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Samstag, den 1- Oktober 1838

AMeLLAe»r^ - ülwtecia-tA

Bauerndank

Mein Herr und Mein Gott, du sandtest'nrich Als Bauer auf die Welt, um zu säen und zu mähen. Ach habe es getan im Licht deiner Güte, und es hat mich glücklich gemacht, und wenn ich so die Augen schließe, um über mein Leben nachzudenken, dann sehe ich nicht die dunkeln und traurigen Dinge, die mich geguält und gepeinigt haben; -die Wunden find vernarbt; der Schmerz ist vergessen, und ich sehe -nur noch die schönen Dinge.

O Herr, laß mich noch lange arbeiten, laß mein Leben noch lauge dauern! Es -ist so gut und schön, und die Sehnsucht nach deinem Him. mel ist noch nicht so stark, daß ich meinen Spa- ten ans der Hand legen möchte. Das Verlangen nach meinem Acker -st stärker.

Herrgott, ich danke dir für dieses freie Feld, über dem du dich unsichtbar -erhebst bis in den höchsten Himmel. 'Auch in der Macht danke ich dir, wenn du zwischen den Sternen thronst. Ach danke dir für den Frühling, den Sommer, Len Herbst und Winter, denn alle vier sind eine freundliche Gebärde deiner Güte, und die Freuden und Früchte, die sic uns bringen, sind immer dieselben, und dennoch ist es so, als er­hielten wir sie stets zürn allerersten Mal!

MW

Von meinbr Großmutter weiß rch, daß sie eine Hochachtung und fromme Ehrfurcht vor dem Brot besaß. Kein Krümchen kam um bei ihr, und selbst die trockenen Schnitten und harten Krusten mußten gegessen werden.Kru­sten sind ein ganz besonderer Leckerbissen", sagte sie,und harte Krusten schmecken süß wie Zucker."

Sie war eine fleißige Frau, die in der klei­nen Bauernwirtschaft die meisten Arbeiten allein verrichten mußte, weil der Großvater bei den großen Bauern im Tagelohn arbeitete und im Winter sich beim Förster gegen gerin­ges Entgelt als Holzfäller verdingte, damit das nötige Geld ins Haus kam. Ich sehe sie noch in Gedanken, wie sie zur Sommerszeit mit hochgeschürzten Röcken und einem Tuch um den Kopf zwischen dem Vieh im Stall und den kargen, weit verstreuten Ackerstreifen hin und her lief, sie schleppte in hoher Kiepe manche schwere Tracht Klee oder Runkeln vom Acker in den Stall, und sie hätte eigentlich vier Arme und vier Beine haben müssen, um die Dinge zu tun, die täglich aus sie warteten.

Bei all ihrer Arbeit war sie immer froh­gemut und heiter, und es schien so, als ob sie mit ihrer Fröhlichkeit alle Kreatur ansteckte, die Kühe reichten ihr willig die vollen, strö­menden Euter, die Hühner liefen ihr auf dem Hof nach, ließen sich von ihr saugen und auf den Arm nehmen, das Korn legte sich bei der Ernte schmiegsam in ihre Hand hinein, und die Gräser und Blumen sanken bei der Mahd ihrer Sense entgegen.

Und wenn sie schon durch ihre vielen bäuer­lichen Fertigkeiten meine Bewunderung er­regte, so war ich doch immer sprachlos, wenn sie aus dem breiigen Rahm die frische Butter bereitete. Dann erschien sie mir wie eine Zau­berin, und ich schaute mit einem andächtigen Gefühl im Herzen ihrem Tun zu. Sie hielt die irdene Schüssel in ihren Händen und rührte mit einem Quirl, den der Großvater ihr aus einem Fichtenast mit einer kranzförmigen Gabelung geschnitzt hatte, darin herum. Sie nannte das Kirnen. Es war ein langes, an­strengendes Rühren, bis die ersten Butierkügel- chen sich aus dem Rahm lösten. Und wenn sie endlich den sonnengelben, tropfenschimmernden Teig gründlich ausgewaschen und durchgekne­tet hatte, strich sie ihn in eine messingene Form und stürzte die Butter daraus schön geformt und geziert auf einen Teller. Staunend betrach­tete ich dieses viereckige Bauwerk, kunstvoll gerillt und umrandet, mit einem springenden Hirsch im verzweigten Blattwerk auf der Ober, feite.

Das schöne Butterpaket mit oem Hirsch war nicht für uns bestimm!. Für uns hielt si? fri­schen Weichkäse, i» Milch anfgerührt.und mir Kümmel gewürzt, und süßes Obstmus, von dem sie in jedem Herbst große Kessel voll kochte, und das sie in Steinkrüge» aufbewahrte, für den besten Brotbelag. Die Hauptsache sei immer das Brot, sagte sie, und davon wüßte sie einen schönen Spruch, den sie von ihrem alten Lehrer gehört hatte Den sagte sie lachend aut, wenn sie die Butter in den Keller stellte.Stärke gibt das Brot allein, Butter braucht nicht vrauf zu sein", so hieß dieser Spruch.

Die Butter brachte sie m die entfernte Krets. stodk zu solchen Leuten, die nach ihrer Meinung nicht nach dem Geld zu fragen brauchten. Dann erhob sie sich am Morgen mit dem ersten Hahnenschrei vom Lager, fütterte zuvor Kühe, Schweine und Federvieh, stemmte sich die schwere Kiepe, die mit Birnen, Eiern und Butter bis zum Rande gefüllt war, auf die Schulter und schritt leichtgebeugt in ihren schweren Schuhen durch das stille Dorf, über die Felder, die im Morgenlicht standen, den Berg hinauf, unablässig talab und bergauf stei­gend, bis sie in der Stadt ankam.

Manchmal durste ich mit ihr, und aus die­len Weg freute ich mich sehr, obgleich ich von

Ich danke dir für den Regenbogen, de« du ! über die Gewitterwolken spannst, für den Regen, der die Früchte des Feldes erquickt, für die Sonne, die sie aus dem Boden lockt, für den Wind, der das Böse vertreibt und den Wind­mühlen in die FlügÄ greift, für den Schnee, der die Wintersaat schützend umhüllt. Auch für den Mond danke ich dir, der immer im Zu- und Abnehmen etwas Gutes bewirkt, wenn man sich nach ihm zu richten weiß.

Dank für das fallende Laub der Bäume, denn es düngt; Dank für das Gras, das zu Milch wird! Dank für die Wolken, für den Bach, für die Kopfweiden und alle Gewächse, für die Rüben ebenso wie für die Radieschen; unter deinem Atem bekommen sie Leben und Wachstum, Geschmack, Farbe und Größe. Hab Dank für dein Schaffen Tag und Nacht! Du bist unser Gehilfe, deine Herrschaft dient uns wie ein Knecht.

Ich danke dir, Herrgott, im Himmel, auf Erden nnd überall.

Und laß deinen Knoll*), als Zeichen dafür, üaß du seinen Dank annimmst, noch viele Jahre im Schweiße seines Angesichts auf dei­nem Acker arbeiten! Dank im voraus!

(AusBauernpsalm" von Felix Timmer- mann, Insel-Verlag.)

i Name ües Bauern, der ien Baucrndank spricht.

/ Erzählung von Wilhelm Peter

vornherein wußte, daß er weit nnd anstren­gend war, ich ließ mich niemals davon abhal­ten, mitzugehen, denn die Großmutter wußte von bestimmten Orten der Landschaft, von dunklen Wäldern, versonnenen Mühlen und verzauberten Burgruinen allerlei schaurige Ge- schichten und schnurrige Begebenheiten zu er­zählen. Aus einem Hügel hielten wir Rast. Dann knotete sie aus einem roten Taschentuch» in das ein säender Bauer mit Weißen Strichen gezeichnet war, ein Stück trockenes Brot, brach es durch und gab mir ein Stück davon. Das war unsere Wegzehrung für den langen Marsch. Und dann meinte ich immer, daß die goldenen und grünen Felder, die blumenbunten Wiesen, die Täler und Höhen, die Wolken und Wälder einen ganz besonderen Glanz und Dust hatten, wenn ich neben der alten Frau saß und mein Brot.

Dabei erzählte sie mir eine Begebenheit aus ihrer Jugendzeit, die Wohl das stärkste und eindrucksvollste Erlebnis ihres langen Lebens war, denn sie hat sie mir des öfteren erzählt, und jedesmal lag ein tiefer Ernst auf ihrem Gesicht und in ihrer Stimme. Einmal wären magere Jahre hintereinander gekommen, in einem Jahr hätte die sengende Sonne, die kein Tröpflein Regen und Tau aufkommen ließ, die Erde ausgedörrt und das Korn auf dem Halm verbrannt, im nächsten Jahre hätte der Himmel seine Schleusentore nicht mehr geschlos­sen, die Saat sei im Wasser versoffen, den Rest hätten die Schnecken aufgefrefsen. Das sei eine schreckliche Zeit gewesen. Mit dem wenigen Korn hätten sie sparen und geizen müssen, kein Krümlein Brot sei achtlos fortgeworfen wor­den.Es kamen Tage", erzählte sie,daß ans

Jahres gebacken wurde, zu gleicher Zeit berei­tete der Großvater draußen den Acker für das Korn des nächsten Jahres. Die alte Frau wog das frischgebackene Brot sinnend in ihren Hän­den, sie zeichnete mit ihrem Messer drei Kreuze in die Rinde und schnitt es dann an. Die erste Schnitte wurde nicht gegessen. Sie schritt zum Schrank, holte das geheimnisvolle Kästchen hervor, trug es behutsam in ihren Händen wie einen Schatz, stellte es auf den Tisch und öffnete es mit einem kleinen, schmalen Schlüssel, den sie an einer dünngedrehten Kordel auf der Brust trug. Was nahm sie heraus? Ein hartes, trockenes Stück Brot. Es hing ein erdiger, würziger Duft an ihm, es trug einen dunkel­braunen, satten Glanz. Das war die erste Schnitte vom vorjährigen ersten Brot, ein Jahr lang hatte es in dem Kästchen geruht. Dann legte sie die neue, frischgeschnittene Brot»

Lrntedank

Das siahr hat seine Fahnen gesenkt.

Es hat uns in Treue versorgt und beschenkt, Es letzte öle Flur mit Regen und Licht, Schweigend, als war' ihm Güte Pflicht/

Es hat gezürnt, gepoltert, gelacht,

Cs hat aus Samen Frucht gemacht.

Mir treten dankend vor Gottes Thron.

Mir danken für des Fleißes Lohn.

Für Gut und Gabe in Speicher und Spind, Mir danken für Mondnacht, Tau und Mind, Für alle Münder, die uns erblüht,

Mir danken mit erhabnem Gemüt,

Daß Glück uns reifte im rüstigen Tag,

Oas heilige Müh' nur zu heben vermag.

Erde, du schenkst uns mehr als Brot.

Ou schenkst uns die Kraft, die nie vcrlohh Ou schenkst uns den zähen Bauernmut Im Morgenhauch, kn der Mittagsglut;

Den Glauben, - wir geboren sind,

Mann, Frau, Kind und Kindeskind.

Mir falten die Hände, wir sagen Dank» Taufrische Maiden, blank und rank,

Sehnige siungkraft, schweißgestählt,

Meißes Haar, das von Stürmen erzählt.

Mi, danken nicht für siahresgewlnn,

Llnser Erntedank hat ewigen Sinn.

Alfred Huggenberger

die Mutter nur täglich eine dünne Brotschnitte geben konnte. Davon aßen wir zu jeder Mahl- zeit nur einen kleinen Bissen und schoben daS Ende dieses kostbaren Stückes möglichst lange hinaus. Und dann hatten wir kein Mehl zum Brotbacken mehr im Sack, und das neue Korn stand noch auf dem Halm draußen und hatte eben erst geblüht. Da wußten wir, wie es ist, wenn das Brot fehlt. Denn alles kann der Mensch entbehren, nur das Brot nicht."

In ihrem Glasschrank stand auf dem ober­sten Brett ein reichgeschnitztes Kästchen, oas hatte der Großvater als junger Mensch an langen Winterabenden aus Lindenholz her- gestellt. Es war verschlossen und den Schlüssel konnte ich nirgends finden. Meine Gedanken umkreisten dieses sonderbare Kästchen, oft stand ich sinnend davor und fragte dann die alte Frau nach seinem Zweck und Inhalt. Sie schwieg lange und sagte zuletzt im ernsten Ton: Du wirst es noch erfahren."

Es war um die Zert des FrühherbsteS, als das erste neue Brot aus dem Roggensegen des

scheibe in den Kasten, schloß ihn wieder zu und trug ihn in feierlich schreitender Haltung zum alten Platz zurück. Am anderen Morgen, wenn der Großvater die Saat warf, ging sie auf den Acker und streute das trockene Brot vom letzten Jahr in die Furche, und die Zähne der Egge zogen es mit den Samenkörnern in die Erde hinein.

Das geschah in jedem Jahr. Warum machle sie das? Sie gab keine Antwort darüber, wenn man sie fragte. Es blieb ihr Geheimnis.

Ernstlich krank habe ich sie nie gekannt. Als sie aber doch eines Tages sich zu Bett legte, es war ein milder Hersttag, wo die Blätter ganz leise von den Bäumen schweben, ließ sie sich das geheimnisvolle Kästchen bringen, holte die Schnitte Brot hervor, biß hinein und brach Stücke davon ab, die sie uns überreichte. Und wir aßen auch von dem harten Brot. Am fol­genden Tag ist sie gestorben.

Liick: lloltmaim

Vater Zander /

Geiz des Bauern? Nein! Nur mit unermüd­licher Arbeit treuer Hände in Empfang neh­men, was Gott und die Erde uns beut. Das ist es, nichts anderes. Ich weiß nicht, ob ich sage« darf, daß ich den Bauern kenne. Aber ich kannte den alten Vater Zander.

Ganz deutlich sehe rch seine verschaffte, si» wenig gichtkrumme Hand die Kartoffelbro­samen und -schalen ans dem Tisch zusammen­streifen, damit auch für die Säue der Kübel voll wird. Immer, immer sah ich ihn an jener gefährlichen Grenze, wo ein kleiner Schritt M Geiz und Habgier werden kann.

Ich sagte, Bauerntum bestehe nicht nur aus den hohen Zeiten des Säens und Erntens, die­ses offenbar und sichtlich frommen und auf geheime Weise fast geheiligten Tuns. Ich Hab«, wenn auch nur noch am Rande seines Leben-, den Vater Zander alle bäuerliche Arbeit tu« sehen. Ich habe ihn im Stall und auf dem Heu­boden, auf dem Acker und beim Dreschen, auf dem Misthaufen und bei den Schweinen, ich habe ihn überall gesehen. Und ich habe gesehen, daß er bei all seinem Tun letztlich doch gewußt hat, daß er Brot und Nahrung schafft. All sei« Tun stand wie unter einem Stern.

Der Vater Zander war von einer tiefen, lau» teren Frömmigkeit, wie ich sie in solcher Einfalt und Hingegebenheit an keinem an­deren Menschen erlebt habe. Nie bin ich in einer Kirche so von Andächtigkeit umgeben gewesen wie am Tisch des Vaters Zander, wenn er am Abend seine Andacht gelesen hat.

Wenn er aber vor dem Nachtessen, auf der Ofenbank sitzend, Rüben schnitzelte, um daS Viehfutter etwas habhafter zu machen, war im Tun seiner alten und verschafften Hände eine nicht minder fromme Gebärde.

Ich sehe ihn vor mir, wie er abends zur Brotsuppe die Kartoffeln schälte und dann mit behutsamer Hand die mehligen gelben Früchte neben seinen Teller legte. Und nicht nur behut­sam war diese Hand voll des Dankes war sie für jenes Wunder, das aus demAuge" eurer zerschnittenen, in den Boden gelegten Frucht einen Stock mit zehn Früchten wer­den ließ.

Mit uns aber hat der alte Vater Zander Mitleid gehabt, weil er sah und hörte, wie wir Brot und Kartoffel" sagten, wenn wir Armut meinten. Für ihn waren, über siebzig Jahre hin, Brot und Kartoffeln das Wunder der fruchtbaren und gesegneten Erde, waren Arbeit und Segen feiner Hände, nnd er hat nie der- gessen, daß er sie aus der Hand Gottes empfängt.

AusDie Gatte trn Dort' von Gotte Schicker- Ede. In Leinen gebunden SiM. . Bert«« I. S. Steinkovt, Stuttgart