5. Seite — Nr. 283
Nagolder Tagblatt „Der Sesellfchaster^
Samstag, de« 2. Dezember 193S
Artillerieftellmgeu mit allem „Komfort" ^
Eine 21er-Mörser-Vatterie geht in Ruhe. — Stimmungs- ! bilder von einer Artilleristen-Stadt in vorderster Front!
P. K. . . . Die schweren und schwersten Geschütze der Artillerie machen ja wohl immer großen und größten Eindruck. Nicht, daß man als alter Infanterist neidisch auf die schweren Sachen der Kameraden von der anderen „Fakultät" wäre. O nein, schließlich hat man ja auch Geschütze im Regiment. Es gab schon große Augen, als wir vor einiger Zeit in der Heimat- garnisön ein großes 2. G. an einer Artilleriekaserne vorbei- zcgen. Ganz zufällig hatten wir den Weg gefunden . . .
Diese liebe Erinnerung mußte uns kommen, als wir dieser Tage am Rande eines Städtchens auf eine 21er-Mörser-Vatterie stießen. Die Batterie hatte Geschütze, Raupenschlepper und Fahrzeuge am Waldrand sauber ausgerichtet, und nun war der Spieß dabei, seine Männer antreten zu lassen. Nach dem „Absitzen!" und „Antreten" spritzte alles heran. Meldung an den Hauptmann.
„Die Marschdisziplin der Batterie hat mir gut gefallen. Auf den heutigen Marsch könnt ihr euch etwas einbilden." Die Iungens mußten glänzend gefahren sein. Kein Krad, kein Personenkraftwagen, erst recht kein Geschütz war ausgesallen. Aus den Augen der Männer lachte eine geheime Freude. Nach dem Lob des Batteriechefs gab es heute einen angenehmen Tag. Ein Auge hatte man schon riskiert in Richtung auf das hübsche Städtchen. Etliche hundert Kilometer waren abgerissen worden, und die Fahrer hatten nicht schlecht „auf die Tube gedrückt". 2m Städtchen warteten einige kühle Blonde. . . Bierchen natürlich.
Bald kommen wir mit einigen Kameraden der Batterie ins Gespräch. Sie kommen gerade aus einem Frontabschnitt und sollen nun hier in Ruhe gehen. Wir haben eine Batterie vor uns, die nicht von Pappe ist. Diese ganze Einheit hat ohne Ausnahme den Einmarsch in die Ostmark und ins Sudetenland mitgemacht. „Und jetzt hatten wir uns gerade häuslich eingerichtet, da mußten wir aus unserer Stellung heraus. Glaubt nur gar nicht, daß wir gern ausgerückt sind."
Das klingt ja beinahe wie wüste Angabe. Doch die 2ungens loben ihre Feuerstellung und B-Stellen derartig, daß man , ihnen sehr bald ihre Stimmung glaubt. Man hört etwas von „herrlicher Aussicht" auf französische Befestigungsanlagen, von liebevoll eingerichteten Feuerstellungen und vor allem von den Unterkünften, die sich die Kameraden in wochenlanger Arbeit geschaffen haben. Wenn man so hört, mit welcher Begeisterung die Kameraden von ihren Holzbuden sprechen, die in den Berg getrieben oder in bester Deckung aufgebaut worden sind, dann kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die Batterie ein Villenviertel verkästen mußte. Und das ist natürlich sehr schmerzlich! Die Buden waren nach Aussage der Kameraden mit allem „Komfort", der angeblich zur Artillerie gehört, ausgestattet. Selbstverständlich hatte man elektrisches Licht. Die Batterie betrieb ihr eigenes Kraftwerk. Der „Direktor des Elektrizitätswerkes" erzählt uns stolz, wie fachmännisch er mit seinen Kameraden eine Starkstromleitung angezapft hat und wie er dann die Stromleitungen durch alle „Straßenzüge" der s kleinen Artilleriestadt gelegt hat. Dos muß ja wirklich eine tolle f Kiste gewesen sein. 2n der Mitte der „Friedlichen Siedlung" ! war ein freier Platz nach dem Aauptmann, die Straßenzüge waren nach einem Leutnant und den Wachtmeistern benannt. Die Wegweiser waren in schönster Brandmalerei ausgeführt . . .
Das Leben draußen muß also mehr als erträglich gewesen sein, zumal die Kameraden auf die ach so beliebten Bratkartoffeln nicht verzichtet haben. Wenn der Sauerbraten schmorte (!), dann durfte die Radioübertragung nicht fehlen. Oefen und Radiogeräte waren geliehen worden. Sprachen die 2ungens von Komfort, so haben sie also gar nicht einmal übertrieben. Und dann Kartoffelknödel! Ach du lieber Gott, die Augen laufen den Kameraden bald über, als sie das Wort nur aussprechen. „Misten 'se, ob da geschossen wurde oder nicht, das war uns Eauwurscht!"
Muß das ein Glück gewesen sein!
Das sind unsere Artilleristen. Mit beneidenswertem Humor haben sie vorne im Dreck gelegen und wollten gar nicht heraus, als sich die Möglichkeit ergab, in Ruhe zu gehen. Von einer B-Stelle der Batterie erzählen die Kameraden, daß sie sich höchst geistesgegenwärtig bei einem Feuerüberfall der feindlichen Artillerw gezeigt habe. 2n aller Seelenruhe hätten einige Män
ner der B-SteUe in ihrer überirdische« Unterkunft — ein Hans in der Nähe eines Westwallbunkers — ihren Skat gedroschen, als der Franzmann aus heiterem Himmel heraus dieses Idyll gestört habe. Kaum seien die ersten Einschläge erfolgt, da hätte man die Kameraden im Hechtsprung im Bunker verschwinden sehen können. (Von verbeulten Birnen erzählten die Kameraden allerdings nicht.) Dieses „unfaire" Feuer des Franzmannes hat dann die Batterie veranlatzt, entsprechendes Erwiderungsfeuer zu funken . . .
Nun ist die Mörser-Batterie in das hübsche Dörfchen eingezogen. Diese 2«ngen, die von der Ruhe hinter der Front nichts misten wollen, werden bald gut Freund sein mit der gastlichen Bevölkerung. Und das ist gewiß: 2hr ehrlicher Wunsch ist, wieder eingesetzt zu werden in einem Frontabschnitt, wo die Batterie ihre gewaltige Feuerkraft einsetzen kann gegen einen Feind, der es wagen sollte, gegen ein unüberwindliches Bollwerk — den Westwall, der besetzt ist mit den besten. Soldaten der Welt — anzurennen. Auch diese kleine im Kampf bewährte Einheit unserer Artillerie wird bald wieder bereitstehen. Bei allem Ueber- mut und bei allem gesunden Humor mit überlegener Ruhe und eiskalter Ueberlegung im Kampf. Werner Schäfer.
Matznahmen zur Linderung des Wohnnngs- mangels in Stuttgart
Stuttgart, 30. Nov. Am Mittwochvormittag beschäftigten sich die Stuttgarter Ratsherren unter dem Vorsitz von Oberbürgermeister Dr. Strölin sehr eingehend mit Fragen des Wohnungswesens. 2n Stuttgart sind seit dem 2ahre 1933, nicht zuletzt dank der tatkrästigen städtischen Förderungsmatznahmen für den gemeinnützigen Wohnungsbau, insgesamt rund 18 500 Wohnungen erstellt worden. Damit steht Stuttgart mit an der Spitze aller deutschen Städte. 2n diesen Zahlen sind eingerechnet die 1400 im 2ahr 1939 bereits fertiggestellten Wohnungen. Außerdem sind noch 1800 Wohnungen im Vau, die innerhalb eines Vierteljahres bezugsfertig werden. Damit werden also in Stuttgart im Baujahr 1939 trotz der bekannten Schwierigkeiten auf dem Vau- und Arbeitsmarkt insgesamt 2900 Wohnungen fertig. Trotz dieser starken Anstrengungen auf dem Gebiet der Bautätigkeit besteht aber immer eine Verknappung des Wohnraums infolge Vermehrung der Zahl der Wohnungssuchenden (Kriegstrauungen, Zuzug von Rückwanderern und sonstigen in Stuttgart in Arbeit kommenden Personen). Der Oberbürgermeister betonte daher, daß es außer der Schaffung von neuem Wohnraum bei der heutigen Lage in erster Linie darauf ankomme, eine gerechtere und zweckmäßigere Verteilung des vorhandenen Wohnraums vorzunehmen.
Bei dieser Aufgabe ist die freiwillige Mitwirkung der Bevölkerung dringend notwendig. Dabei handelt es sich vor allem um folgende Maßnahmen: 1. Vermietung der freiwerdenden Wohnungen im Benehmen mit dem Stadt. Wohnungs- und Siedlungsamt (Archivstratze 14). 2. Möglichst weitgehende Untervermietung von Wohnungen und Wohnungsteilen, insbesondere auch an Familien. 3. Freimachung von Wohnungen durch Alleinstehende, die in einem Altersheim oder bei Verwandten Unterkommen können. 4. Tausch größerer Wohnungen, die nur von kleinen Haushaltungen besetzt sind, gegen kleinere Wohnungen, um die größeren wieder kinderreichen Familien zuführen zu können. Das Städt. Wohnungs- und Siedlungsamt wird solche Tausche vermitteln. 2n geeigneten Fällen wird die Stadt einen llmzugskostenbeitrag gewähren. Die Durchführung dieser Maßnahmen setzt eine verständnisvolle Zusammenarbeit der Hauseigentümer und Wohnungsinhaber mit der Stadtverwaltung voraus.
Deutschland bekomm als erstes Land den Sicherheitsfilm
Die leichte Entzündbarkeit des Films hat immer wieder zu Uweren Anfällen mit zahlreichen Opfern an Menschenleben und erheblichen Sachschäden geführt. Wenn jetzt auf Grund jahrelanger Prüfungen die Reichsregierung die Verwendung des Sicherheitsfilms gesetzlich vorschreiben konnte, so ist damit eine bahnbrechende Maßnahme zum Schutze von Leben und Gesundheit vieler Volksgenossen getan. Wie der Sachbearbeiter Oberregierungsrat Limprich im Reichsarbeitsblatt ausführt, bringt die Einführung des Sicherheitsfilms über den Arbeitsschutz hinaus auch der Allgemeinheit eine Erhöhung der Sicherheit. Sie gestattet ferner, die für das Bearbeiten, Vorführen und Lagern der Filme erforderlichen Einrichtungen und Baulichkeiten einfacher herzustellen. Schließlich ist der Sicherheitsfilm von be
sonderer Bedeutung für den Luftschutz, da d« Brandgefahren, die bei Fliegerangriffen von den in den Dachgeschossen untergebrachten Filmbetrieben ausgehen, wesentlich vermindert werden. Der Sicherheitsfilm erreicht praktisch kaum die Gefährlichkeit etwa des Schreibpapiers. Er brennt auch in größere» Menge« nur schwer an und läßt sich vor allem mit Wasser leicht löschen. Es ist zu erwarten, daß in absehbarer Zeit der Sicherheitsfilm auch als Unterlage für den Negativfilm ausschließlich verwendet werden kann. Mit dem 2nkrafttreten der Neuregelung wird das Deutsche Reich das erste Land sein, in dem für Filmvorführungen ausschließlich Sicherheitsfilme benützt werden dürfen.
— Geschäfte weihnachtlich. Die allgemeine Schaufensterwerbung der Einzelhandelsgeschäfte soll einheitlich am 2. Dezember einsetzen. Von diesem Tage an sollen alle Fenster des Einzelhandels im Zeichen des Weihnachtsfeftes stehen. Durch die Verdunkelung fehlt zwar der Zauber des abendlichen Lichtes, das den Auslagen einen besonderen Glanz zu verleihen pflegte; die Auslagen werden auf Wirkung bei Tageslicht abzustellen fei«.
— Die übertragbare« Krankheiten in Württemberg. 2n der
Woche vom 12. bis 18. November 1939 find in Württemberg folgende Fälle von übertragbaren Krankheiten einschließlich der . erst beim Tode bekannt gewordenen Kranheitsfälle (Todesfalles in Klammern) angezeigt worden: Diphtherie 27 (1), Scharlach- 124 (—), Tuberkulose der Atmungsorgane 50 (24), Tuberkulose^ oer Haut 5 (—), Tuberkulose anderer Organe 4 (4), Genickstarre 2 (2), Kinderlähmung 3 (1), Unterleibstyphus 2 (—), Para» typhus 2 (—), übertragbare Ruhr 1 (—), Kindbettfieder 3 (—),, fieberhafte Fehlgeburt 1 (—), Keuchhusten 110 (1).
Wirtschaft
HV. der Helvetia-Konservenfabrik Groß-Gerau AE. mitqeteilt hat die Fabrikation durch die außergewöhnlich günstige Obsternte rm neuen Geschäftsjahr wieder vielen Hunderten Beschäftigung gebracht. Auch Heimarbeiter und -arbeiterinnen konnten mit lohnenden Aufträgen versehen werden. Der Abschluß, der dre Ausschüttung von 5 Prozent Dividende gestattet, wurde von der HV. genehmgit.
Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AE. — Kapitalerhöhuug. Mit Rücksicht auf die große llmsatzsteigerung des Unternehmen» hat der Aufsichtsrat der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AE., Augsburg, beschlossen, einer für den 18. Dezember 1939 nach Augsburg einzuberufenden außerordentlichen Hauptversammlung die Erhöhung des Aktienkapitals von 20 Millionen RM. um 10 Millionen auf 30 Millionen RM. vorzuschlagen. Die 10 Millionen RM. neuen Stammaktien zu je nom. 1000 RM. soll ein Bankenkonsortium unter Führung der Deutschen Bank übernehmen, das sie den bisherigen Aktionären zum Uebernahmekurs im Verhältnis 2:1 bei noch näher festzusetzenden Bedingungen anzubieten hat. Die neuen Aktien werden ab 1. 2anuar 1940 anteilberechtigt sein.
Hauptversammlung der Neckar AE Stuttgart. 2n der 18. HV. der Neckar AG. in Stuttgart, die unter dem Vorsitz des Auf- sichtsratsvorsitzers Hans Hoebel. Ministerialdirigent im Reichsverkehrsministerium, im Sitzungssaal der Deutschen Bank abgehalten wurde, vertraten elf Aktionäre ein Aktienkapital von 21890 500 RM. Die bekannten Anträge betr. den Jahresabschluß zum 31. Dezember 1938 wurden einstimmig genehmigt und ebenso dem Vorstand und Aufsichtsrat Entlastung erteilt. 2n den Auffichtsrat wurde Oberregierungsrat Dr. Max Fetzer zugewahlt. Strombaudirektor Becker berichtete über den Stand der Bauarbeiten am Mckarkanal. Zum Schluß bemerkte er, daß der in Aussicht genommene Zeitpunkt für die Fertigstellung der Kanal- arbeiteu in Stuttgart, nämlich 1944. bei den vielfachen Schwierigkeiten in der Bauausführung vielleicht nicht eingehalten werden könne.
Märkte
Backnang« Schweinepreise vom 29. Nov. Milchschweine 12
bis 19, Läufer 26 RM.
Biberacher Vieh- «nd Schweinepreise vom 29. Nov. Farren 320—375, Ochsen 350—720, Kühe 390—580, Kalbeln 420—580, 2ungvieh 180—350, Mutterschweine 140-160, Milchschweiue 15 bis 25. Läufer 45—60 RM.
Nördlinger Viehpreise vom 28. Nov. Bullen 280—350, Ochsen 440—700, Stiere 250—400, Kälberkühe 300—600, trächtige Rinder 350—500, Kalbeln 230—340. Jungvieh 120—200 RM.
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(25. Fortsetzung.»
„Ich werde ihn zu dir schicken, wenn ich ihn sehe. Jetzt leb' wohl, Annette "
Als er ging, schien ihr, als sei der Vater in den letzten Tagen um Jahre gealtert. ^
Am Nachmittag kam Erich zu seiner Schwester.
„Tag, Annette. Nun. was machst du, meine Taube? Vater sagt, du wolltest mit mir sprechen "
„Ja! — Ich wollte dir nur eins sagen: Du sollst Fräulein Eschler in Ruhe lassen."
Er lachte zynisch bei ihren Worten.
„Warum, meine Beste?"
Annette zögerte mit der Antwort.
„Hanna ist gut Freund mit Vaters Stiefbrüdern."
„So — so! Deshalb also, mein Stern — Hängst du so an unseren Onkels?"
„Ja!" stieß sie hervor. „Ich Hab' sie lieb Nicht so. wie du lieben verstehst. Ich — begehre sie nicht. Wie könnt' ich das. Aber es sind Menschen, die ich grenzenlos achte. Die sollst du nicht verletzen."
Erich stand kopfschüttelnd vor der Schwester.
„Na, alteriere dich nur nicht so, Kindchen. Ich will ja mit den beiden Musterknaben nicht anbinden. Nur die Krabbe, die Hanna, reizt mich."
„Hüte dich! Laß sie in Ruh'. Du bist ihrer nicht wert."
„So, warum denn nicht, Schwesterchen?"
„Du bist ein Spieler und Lump. Vater sagt es und er hat recht." Haß klang aus ihren Worten.
Mit wutverzerrter Miene trat er näher ans Bett heran.
„Du! Wag' das nicht noch einmal."
„Schlag doch zu, du-. So ist's recht. Der Vater
zwingt um lumpiges Geld seine Brüder von der Heimat fort und dir wirft er das Geld hundertfach in den Rachen. Wahnsinnig könnte ich werden, wenn ich daran denke!"
„Mußt du in die Burschen verliebt sein, Schwesterchen?"
„Ja. ich bin's. Aber wie ich dir schon sagte, ich begehre nichts! Sollte ich die nicht lieben, die Licht in mein erbärmliches Leben gebracht haben?"
„Verrücktes Frauenzimmer!"
Hastig verließ er das Krankenzimmer. In seinen Augen war ein böses Funkeln.
Und Annette!
Steil aufgerichtet, mit geballten Fäusten, saß sie im Bett. Haß empfand sie gegen den Bruder.
Als sie zum Fenster hinausblickte, sah sie im Garten spielende Kinder. Do löste sich alles Harte und Starre in ihrem Antlitz
Als sie einschlies. verklärte milder Frieden das unschöne Mädchengesicht
* * ^
Als Hanna am nächsten Tage Klaus im „Gambrinus" zu treffen hoffte, wartete sie vergebens Sie wurde unruhig und beschloß, die Brüder aufzusuchen Sie benutzte die Vorortbahn und sckritt zu Fuß der Wohnung der Brüder zu. Als sie klingelte, schlug ihr das Herz stärker.
Die Wirtin öffnete und erkannte Hanna sofort. Sie begrüßte sie freundlich und bat sie. näherzutreten
„Er ist krank," sagte sie.
„Wer?" fragte Hanna angstvoll.
„Nun. Herr Werner. Er sah heute morgen ganz elend aus und liegt letzt Herr Klaus pflegt ihn."
Hanna atmete auf Die Sorge, die sie um den Geliebten erfüllte, wich von ihr
„Dann will ich nicht stören," sagte sie. „Richten Sie meinen Freunden die herzlichsten Grüße aus und ich ließe Herrn Werner gute Besserung wünschen "
„Wollen Sie schon wieder ausreißen? Warten Sie doch einen Augenblick Ich werde Herrn Klaus benachrichtigen, er wird sich sehr freuen, daß Sie da sind."
„Nein, nein," wehrte Hanna hastig ab. „Es ist nicht nötig." Im Inneren sehnte sie sich aber doch danach, den Geliebten zu sehen und sei es auch nur einen Augenblick.
Da klopfte es. und Klaus trat ein.
„Ich wußte es doch, daß Sie es sind, Hanna. Treten Sie doch einen Augenblick näher. Nehmen Sie uns die Ruhe nicht mit" sagte er herzlich.
Schweigend erfüllte sie seinen Wunsch.
Als sie an seiner Sette in das Wohnzimmer trat, schlug ihr Herz heftiger und doch fühlte sie sich geborgen.
Sie nahm in dem breiten Fenstersessel Platz, Klaus ihr gegenüber.
„Werner schläft. Gott sei Dank. Hanna. Den armen Kerl har es furchtbar gepackt."
„Es muß furchtbar, grauenhaft sein, Klaus."
„Sicher. Hanna. Ich weiß es nicht, aber ich sehe, wie er leidet."
Ihre Augen trafen sich und es war ihnen, als müßten sie nacheinander fassen. Doch Klaus bezwang die Sehnsucht, die seiner Seele entstieg.
„Hanna, wir haben uns entschlossen, schon zrüher zu reisen "
Er sah, wie sie blaß wurde.
„Wann?"
„Am kommenden Montag. Am Sonntag werden wir uns erlauben. Sie zu besuchen, und am nächsten Tag reisen wir "
„Sie kommen zurück, bald. Klaus." bat sie.
Er nickte und faßte ihre Hände.
„Hanna, wir kommen wieder. Vielleicht, um für Jahre Abschied zu nehmen Wer weiß es heute?"
„Nein, nein." schrie sie auf
Das Wort tat Klaus unsäglich wohl und weh zugleich. Aber er schwieg
Angstvoll warteie Hanno aus eine Antwort. Als diese nicht kam, stand sie auf und trat zu Klaus.
„Können Sie das? So auf Jahre fortgehen — daß wir uns nicht mehr lehen?"
Klaus atmete schwer Am liebsten hätte er sie in seine Arme genommen und ihr unter Lachen und Küssen gesagt: „Nein. nein, ich will immer bei dir bleiben."
Aber es ging ja nicht Noch durfte er seine Hände nicht nach dem Menschenkinds ausstrecken, das jung, schön, ganz erfüllt von inniger Liebe vor ihm stand Denn vor ihm lag noch die ganze Ungewißheit des Lebens
„Können Sie es. Klaus?" wiederholte Hanna mit zitternder Stimme.
„Wenn es sein muß. Hanna, dann kann ein rechter Mann alles."
Da wandte sich Hanna von ihm ab und trat ans Fenster. Die Tränen liefen ihr über die Wangen, und der Geliebte sollte nicht sehen, daß sie weinte.
„Hanna! Es wird alles gut und recht werden. Das Leben liegt vor uns, und wir müssen an das Leben glauben."
Da wandte sie ihm ihr Antlitz wieder zu, und aus ihren feuchten Augen brach ein Helles Licht. Der unbesiegbare Glaube der Jugend.
„Es wird schon alles recht werden!"
* * *
Werner war längst wieder gesund, aber sein Wesen hatte sich sehr verändert.
Herb und ernst iah er in die Welt. Oft ging er ruhelos mit gequälter Miene stundenlang im Zimmer auf und ab.
Er hatte noch nicht überwunden, und Frau Mayas Briefe taten das Ihrige, daß die Wunde nicht vernarbte.
Ungeöffnet lagen sie auf seinem Schreibtisch Der feine Heliotropduft schien alle köstlichen Erinnerungen wieder erstehen zu lassen. (Fortsetzung folgt.)