Seit« 8 Rr. 305
Ragolder Tagblatt „Der Gesellschafter
Neujahr
Jahre, Zeiten, Ewigkeiten Fliegen über diese Welt,
Wie im Wind die Wolken gleiten.
Wie ein Stern ins Dunkle fällt.
Leiden, die untragbar schienen,
Bittre Not und stolzer Glanz,
Wirbeln auf und ab mit ihnen Wie im Sturm der Blätter Tanz.
Weißt du, Mensch, dem eine Stunde Gott auf Erden zubemißt.
Daß dein Pilgertum im Grunde Nur ein wandelnd Träumen ist?
Weißt du, daß das Niegebund'ne Dich im Schicksalsfluge streift And daß tausend Ueberwund'ne Es wie Korn zur Ernte reift?
Mieder naht die große Wende,
Eines Jahres Aus und Ein.
Falten, Bruder, wir die Hände:
Was uns tagt, weiß Gott allein.
Ernst Zahn.
BorschlSge für die Silvesternacht
Vielleicht eine Ananas-Bowle?
Eine halbe frische Ananas schälen, in dünne Scheiben schneiden, mit Zucker überstreuen und drei Stunden stehen lassen. (Man kann auch Büchsenananas verwenden.) Den Ansatz mit zwei Flaschen Moselwein Lbergießen und 2 Stunden stehen lassen. Dann 1 Flasche Rheinwein und nach Bedarf flüssigen Zucker zugeben, 1 Stunde ziehen lassen Erst wenn dis Bowle auf den Tisch kommt, wird eine gut gekühlte Flasche Sekt hinzugegossen. Es wird empfohlen, je ein Likörglas Rum und Cura- cao zuzusetzen.
Oder eine Kalte Ente?
Man gießt in eine Elaskanne eine Flasche Mosel- und eine Flasche Rheinwein, dazu etwas flüssigen Zucker. Dann hängt man eine dünn geschälte Zitronenschale so lange in die Mischung, bis sie das Aroma der Schale angenommen hat. Von Zeit zu Zeit abschmecken um zu verhüten, daß der Ansatz bitter wird. Dann eine zweite Flasche Rheinwein zugeben und vor dem Servieren eine gut gekühlte Flasche Sekt. Nach Belieben kann etwas Rum, Weinbrand oder Kirschwasser zugesetzt werden.
Grog ist immer gefragt:
350 Gramm Zucker schlägt man in kleine Stücke, legt dieselben in einen Porzellantopf, gießt ein viertel Liter kochendes Wasser darüber, stellt den Tops warm und rührt den Zucker oftmals um. Wenn sich der Zucker ganz aufgelöst hat, gießt man noch dreiviertel Liter kochendes Wasser hinzu und einen halben Liter Rum dazu, stellt den Topf in heißes Wasser, deckt ihn zu und läßt ihn gleichmäßig heiß werden.
Noch besser ist Eiergrog
125 Gramm Zucker werden mit ^ Liter Wasser aufgekocht, ein fünftel Liter Arrak dazugegossen und, nachdem diese Mischung von neuem fest zum Kochen gekommen ist, 4 Eidotter, welche man mit etwas Zucker schaumig gerührt hat, unter beständigem Schlagen zugegeben. Wenn der Grog recht schäumend in die Höhe steigt, serviert man ihn in erwärmten Gläsern.
Silvester rund um den Erdball
Non KurtHornauer.
Rund ist die Erde — und sie dreht sich...
Fern im Orient, 44 Grad südlicher Breite und 175 Grad westlicher Länge, liegt die vom Stillen Ozean umspülte Chatham-Jnselgruppe. Eines dieser noch fast 700 Kilometer von Neuseeland entfernten Eilande nennt man die „Neujahrsinsel". Hier wird zuerst Silvester auf Erden gefeiert — zwölf Stunden vor unserer Zeit!
Wenn man bei uns am Altjahrsabend die Punschbowle aufträgt, wenn die Knallbonbons ausgeteilt werden und die Stimmung dem Höhepunkt zuwächst, steht die Hausfrau auf Wellington in Neuseeland längst am Küchenherd, um das Neujahrsfesttagsessen herzurichten...
Und zur selben Begriffsminute, da Onkel Johann hier sein wohlgefülltes Erogglas auf ein glückhaftes 1939 aus- trrnkt. spült in Sidnev in Australien Mister Jonnn Brown
mir einem Whisky-Soda bis erste Tablette gegen seinen Silvesterkater durch die trockene Kehle...
Der modern-unsolide Bengale (Indien) hat jetzt, am frühen Neujahrsmorgen, gerade genug vom Silvesterfeiern. Gleichzeitig leuchten bei uns „bengalische Freudenfeuer" zu des neuen Jahres Ehr' und Willkomm' auf...
Bei uns also ist es soweit: Neujahr!... 1939!
Vielleicht — so wir keinen allzu großen Punschtatterich j haben — schreiben wir schon den ersten Brief unter dem 1.
Januar 1939. Jenseits des Atlantis aber, in der „Neuen , Welt", ist noch der alte Dezember des alten Jahres 1938!.. ! Wenn 's jetzt mit der Stratosphärenblitzflugpost schon weit genug wäre, käme unser Brief aus „Oold Eermany" von ! „diesem Jahr" noch im „vorigen Jahr" in Amerika an. Das
> ist durchaus nicht paradox, es klingt nur so: In Punkto Sil- ! vester nämlich ist der sonst so überaus geschwinde Amerika- , ner bis zu zehn Stunden hinter uns zurück — daran gibt's : nichts zu rütteln!
j Sogar sich selbst machen die Pankes in dieser Hinsicht ! Konkurrenz: „Der Ostlünder stiefelt dem Mann aus dem s „goldenen" Westen um gute drei Stunden voraus. Mithin s ist's gar leicht möglich, daß in Frisko am 31. Dezember 1938 ! eins niedliche Mary das Licht der Welt erblickt, während in ! Neuyork „zur gleichen Zeit", am 1. Januar 1939 gegen zwei
> Uhr morgens, ein kleiner Bobby zum ersten Male nach der , elektrischen Glühbirne blinzelt. Marys Geburtsurkunde ! wird unterm 31. 12. 1938 ausgefertigt, Bobbys dagegen ! unterm 1.1. 1939 — und doch sind Mary und Bobby „gleich s alt!" Oder etwa nicht?
; Ueber solche und ähnliche schwierige Dinge denke man nur , 'mal am Altjahrsabend, so nach dem achten, neunten i Punsch, ein bißchen nach...
! Tjaja, rund ist die Erde, und sie dreht sich — besonders zu Silvester!
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? Zwei Männer im Schnee
^ Eine lustige Silvestergeschichte
! Von H. Klockenbusch
In der „Traube" herrschte fröhlichstes Silvestertreiben. Man lachte, trank und tanzte. Es ging auf Mitternacht... Inmitten des lärmenden Treibens saß Peter Prante und starrte finster in das Menschengewühl. Auch sein Haupt krönte eine bunte Papiermütze, aber sie paßte nicht recht zu der düsteren Problematik, die ihren Träger umwitterte. Es j war aber auch eine äußerst verdrießliche Sache! Nur weil ^ Frau Prante an einem Stockschnupfen litt, hatte er allein ^ gehen dürfen. Allerdings unter der Bedingung, daß er spätestens um 1 Uhr zurück sei. Ja, und nun hatte Peter Prante soeben bei einem Griff in die Tasche die peinliche Entdeckung gemacht, daß diese Tasche ein Loch hatte, und daß sein Hausschlüssel diese günstige Gelegenheit benutzt hatte, s sich irgendwo draußen im Schnee ein weiches Plätzchen zu i suchen. Was sollte er nun beginnen? Haustürklingetn gab ! es in diesem Hause in der Vorstadt nicht. Zwar bestand,
> wenn er sich jetzt auf den Heimweg machte, die Möglichkeit, : noch ins Haus zu gelangen, aber Peter Prante verspürte
wenig Neiguna. schon jetzt nach Hause zu gehen. Es mußte irgend eine Möglichkeit geben, diese Schwierigkeit zu beheben. Plötzlich erblickte er im Gewühl der Tanzenden ein i wohlbekanntes Gesicht. Er wollte nicht Peter Prante heißen, ! wenn das nicht Knapphahn gewesen war!
? Jetzt war an einen Aufbruch keinesfalls zu denken. Knapp- . Hahn hatte ihn wahrscheinlich gesehen und würde glauben, ' er, Peter Prante, ginge ihm aus dem Wege. Vielleicht gar würde er glauben, Peter Prante könne mit Rücksicht auf Frau Prante nicht Silvester feiern, solange es ihm gefiel! , Das wäre ja noch schöner!
! Es war wirklich Knapphahn, der jetzt dort drüben am ' Tische saß, sein Glas hob und Peter Prante zutrank. Der ^ bob seinerseits das Glas. Sie waren zwar Hausgenossen, aber Peter Prante verkehrte nicht mehr mit Knapphahn,
! seitdem damals — Ja, ganz recht, mit dem Streit zwischen ^ ihren Frauen hatte es angefangen. Wegen der Benutzung S des Trockenbodens. Immerhin, es war nur einmal im Jahr ! Silvester. Außerdem — auch Knapphahn würde nicht allzu ? spät heimgehen. Vielleicht fügte es sich, daß man vor der ^ Haustür „zufällig" zusammentraf.
Noch war Prante mit diesem Gedanken beschäftigt, da empfing er einen kräftigen Schlag auf die Schulter. Neben ihm stand, mit weinfrohen Aeuglein zwinkernd, Knapphahn s und fragte, ob es gestattet sei. Peter Prante hatte keinen ! Anlaß, nicht zu gestatten.
! „Großartig, daß man sich so trifft!" sagte Knapphahn.
_ Samstag, de« 31. Dezember ipzp
„Wenn man im gleichen Hause wohnt, gehört es sich doch —. Und überhaupt heute Nacht..."
„Jawohl", sagte Prante in versöhnlichem Tonfall.
„Und, nicht wahr, wir wollen uns wegen damals nichts mehr nachtragen...?"
„Reden wir nicht mehr davon", entgegnets Prante milde.
Dann bestellte Knapphahn eine Flasche Wein und man unterhielt sich vortrefflich. Und dann ließ Peter Prante eine Flasche kommen, und man unterhielt sich ausgezeichnet. Ein lustiges Huhn, dieser Knapphahn! Wer hätte das i« ihm gesucht?
Man lachte, trank und tanzte. Es wurde immer gemütlicher. Als die Glocken das Neue Jahr einläuteten, stießen Prante und Knapphahn mit den Gläsern an und begruben s allen Hader. Um 1 Uhr schworen sie sich ewige Freundschaft. ! Um Zwei gelobten sie, einander nie zu verlassen.
Bald hernach aber regte sich Peter Prantes Gewissen. ! Wer will denn auch gleich am ersten Tage des neuen Jahres ! häuslichen Unfrieden haben? Peter Prante drängte zum Aufbruch. Aber davon wollte Knapphahn noch nichts wissen. „Jetzt, wo wir so schön in Schwung sind..." sagte er.
Es war 3 Uhr vorüber, als es Prante gelang, Knapphahn unter Berufung auf ihren Freundschaftsbund zum Mitgehen zu bewegen. Es hatte inzwischen wieder heftig zu schneien begonnen, und Knapphahn wollte unter allen Umständen noch eine Schneeballschlacht veranstalten. „Dort drüben", sagte er, als sie über den Marktplatz schwankten, „die beiden Männer..."
„Um des Himmels willen!" beschwor ihn Prante, „das ^ sind Schutzleute!"
! Der Polizeibeamte (es war nur einer) blickte ihnen kopf- ! schüttelnd nach.
! Der Heimmarsch ging nicht ohne Zwischenfall vonstatten, j denn ein paarmal mußte Peter Prante den Freund aus dem Schnee auflesen.
j Gegen einhalb Vier langte das Paar schneebedeckt und völlig erschöpft vor der Haustür an. Ein eisiger Wind pfiff durch die Straße, und es schneite noch immer.
„Schließ auf!" gebot Prante. „Meine Finger sind steifgefroren ..."
„Ich?" lallte Knapphahn. „Na gut. dann gib man deinen Schlüssel her. Nämlich, meine Frau ist verreist und hat versehentlich — beide Hausschlüssel mitgenommen...!"
Rundfunk
Programm des Reichssenders Stuttgart
Sonntag, 1. Januar: 6.00 Frühkonzert. 8.00 Wasserstandsmeldungen, Wetterbericht, „Bauer, hör' zu!", 8.15 Gymnastik, 8.30 Katholische Morgenfeier, 9.00 Morgenmusik, 10.00 „Eine große Zeit will große Herzen", 10.30 „Was wünschen wir dem Herrn ins Haus...". 11.00 Frohe Weisen, 12.00 „Nouvel an 1939 . 12.15 Musik am Mittag, 13.00 Kleines Kapitel der Zeit, 13.15 Musik am Mittag. 14.00 Unser Kasperle für Groß und Klein. 14.30 Ouvertüre 1939.16.00 Musik am Sonntagnachmittag, 17.30 Schwäbische Alpine Skimeisterschaften, 18.00 „Wir blättern im Kalender", 20.00 Nachrichten des Drahtlosen Dienstes, Sportbericht. 20.15 „Die Meistersinger von Nürnberg", 2210 Nachrichten des Drahtlosen Dienstes, Wetter- und Sportbericht, 22.30 Unterhaltungs- und Tanzmusik, 24.00 Nachtkonzert.
Montag. 2. Januar: 6.00 Morgenlied, Zeitangabe. Wetterbericht. Wiederholung der 2. Absndnachrichten. Landwirt,chastlrche Nachrichten. 6.15 Gymnastik. 6.30 Frühkonzert. Frühnachrlchten. 8.00 Wasserstandsmeldungen, Wetterbericht und Marktberichte, 8.10 Gymnastik, 8.30 Fröhliche Moraenmusik". 9.20 Für Dich daheim 11.30 Volksmusik und Bauernkalender mit Wetterbericht, 12.00 Mittagskonzert. 13.00 Nachr' hten des Drahtlosen Dienstes. Wetterbericht. 13.15 Mittagskonzert. 14.00 „Eine Stund schön und bunt", 16.00 Musik am Nachmittag, 18.00 Sopran und Baß, 18.30 Aus Zeit und Leben, 19.00 Interview mit einer Zweizimmerwohnung, 19.30 Auf und ab., 20.00 Nachrichten des Drahtlosen Dienstes. 20.15 „Stuttgart spielt au,! .22.00 Nachrichten des Drahtlosen Dienstes. Wetter- und Sportbericht. 22.a0 Nachtmusik und Tanz, 24.00 Nachtkonzert.
Dienstag, 3. Januar: 6.00 Morgenlied, Zeitangabe. Wetterbericht, Wiederholung der 2. Abendnachrichten, Landwirtschaftliche Nachrichten, 6.15 Gymnastik, 6.30 Frühkonzert. Fruhnachrrchten. 8.00 Wasserstandsmeldungen, Wetterbericht und Marktberichte. 8.10 Gymnastik, 8.30 Froher Klang zur Arbeitspause, 9.20 Für Dich daheim. 11.30 Volksmusik und Bauernkalender mit Wetterbericht. 12.00 Mittagskonzert. 13 M Nachrichten des Drahtlosen Dienstes, Wetterbericht, 13.15 M'ttagskonzert, 14.00 .Musikalisches Allerlei". 16.00 Nachmittagskonzert, 18.00 Aus Zeit und
Leben, 19.00 „Wir packen aus". 20.00 Nachrichten des Drahtlosen Dienstes, 20.10 Musik zur Unterhaltung. 21.00 Der ,unge Goethe 22.00 Nachrichten des Drahtlosen Dienstes, Wetter- und Sport bericht, 22.20 Politische Zeitungsschau des Drahtlosen Dienstes,
37. Fortsetzung Nachdruck verboten
i». e/uerHrry'n -
MW
„Ich — ich wollte noch sagen, Herr Professor." begann sie, „welche aufrichtige Anteilnahme ich Ihnen und dem tragischen Ereignis der letzten Tage entgegenbringe. Ich weiß, und ich bin fest davon überzeugt," fuhr sie eindringlich fort, „daß, wenn eine Rettung möglich gewesen wäre. Sie diese auch erzielt hätten, Herr Professor Krusius. Und ich glaube im Namen vieler Kollegen und Kolleginnen zu sprechen, wenn ich Ihnen die Versicherung unseres unerschütterlichen Vertrauens abgebe."
Impulsiv streckte er die Hand aus und wiederholte:
„Ich danke Ihnen."
Dann wandte er sich rasch ab und ging fort.
Draußen im Hof standen einige junge Aerzte und diskutierten lebhaft. Einige von ihnen lachten, als Krusius kam. Sie grüßten ihn scheu, und er zog den Hut, während er in seinen Wagen stieg.-
Thea hielt die Zusammenkunft mit Herbert Medow nur deshalb ein, weil Krusius sie gebeten hatte. Vorher jedoch ging sie zum Abendessen und erst zwanzig Minuten nach acht Uhr traf sie vor der Klinik ein. Herbert Medow wartete noch.
„Sie haben meine Nachricht also doch bekommen?" . fragte er.
„Ja."
„Und ich war schon beunruhigt," erwiderte er, „und war bei dem Hausmeister, um zu fragen, wo Sie zu erreichen wären. Der Mann wußte nichts, oder er wollte nichts wißen —
„Ich habe ihn beauftragt, keine Auskunft zu geben,"
erklärte Thea. „Und ich hatte eigentlich gar nicht die Absicht, heute abend zu kommen."
„Sie haben kein Interesse mehr?"
„Das habe ich nicht gesagt."
„Aber wohl jo gemeint."
Sie schüttelte den Kopf.
„Es ist mir schwer möglich, abends zu kommen," sagte sie. „Mein Dienst nimmt mich sehr in Anspruch und dann —"
„Heute ist eine Ausnahme," unterbrach er sie. „Heute müssen wir etwas feiern."
Das sah ihm ähnlich, dachte sie. Heute mutz er etwas feiern, ausgerechnet heute, am Veerdigungstage der Verlobten seines Bruders. Hätte sie Krusius nicht versprochen, sich Herberts anzunehmen, sie hätte ihn allein gelassen. Er wollte wieder in das Lokal, in dem sie früher gewesen waren, aber sie redete ihm das aus. Sie hatte es übrigens geahnt und darum schon zu Abend gegessen. Sie einigten sich schließlich auf ein Lafö, das sie zu Fuß aufsuchten, denn auch die Autotaxe war nach Theas Meinung vollkommen überflüssig.
Herbert Medow bestellte und sie unterhielt sich eine Weile über gleichgültige Dinge.
„Gut, daß Bernhard nicht vergessen hat, Sie zu benachrichtigen," meinte er auf einmal. „Er ist so zerstreut."
„Begreiflich," erwiderte sie.
„Allerdings — ich habe seine Verlobte leider nicht gekannt."
Thea sah ihn an.
„Ihr Bruder liebte sie sehr," sagte sie leise, „und jetzt, da er sie verloren hat, liebt er sie wohl noch mehr. Er ist als Arzt wie als Mensch groß und edel, und er ist ja auch zu Ihnen sehr gut und hilfreich gewesen."
Es kam Farbe in sein Gesicht.
„2a, ja," sagte er, „Sie haben vollkommen recht." Nach einer Weile fuhr er fort: „Sie brauchen nicht anzunehmen, daß ich etwa gefühllos wäre. Aber, sehen Sie — ich selbst habe so viel durchgemacht, so viel Jammer und Elend ge
sehen und miterlebt, und nun geht es wieder aufwärt! mit mir.
Die Sonne wärmt mich wieder, wenn ich so sagen darf, und die Nachtseiten des Lebens jagen mir Grauen ein. Ich sehe alles so hosfnungsfroh und ich bin so glücklich — und da kommt auf einmal dieser Todesfall dazwischen. Ich mag gar nicht daran denken, zumal doch meine Mutter erst —" Er unterbrach sich und fuhr dann fort: „Natürlich Habs ich Bernhard mein Beileid ausgedriickt. Er schien mich zu verstehen, und wir haben uns still die Hände gedrückt."
Thea kam nicht weiter auf das Thema zurück, denn sic konnte seine Beweggründe und seine Handlungsweise nickst verstehen. Sein Bruder hatte doch unendlich viel für ihn getan, und trotzdem schien ihn, Herbert, der Schickjalsschlag ziemlich kalt und gleichgültig zu lassen.
Herbert Medow plauderte unterdessen angeregt von seinen Erlebnissen. Er hatte in seinem Geschäft einen wichtigen Posten erhalten. Das war der Grund seiner Fröhlichkeit, und deshalb war der Tag für ihn ein Feiertag.
Und dann ließ er noch durchblicken, daß für die nächste Zukunft noch eine ganz andere Ueberraschung in Aussicht stände.
Seine Firma und verschiedene andere Geschäfte hätten sich zusammengetan, um ein großes Erholungsheim für die Eefolgschaftsmitglieder zu errichten. Sein Bruder Bernhard wäre an diesem Projekt nicht unbeteiligt, und er würde es so einrichten können, daß er, Herbert, als Geschäftsführer in dem Heim eingesetzt würde. Ein Arzt sei auch schon vorhanden, und man suche nur noch eine Aerztin für die weiblichen Erholungsuchenden und die Kinder. Für ihn sei das eine Lebensstellung, eine ganz sichere Lebensstellung, in der er heiraten könne, ganz abgesehen von dein Umstand, daß seine zukünftige Frau vielleicht auch in dem Erholungsheim tätig sein könnte.
So erzählte er und deutete vorsichtig an, und in allem schien er auf einen bestimmten Punkt hinauszuwollen, dessen Berührung Thea in Verlegenheit versetzte.,
Fortsetzung folgt.