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Donnerstag, den 18. Dezember 1837
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Die .Christkindle- find unterwegs
Ein Blick in die Arbeit der Reichspost
Stuttgart, 15. Dezember. Droben auf der Aid liegt zum Leu Schnee und IN den Rächten friert es auch im Flachland. Da mutz Weihnachten in der Nähe sein. Mit diesem Fest beginnt alljährlich eine gewaltige Arbeit. nicht nur in den Familien und Ladengeschäften. sondern bei allen Beförderungsanstalten. vornehmlich bei der Reichs- p 0 st. Selbst im kleinsten Dorf warten sehnsüchtige Blicke, ob der Postbeamte nicht einmal ein Päckchen gerade in dieses Haus bringt, und wäre es nur eine Liebesgabe von der NS.-Volkswohlfahrt.
Zm Stuttgarter Paketamt
Wer diesem Betrieb nicht schon zugesehen hat, wird ihn nicht für möglich halten. Ueber Transportbänder und Nutschen wandern die Pakete zu den Kojen ihres Bezirks, im letzten Jahr zählte man täglich bis zu 10000 Stück. Kaum sind die Sendungen verteilt, so werden schon die' Kraftwagen, deren Zahl im Hochbetrieb bis zu 200 beträgt. beladen, und rollen mit ihrer Last von dannen. Inzwischen kommen neue Züge auf dem Postbahnhof am Rosenstein an. die Straßenbahn befördert mit Spezialwagen das Gut zur Verteilerstelle und nach einer Stunde liegt auf dem riesigen Tisch kein einziges Päckchen mehr. Und nicht weniger flink geht es bei der Postannahmestelle. In verschiedenen Stockwerken, ja selbst unter der Erde, stößt man überall auf Weihnachtssendungen, die schon hier aus die einzelnen Züge verteilt werden. Ueber die Festtage richtet die Reichsbahn besondere Schnellgüterzüge ein. welche hauptsächlich während der Nacht verkehren und eine abends aufgegebene Sendung schon am anderen Morgen in die Hand des Empfängers ge- langen lasten.
Nur 10 Pfennig für die Abholung
In allen württembergischen Städten und Ortschaften herrscht ein ähnlicher Betrieb und viele Zehntausende von Sendungen flattern ins Land hinaus, ins Reich und selbst inS Ausland. Man darf nur an die Wertindustrie Württembergs denken, die alljährlich für ganz bedeutende Summen Auslandswaren verschickt. Nun hat die Reichspost eine sinnreiche Einrichtung getroffen. die jedem Postkunden zur Verfügung steht. Ueberall gibt es Leute, die nicht oder nur schwer die Möglichkeit haben, ein Wei h- nachtspaket beim zuständigen Postamt aufzugeben und so unterbleibt manche gutgemeinte Sendung. Diese Lücke zu schließen vermag jeder Zustellbeamte. Wenn die Sendung versandsertig ist, kann sie an jedem Postwagen gegen Zuschlag von 10 Pfennig aufgegeben werden und fin- -et die gleiche rasche Behandlung wie am Schalter. Das gilt nicht nur für die größe- cen Städte, sondern ebenso für den Land- vostdienst. Und wer den Postboten nicht kht unterrichtet telephonisch oder mittels unfrankierter Karte sein zuständiges Posd- ,mt (Postnebenstelle) und wird beim nächsten Bestellgang bedient.
Verbilligung für PostgutsenLungen
Im Rahmen des Kundendienstes hat die Üielcksvost eine weitere Einrichtung getrof-
Wie versenden wir unsere Pakete?
fen, die vor allem den kleineren Gewerbe- treibenden und Geschäftsleuten m der Provinz wenig bekannt ist: das P 0 stgut. Man versteht darunter eine Sendung zu ermäßigtem Tarif, die in Sammelladungen von bestimmten Plätzen aus verschickt wird. Wer nach demselben Empfangsort drei Pakete von nicht mehr als je 5 Kilogramm Gewicht gleichzeitig aufgibt, kommt in den Genuß dieser Verbilligung. Dabei kann es sich um drei verschiedene Empfänger an demselben Ort handeln. Die Ermäßigung ist besonders auf weite Strecken sehr erheblich. So kostet ein Postgut, zu dem eine grüne Paketkarte verwendet werden muß. von Stuttgart nach Berlin nur 50 Reichspfennig. Postgutsendungen können nach allen Poststellen im Deutschen Reich aufgegeben, in Württemberg bei einer großen Zahl von Postämtern zur Beförderung auch angenommen werden. Diese Postgüter sind sogar bis zu einem Höchstbetrag von 300 Reichsmark kostenlos versichert.
Beschädigte und unzustellbare Sendungen
Immer wieder klagen die Empfänger über Beschädigung einer Sendung, aber daran ist nicht die Post, sondern der Absender schuldig. Heute müßte jedermann wissen, daß man weiches Obst oder Flaschen nicht einfach in Papier oder Pappe eiuwickelt und aus diese Weise ein „Paket" zusammenstellt. Zwar
Irr AmgerMruck
Bon Hör st Thielau
William Petterson, Londons berühmtester Detektiv, war für den Abend eingeladen. Petterson stand vor dem großen Spiegel, ganz in die Ausgabe vertieft, die Smokingschleife in kunstgerechte Form zu bringen.
Plötzlich lauschte der Detektiv mit gesparm. tem Ohr. Die Zimmertür hatte sich sperrweit geöffnet. Im Spiegel tauchte eine vermummte Gestalt auf.
Petterson riß es wie elektrisch herum. »Zum Teufel! Was suchen Sie hier?"
Wie er es immer tat, um sich für Sekunden zu konzentrieren, drückte der Detektiv die Hände mit einem scharfen Druck zusammen. so wie man einen Schraubstock prüft, ob die Klemmen gut schließen.
Der andere lachte höhnisch. Wie Pfeile sah der Eindringling Pettersons Augen aus sich gerichtet, das hinderte ihn aber nicht, mit langsamer Bedachtsamkeit ein Paar Schritte näher zu kommen. Gleich einer grinsenden Fratze wirkte das Wischtuch, das der Unbekannte sich vor das Gesicht gebunden hatte.
„Es mag Sie überraschen, daß mein angeborenes Behagen am Ungewöhnlichen mich reizte, mich ausgerechnet in die Höhle des Löwen zu begeben. Prominente, Herr Petterson. die steil wie eine Rakete mit Ihrem Namen in Himmelshöhen aufsteigen, verlieren zu leicht den Boden der Wirklichkeit unter den Füßen. Sie halten sich allmählich als der Herrgott selber. Mein Erscheinen soll zunächst also eine kleine Ernüchterungskur für Sie sein. Der Revolver, den ich mitgebracht habe, ist ausschließlich -Formsache. Er be-
bemüht sich die Post um schonendste Behandlung des ihr anvertraukn Gutes. Aber im Großbetrieb werden die Pakete möglichst eng aneinander gereiht und niemand steht ihnen an, ob Tante Frida Lebkuchen oder Eier, Marmelade oder Wildbret in das Papier eingeschlagen hat. Während des Transports läuft der Inhalt aus. di« Verpackung wird schlecht und andere Sendungen werden beschmutzt. Im Fall der Auflieferung von beschmutzten oder aufgebrochenen Sendungen bestellt die Post den Empfänger zu sich. In seiner Gegenwart öffnet sie das Paket und stellt den Inhalt oder Abmangel fest. Das ist vorbildlicher Kundendienst.
Wer aber keine genaue Anschrift des Empfängers weiß, erkundige sich rechtzeitig danach! Er bürdet sonst der Post eine große und unnötige Arbeit im Weihnachtsverkehr auf. den Empfänger ausfindig zu machen. Ist das Paket unbestellbar, so erhält es der Absender umgehend zurück, er darf aber nicht vergessen, seine Anschrift möglichst deutlich auf der Paketkarte, auf der Kleb- adreffe und in einem Doppel anzubringen. Diese Doppelanschrift hat schon manchen beschädigten Sendungen den richtigen Empfänger vermittelt. Ob der Landpostbote den Weihnachtsengel spielt oder der städtischc Postkraftverkehr: alle stehen im Dienst eines der größten deutschen Unternehmen, das vielen Tausenden von Beamten und Angestellten Brot und Arbeit gibt und das es sich Mi Ehre macht, auch dein Weihnachtspäckchen an die richtige Adresse zu bringen.
Ottmar Ueü
deutet viel und gar nichts. In Wirklichkeit bedarf ich seiner nicht, denn, wem meine Hände an die Gurgel fahren."
Petterson machte eine lebhafte Bewegung und wies auf den Jagdschrank.
Durch die Löcher des Wischtuches glühten verachtend zwei grüne Augenlichter.
Pettersons Atem flog. Plötzlich war der Detektiv ganz im Bann eines bestimmten Gefühls, — des Gefühls, daß London mit einem ungeheueren Hallo antworte, wenn der unversrorne Streich des Banditen publik werde.
„Sie werden sich auf der Stelle ent- fernen!" Wütend stieß Petterson einen Stuhl weit hinter sich.
„Sie irren! So einfach sind die Bedingungen des Spieles nicht. Den Zeitpunkt, da ich mich entferne, bestimme ich, kein anderer."
Der Detektiv schnappte wie einer, der dreißig Sekunden unter Wasser war. Dann sagte Petterson mit einer Stimme, die quirlend und dringlich klang: „Darf ich endlich erfahren, welche eigentliche Absicht Sie hierher führt?"
„Daß ich nicht kam, mich nach Ihrem Befinden zu erkundigen, versteht sich am Rande." Der Vermummte hatte sich Petter- son mit federndem Fuß auf einen knappen Schritt genähert. „Der Zweck nieines Be- suches ist erstaunlich einseitig. Mein Vor- stoß gilt einzig und allein Ihrem Geldschrank. Noch heute abend benötige ich 500 Pfund, eine Bagatelle, die einem Petterfon nicht weh tut. Halten wir uns also nicht lange an Hypothesen auf."
Mühsam kämpfte Petterson eine seltsame Unruhe hinunter. „Es ist eine natürliche
Folge, daß Ihre Attacke M einer »egen- attacke führt. Sie werden von William Petterson nicht erwarten, daß er Ihnen fünf- hundert Pfund bedingungslos überläßt. Wenn Sie sich allerdings im klaren darüber find, daß Sie von mir in den nächsten Stunden noch zu hören bekommen, will ich Ihnen bei der Aneignung der fünfhundert Pfund keine Schwierigkeiten machen."
Der Fremde lachte laut auf. „Immer wie- der diese verrückten Illusionen der Herren Prominenten! Man liest es Ihnen vom Gesicht, daß Sie mit dem Gedanken spielen, den Pard hinter mir herzuhetzen. Sie sollen sich verrechnet haben. Herr Petterson! Wer in die Höhl« des Löwen geht, ist sich seiner Schläue wohl bewußt, — daß er mit diesem Löwen auch bis zum Allerletzten fertig wrid."
Ueber Pettersons Gesicht flatterte plötzlich ein Lächeln. „Sie gefallen mir, denn so viel Dreistigkeit habe ich mein Lebtag noch nicht beisammengefunden. Sie werden sich jetzt verehrter Herr Unbekannter, zum Tresor begeben und im übrigen, wie gesagt, für die weiteren Folgen einstehen."
Petterson knipste im Nebenzimmer das Licht an und machte eine einladende Bewegung. Dann ging der Detektiv zum Schreibtisch zurück.
Als der Fremde nach einer Weile eilig hinauszuschlüpfen versuchte, trat ihm Petter- son in den Weg: „Sie haben heute abend den Schein erweckt, oder wenigstens zu erwecke» versucht, daß es Ihnen aus ein Wagnis mehr oder weniger nicht ankommt. In der Zeit, Ln Si« die fünfhundert Pfund zu sich gesteckt haben, schrieb ich einen kurzen Brief an den Pard. Das Schreiben enthält Ihr genaue^ Signalement. Ihrer Verwegenheit glaube ich nicht zuviel zuzumuten, wenn ich Sie uni Ihren Fingerabdruck ersuche, denn eS ist da? einzige, waS an der Vollständigkeit des Signalements noch fehlt."
„Ich wüßte nicht, was ich lieber täte." grinste der andere, drückte den Daumen ans das Stempelkissen und dann auf das Schrift stück.
Der Thef vom Hart» ließ Petterson am an. deren Morgen zu sich rufen: „Der Gesell - schastSabend gestern scheint ja recht übermütig ausgeartet zu sein. Immerhin geht der Scherz reichlich weit, denn daß Sie einen Ihrer Kollegen des Einbruchs beschuldigen läßt sich auch durch ausgelassene Laune kann- entschuldigen."
Petterson war wie vom Donner gerührt. „Mt dem Gesellschaftsabend hat die Sache ganz und gar nichts zu tun. In meiner Woh- nung erschien tatsächlich eine vermummte Ge. statt und..."
„Lassen Sie es gut sein. Petterson! Die Sache ist nichts weiter als ein sogenannter Scherz, oder besser gesagt, ein unbedachter Streich, den ich genau so wenig gutheiße. Schon deshalb nicht, weil die „Affäre" sämtliche Abteile des Dakthloskopiebüros aufge- wühlt hat. Kwill, Ihr Kollege, wollte, wie er sich ausdrückte. Sie mal gründlich aufs Eis führen, um zu beweisen, daß auch der ae- wiegteste Detektiv niemals auslernt ..."
Dtelle dem Hund, Deinem treuesten Freund, jetzt für die kommende Winterszeit wenigstens eine warme Hütte zur Verfügung!
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6 (Nocbdruit verboten.)
„Wenn der Berg nicht zu Mohammed kommt, muß Mohammed zum Berge kommen! Seit vierzehn Tagen warten Tante Iulchen und ich auf den Heimgekommenen, meinen einstigen Schüler. Mein getreues Ehegespons und bessere Hälfte hat schon zum dritten Male frische Kringel gebacken, und immer haben wir sie allein verzehren müssen. Was heißt denn das, mein Sohn, hast du die alten Freunde ganz vergessen?"
„Herr Pfarrer!" stotterte Wolfgang, „Herr Pfarrer!" die unerwartete Freundlichkeit des alten Herrn rührte ihn in seiner verzweifelten Stimmung doppelt.
Der Pastor schien die Erregung des jungen Mannes nicht zu benierken, er setzte sich vorsichtig auf die Bank und zog den Jüngeren neben sich, dann nahm er dessen Hand und drückte sie fest.
„Nun also ein herzliches Willkommen in der Heimat!"
„Heimat!" kam es bitter von Wolfgangs Lippen, „ich habe keine Heimat mehr!" Und plötzlich brach der Schmerz aus ihm heraus. Als er dem alten Manne in die Augen sah und darin dieselbe Güte fand wie früher, da versanken die letzten zehn Jahre, er fühlte sich wieder als Schüler, der ungescheut dem Manne alle Röte klagen konnte, und wußte, daß er von ihm immer ein gutes Wort einen klugen Rat und auch wohl einen ernsten Tadel zu hören bekomme.
„Warum ich nicht zu Ihnen kam, Herr Pfarrer? Weil ich mich fürchtete. Ich will es Ihnen und mir offen bekennen, ich fürchtete mich, auch bei Ihnen und Ihrer Frau kalt und fremd begrüßt zu werden, — und ich schämte mich auch!" — setzte er leiser hinzu.
„Hm, kennst du uns so wenig?" fragte der alte Mann freundlich, und teilnehmend betrachtete er den jungen Menschen, der wieder vor sich nieder in den Sand starrte.
„Zehn Jahre sind eine lange Zeit!" fuhr Wolfgang finster fort. „Sie verändern die Menschen. Was ist aus meinem Vater, aus dem gütigen Manne geworden! Er ist hart und bitter. Was aus Marie! — Nein, sagen Sie gar nichts, Herr Pfarrer!" unterbrach er sich heftig, als der alte Herr sprechen wollte. „Härter als ich selbst können Sie mich nicht verurteilen. Ick weiß, es ist meine Schuld, nur meine Schuld und dies Bewußtsein und das andere da drüben, das Kreuz auf dem Kirchhof, es drückt mich zu Boden ich weiß nicht, wie ich es tragen soll. — Dort draußen habe ich ^ nicht jo empfunden. Ich sagte mir, es war dein
Recht, ja deine Pflicht, dich durchzufetzen. Jeder lebt sein eigenes Leben und soll es sich auch nach seinen Wünschen gestalten dürfen. Die Eltern haben kein Recht, da hindernd in den Weg zu treten. Daß ich ein schlechtes Mittel wählte, meinen Willen zu erreichen, auch das wußte ich zu entschuldigen. Ich wollte ja alles wieder ersetzen, dachte, es sei doch nur ein Vorwegnehmen dessen, was doch einst mein sein würde.
Ich war ein unreifer neunzehnjähriger Bursche, damals Herr Pfarrer, aber doch kein Kind mehr, ich wußte, was ich tat. Und alle die Jahre haben meine Gründe ausgehalten. Wohl hat es mir weh getan, den Eltern Kummer zu machen, doch habe ich mich stets dem Vater gegenüber im Rechte gefühlt. Ich sagte mir, hier liegt die alte und die neue Zeit im Streite miteinander, und will das Alte nicht weichen, so muß das Neue rücksichtslos sich Bahn brechen, geht es auch über das Alte fort und seht es Wunden. Und was der schönen Worte und Gründe noch mehr waren, womit ich mich selbst betrog. Aber jetzt, Herr Pfarrer, jetzt sehe ich ein, ich bin nicht stark genug, die Folgen meiner Handlung zu tragen. Hier, jetzt, sehe ich tein Recht mehr auf meiner Seite, ich sehe nur eine schwere Schuld. Und darum. Herr Pfarrer, bin ich auch zu Ihnen nicht gekommen!"
Er hielt inne. Als der alte Mann an seiner Seite still blieb, begann er, nach einer Weile wieder:
„Der Vater geht an mir vorüber und sieht mich nicht. Marie hat keinen freundlichen Blick, kein gutes Wort für mich. Ich klage sie nicht an, wahrhaftig nicht, ich würde es an ihrer Stelle nicht anders machen. Ich weiß auch, ich kann für den alten Mann nichts tun, als ihm aus dem Wege gehen, — aber die Heimat habe ich nun verloren. Früher konnte ich an sie denken, gehe ich jetzt fort, so ist alles tot. Ich habe es wohl nicht anders verdient. und doch!" Er schwieg und sah trübe vor sich nieder.
Der alte Mann sprach noch immer nicht. Nach einer Weile legte er dem ehemaligen Schüler die Hand auf die Schulter, stand auf und sagte bestimmt:
„Und jetzt gehen wir zu Tante Iulchen!"
Wolfgang sah überrascht auf, er mochte auf seine Beichte eine andere Antwort erwartet haben. Der Pfarrer sah ihn ernst an.
„Was dir fehlte, mein Sohn, waren Liebe und Geduld. Ich hoffe, du sollst beides dort draußen gelernt haben!"
Damit nahm er des Jüngeren Arm und führte ihn aus dem Garten ins Feld, ihn ruhig auf allerlei in Busch und Flur aufmerksam machend, als hätten sie über die gleichgültigsten Dinge geredet. Und was er wollte, erreichte er. Wolfgangs Erregung legte sich. Als sie endlich die kleine grüne Lattentür unter dem großen Kastanienbaum öffneten und in den Pastorsgarten ein- traten, sah er sich wieder mit helleren Augen um.
„Hier ist die Zeit spurlos vorübergegangen, Herr Pastor!"
„Ja, mein Sohn, der Garten und wir, wir sind di« Alten
In der dichten Pseisenslrauchlaube in der Nähe des Hauses saß die Pfarrer!». Ging der Hirt der Gemeinde schlank, hager und mit langsamen, ruhigen Bewegungen etwas vornübergeneigt durchs Leben, so war die Hirtin desto flinker, runder und lebhafter. Eben jetzt saß sie, die Brille auf die Stirn geschoben, und hob die Maschen eines Strickzeuges auf. In ihrem lebhaften Gesicht stand deutlich die Ungeduld, die ihr die mühsame Arbeit verursachte Bei dem Klang der herannahenden Schritte hob sie den Kopf und rief freundlich, doch ohne von der Arbeit aufzusehen: „Nun, Alterchen, schon zurück?"
„Ja, Iulchen, und sieh', wen ich dir bringe!"
Frau Pfarrer sah auf, riß die Brille ab und sprang aus: „Der Wolf — na endlich! Willkommen, willkommen!" Sie streckte dem jungen Manne beide Hände hin.
„Liebe Frau Pfarrer!" sagte Wolfgang nur und wollte ihre Hand an die Lippen ziehen, doch sie entzog sie ihm rasch und schalt. „Was, begrüßt man so eine alte Tante, die beste Jugendfreundin der Mutter? Frau Pfarrer und gar ein Handkuß! Jungchen, Jungchen, du bist ja herrlich höflich geworden in der Fremde. Wenn's denn geküßt sein soll, da komm her!"
Mit beiden Händen ergriff sie Wolfgangs Kopf, zog ihn zu sich nieder und küßte ihn rasch und energisch zweimal.
„So!!" Dann hielt sie ihn von sich ab und betrachtete ihn prüfend: „'s ist doch noch das alte Gesicht, nur älter geworben hier um die Augen, das war sonst nicht, und auch der Mund ist ernster als früher. Nun setze dich aber, Jungchen, der Kaffee ist zwar kalt, doch ich hole von unseren Himbeeren; so schöne habt ihr in Osterrade doch nicht!"
Sie wollte davoneilen. Wolfgang hatte wieder nach ihrer Hand gegriffen und hielt sie fest.
„Du bist jedenfalls nicht älter geworden, Tante Iulchen, der Pfarrer hat recht, hier ist alles wie früher!"
Liebevoll lächelnd sah er sie an. „So hübsch hatte ich dich gar nicht in Erinnerung!"
Sie drohte mit dem Finger: „Jungchen, Jungchen! und du bist noch der alte Schmeichler!" Ihm freundlich zunickend ging sie zum Hause.
Tief aufatmend ließ sich Wolfgang dem Hausherrn gegenüber aus einem Gartenstuhl nieder. Beide schwiegen. Plötzlich streckte der jüngere dem älteren Mann mit warmem bittenden Blick die Hand über den Tisch hin:
„Herr Pfarrer!"
Der alte Mann glrifs zu und nickte ernst.
„Ja, mein lieber Sohn, ich verstehe. — Doch halt« aus und behalte Mut, du hast viel wieder gut zu machen!"
„Wenn ich's nur könnte!"
(Foujetzung sol-tt)