Seite 8

Nr 112

Nagoldex Tagblatt «Der Gesellschafter«

Sir. 11

Erzählungen für den Feierabend

Work der Hand/

Von Hans Hoinriob llbrlor

Wer aus einem guten alten deutschen Handwerkerhaus stammt, dem bleibt der Ge- ruch und Geschmack davon, wenn er Diplo­mat würde oder Professor der Philosophie. Arktisforscher oder Stratosphärenflieger. Ge­nau so wie jenem, der eine fromme Mutter gehabt hat und als Knabe in einer Kirche gekniet ist, der Laut des Kindergebets wie der heimischen Kirchenglocken nie aus dem inneren Gehör kommt.

Auch der Schreiber dieser Betrachtung trägt noch heute als den gesündesten und treuesten Teil seines Innenbesitzes nicht Wissenschaft Kunst. Dichtung in sich, sondern die Erinnerung, daß er als Gym­nasiast und Student in den Vakanzen Geselle seines Vaters gewesen ist. des Wachsziehers Johann Michael Ehrler zu Mergentheim. Mit diesem zusammen hat er in hölzernen Hürden Wachs auf Leintücher gebreitet. Bienenwachs gebleicht, aus dem Wachs Kir- chenkerzen gegossen, dann am Altar gedient, worauf die Kerzen brannten. Er hat die Wachsstöcke geflochten, welche mit selbst ge- stanzten Wachsblumen, ausgeschnittenen Blättern und genarbten Goldbändern ge­schmückt wurden. Davon funkelten im Winter bei frühen und abendlichen Gottesdiensten reihenweise die Kirchenbänke. Den Christ­baum durchglitzerten aus unserer Werkstatt gekommene Lichter. Das eigene Honiggebäck duftete.

Der junge Mensch kam hinaus in jene ge­fährlichen. brüchigen Geisteszustände, die sich jetzt als Inhalt der abgelaufenen Zeitspanne entpuppten. Er hätte die Probe dort drau­ßen nicht bestanden ohne den mitgegangenen Schimmer der Heimat und die Mitgift ihrer Gedächtnisbilder.

Ich zähle mir locker, mit den Gedanken die Gassen durchgehend, auf. was um 1880 bis

1885 an Handwerkern in dem damals vier­tausend Köpfe zählenden Tauberstädtlein ge­wesen ist: Bäcker. Metzger. Großuhrmacher, Schlosser. Hufschmied, Zeugschmied, Wagner. Maurer. Zimmermann. Gipser. Stukkateur. Weißputzer. Maler. Tapezier, Sattler. Kürsch­ner. Uhrmacher. Glaser. Drechsler. Leist­schneider, Mühlenbauer. Rotgerber Weiß­gerber. Zinngießer. Messinggießer. Kupfer­schmied. Flaschner, Schneider. Zengweber. Schuster Goldschmied, Holzbildhauer und Vergolder. Steinbildhauer. Kappenmacher. Hutrnacher, Kammacher. Brunnenmackier. Photogravh. Graveur. Konditor. Messer­schmied Pflästerer. Mechaniker. Seiler. Buch­drucker. Lithograph. Buchbinder, Gärtner. Weingärtner, Küfer. Büchsenmacher. Schwert- seger. Barbier Zeilenhauer Bürstenbinder. Korbmacher. Seifensieder. Färber. Kamin­feger. viele Bierbrauer. Essigsieder. Häfner, Ziegler Müller. Posamenter. Schieferdecker, Nagelschmied.

Mit dem Nagelschmied Fuchs saß ich oft im Reichengäßle, in seiner kaum ein paar Schritt tiefen Schmiede, sein Bart leuchtete vom Feuer der Este. Er hat nach Brauch der Zunft gesungen bei der Arbeit und war stolz auf seinen Gesang wie auf seine Nägel. Bei den Jahrmärkten zog in der Burggasie das Schild seines Standes die meisten Schuster und Bauern an.

Oder wie machte es sich bedeutend, wenn man im Gespräch mit unter einer Schuster­kugel saß. oder auf dem Stadtturm beim Turmschneider Hermann, der Gedichte machte! Sein Vorfahr war Freund des

Pfarremeriten Eduard Morike gewesen. In

der Wächterstube sind die Verse entstanden: Auf einem Kirchturm:

Ein Glockentonmeer wallet Zu Füßen uns und hallet Weit über Stadt und Land.

So laut die Wellen schlagen.

Wir fühlen mit Behagen

Uns hoch zu Schiff getragen

Und blicken schwindelnd von dem Rand.

Ich sah zu, wie unser Nachbar, der Groß­uhrmacher Ruf. die Turmuhr auseinander- nahm und wieder zusammensetzte. Und wohl könnte ich heute noch einen Schuhnagel schmieden einen Hornkamm aussägen, ein hölzernes Blasrohr aussägen eine Zinnguß­form zurüsten, ein Schnitzwerk mit Goldblatt belegen. Ich könnte es. wenngleich nur wie ein ungeschickter Lehrling. Das Wachs meines Vaters sedoch vermöchte ich zu blei­chen. die Kerzen zu gießen, die Wachsstöcke zu siechten und zu verzieren wie ein guter Geselle.

Was war das, eine solche kleine Stadt mit solchen Menschen darin? Man müßte den Namen Gemeinde dafür erfinden. Denn es ist die von Mauern umhegte Gemeinschaft der siireinander Schaffenden, gewesen. Das In- dividuum in der Sozietät. Es war etwas wie eine magische Lösung jener Frage, die sich immer wieder als die Grundfrage des menschlichen Zusammenlebens aufwirft und , aufwerfen wird.

Wahrhaft ist ein magischer Grundstost an dem Wort gewesen vom goldenen Boden.

Wenngleich sich darauf nie Mammon mit seinen Schätzen inthronisierte, sondern viel- mehr eine für unsere Augen dürftige Armu­tei. Dieser gaben Bescheidung und Zufrieden­heit den Glanz. Sie wurde zum Selbst­bewußtsein emporgestützt durch das Wißen um ein frei wirkendes und doch eingeordnet dienendes Menschentum jenes Wissen des einzelnen, daß er seiner Bestimmung gemäß ein Bestimmtes, diesen Stein, diesen Balken, dieses Schloß, diesen Becher, diesen Zierat, dieses Bild in das Bild, in die Erscheinung seiner Stadt eingefügt, zu ihrer Verkörpe- run beigetragen habe. Jeder hat etwas vom anderen, jeder hat etwas für den anderen. Es war ein wunderlich

verwirktes Bündnis des , ,- .-

Nehmens und Gebens. AtzH-i 7 ,

Die hin und her gehen- ^ - -

den Dinge hatten an- sI.tz- ^ s haftenden Wert, das Menschliche, Person- liche der Herkunft kam mit ihnen. Der Segen der Hand, woraus sie stammten.

War der Bereich auch eng, es war Gestaltung.

Formung darin, die Figuration des deut­schen Bürgertums. Eine im kleinen große Welt der Ordnung.

wieder über unsrer Nation ausgesteckt. Das Volk der Deutschen soll zu einer Gemeinschaft der füreinander Schaffenden umgebildet wer­den. Frei und eingeordnet. So greift man denn nicht aus die Klassen, sondern auf die Stände zurück, anstatt aus die Organisation auf den Organismus. Denn auch die Summe einer Nation ist keine mechanische, vielmehr eine magische.

Die Würde der arbeitenden Hand bleibt darin das nie abzutötende Gleichnis. Man muß möglichst viele dieser Hände Hervor­bringen. Freie und durch die Freiheit ein­geordnete. So ist auch das übriggebliebene Handwerk nicht etwa nur als Wirtschasts- gruppe zu retten, sondern aus dem inwen­digen Gesetz seiner geschichtlich gewordenen Art, das ein sittliches Gesetz ist. keine Schutz­einrichtung.

Jener belebende ma­gische Grundstoff war innig mit den christ­lichen Elementen des zu Ende gehenden Jahr­hunderts vermischt. Da- heim wurde damals, ka­tholisch oder evange­lisch. in jedem Haus zu Tisch gebetet. Wo wird jetzt noch das tägliche Brot als Gabe des Va­ters geehrt und geseg­net?

Das zeichenhafte, von höherer Ebene her vor­gezeichnete Gebilde stellte sich in dem Stand des Handwerks dar. in sei­ner zeremoniösen Glie­derung und seinem Brauchtum. Lehrling.

Geselle. Meister. Spie­gel der drei im einen.

Tann kam der Zer­fall. Kam ich zeitweilig wieder heim in die Mergentheimer Gassen, schmolz die Liste jedes­mal mehr zusammen. Das Farbspiel erlosch Die Originale moderten im Gottesacker.

Oer uit>> iciipker

(Bild: NS.-Preffe-Archiv.)

Jetzt werden wir von der großen Be­wegung des deutschen Wesens aus den Zu­ständen der Auflösung in die Kreise neuer Bindungen geführt. Zeichen und Stern sind

Darum steckte ich neulich bei meiner letzten Heimreise im Reichengäßle an den Laden der verlassenen Nagelschmiede einen Zettel mit dem schönen alten Gruß, gewechselt zwischen Gesellen und Meister:

Gott segne das ehrbare Handwerk!"

Er segne es!"

Linfahrt in eins Steinkohlengrube

Ich fand mich am andern Morgen Pünkt­lich im Dienstzimmer des Obersteigers ein. Dort lag bereits ein Grubenanzug aus eng­lisch Leder für mich bereit, den ich anlegte, ebenso eine dicke Filzkappe als Kopfbedeckung.

Wir schritten zuerst zu dem Gebäude, worin die wichtigste der Bergwerksmaschinen, die Fördermaschine, stand. Peinlichste Sau­berkeit herrschte in dem hohen, mit bunten Fliesen ausgelegten Raume; es blitzten und glänzten die blank geputzten Maschinenteile. Ein einziger Wärter bediente das Ungetüm, aber es gehorchte ihm aufs Wort. Der Maschinenwärter zog einen Hebel zurück: fauchend und stöhnend setzen sich die Kolben der Dampfmaschine in Bewegung und be­gannen eine wohl 6 Meter hohe Trommel zu drehen. Erst langsam als ob sie nicht recht wollte, dann aber in sausendem Schwung, daß der Fußboden zitterte. Von der Trom­mel aber wickelte sich ein dickes Drahtseil ab und fuhr oben am Dache zu einer Oeffnung hinaus; ein anderes dagegen kam zu einer zweiten Oeffnung herein und wickelte sich auf der Trommel auf. Schnell trat ich ins Freie, um zu sehen, wohin die Seile führ­ten. Da sah ich vor mir ein wohl 20 Meter hohes, starkes eisernes Gerüst. Darin drehten sich oben in der Luft zwei große Räder die Seilscheiben und über sie liefen die Seile hinweg.

..Das ist das Fördergerüst" erklärte der Obersteiger,woran man schon von weitem eine Grube erkennen kann. Die Seile aber

welchen das Handwerk gehabt haben soll, führen hinab in den Schacht, der unter dem

Fördergerüst in die Tiefe geht. Jetzt wollen wir einfahren." Wir schritten zum Schacht.

Unterwegs mußten wir an einem kleinen Häuschen vorbei, woraus ein summendes Ge­räusch ertönte. Oben aber sah das Häuschen aus wie ein großer viereckiger Trichter; leich­ter Rauch stieg aus ihm auf. Ich blieb stehen und lauschte.Darin geht ein Ventilator", erklärte mir mein Führer,das ist ein gro­ßes Schaufelrad; es saugt die schlechte Lust die schlechten Wetter, sagen wir Bergleute durch den einen Schacht aus der Grube und zieht dafür durch den andern Schacht drüben frische Wetter in die Grube hinein."

Nun schritten wir zur Hängebank, das ist der Raum, von wo die Knappen auf der Förderschale in den Schacht einfahren. Be­vor wir die Hängebank erreichten, kamen wir durch die Markenkontrolle. Dort händigte ein Aufseher, der Markenkontrolleur jedem von uns eine Blechmarke mit Nummer ein. Die Marken nahm er von einer Wandtafel, woran Hunderte derselben hingen.Jeder Bergmann" belehrte mich der Obersteiger, hat eine bestimmte Marke mit Nummer. Wenn er einfährt muß er seine Marke mit- nehmen, damit wir stets wißen, wie viel und welche Mannschaften unter uns sind. Die ausfahrendsn Leute geben die Marke an der Kontrolle wieder ab."

Der Obersteiger ergriff eine hellbrennende Azetplenlampe und reichte auch mir eine solche hin. Ich habe mir erst ein paarma! die Finger verbrannt, bevor ich damit um- zugehen wußte. Am Schacht fand ich auch die beiden Seile von der Fördermaschine

Mir Lenen!

e.8 vsr «v WoN von kleinem Lisng und xing in grauem kleide, tiun dod es sied rum groüen Lang, nun überstieg es jeden kisng und strsklt io 6oid und Leide.

Io jedem ksd es surrt und singt, es klammt aus Helm und Lense.

Im klaggentucb so stolr es sekvingsi bis gräbt und svackt und kokkt und ringt und klicbt den l'oteo kränre.

l Kezugspr

i durch Bo: , durch die' : einschb^ s Eebühr z < Ecbiihr. > W.Eew M Lief! Mahd

kt» regt die Hände trüb und spat, und braust im ksnd wie Kienen.

Ls adelt die geringste pat,

trägt ktann und Weid und Volk und Ltsgs-.

das Lönigsvvort: Wir dienenl

Lari kurkert

wieder. Jedes Seil ist mehrere Male um dir Trommel gewickelt, und beide Enden gehen dann über die Seilscheiben hinweg und in den Schacht hinab. An jedem Seilende aber hängt eine Förderschale, das ist ein Kasten, worin Mannschaften und Lasten hinab- und heraufgeschafft werden. Jede der beiden Schalen hatte zwei Stockwerke. Etagen; aus jeder Etage fanden zwölf Mann oder bin Förderwagen Platz. Wenn eine Schale hinab geht, kommt die andere herauf.

Fern!

L i 8

Soeben verschwand eine Schale mit Mann- schäften in der Tiefe.

Die ernsten Knappen bekreuzten sich: Glück auf! ertönte es zum Abschied, dann war es still; nur an einem schwachen Zittern des Seiles bemerkte ich, daß es hinabschoß. ES dauerte drei Minuten, da hob sich nebenan die andere Schale aus der Tiefe. Zuerst er- blickte ich das andere Ende des Seiles, das mit vielen Schrauben und Bolzen d« Seilklemme an der Schale befestigt war. Da durchschoß mich der Gedanke, welch m Unglück es geben müßte, wenn ein solch«! Seil zerriße. Dann müßte die Schale um» bar in den Schacht Hinabstürzen.

Als os Meltaus 21. Mai punlt f Wstcll, ist bcabs rend i mitta am V fortg' össnung hier vei Während am 27. i Pforten S Frank

Das kann leicht passieren", beruhigte mit der Obersteiger. An jeder Förderschale be­findet sich eine Fangvorrichtung, die vor selbst die Schale im Schacht zum Stehen bringt, wenn das Seil bricht."

Die ausfahrenden Bergleute hatten den Schacht verlassen, und wir nahmen daraus Platz. Der Anschläger, der die Schale be­diente. gab das Zeichen nach der Fürder- Maschine, die Signalglocke ertönte, und lang- sam setzte sich die Schale abwärts in Be­wegung. Wir waren augenblicklich im Fw- stern. Nur unsere Grubenlichter warfen mat­ten Schimmer an die Mauern, die rundum den Schacht einschlossen. Plötzlich war mir's. als ob ich nicht schwer genug wäre, um nach unter zu kommen. Ich meinte, wir flögen aufwärts. In den Ohren fühlte ich einen dumpfen Druck. Da hielt die Schale. Ein Steiger, der mit eingefahren war, verlieh uns und wandelte in eine dunkle Strecke hinein, die vom Schachte ausging. Es war die Dreihundertzwanzigmeter-Sohle, wie der Obersteiger mir erklärte. Wir hatten mir noch 180 Meter zu fahren. Die Schale setzt? sich auf ein Glockensignal wieder in Be­wegung, und nach einigen Augenblicken hat­ten wir die Fünfhundertmeter-Sohle, di« tiefste des Bergwerks, erreicht.Glück aiF rief es von mehreren Seiten.Glück aus!' schallte es zurück. Wir stiegen aus und be­fanden uns auf einem kleinen freien Platze, dem Füllort des Schachtes.

kodei-t k u r p > u w.

lobpreis 6er Arbeit

Von ksrl Kroger

Nie ist der Mensch sich selbst und seiner Bestimmung in dieser Welt näher, als rn seinem täglichen Wirken und Schassen.

Arbeit ist Lösung und Erlösung.

Wer wüßte das bester als unsere Zen. deren wichtigste lebensentscheidende Frag? heißt: Wie bringen wir die Arbeit wieder an die Menschen, und die Menschen wieder an die Arbeit heran?

Arbeit ist das Herz des Lebens, des per­sönlichen wie des gesellschaftlichen Leben-, war es zu allen Zeiten und wird es immer bleiben.

Wie das Herz rastlos tätig sein muß, wenn der Mensch bestehen soll, so kann nur die Arbeit ein Volk, ja die ganze Welt am Leben halten. Sie treibt die Millionen Menschen und Maschinen an und setzt sie in Gang.

Arbeit geschieht niemals für einen euM- nen Menschen, mögen enge, selbstsüchtig Geister sich das auch einbilden.

Immer geschieht Arbeit in einer Gemein­schaft und für eine Gemeinschaft und glucr- lich sind jene Zeiten, denen dieser letzte un höchste Sinn aller menschlichen Arbeit freu­dig erfüllte Pflicht ist.

Timka M 120 ssert Haus ^ italie ihrer be mer A: iaer Sl heuten äffischer S auch Htzeiti Pavillon »rüsten ragen, rerde b he sollt Badeort iri e d e alles fei der Ver lung ir vorgeseh d. h. bis fach gla bis Iah Tie < der A man in auch de; weniger mit der ihren A deshalb, weitere Der deuts tränt. ! höher b>

sollte. ' ein 5 jedensc türm habe

Au

sriede" deshal Kunde Zebum Zeitur nur t »erkau gendei politis

, M eine i sollen

Heransgegeben nn Aunrag sei NS. - Presie Wüv- icinbera von Hans Nevbina. Uiur a- -

ter Ui seit Wo ihrer M hinter l-

inkernat rung m

ausländ

der ftai

Der aller b.e nsn lätzlicher 10-Stun aestellter