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Nagolder Tagblatt »Der Gesellschafter
Dienstag, den 11. Oktober igzz
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Unser wichtigster Konsumfisch ist der Hering. In der Hcringssaison 1937 (Juli bis Dezember) erbrachte allein die Schleppnetzfischerei 3,2 Millionen Zentner. Jetzt kommen wieder große Mengen frischer Heringe auf den Markt, die zum sofortigen Verbrauch bestimmt sind. Jede Hausfrau, die jetzt Heringe auf den Tisch bringt, seien es „grüne Heringe", Bücklinge, Heringskonserven oder -Marinaden, fördert die Gesundheit ihrer Familie und hilft mit an der Stärkung der großdeutschen Volkswirtschaft!
nen Tonnen für die Schweinezucht. Der Bedarf des Kartoffelveredelungsgewerbes ist mit etwa 3,7 Millionen Tonnen und der Bedarf der Kartoffelbrennerei mit etwa 2,3 Millionen Tonnen zu veranschlagen. Die Kartoffelbrennerei dürfte aus volkswirtschaftlichen Gründen allmählich eingeschränkt werden, während eine Steigerung der Kartosfeltrocknung und der Kartoffelstärkeherstellung durchaus erwünscht ist. Das Kartoffeltrocknungsgewerbe erzeugt namentlich Kartoffelflocken, die ein äußerst lagerfähiges Erzeugnis darstellen und sich als Futter für fast sämtliche Tierarten ausgezeichnet bewährt haben. Dieses Gewerbe liefert ferner das Walzmehl, das dem Noggenmehl als Aufschluß- und Backhilfsmittel beigemischt wird.
Ungefähr 50 v. H. der K a r t o f f e l st ä r k e - Erzeugnisse werden unmittelbar als Nahrungsmittel verwendet oder im Nahruugsmit- telgewerbe zur Weiterbearbeitung benötigt. So verwendet man Kartoffelstärke und Kartoffelstärkemehl (deutsches Puddingmehl) als Zusatz zu Kuchen, Torten, Keks, Zwieback, Nudeln und Makkaroni, als Puddingpulver, bei der Zubereitung von Mehlspeisen, Tunken, Suppen und Gemüsespeisen und zur Herstellung von Kartoffelgraupen. In letzter Zeit hat besonders der Kartoffelsago an Bedeutung gewonnen. Der deutsche Kartoffelsago ist dem ostindischen Sago, der aus dem Mark der Sagopalme gewonnen wird, an Qualität durchaus gleichwertig, aber preiswerter und besitzt eine erheblich kürzere Kochzeit. Kartofselstärkesirup und Kartoffelstärkezucker werden für die Herstellung von Zuckerwaren, Lebkuchen, Pumpernickel, Kunsthonig, Speisesirup, Marmeladen, Obstkonserven und Limonaden sowie zum Glasieren von Reis und zum Kandieren von Korn- und Malzkaffee benötigt. Außerdem ist die Kartoffelstärke ein äußerst wichtiger Werkstoff für die Papier- und Textilindustrie, die Kleister- und Pflanzenleimfabrikation, die Teppich-, Seifen-. Brikett-, Pergament- und Lederindustrie, das BuchSindergewerbe, die Tinten
fabrikation, die Schuhputzmittel-, die pharmazeutische und die kosmetische Industrie sowie für viele andere wichtige Industriezweige.
Da der Bedarf an Speise- und Pslanzen- kartoffeln verhältnismäßig begrenzt ist, liegt bas Hauptgewicht der Verwertung der Kartoffelernte auch künftig in der Verfütterung und in der Verarbeitung. Dies bedingt, wie Bauer Hecht, der Vorsitzende der Hauptvereinigung der deutschen Kartosfelwirtschaft, in dem von Dr. Wolfgang Elauß herausgegebenen Buch: „Der Kampf ums Brot" ausführt, eine Einschränkung des Speisekartoffelanbaues unter gleichzeitiger Umstellung auf den Wirtschafts- kartofselanbau. Ganz allgemein ist eine weitere Steigerung der Hektarerträge erforderlich. Voraussetzung hierfür ist bessere Bodenbearbeitung, häufiger Saatgutwechsel, Verwendung ertragreicher und ertragssicherer Sorten, ein erhöhter Düngeraufwand und der verstärke Einsatz technischer Hilfsgeräte.
Der Bauernhof — ein Duell gefunden Lebens
Je mehr alle Kräfte des deutschen Volkes durch die gewaltige Arbeitsschlacht beansprucht sind, um so stärker erweist sich die Notwendigkeit, die Arbeitskraft durch gesunde Lebensführung des Einzelmenschen und durch Verbesserung seines Arbeitsplatzes, seiner Wohnung und der Freizeitgestaltung zu erhalten. Es ist daher berechtigt, wenn die große Reichsschau „Gesundes Leben — Frohes Schaffen" in einem Ausmaße und in einer Ausgestaltung errichtet wird, die die wirkungsvollsten Ausstellungen der letzten Zeit noch übertrifft. Naturgemäß setzt die Aufklärungsarbeit dieser Ausstellung dort besonders ein. wo die gesundheitsschädlichen Einflüße der Umwelt bisher am schärfsten in Erscheinung traten, d. h. in der Stadt. Aber auch der Reichsnährstand, der ja nahezu IS Millionen schaffende Menschen auf dem Lande betreut,
ist mit einer eindrucksvoll gestalteten Sonderschau vertreten. Vielleicht wird mancher denken, daß ja eigentlich Las gesunde Leben und frohe Schaffen aus dem Lande eine Selbstverständlichkeit sind. Aber leider ist in der Stadt noch ?u wenig bekannt, daß die Quellen gesunden Lebens immerdar von den kinderreichen Bauernhöfen und Landarbeiterstellen stammen, und daß die neuzeitliche Landarbeit nicht mehr so „primitiv" ist, wie sie früher in den Köpfen der städtisch denkenden Menschen hcrumspukte.
Der Reichsnährstand hat daher als Gleichnis dafür, daß unser Land der Blutsguell des Volkes ist, in den Mittelpunkt seiner Schau das große Modell des ammerländischen Bauernhofes Jeddeloh gestellt, in dem seit 1598 in zehn Generationen jedes Elternpaar durchschnittlich mehr als sechs Kinder hatte. In anderen Darstellungen wird der Kinderreichtum des Landes und der ländlichen Berufe dem Geburtenschwund der Großstadt und der Kinderarmut städtischer Berufe gegenüber- gestellt. So ist der Geburtenüberschuß je 1990 Einwohner auf -dem Lande 6,4 Menschen gegenüber 0,2 Menschen in der Großstadt. 108 Bauern und Landwirtsehepaare haben 111 Kinder mehr als gleich viel Ehepaare des städtischen Gewerbes, und 100 Landarbeiterehepaare 74 Kinder mehr als die Jndustrie- arbeiterehepaare. Dabei soll gar nicht übersehen werden, daß diese Geburtenzahlen auch auf dem Lande nicht hoch genug sind und durch bevölkerungspolitische Maßnahmen gesteigert werden müssen. Was jedoch bei unsere Betrachtung entscheidend ist, ist die Tatsache, daß auf dem Lande das bodenverwurzslte Leben der Bauern und Landarbeiter lange Geschlechterreihen in ihrer ursprünglichen Lebenskraft gesund erhält, wahrend in der Stadt die Familien wesentlich schneller aussterben. Auch lehrt die Geschichte, und sogar das Beispiel des genannten Ammerländer Vaurenhofes, auf dem in zehn Generationen die Kinderzahl zwischen drei und zehn schwankt, daß, in langen Zeitepochen betrachtet, die Geburtenkurve eines Volkes steigt und fällt.
Die Bedeutung der Kartoffel für Wirtschaft und Ernährung
Die Kartoffel ist nicht nur eines unserer Hauptnahrungsmittel, sondern sie stellt auch das Grundsutter der deutschen Schweinehaltung dar. Ernährungsphysiologisch gesehen, ist die Kartoffel unser wichtig st er Stärke- fpender. Der Getreideanbau liefert durchschnittlich 12 bis 15 Doppelzentner Stärkewerte je Hektar, die Kartoffel dagegen 31 Doppelzentner je Hektar, also mehr als das Doppelte. In 100 Gramm geschälten Kartoffeln sind 20 Gramm Stärke, 2 Gramm Eiweiß, 0,2 Gramm Fett, 0,8 Gramm Faserbestandteile, 1 Gramm Mineralstoffe und 76 Gramm Wasser enthalten. Ihre Verdaulichkeit ist sehr günstig, da die Kartoffelstärke zu 98 bis 99 v. H. und die Stickstoffbestandteile zu über 80 v. H. ausgenutzt werden. Die Bedeutung der Kartoffel als Futtermittel geht auch daraus hervor, daß mit einem durchschnittlichen Hektarertrag bei Getreidcfütterung im Höchstfälle ein Schweine- Lebendgeioicht von 4 Doppelzentner, bei Kar- toffelfütterung aber ein Schweine-Lebend- gewicht von 8 Doppelzentner erzeugt werden kann.
Man hätte daher eigentlich annehmen sollen, daß zu allen Zeiten das Erforderliche geschehen wäre, um die deutsche Kartoffelernte möglichst zweckmäßig zu verwerten. Diese Annahme trifft aber erst seit 1933 zu. In den Jahren vor der Machtergreifung konnte das Problem einer volkswirtschaftlich angemessenen Verwertung der deutschen Kartoffelernte nicht gelöst werden, zumal das im Zeitalter der liberalistischen Wirtschaft aufgestellte Gesetz der automatischen Angleichung des Preises an die bestehenden Angebots- und Nachfrageverhältnisse den Sinn guter und schlechter Ernten vollkommen in das Gegenteil umkehrte. Nach 1933 war demnach die vordringliche Inangriffnahme einer Marktordnung in der Kartoffelwirtschaft selbstverständlich. Eine Preisbindung, die beim Erzeugerpreis beginnt und beim Verbraucherpreis endet, hat die früher üblichen Preisschwankungen endgültig beseitigt und damit zu einer Stetigkeit in den Erzeugungs- und Absatzver- bältnissen geführt, die unseren ernährungswirtschaftlichen Erfordernissen in voller Höhe gerecht wird.
Der größere Teil unserer Kartoffelernten wird als Wirtschaftskartosseln verwendet. Man hat berechnet, daß bei einen: Gesamtertrag von 50 Millionen Tonnen etwa 34 Millionen Tonnen auf Futter- und Fabrikkartoffeln und nur etwa 15 Millionen Tonnen aus Speisekartoffeln entfallen. Wenn inan den Saatgutbedarf von 5 bezw. 2 Millionen Tonnen abzieht, dann ergibt sich rechnerisch ein Gesamtbedarf in Speisekartoffeln von etwa 13 Millionen Tonnen. Die Wirtschasttzkartof- feln werden in erster Linie als Futterkartoffeln verbraucht, davon allein etwa 24 Millio-
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„Za was, ihr wettet uns helfe?"
Eine Erntehelferin aus der Stadt schreibt uns:
Eines Nachmittags erging im Büro der Aufruf an uns: „Wer meldet sich freiwillig zur Erntehilfe über das Wochenende?" Sofort haben sich ca. 60 Albeitskameraden und -Kameradinnen zur Verfügung gestellt. Es war daher ein arbeitsfrohes, munteres Völklein, das sich am nächsten Tag morgens vor dem Hause der Landesbauernschaft in der Keplerstraße einfand. Jetzt war nur noch die Frage laut, wo geht es hin? Dann kam die Parole, daß wir in drei Richtungen kommen sollten; wir meldeten uns in den Bezirk der Kreisbauernschaft Ost in Heidenheim. Der Omnibus kam und mit Sang und Klang ging es fort. Als wir durch Eßlingen a. N. fuhren, sah der Himmel recht bedenklich drein und wir glaubten schon wieder umkehren zu müssen. Allmählich setzte der Regen richtig ein, so daß die Stimmung im Wagen stark gedämpft wurde, denn wir wollten doch arbeiten, ein Aufgeben unseres Arbeitsvorhabens kam nicht in Frage. In Donzdorf wurde Halt gemacht und unser Wagenführer setzte sich mit der Kreisbauernschast Heidenheim in Verbindung, aber o weh, die Auskunft lautete schlecht, auch dort regnete es in Strömen. Gegen 10.30 Uhr wurde der Entschluß gefaßt, weiter bis nach Heidenheim zu fahren.
Wir fuhren durch schöne Wälder und Felder und stellten immer wieder fest, wie dringend nötig es wäre, daß die Sonne ihre wärmenden Strahlen spende. Doch als wir in Heidenheim ankamen, lachte der Helle Sonnenschein und wir um die Wette. Jetzt zur Kreisbauernschaft in der Brenzstraße: wo werden wir wohl ein- gesetzr? Dort war es bald entschieden, es ging weiter der bayerischen Grenze zu nach Hohen- memmingen. Dort kamen wir gegen 1 Uhr an. Daß es in dieser Gemeinde in den letzten Tagen nicht viel gelegne: hatte, merkten wir iv° fort, denn die Erntewagen fuhren ein und aus. Wir sagten zu den Bauern, die hinausfuhren: „Haltet wir wollen mit euch gehen, wir wollen euch helfen." Sie sahen uns aber ganz ungläubig an. Der Omnibus hielt gerade vor einem stattlichen Bauernhaus, der Bauer spannte eben seine zwei Pferde vor drei Erntewagen. Wir riefen, daß wir gleich mit wollten. „Ja
Als Erntehilfe an der bayerischen Grenze
was, ihr wellet uns helfe?" war die ungläubige Gegenfrage. „Ja freilich", war unsere Antwort, und im Nu hatten zwei Arbeitskameraden und zwe: -Kameradinnen einen Arbeitsplatz gefunden. Wir setzten uns sofort auf die Wagen, und während die anderen noch nicht recht wußten wohin, fuhren wir schon hinaus. „Des hättet mir aber au net denkt, daß ihr seine Stabilem uns helfe wellet, mir heut denkt, die unstet au nex bessers, als en der Ernt en Ausflug auffs Land z' machet", so sagte nachher der Bauer zu uns. Wie dringend hier Hilfe nötig war, haben wir sofort erkannt. Soweit unser Auge sah, standen überall aufgestellte Garben und lag geschnittene Frucht am Boden. Es war ein großes Weizenfeld, das gesammelt, gebunden und aufgeladen werden mußte, teilweise war es noch recht naß, ja sogar ausgewachsen. So nach und nach erfuhren wir dann, daß unser Bauer einen 50 Morgen großen Erbhof besitzt, der von ihm mit 28 Jahren, ferner Mutter mit 55 Jahren und seiner Schwester mit 25 Jahren bewirtschaftet wird, mit Unterstützung eines als Erntehilfe beschäftigten Italieners und eines aus der Ostmark stammenden Taglöhners.
Im ganzen waren wrr nun neun Personen und rüstig ging die Arbeit vorwärts, die Frauen sammelten, zwe: Männer banden die Garben, zwei Männer gabelten und der Jung- öauer lud den Wagen. In zwei Stunden hatten wir drei Wagen hoch beladen, dann ging es nach Hause. Es wurde sofort abgeladen und wieder ging es hinaus, diesmal mit drei Pferden und vier Wagen. Jetzt kam Gerste daran. Dann wurde auf dem Felde gevespert, herrlich schmeckte das Rauchfleisch mit Rettich und gutem Brot. Auch für den Durst war gesorgt; es gab sogar Vier. Nun ging es auf einen anderen Acker, dort war Hafer einzubringen. Als dann die vier Wagen geladen und die übrigen Garben zusammengestellt waren, ging es heimwärts. Wir Mädchen saßen hoch oben auf dem Erntewagen und unser Fuhrmann war ein Erntehelfer aus der Stadt, dem wir nicht allzu viel zutrauten. Von unserer hohen Warte aus sahen wir, daß in der Ferne ein schweres Wetter heraufzog. Alle glaubten, es sei noch weit weg, doch es kam mit einer solchen Geschwindigkeit heran, daß wir gerade ncch heimkamen
und die Wagen mit vereinten Kräften in die Scheunen schieben konnten. Nun regnete es in Strömen und Blitz und Donner felgten, es war schauerlich schön. Viele von uns hat das schwere Wetter auf dem Felde überrascht; die wurden naß bis auf die Haut. Wir waren alle traurig, als der Bauer sagte, morgen gibt es einen ruhigen Sonntag, denn nach einem solchen Wetter kann man am anderen Tag nicht ein- sühren. Wenn wir nur noch den gebundenen Hafer hereingebracht hätten, der muß jetzt wieder aufgebunden und auseinandergeleat werden. Ja, so sind die Sorgen des Bauern, man weiß in der Stadt wirtlich nicht, wo das Brot herkommt, man sieht, wie sich die Leute plagen. Es ist draußen wirklich ein großer Mangel an Arbeitskräften, dazu das schlechte Wetter. Unser Bauer konnte uns nicht genug danken, daß wir gekommen waren, um in höchster Rot eia- zuspringen.
Aehnlich wie uns ist es allen anderen Helfern und Helferinnen ergangen, denn als wir uns gegen 9 Uhr zusammen mit unseren Bauern in der Wirtschaft einfanden, sah man lauter frohe Gesichter. Alle Müdigkeit war verflogen, es wurde sogar noch ein kleiner Tanz unter den Klängen zweier Ziehorgeln gewagt. Aber dann ging es ins Bett. Wir schliefen tief und fest. Am anderen Morgen um 6.30 Uhr ging es heraus. Die Männer luden die Wagen ab, die am Vortage stehen blieben, und für uns Frauen gab es im Haus zu tun. Gegen 10 Uhr waren wir dann fertig. Wir gingen noch mit unseren Leuten in den Obstgarten, wo uns die reifen Pflaumen herrlich schmeckten. Auch Aepfel und Birnen gab es. Nach einem einfachen, aber kräftigen Mittagsmahl bestiegen wir unter strömendem Regen unseren Omnibus. Leider war uns der Wcttergott sehr ungnädig, wir hätten gerne und freudig unseren Sonntag geopfert.
Wie dringend nötig es ist, daß wir Städter dem Bauern zeigen, daß wir ihm helfen wollen und können, haben wir gemerkt. Bei einem neuen Aufruf stellen wir uns freudig und gern wieder in die Reihen der Erntehelfer.
Herta Umfrid.
Verantw. Schriftleiter: Erich Silgradt. (Landesdauernschaft Württemberg, Stuttgart)