7 . Seite - Nr. 133
Nagolder Tagblatt „Der Gesellschafter
Samstag, den 18. Juni 1838
Der Regenbogen
Heber der Brücke, des Flusses Wogen steht ein flimmernder Regenbogen. Bräunlich wie eine Mädchenhand, rot wie der Gottesmutter Gewand.
Blau ist er wie ein Veilchensaum,
grün wie der Wälder schlummernder Traum.
Indessen, mochten sie sich auch noch so burschikos gebärdet ! haben, froh sind sie alle gewesen, wenn sie wieder zu ihren > Spießgesellen zurückkehren konnten. Als fromme Abgesänge § hinterließen sie dann Reime wie diesen:
„Nun ade, du stille Klause,
Nun leb wohl, du altes Loch.
Draußen strahlt nach langer Pause,
2a die alte Freiheit noch!"
Er durchleuchtet des Aethers Grau, mild wie das Lächeln einer Frau, froh wie das Jauchzen von einem Kind, tönend dahin im Frühlingswind. —
Da erlischt er! — Friedvoll und satt atmet am Ufer die große Stadt!
Felicitas von ZerbonidiSposetti.
Lludentenpoefie im Tübinger Karzer
Die schwäbische Universitätsstadt Tübingen besitzt außer Dem ältesten deutschen Universitätsgefängnis noch einen Karzer aus der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts im Dachgeschoß der Neuen Aula. Gerade dieses neuere Studentengefängnis, das bis zum Kriege in Benützung war, ist zum größten Teil, was die Erkennbarkeit der Wandgemälde und die Leserlichkeit der Inschriften anbetrifft, noch recht gut erhalten. Stellenweise sind zwar die Wände, diese von Maler- und Dichtertalenten bevorzugten Unterlagen, über- tüncht, dennoch bleibt viel Interessantes zu sehen und zu lesen, vom dünnen Bleistiftgeschriebenen bis zu den buntesten Malereien.
Da sagt zum Beispiel einer, warum er in den Karzer kam: „Meinen Namen wollt ich nicht sagen Einem Schutzmannspagen,
Das kostet mich 25 Märker Und einen Tag Kerker!"
Buntes Allerlei
. Albanien erhält einen „Porto Edda"
Aus Albanien, das soeben die Verleihung seiner neuen Verfassung festlich beging, kommt die Nachricht, daß der bekannte süd- albanische Hafen Santi Quaranta am Jonischen Meer zu Ehren der Gräfin Edda Ciano fortan „Porto Edda" heißen soll. Die „40 Heiligen" (Quaranta Santi), die auch in der entsprechenden albanischen und griechischen Bezeichnung des Ortes eine Rolle spielen, werden also nach dem Beschluß des albanischen Ministerrates jetzt durch den Namen der Tochter Mussolinis ersetzt. Santi Quaranta, schon nahe der griechischen Grenze gelegen, wurde schon vor der Einverleibung Albaniens regelmäßig von einer Reihe italienischer Schiffslinien berührt, die nach Griechenland, Türkei, Rhodos oder Aegypten fahren. Eingeklemmt auf der dort nur schmalen Küste zwischen dem Meer und einem steil aufsteigenden, öden Abhang der albanischen Berge, ist es nur ein kleiner Hafenort von etwa 20 000 Einwohnern, dessen Bedeutung aber auf seiner Vermittlerrolle nach dem Hinterlande besteht. Denn von Santi Quaranta gehen durch das wilde Vergland Albaniens Straßen nach Valona und Kortscha, auch nach Janina auf griechischem Gebiet. Die Stadt, bisher albanisch Saranda genannt, trägt ihren Namen nach einem nahegelegenen byzantinischen Kloster, das zu Ehren von 40 christlichen Märtyrern erbaut wurde.
Von einem bis zu vierzehn Tagen Karzerstrafe sind da verhängt worden. Als Gründe ihrer Inhaftierung gaben die „Sträflinge" in ihren Wandaufzeichnungen in den meisten Fällen Beleidigungen von Schutzmännern, Pedellen und Studenten, Raufhändel und „Weibergeschichten" an. Einer bekam vierzehn Tage, weil er ein Weinfaß durch die Stadt rollte und eine Tür einschlug. Groß und bunt grüßen die Wappen verschiedener früherer Verbindungen von den Wänden, und darunter haben sich ihre straffälligen Burschen und Füchse eingetragen. Manche Bünde haben es auf eine stattliche Namensliste gebracht...
Man wird sich vorstellen können, daß es selbst für den unbekümmertsten Burschen keine ungetrübte Freude war, ausgerechnet im Wonnemonat Mai brummen zu müssen. Da nimmt es einen nicht wunder, folgenden resignierten Spruch an der Wand zu lesen:
„2m wunderschönen Monat Mai Als alle Knospen sprangen,
Da bin ich armer Studio Ins Karzer eingegangen."
Im Sommer machte die Hitze den Karzerinsassen schwer zu schaffen, jedoch wußten findige Köpfe immer einen Weg, sich wenigstens von innen heraus zu kühlen. Allerdings scheint ein Rausch im Karzer auch keine reine Lustlarkeit gewesen zu sein, wie folgende Inschrift bekundet: „Gefährlich ist es Leim zu lecken,
Verderblich ist ein hohler Zahn,
Jedoch der Schrecklichste der Schrecken Ist, hier 'nen Rausch sich anzuhecken,
. Wo manchen Kater nicht spazieren führen kann."
Gefruchtet hat wohl bei den meisten die Karzerstrafe nicht wiel, sonst wären Sprüche von dieser Art nicht entstanden: „... Pytagoras, der Erzphilister So sitz ich jetzt im Karzer hier,
Der Vater der Kameler ist er Und glaubt, ich spüre Reu' in mir!"
Da ist also nicht sehr viel vom ersten Weg zur Besserung festzustellen. Wie sollte das aber auch sein. Die hier oben über den Sälen der Wissenschaft hausten, wußten zu gut, wie sie waren und wie sie bleiben würden. So nämlich: „Ich bin kein heilig Fränzchen,
Kein zartes Lämmerschwänzchen,
Ich bin kein Pietist,
Ich bin ein Heidenchrist,
Und schlägt mich einer auf die linke Wang',
So hau ich ihm zwei auf die rechte,
^ So will ich's halten mein Leben lang 2m menschlichen Gefechte."
„Der Liigenverkäufer ist wieder da!"
Straßenszene in Paris: Jeden Nachmittag gegen 6 Uhr biegt ein rothaariger Mann um die Ecke einer Seitenstraße, geht den Boulevard Montparnasse hinab, stellt sich vor dem Dom-Cafs auf und bietet seine Zeitungen, die letzten Pariser Nachmittagsausgaben, an. Dabei ruft er: „Der Lügenverkäufer ist wieder da!" ' Er gilt als ein Wahrheitsfanatiker, der von vornherein seine Kunden über den Inhalt seiner Blätter Aufklärungen geben möchte. Dieser Mann erweist sich besonders nützlich in den Fragen, in denen die französische Presse ihre Hetzkonzerte gegen Deutschland unternimmt. Zweifelhaft ist jedoch, ob man den Wahrheitsfanatiker seinen Beruf noch lange ausüben läßt.
Mufflon-Schafe auch kn Frankreich
In Frankreich hat man einen interessanten Akklimatrsierungs- versuch mit Mufflon-Schafen gemacht. Vor zwei Jahren brachte man von der Insel Korsika den dort noch wild im Gebirge lebenden Mufflon oder das Wildschaf (Mufflon-Wild) und setzte es in dem Staatsforst von Cadcrac in der Hochprovence aus. Es handelte sich um junge Tiere von einigen Monaten. Da das Experiment geglückt ist, will man jetzt den Mufflon auch an anderen Stellen Frankreichs aussetzen, so in der Nähe von Vaucluse auf dem Luberon, dem höchsten Berg der dortigen Gegend.
Der Mufflon kommt in Europa außer auf Korsika auch in Sardinien wild vor. Seine Länge ist etwa 1.20 Meter, seine Höhe 70 Zentimeter. Da der Mufflon im Sommer von holzigen Pflanzen, im Winter von trockenem Gras und Moos lebt, so richtet er keinen Schaden an und stellt einen schätzenswerten Wildzuwachs dar. Das Fleisch ist zwar etwas zäh, das Fell aber — von rotbraun bis dunkelbraun, unten am Bauch weiß — ist aber sehr wohl für Teppiche und dergleichen zu gebrauchen. Mufflon-Schafe sind, was wohl wenig bekannt ist, auch in Deutschland im schlesischen Riesengebirge und im Eulengebirge eingebürgert worden. Sie vertragen also sogar das feuchte Nord- estklima. Der Mufflon ist der einzige auf den Mittelmeerinseln noch erhalten gebliebene Rest des Wildschafes, das dereinst von Asien her nach Europa vordrang. Als ursprüngliches Steppenrier ^ ist er sehr genügsam.
^ Der rote Hahn in Schweden
> Die schwedische Regierung hat sich neuerdings veranlaßt ge- sehen, die schärfsten Maßnahmen zur Bekämpfung der Waldbrände zu ergreifen, denn die Waldbrände sind zu einer wahren ! Plage des Landes geworden. Die Presse ist voll von schrecken- ! erregenden Beschreibungen der Gefahren, die, wie statistisch aus- ! gerechnet ist, einen Schaden von 65 Kronen in der Minute ver- ! Ursachen. Auch zahlreiche Menschenleben fallen dem roten Hahn ! zum Opfer. Oft geschieht es, daß Kirchen, die auf dem schwedi- ! scheu Lande aus Holz sind, während des Gottesdienstes ab-
vrennen, so daß eine wilde Panik entsteht, die die schlimmste» Folgen hat. Um die Waldbrände zu bekämpfen, ist jetzt ei« Reichsverband der Feuerabwehr gegründet worden. Ein geordnetes Feuerwehrwesen soll im Lande und besonders in den nordischen Gebieten Schwedens organisiert werden. Die Zentralorganisation befindet sich in Stockholm. Landesverbände find im ganzen schwedischen Gebiet verstreut. Angestellte reisen kreuz und quer und halten Vorträge, werben um freiwillige Mitglieder und dergleichen mehr. Ein wichtiger Bestandteil der Organisation sind die sogenannten Jnstruktionslehrgäng«, in denen Feuerwehrleute ausgebildet werden.
Mitten im Sommer erfroren
Ein ungewöhnlicher Unfall, der einen tödlichen Ausgang nahm, ereignete sich in Neuyork. Der Fahrer eines Eislastwagens starb den Erfrierungstod, obwohl gegenwärtig in der Wolkenkratzerstadt die größte Hitze herrscht. Durch einen Zufall wurde der Mann in den riesigen Eisschrank seiner Firma, in den er unbemerkt hineingegangen war, eingeschlossen. Seine Rufe und Klopfzeichen hörte niemand mehr. Als man am nächsten Morgen den Schrank aufschloß, fand man ihn erfroren.
Ostsee von unten betrachtet!
Professor Piccards vielbesprochenes Tauchunternehmen macht bereits Schule. Noch in diesem Juli wollen zwei schwedische Ingenieure, die der Ruhm der Tiefseesorscher William Beeb-- und Piccard nicht schlafen ließ, in einer Stahlkugel auf den Grund des Atlantiks Vordringen. Sie hoffen, bis 2000 Meter Tiefe zu gelangen und so den Beebeschen Rekord von 906 Meter zu brechen. Die schwedischen Forscher haben sich bei ihren Vorbereitungen für die Meeresgrundfahrt mehr an die Grundsätze Piccards als an die von Beebe gehalten. Ihr Taucherfahrzeug wird eine frei bewegliche Stahlkugel sein, im Gegensatz zu Bee- Les befestigter, also nicht irgend eine durch Troffen mit einem Schiss zusammenhängende Kugel. Zwei kleine Schrauben, im Winkel von 180 Grad zueinander gestaltet, sollen die Vorwärtsbewegung ermöglichen. Die von den Schweden benutzte Stahlkugel hat 2 Meter Durchmesser und 4 Zentimeter Wanddicke. Eine Kugel muß es sein, weil keine andere Form den starken Wasserdruck in solcher Tiefe aushalten kann; sie würde sofort zerquetscht werden. Die Fenster dieser Tiefseekugel erhalten Linsenform. Sie werden aus Quarz und nicht aus Glas sein, um auch kurzwellige Strahlen durchzulassen. Das Gleichgewicht der Kugel wird, ebenso wie das bei Piccard vorgesehen ist, durch Oelbehälter aufrechterhalten, die oberhalb der Kugel befestigt sind. Die Beleuchtung des Meeresgrundes geschieht durch einen Scheinwerfer mit Quecksilberdampflampen, der außen an der Kugel angebracht ist. Zur Erprobung der Stahlkugel wollen die Forscher im übrigen einen ersten Tauchversuch in der Ostsee unternehmen. Bei der hohen Durchsichtigkeit des Wassers der Ostsee ist das kaum ein Wagnis. Man kann an bestimmten Stellen der Küste von Dänemark z. B. den Sandgrund noch in 145 Meter Tiefe klar erkennen. Es scheint, daß das Sonnenlicht in diesen Gewässern sogar noch bis zu einer Tiefe von 250 Meter eindringt. Jedenfalls kann man auf die Erfahrungen gespannt sein, die die schwedischen Forscher schon in diesem Sommer bei ihrem Vorstoß in die Ostsee sammeln werden.
Kostspielige Experimente mit seinen Schuhen anzustellen, dazu ist jetzt nicht Zeit. Der Kluge versucht nicht lange, sondern wählt ein seit Jahrzehnten bewährtes Schuhpflegemittel wie Erdal. Das pflegt die Schuhe. Die Schuhe halten länger und bleiben länger schön.
Größenwahn
Haßerfüllt umstehn sie den Koloß,
Der sich nicht läßt einschllchtern.
Sir schimpfen, keiffen, winseln, fluchen;
Ist denn keiner mehr noch nüchtern?
Der Stärkst vergnügt sich gar mit Kreiselspiel,
Da er denkt, das führt zum Ziel,
Man muß dem Riesen Angst nur machen,
Dann wird er schnell bescheiden.
So glauben sie, sich Mut zukreischend,
Seine Prügel zu vermeiden.
Doch keiner will führen den ersten Streich,
Weil der den haut dann windelweich.
Endlich! Der Dumme ist gefunden,
Der fordernd den Riesen reizt.
Sie klatschen Beifall, brüllen, johlen;
Ist gut! Nur zu! Nicht mehr gespreizt.
Und der der sich erkühnt, so frech zu schrei'n,
Das kann doch nur ein Pole sein.
Muck Staudinger.
Roman von Klara Laidhausen.
Tkrheberrechtsschutz durch Verlagsanstalt Manz, Regensbuog.
L7. Fortsetzung. Nachdruck verboten.
Wenn er auch in edlem, berechtigtem Selbst6ewugt- fein den Gegenwert seiner Persönlichkeit hoch genug in Anschlag brachte, so mochte es ihm doch jetzt scheinen, als ob Las jenseitige Ufer, auf dem die geliebte Frau stand, um vieles höher läge als das seinige. Als ob es schwer, ja fast unmöglich wäre über den Abgrund, den ihr Name und ihr Reichtum plötzlich zwischen ihnen aufgerissen hatten, eins tragfähige Brücke zu schlagen.
Langsam hob Ditha den tränenumflorten Blick. Ein heißes, erschütterndes Flehen stand darin und ihre ganze namenlose Furcht, ihn nochmals verlieren zu müssen: „Franz!" >
Da kam er leise um das Fußende des Bettes herum zu s ihr herüber und streichelte in weicher Liebkosung ihren braunen Scheitel. Nie hatte eine Bitte vergebens an sein warmes Herz gerührt, wie hätte er jetzt die liebste Frau ganz ohne Trost lassen können!
„Hab' ein wenig Geduld, Ditha," bat er. „Es kam alles Io plötzlich, daß ich Zeit brauche, mich zurecht zu finden. Wenn Erika wieder gesund ist, dann wird gewiß auch für uns alles gut."
Ditha antwortete nicht. Nur seine Hand ergriff sie und legte einen Augenblick in stummer Dankbarkeit ihre tränenfeuchte Wange dagegen. Dann gab sie ihn frei. Seine Bitte war-berechtigt und nun sie wußte, daß er den Weg zu ihr suchte, würde sie geduldig warten, bis er ihn fand. —
Franz wechselte den Ton: „Mein Auto steht unten, Ditha, — willst Du nicht auch nach Hause fahren und Dich umkleiden? Ich kann Dich wohl solange hier vertreten."
Ditha erhob sich sofort. Sie zwang sich hörbar, auf seinen ruhigen Ton einzugehen, wenn sie auch das erregte Beben ihrer Stimme nicht ganz zu unterdrücken vermochte. »Wenn Du so gut sein willst — ich bin Dir sehr dankbar."
Er nickte: „Geh nur — und gönne Dir etwas Ruhe! Wer weiß, was die Nacht bringt."
„Die Entscheidung!" sagte Ditha ernst. Schwer hing das Wort im Raum, so schwer, daß sie sich stumm zum Gehen wandte. Doch Franz hielt sie in warmem Impuls nochmals zurück. Fast war's, als ob der Schimmer eines Lächelns über seine ernsten Züge husche. „Vergiß nicht, bei Mama vorzusprechen! Sie hat eine Tasse Tee für Dich bereit und —" eine feine, bedeutungsvolle Verheißung lag auf dem Wort — „vielleicht auch sonst noch etwas Gutes."
Ditha hob die verschlungenen Hände an die Brust. „Sie weiß?"
„Ja, alles!" antwortete er, und fügte gütig hinzu: „Mutter freut sich auf Dich — laß sie nicht mehr lange warten!"
Dieses gute, letzte Wort nahm Ditha mit hinaus aus der schweren Stille des Krankenzimmers in den Hellen warmen Sommerabend. Mit sicherer Hand lenkte sie den schönen Wagen durch das frohbewegte Treiben, das die feierabendlich» Vummelstunde alltäglich in den Hauptstraßen des kleinen Städtchens lebendig werden ließ. Ein schlanker, eleganter Mann schwenkte grüßend den Hut gegen sie: Achim von Friede).
Mein Gott, wie weit das alles schon hinter ihr lag — war's denn möglich, daß seit dem Fest kaum drei Tage verstrichen waren? Und daß die kleine Erika, die damals in ihrem weißen Seidenkleidchen so selig lächelnd in der ersten Reihe saß, nun mit dem finsteren Todesengel rang?
Warum nur sind Glück und Leid so eng beieinander im Leben, daß man des einen nie so ganz froh werden kann ohne zugleich bangend die Nähe des andern zu fürchten? Wohl damit die Menschen sich nicht so leicht in dem übermütigen Machtbewußtsein verlieren, die unbestrittenen Herren der Schöpfung zu sein, sondern sich stets daran erinnern, daß über aller Vergänglichkeit hienieden nur ein unendlich Beständiges ist, nur ein nie erschüttertes Fundament, das ewig trägt: Gott in der Höhe.
Die scharfe letzte Kurve, welche in dem allmählich verschwimmenden Tageslicht ihre ganze Aufmerksamkeit in An
spruch nahm, riß Ditha aus ihrem Grübeln. Philosophieren am Volant eines Autos! Ärgerlich über sich selbst preßte sie die LippM zusammen.
Und war doch schon im nächsten Augenblick mit ihren Gedanken wieder weit weg vom Steuerrad, das ihre Hände mechanisch regierten. Dort, wo sich aus dem umrahmenden Grün eines Erkerfensters ein Arm herausstreckte und grüßend ein weißes Tuch hin und herbewegte. Die Mutter! Sie winkte ihr schon den Willkommengruß — Franz hatte also nicht zu viel gesagt.
Mit sanftem Ruck hielt der Wagen vor der Gartentüre und Ditha eilte mit beflügeltem Fuß auf das Haus zu, nun auch ihrerseits die Hand in freudigem Winken erhoben. Wie sie ging und stand, lachend und weinend zugleich flog sie in die offenen Arme Frau Hormanns, die sie an der Schwelle ihres Zimmers erwartete.
Lange hielten sich die beiden Frauen in wortlosem Glück umfaßt. Dann hob Ditha das tränenüberströmte Gesicht« „Kannst Du mir verzeihen, Mütterchen?"
Willenlos ließ sie sich von den zarten, welken Händen der alten Dame ins Zimmer ziehen und auf das liebe, alte Sofa drücken. Mutterhände streichelten liebkosend ihre kalten Finger, Mutterworte klangen warm und gütig über sie hin. „Verzeihen, mein Kind? Was soll ich Dir denn verzeihen? Ich kann Dir doch nur danken, daß Du gekommen bist, mir meinen Jungen glücklich zu machen. Das alles ist ja so schön, daß mein altes Herz es noch gar nicht recht fasten kann."
Ditha schüttelte den Kopf. „Du bist sehr gütig, Mama aber es ist meine Schuld, daß Franz so viele Jahre seines Lebens das Glück der Familie entbehrt hat, meine Schuld, daß Du um seine Einsamkeit gelitten hast. Und dann —. es war ja auch nicht recht, daß ich unter falschem Namen in Euer Haus kam."
Die alte Dame hob abwehrend die Hand: „Es war nicht Deine Schuld allein, Kind, daß Ihr damals auseinander, ginget, — auch Franz hat gefehlt.
(Fortsetzung folgt.) '