhr der Wagen nnangefochten nach dem Orte sei­ner Bestimmung. Es befanden sich dar­auf für hundert tausend Franken Contre­bandwaaren. Sowohl der Fuhrmann, als die Soldaten waren verkleidete Contreban- dierö gewesen. Die Verhafteten drangen auf eine Untersuchung der Identität ihrer Personen; diese erfolgte; darüber vergien, gen aber mehrere Stunden, ehe sie in Frei­heit gesetzt wurden, und die Urheber die­ser keckeir Lift sind nie entdeckt worden.