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Naaolder Taablatt „Der »riellschnftrr-
Samstag, den 1- Oktober 1838
Saalgang im Mondlicht
Erzählung von Franz Brau mann..
Als die Bäuerin Anna Möslin die Ochsen von der Egge ausspannte, ging aus dem Feldweg Michel Moor vorüber. Michel Moor war seit Jahren schon Knecht beim Nachbarn der Möslin. „Früh bist du auch nicht mehr daran mit dem Feierabend!" sagte er zu ihr.
Anna Möslin konnte sich kaum Zeit nehmen aufzuschauen und der Anrede zu antworten. „Das wäre immer noch früh, hätt' ich jetzt Feierabend zu machen! Daheim mutz noch gekocht werden zum Abendessen für Magd und Kinder. Aber ich wollte das Feld noch zu Ende eggen; morgen mutz das Korn in den Acker kommen. Wer weitz, wie lange das Wetter noch aushält."
„Das Korn mutz in den Acker kommen", nickte Michel Moor. Und dann, als entsänne er sich noch einer Frage: „Aber warum tust du die Arbeit im Acker? Warum nicht dein Knecht?"
Es war nun schon so weit, daß die Bäuerin ihr Ochsengespann auf den Feldweg herausführte. Da hielt sie für einen Augenblick noch an: „Der Knecht ist heute weg vom Cut. Mir ist es selber recht gewesen, und ich Hab' ihm sagen lassen, ich sehe ihn lieber heute als morgen aus meinem Haus fortgehen. — Hüh, Ochsen!"
Michel Moor sah der Bäuerin nach Ein Ton in ihrer Stimme hatte ihn gehalten, nicht mehr weiter nachzufragen. Im Heimgehen erinnerte er sich auch einer Rede, die umging in den Häusern. Der Knecht der Anna Möslin sollte gesagt haben, als er schon etwas zuviel getrunken hatte, ein Bauer könne er nun jeden Tag werden, wenn er nur wolle. Die Möslin sei lange genug Witwe gewesen ,..
Michel Moor hatte es damals einen Ruck gegeben. In sein Herz war vtwas Böses gefahren. Aber es war wohl nur darum gewesen, weil er nicht verstand, wie die Bäuerin an dem verlotterten Knecht hatte Gefallen finden können.
Nun konnte er sich auch die Worte der Bäuerin deuten. Ihr Knecht hatte geprahlt, und da ihr nun manches zu Ohren gekommen war, konnte sie nicht anders, als datz sie den Schwätzer fortschicken mutzte.
Als Michel Moor im Hause satz und die Abendsuppe hineinlöffelte, war er schweigsamer als sonst. Er blieb nicht daheim und tat noch einen weiten Gang über die Felder.
Die Dämmerung war herabgesunken, und eine tiefere Kühle breitete sich über das Wiesental. In die Bäume des hohen Waldes an der Lehne fiel ein Nachtvogel ein mit grätschendem Laut, und im fahlen Dunkel ertranken langsam die Nähe und die Weite.'
Anna Möslin, zwei Jahre sind es bald, seit du allein dem kleinen Gute vorstehst. Damals war ich dabei, als wir deinen Bauer auf den Friedhof trugen. Du hast dich fest durchgehalten, dein Peter, der Aeltere von dGinen zwei Buben, wird schon Heuer fünf Jahre. Aber bis der Bauer wird, ist es noch weit!
Michel Moor blieb stehen am Acker der Bäuerin Anna Möslin. Die Egge hatte die Furchen zerrissen, und nun lag die Krume mürbe und weich. Unabsehbar weit dehnte sich der schwarze Acker, seine Ränder verloren sich in der fahlen Nacht. Die Wärme des Bodens stieg wie Rauch und Dunst im kühlen Abendwind empor. !
Michel Moor war mit seinem Sinnen noch nicht zu ! Ende. — - !
> Bis der Bauer wird, ist es noch weit! Und jetzt im frühen ^ Herbst schickst du deinen Knecht vom Gute? Deine Magd ist ! noch fung und ohne Erfahrung. So wirst du säen müssen! Weitzt du auch, wie grotz dein Acker ist? Und dein Arm, : wird der nicht erlahmen, ehe du im steten Schwingen hin- s über kommst bis zum Rain? i
Aber die, der die Worte Michel Moors galten, hörte cs nicht. Sie hatte an dem Abend noch Haus und Stall versorgt und lag zu dieser Stunde tief in Schlummer und Ruh. Für das, was morgen geschehen sollte, hatte sie noch gesorgt. Der kleine Peter hatte die hohen Saatsäcke aufgehalten, und sie schöpfte Korn hinein, was sie für den Acker zum Söcn j brauchte. Jetzt lehnten sie vor der Tenne unter dem Dach, i auf datz sie morgen gleich zur Hand stünden. s
Michel Moor stand immer noch neben dem Acker. Ueber j die Wälder herauf schwamm der späte Mond und trug eine i weiche Helle herein. Die Ränder des großen Ackers traten ! wieder hervor aus der Nacht, wie Silber schimmerte auf den ! Rainen das taubehangene Gras. s
Michel Moor wurde es plötzlich seltsam zumute. Er dachte
Dögohl
Münchener Kriminalroman von Hans Klingsnslein
LrbeberreLtsschutz durch Derlagsanstalt Manz, Regensburg.
S. Fortsetzung.' Nachdruck verboten.
III.
Es war gegen zwei Uhr, als das Auto des Bereitschaftsdienstes wieder in die Eppstratze einfuhr. Der Chef der Kri- miualabteilung stieg eben die Treppe herunter. Er hatte mit einem Berliner Kollegen wegen eines politischen Hochstaplers eine nächtliche Konferenz hinter sich und war müde.
„Kommen Sie von dem Einbruch bei Coldschmidt L Riedl, Renner? Ergebnisse?"
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„Eut, dann ziehen wir uns halt in Gottes Namen noch einmal in unsere Höhle zurück."
Auf dem Schreibtisch sitzend, die Hände in den Taschen des Regenmantels hörte der Chef den Bericht Renners an. Dann nahm er das Photo des Bankiers Riedl, das Renner mitgenommen hatte, und betrachtete es lange.
„Sie sind ein Gemütsmensch Renner, das Bild zum Steckbrief haben Sie auch gleich mitgebracht? Aber gut ausschauen tut der Sigismund, mit dem E.K. I und dem Fliegerabzeichen. Schau, und den türkischen Halbmond hat er auch? Und beim Graggo hat er sich photographieren lasten, wo früher die Hofdamen hingingen. Ich Hab mit ihm das ganze Luitpold-Gymnasium durchgemacht. Den tlippcrpotsmos gmxklübiuH, zu deutsch das gewöhnliche Fluhpferd oder auch den Behemoth der Bibel nannte ihn immer unser Klassenlehrer, denn Freund Sigismund war von einer unerschütterlichen olympischen Bierruhe, beschaulich wie ein Buddha, nur wenn er sich nicht mehr auskannte, in der Verzweiflung, wenn wir ihn bis aufs äuherfte gequält hatte», hieb er mit seinen großen Fäusten wie ein Berserker um sich «nd zertrümmerte alles; sonst aber ein« Seele von einem Menschen."
nicht an Schlummer und Nacht, als er langsam an den Wiesen vorbei hinab zum Haus der Anna Möslin schritt. Im Obstgarten fiel ein Apfel mit dumpfem Laut ins Gras. Der Hof lag weitz und still im mondenen Schimmer. Michel sah alles stehen an seinem Platz, wo es seit Jahren war: der Wagen im Dunkel des Vordaches, die Hundehütte vor dem Hause, den Milchtrog am Brunnen.
Doch da er sich umwenden und fortgehen wollte, vom schlafenden Hof, fiel sein Auge auf die Säcke vor der Tenne. Er trat hinzu und prüfte sie. Korn war in den Säcken zur Saat auf dem großen Acker!
Da lächelte Michel Moor leise in sich hinein, und plötzlich wußte er, was ihn fortgetrieben hatte von daheim. An seinem alten Platz hinter der Scheunentür fand er das weite Säetuch, er hob es vom Nagel und hing es sich Uber. Auch der Karren stand im Dunkel des Raumes, dock als ihn Michel hinausfahren wollte, die Kornsäcke darauf zu leben, knarrte er lanter, als es gut war So ließ er ihn stehen und hob mit geringer Mühe seiner starken Arme den ersten Sack auf die Schulter.
Der Weg zog sich nicht weit. Draußen stellte Michel Moor den Sack in die Mitte des Ackers. Dann ging er um den zweiten und schritt mit ihm tiefer in das saatbereite Feld. Sechsmal tat er den Gang, bis das Korn, das gebrauch wurde für die Saat, auf dem Acker war.
Das wurde eine seltsam milde Saat! Der Laut der Schritte versank in der abgründigen Schwärze des Ackers. Schritt, Wurf! Schritt, Wurf! In stetem Schwung säte Michel Moor das Korn über den Acker. Die Körner blitzten in der Silberwelle der mondenen Nacht und fielen in weitem Bogen rieselnd zur Erde. Der Säeschurz hing schwer und prall im Arm. Doch bis der drübere Rain des Ackers erreicht wurde, war er wieder leer und die leise rollende Woge der Körner ausgestreut. Mit einer hölzernen Kelle schöpfte er neues Korn in den Schurz, bis auch das wieder ausgesüt war. Auf und ab, ab und auf schritt er den Acker, und sein Arm ruhte nimmer.
Michel Moor hatte alles Matz der Zeit verloren. Als vom nahen Haus der Anna Möslin zum erstenmal der Hahn krähte, wußte er, datz Mitternacht vorüber war. Der Mond stand jetzt hoch am Himmel, der Schatten verlor sich fast unter seinen Füßen. Die Gräser am Rain hingen tief voll Tau, kühler hoben sich die Stunden; wenn nicht am Morgen noch Nebel einfiel, mochte Reif kommen. Das Land schlief tier und gut. Die Nähe und die Weite hatten sich im Mondlicht wieder aujgetan, doch kein Schritt hallte herüber von den Bauernstratzen. Wie aus einer anderen Welt fast wogte aas der grötzers-n Ferne hinter den Wäldern anschwellend und wieder verebbend das Brausen der Stadt herein: der Laut eines Motors, der Pfiff eines Zuges.
Es vergingen noch Stunden, bis Michel Moor die letzte Handvoll Korn verstreut hatte. Er hätte es nicht vermeint, aber nun hing ihm doch der Arm wie tot von der steten Arbeit in der Schulter. Die Säcke holte er noch ein, dann schritt er aus dem bestellten Acker und streifte die Erde von den Schuhen. Die Säcke mutzte er zum Hause tragen, geleert, auf datz die Bäuerin erfuhr, wenn sie am Morgen heraustrat, wohin ihr Korn gekommen.
Den Himmel im Osten färbte die erste Helle des neuen Tages, als Michel Moor in den Hof trat. Der Hund stand wach vor der Hütte, er wedelte dem Sämann entgegen, denn er kannte den Knecht des Nachbarn. Die Tennmauer lag im Schatten, unter die Michel trat. Er legte die Säcke hin und strich sich wie trunken den Schlaf aus den Augen.
Da knarrte das Tor, es tat sich auf, und heraus trat die Bäuerin, gerüstet für den neuen Tag. Eine kurze Weile lagen ihre Augen stiller auf der dunklen Gestalt. „Michel, du bist auf meinem Hof?" wunderte sie sich, als sie ihn erkannte.
Michel Moor wutzie nichts zu entgegnen. Ihn bedrückte es fast wie ein Aerger, datz er nicht rascher aus dem Hof gewichen war Der Laut seines Schrittes wäre verklungen, und niemand hätte gewußt, wer für die Bäuerin Anna Möslin aus reiner Hilfsbereitschaft das Korn gesät hatte in dieser Nacht.
Da fiel der Blick der Bäuerin auf die leeren Säcke am Boden. Auch seinen Schuhen sah sie es an, datz Liese tief durch den Acker geschritten waren.
Sie hielt dem Knecht die Hand entgegen. „Michel, dafür bin ich dir viel Dank schuldig! — Du gäbest einen guten Bauer ab!"
Michel Moor, das Bauernkind, der Knecht war seit seinem vierzehnten Jahr, schaute langsam auf, und die Bäuerin
Der Regierungsrat hielt inne und fuhr dann fort: „Ja, mein lieber Renner, wer das hätte damals gedacht? Wir waren ein munteres Trio, drei junge Burschen, von denen der eine für den anderen durchs Feuer ging. Es war der Sigismund Riedl, der junge Baron von Hettingen und ich. Der junge Hettingen ist ein Vruoer de: Frau Riedl, der Cora. Er war ein leichtes Tuch und mutzte kurz vor dem Krieg als Bamberger Ulan seinen Abschied nehmen. Er verschwand übers Wasser. Der Riedl blieb seiner Lebtag ein gemütliches Haus. Aber seine Mutter, die alte Dame, hatte,den hochfeudalen Fimmel. Wir fürchteten sie alle in der Klasse, mehr noch als unsere Pauker, wie ein zweischneidiges Schwert. Sigismund mutzte unbedingt eine gezackte heiraten. Erst dachte seine alte Dame an eine junge Gräfin Einsiedel und dann geriet sie an die Cora von Hettingen, bei deren verarmten Eltern sie sofort Gegenliebe fand. So kam der Riedl zu Lora. Man hätte sie ihm nicht aufzwingen sollen. — Kennen Sie die Lora, Renner?"
„Die Frau des Sigismund Riedl? — Nein Herr Re- gierungsrat."
,^Dann kennen Sie auch wahrscheinlich ein wichtiges Motiv dieser heutigen Opcrnvorstellung nicht. Ich sage Ihnen, er ist seiner Alten durchgebrannt, und wer weiß, ob wir bei so einer Alten nicht auch durchgebrannt wärest, Renner?"
„Aber nicht mit der Kasse!" .
„Nein, nicht mit der Kasse! Das hätt er auf keinen Fall tun dürfen, der Sigismund. Und darum ist mir der Fall sonach ganz und gar nicht klar. Weitz der Teufel, was noch dahinter steckt! Für einige Tausend Mark und nur, um von einer griesgrämigen Gattin loszukommen, riskiert man nicht das Zuchthaus!"
Sinnend vertiefte sich der Chef wieder in das Photo. „Haben Sie was gesagt, Renner? — Nee, Weiber nicht! Er hatte manches Faibel, für Pferde, Sport, Flugsport vor allem, hat auch ein bissel gespielt, aber von Weibergeschichten Hab ich nie was gehört. Im übrigen, weitz die Cora von dem Einbruch?"
,.Der Eibl hat sie nicht angerufen, und wir auch nicht."
Anna Möslin ertrug seinen Blick. „Einen guten Bauer gäb' ich ab! Meinst du das, Nachbarin?"
Sie sagte nichts mehr. Aber aus ihrem warmen und guten Händedruck wußte er, was von diesem Wort zu haften war.
Und als Michel Moor heimzu schritt an diesem stillen und köstlichen Morgen, dachte er schon weit in die Zukunft.
Die Abreise
Heiteres von I. H. Rösler
Marianne freute sich unbändig auf das Konzeri.
Doch mit des Geschickes Mächten... Plötzlich läutete das Telephon. „Ja?" sagte Marianne.
„Marianne?" — „Hallo! Hanns, Du?"
„Ich mutz dir leider etwas Betrübliches Mitteilen, Marianne", sagte Hanns, „ich mutz heute noch beruflich nach München abrsisen. Ich kann nicht erst zu uns heimkommen. Mein Zug fährt schon halb acht Uhr."
„Ach. Hanns!"
Der jungen Frau tat das Herz weh, richtig weh.
„Wie lange bleibst du?" fragte sie.
„Acht Tage, vielleicht auch zehn."
„Ich mutz dich zuvor noch einmal sehen, Hanns!"
„Unmöglich!"
„Ich komme zum Bahnhof, einverstanden?"
„Das wäre herrlich, Marianne", antwortete Hans, „ich freue mich, wenn du kommst. Aber sei pünktlich, der Zug wartet nicht." — „Und das Konzert?" — „Welches Konzert?"
„Wir wollten doch heute abend in das Sinfoniekonzert gehen", antwortete Marianne enttäuscht, „du hast doch sogar schon die Karten in der Tasche —"
„Nichtig! Das Konzert! Schade, Marianne!"
„Sehr schade, Hanns."
Der Mann, den Marianne liebte und der Marianne geheiratete hatte, tröstete sie: „Du ziehst dich gleich für den Abend an, wenn du zum Bahnhof kommst. Das Konzert beginnt dreiviertel acht Uhr. Du kommst zurecht."
„Ja, Hanns. Nur —" — „Nur?"
„Wenn du dabei gewesen wärst, wäre das Konzert viel schöner gewesen."
Hanns seufzt: „Mein Zug fährt halb acht — r->i MM. lich, Liebes, ich erwarte dich am Bahnhof."
Als Marianne den Hörer auflegte, war es kurz vor sieben. Sie eilte in ihr Schlafzimmer, sich umzukleiden. So schnell hatte sie noch nie ein Kleid angelegt, so schnell noch nie die Schuhe gewechselt, so schnell war noch nie ihre kleine Abendtasche gefüllt worden, und so kurze Zeit hatte sie noch nie in den Spiegel geschaut, ehe sie ihr Haus verließ. Aber sie wurde fertig. Punrt halb acht Uhr stand sie auf dem Bahnhof. Sie war schöner denn je, denn die Aufregung j der kurzen Hast hatte ihre Wangen gerötet. Als sie Hanns entdeckte, eilte sie auf ihn zu.
„Wo hast du deinen Koffer, Hanns?" — „Welchen Koffer?"
„Ich denke, du verreist?" — „Ich verreise?"
„Aber du hast es mir doch selbst am Fernsprecher gesagt."
Er nahm leise ihren Arm und führte sie zu seinem Magen.
„Bist du sehr böse, Marianne?" sagte er. „Verzeihst du mir. wenn ich dableibe?" '
„Wolltest du gar nicht verreisen, Hanns?"
! „Nein. Ich wollte gar nicht."
I „Aber warum hast du mir dann am Fernsprecher —?" j Die Leute wunderten sich, datz ein Mann seine Frau > mitten auf der Straße küßte. Ader er konnte nicht anders ! und ein wenig schlechtes Gewissen hatte er auch, als er ihr verr-iet: „Ich wollte einmal wenigstens, Marianne —"
„Was?"
„Einmal pünktlich mit dir zu einem Konzert kommen."
Jeden Behörden-Stempel
, mit dem neuen Hoheitszeichen des Deutschen Reiches
I liefert raschest G. W. Zaiser, Nagold
„Einverstanden! Lassen wir sie heut noch schlafen. Morgen liest sie es eh in der „Morgenzeitung". Und er auch, — Notabene, „Morgenzeitung" — da hat der kleine Soj von der Rachtredaktion schon zweimal angerufen. Er kommt gleich zu Ihnen."
Der Inspektor Renner biß sich auf die Zunge. Fast hätte er jetzt von dem Zwischenspiel mit dem Journalisten erzählt. Aber schließlich war das Nebensache. Er hätte den Kerl, ohne ihn zuvor auf Herz und Nieren, zu prüfen, eigentlich nicht hereinlassen sollen, und wenn er auch eine Visitenkarte von der „Morgenzeitung" hatte!"
Der Chef erzählte unterdessen weiter: „Lassen Sie aber nichts raus vom Sigismund Riedl. Wir wollen ihm vorläufig die Illusion nicht rauben, daß er uns mit dem fingierten Einbruch Hinhalten kann. Er hat eh einen Vorsprung."
„Sollen wir nicht in Oberaudorf recherchieren, Herr Regierungsrat?"
„In der Hütten? Sicher. Da können zwei von der Bereitschaft hinfahren mit ihrem Motorrad und ihn vorläufig festnehmen, d. h. wenn er dort ist. Der Assessor, der nachher für mich kommt, soll die Sache der Staatsanwaltschaft hinübergeben, datz sie beim Amtsgericht einen Haftbefehl erwirkt. — Glauben Sie, er fitzt noch in Bayern herum? Ich net. Aber das wird der Äumüller von der Fahndungsabteilung totsicher rauskriegen. Gehens zu ihm rüber. Er ist noch dort wegen dem damischen Preußen."
„And jetzt", der Polizeirat erhob sich, „fitze ich zehn geschlagene Stunden hier. Mein Bedarf ist gedeckt. Servus Renner."
Auf der Dienststelle im Hauptraum der Fahndungsabteilung satz der Oberinspektor Äumüller. Er satz allerdings nicht, kein Mensch hat ihn je fitzen sehen. Er war ein kleiner, unruhiger Mann mit einem Löwenkopf. In der Linken hielt er die unvermeidliche Virginia, in der Rechten einen großen Zeigestock. Ohne diese zwei Dinge sah man ihn nie.
(Fortsetzung folgt.)