November 1935
Nr. 258
Montag, 4. November 1935
109. Jahrgang
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Abessinien bittet de« Völkerbund um finanzielle Hilfe
Gens, 3. November
uvessirnsche Gesandte in Paris hat im Aufträge seiner Negierung den Völkerbundsrat ersucht, im Sinne des Abkommens vom 2. Oktober 1930 Abessinien eine Unterstützung als Opfer eines Angriffes zu gewähren. Das genannte Abkommen ist von 28 Staaten, darunter Frankreich und Großbritannien, unterzeichnet, doch ist damals sein Inkrafttreten vom Abschluß eines Abrüstungsabkommens abhängig gemacht worden.
Die Lage an den Fronren
Die Italiener setzen an allen Fronten ihren Vormarsch fort. Nordwestfront: Nach der Abwehr abessinischer Angriffe am Setit- Takasie-Fluß haben italienische Truppen den Fluß überschritten und Posten auf abessini- schein Gebiet bis zu 12 Kilometer von der Grenze bezogen. Nordfront: Der Vormarsch der drei Armeekorps geht weiter. Die Abessinier haben Makalle geräumt und sich auf die Hauptstellungen knapp südlich Ma° lalle zurückgezogen, die befestigt werden. Den Flankenschutz in 80 Kilometer breiter Front vorgehenden Italiener gegen die Wüste Danakil haben Eingeborenen - Abteilungen übernommen, die dauernd von abesfinischen Nachtübersällen beunruhigt werden.
Ostfront: Hier hat der italienische Vormarsch mit den schwersten Hindernissen zu kämpfen, als da sind: Die Wüste selbst mit ihren durch Salz unbrauchbar gemachten Brunnen, die Hitze, die nächtlichen lieber- fälle. Bis vor kurzem stand ein italienischer Flugplatz am Mussa-Ali-Gebirge noch unter dem Feuer abessinischer Scharfschützen, die den italienischen Fliegermannschaften schwere Verluste zufügten. — Südfront: Der italienische Vormarsch geht weiter. Der Stützpunkt Gorahei ist aber noch in abesfinischen Händen.
Der abessinische Kaiser hat sich nach Dessie am Fuße des Wollo-Gebirges begeben. Auch den Journalisten ist die Reise dahin gestattet worden, wenn sie für Verpflegung und Wasservorrat selbst sorgen.
„Niedens-ISne erledigt"
Paris, 2. Novqmber
Die aus Genf und London vorliegenden Meldungen und Betrachtungen deuten darauf hin, daß mit einer neuen Versteifung des engli sch-italienischen Verhältnisses zu rechnen ist. Der Londoner Berichterstatter des „E ch o dePari s" betrachtet diese Entwicklung mit Unzufriedenheit. Die Informationen, die er bringt, lesen sich eher wie Beschuldigungen und sind darauf zugespitzt, alarmierend zu wirken.
Mit Beruhigung stelle man fest, so schreibt er, daß die friedliebenden Kundgebungen Baldwins und Sir Samuel Hoares sich bisher nicht in die Praxis umgesetzt hätten. Davon weit entfernt, habe die britische Negierung entgegen den berechtigten französischen Erwartungen bisher nicht ein einziges Kriegsschiff seiner 600 VOO-Tonnen-Flotte aus dem Mittelmeer zurückgezogen, obwohl eine italienische Division aus Libyen zurückgezogen werde und obwohl das Versprechen einer sofortigen Beistandsleistung der französischen Flotte vorliege.
Im Gegenteil, man müsse feststellen, daß die britische Admiralität gegenwärtig außerordentliche Vorbereitungentreffe. Es handele sich um Maßnahmen von großer Tragweite und auf lange Sicht; Reserven würden einberufen, außerdicnstgestellte Kriegsschiffe wieder in Fahrt gestellt, Stützpunkte im östlichen Mittelmeer eingerichtet, die Arsenale auf- gc füllt, Verhandlungen mit Spanien geführt.
Die französische Regierung, so glaubt der Berichterstatter zu wissen, beabsichtige, sich in London nach den Gründen für diese Maßnahmen zu erkundigen. Sie werde zweifellos die englische Regierung daran erinnern, daß die französische Unterstütz»»« nur im Rah
men des Dökkerbundsgeistes gewährt werden könnte, d. h. nur im Hinblick aus eine friedliche Regelung des Streitfalles.
Die Morgenpresse ist nach der gestrigen Unterredung zwischen Laval, Eden und Sir Samuel Hoare in Genf der Ansicht, daß die englisch-französische Zusammenarbeit eine neue Stärkung erfahren habe, während die italienisch-französischen Friedenspläne vorläufig als erledigt betrachtet werden könnten.
Mi« besteht ms AMstemmi selber Wiffnersilze
Das Leben kennt keine Kompromiße — auch das Leben der Völker und Staaten nicht. Das ist die Lehre, die der französische Ministerpräsident und Außenminister Laval aus seinem Versuch, durch eine Vermittlung zwischen Italien und Großbritannien aus den Schwierigkeiten, in die er als Schöpfer der „Front von Stresa" geraten ist, ziehen kann. Es ist ihm zwar gelungen, am Samstag eine dreiviertelstündige Anssprache zwischen dem britischen Außenminister Sir Samuel Hoare und dem italienischen Völkerbundsvertreter Baron Aloisi herbeizuführen. Das Ergebnis war gleich Null. Großbritannien behacrt auf seinem Standpunkte, daß eine Lösung ohne frei- willige Zustimmung des Kaisers von Aethio-
pien und außerhalb des Völkerbundes nicht 'n Frage komme, und Italien beharrt aus lemem Standpunkt, daß seine militärischen Erfolge in Abessinien die Grundlage jeder Verhandlung bilden müßten, d. h. daß der jeweilige Verlauf der italienischen Front-- lmie die tatsächliche Grenze des italienischen Gebietes in Lstafrika bilden müsse. Neue Anregungen haben sich ans der Aussprache nicht ergeben, so daß zunächst alles beim alten bleibt. Tie französischen „Sachverstän- digen"-Dorschläge sind abgelehnt worden — ein Beweis dafür, daß parlamentarische Kvmpromißsormeln im Völkerleben ihren Wert verlieren.
Dabei verzeichnen französische Berichterstatter als unmittelbaren „Erfolg" des Laval- schen Vermittlungsversuches sogar eine Ve r. steifung des britisch-italieni» schen Verhältnisses, da Großbritannien auf dem Standpunkt stehen soll, daß erst nach Abberufung von drei italienischen Divisionen aus Libyen — statt bisher einer — ein Ausgleich der Kräfte im Mittelmeer hergestellt werden und damit auch die Zurückziehung britischer Kräfte aus dem Mittelmeerbecken beginnen könne. Die Außenpolitikerin des „Oeuvre" spricht von wachsender Nervosität auf italienischer Seite. Angeblich habe Großbritannien neue Vorschläge gemacht: Abessinien soll selbst mitbestimmen, welche Gebiete es an Italien abzutreten bereit sei gegen Abtretung eines Hafens am Noten Meer ans italienischem Gebiet. Für das übrige Gebiet Abessiniens soll ein internationales — also nicht italienisches — Mandat in -Fraae kommen.
In der italienischen Presse fehlt es nicht an Hinweisen, daß sich die italienischen Ge- genmaßnahmen insbesondere gegen Frankreich richten werden.
Sanküonsbeginn am 18 . November
Der Arbeitsausschuß der Sanktionskonst- renz hat am Samstag den 18. November als Zeitpunkt für das Inkrafttreten der wirtschaftlichen Sühnemaßnahmen vorgeschlagen.
Samslaa nachmittag fand die öffentliche Sitzung der Sanktionskonserenz statt. Die Entschließung des Arbeitsausschußes wurde ohne Anssprache einstimmig angenommen. Es sprachen dann der französische Minister- Präsident Laval und der britische Außenminister Sir Samuel Hoare. deren Erklärungen mit Beifallsklatschen ausgenommen wurden. Laval betonte die Aufgabe Frankreichs, zu vermitteln, Sir Samuel Hoare Vas Festhalten an den Völkerbundssatzungen.
Sir Samuel Hoare, Laval und Baron Aloisi verließen noch am Samstag abend Gens.
Kanada und Spanien haben im Arbeits- ansschuß die Erweiterung der für die Aus- fuhr nach Italien gesperrten Materialien um Kohle, Naphtha. Eisen und Stahl beantragt
Neue italienische Sparmaßnahmen
Die italienische Eisenbahngesellschaft Hai beschlossen, ab 6. November 47 Personcnzügk einzustellen und Lichtersparnismaßnahmen zu treffen. Die Benzinpreise und die Fahrpreise der Kraftdroschken sind in Italien er« heblich gestiegen.
Der denkwürdige 3. November in München
Die Eröffnung der Ludwigsbrücke / Das Richtfest der Führerbauten
München, 3. November
Dem für München als Hauptstadt der Bewegung und als Stadt der deutschen Kunst so denkwürdigen 3. November war trockenes Wetter beschieden.
Am frühen Vormittag begab sich der Führer zur Grabstätte des Pros. Paul Ludwig Troost, des leider zu früh verstorbenen großen Baumeisters. In stiller Andacht verweilte der Führer einige Minuten am Grabe und legte einen großen Lorbcerkranz mit weißen Chrysanthemen nieder. Zu beiden Seiten des in Blumen gebetteten Grabes loderte der Feuerschein zweier Pylonen als sinnvolle Ehrung für den Schöpfer der gewaltigen Bauten, deren Richtfest heute begangen wird.
Die Eröffnung der Ludwigsbrücke
Die Feststraßen zu beiden Seiten der Lud- wigsbrücke hatten einen wahrhaft großzügigen Schmuck erhalten. Bon den vier Pylonen zu beiden Seiten des westlichen Brückenkopfes loderten die Flammen empor. Am östlichen Brückenkopf waren zwei Tribünen errichtet, ans der einen Seite die Tribüne für den Führer und das Führerkorps, ihr gegenüber eine Tribüne für die Gäste der Stadt. Am anderen Jsarufer war vor einer 12 Meter hohen mit weinrotem Tuch verhängten Wand eine weitere Tribüne errichtet, ihr gegenüber eine vierte Tribüne, die für die Kriegsbeschädigten Platz bot. Der reiche Flaggenschmnck fand seinen eindrucksvollen Abschluß erst am Jsartorplatz.
Gegen 10 Uhr setzte der Aufmarsch der Ehrenformationen ein. Auch städtische Beamte und Arbeiter waren angetreten. Junc^ vvlkpimpfe hielten das rote Band, das zunächst noch den Eingang zur Brücke sperrte.
Punkt 11 Uhr kündeten Jubelrnse der Massen das Herannahen des Führers, der unter den Klängen des Präsentiermarsches die Front der Ehrenformationen abschritt. Der Münchener Oberbürgermeister Fiehler gab dann in einer Rede einen Ueberblick über die Geschichte der Brücke und die gewaltige Bedeutung des jetzt geschaffenen Neubaues. Dann ergriff
der Führer
selbst das Wort. Er gab in einer kurzen Ansprache seiner aroßen -Freude über das Ge
lingen des Werkes Ausdruck, das sich in daS schöne Bild der deutschen Kunststadt München gut einfügen werde. Der Führer sprach seinen besonderen Dank den Parteigenossen Fiehler und Weber aus. die sich in erster Linie um das große Werk verdient gemacht hätten. Er hoffe, daß die vielen traurigen Ereignisse, die in der Vergangenheit diese Brücke heimgesucht hätten, sich in Zukunft nicht wiederholen mögen und daß der Zug vor zwöli Jahren das letzte düstere Erlebnis dieser Brücke gewesen sein möge. Von nun ab möge die Brücke, und das 'ei sein Wunsch, nur noch Zeugin sein eines glücklichen Marsches der deutschen Nation in ein Zeitalter der Freiheit und eines inneren gesegneten Lebens. Mit diesem Wunsche übergebe er die Brücke dem Verkehr.
Der Führer schritt hierauf, gefolgt von den Repräsentanten der Bewegung, oes Staates und der Wehrmacht, zur Brücke. Schlag halb zwölf Uhr trennte er das Band i und nahm damit symbolisch die Einweihung der Ludwigsbrücke vor. Während das Horst- Wessel-Lied erklang, schritten der Führer
und die Ehrengäste langsam über die Drücke. Auf der Brnckeniiisel verweilte der Führer kurz, um den Gruß der dort versammelten Arbeiterschaft zu erwidern. Unmittelbar nachdem der Führer auf der gegenüberliegenden Seite der Isar die dortige Tribüne betreten und den Kriegsbeschädigten seinen Gruß entboten hatte, rückten auch schon die Ehrenformationen unter klingendem Spiel zum Vorbeimarsch heran. Dem Bataillon Infanterie folgten die Züge der Fliegertruppe, dann eine Abteilung Artillerie mit 4 Geschützen, anschließend SS, Arbeitsdienst mit geschultertem Spaten, SA und NSKK und Luftschutz. Wieder war es ein glänzendes Schauspiel deutscher Marschdisziplin, das die Znschauermassen zu Kundgebungen der Begeisterung hinriß.
Nach dem Vorbeimarsch trak der Myrer in Begleitung von Neichsminister Dr. Goebbels und der übrigen Reichsleiter durch die herrlich geschmückten Straßen unter den stürmischen Heilrufen der spalierbildenden Massen die Weiterfahrt zum B r a u n e n H a u s e an.
Das Richtfest der Führerbauken
Dom Braunen Haus aus begab sich der -Führer zum zweiten Akt dieses exeignis-
reichen Tages: Zum Richtfest der -Führcr- bauten, dieser monumentalen Häuser, die zugleich Denkmal und Offenbarung, Sinnbild und Wegweiser sind. Während auf dem neugestalteten Königsplatz schon längst vor Beginn des Richtaktes viele Tausende Aufstellung genommen hatten, waren an der Front des Führerbaues Ehrenformationen der SS, der SA und des Arbeitsdienstes aufmarschiert. Vor dem Führerbau und dem Verwaltungshaus grüßten mächtige, bändergeschmückte Richtbäume. Von den beiden großen Balkonen leuchtete aus tiefem Braun ein goldenes Hakenkreuz. Die gesamt« am Bau beteiligte Arbeiterschaft hat am Führerbau Aufstellung genommen. Um Frau Prof. Troost und Chefarchitekt Prof. G a l I scharten sich die Angehörigen des Baubüros.
Reichsschatzmeister Schwarz gab eine kurze, aber eindrucksvolle Schilderung der Geschichte der Geschäftsstelle der Bewegung und des Werdens dieser gewaltigen, die Kraft des Führertums, die umfassende Organisation, die Größe der Bewegung und des Vaterlandes Versinnbildlichendei: Bauten.
Dann trat ein Arbeitskamerad aus der Bauarbeiterschaft auf das Rednerpodium und hielt eine kurze Ansprache, in der er schilderte, wie Treue und Glaube die Fundamente dieser Häuser am Köuigsplatz seien, wie ein Wille, ein Glaube, ein Ziel, ein Symbol, ein Richtspruch alle Mitschaffenden vereint habe: Deutschland. Er rief den Kameraden des Spatens und der Kelle, der Feder und des Zirkels zu: Wir haben gebaut die Häuser der Partei, Deutschland zur Ehr', dem deutschen Volk zur Wehr!
Nach ihm bestieg ein Polier die Rednerkanzel, um den herkömmlichen Richtspruch zu halten, bei dem nach gutem Handwerks- branch auch das Glas Wein nicht fehlen darf, das mit vollen Zügen ausgetrunken und dann als Zeichen des Glücks für den ausgeführten Bau in viele Scherben zersplittert werden muß. Der Polier gedachte in gebmrdener Sprache des großen Baumeisters des Dritten Reiches, brachte auf ihn ein brausend aufgenommenes Sieg-Heil aus und, während die Ehrenformationen präsentierten, leerte der Sprecher sein Glas auf den Führer und zerschellte es an den Kanten der Reöekanzel.
Der zweite Trinkspruch galt dem genialen Former der Führerbauten, dem verewigten Prof. Troo st: „Dies Glas kann ich nicht lee- .