Montag, 29. Januar 1934

108. Jahrgang

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Nr. 23

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Jas M des Mdensvaktes mit Palen

Ungeheurer Eindruck der epochemachenden Politik des Reichskanzlers

kk. Berlin, 27. Jan. Die neue Friedens­politik. die Ado's Hitler eingeleitet hat. brachte Freitag mit der Unterzeichnung einer Erklärung durch den Neichsaußenminister und den polnischen Gesandten Lipski einen durchschlagenden Ersolg:

Zur Festigung des Friedens in Europa und im Sinne des Kellogpaktes schließen Deutschland und Polen ein zehnjähri­ges V e r st ü n d i g u n g s a b k o m m e n in dem sich beide Staaten verpflichten, alle Fragen, welche auch immer, die zwischen ihnen austreten können, in unmittel - b a r e r Verständigung zu regeln.

In Pole n hat der Abschluß des zehnjäh­rigen Verständigungspaktes große Befriedi­gung ansgelöst. Auch" dort begrüßt man es. daß die beiden Staaten sich in den sie inter­essierenden Fragen von den internationalen Einrichtungen gelöst haben, in denen die Quertreibereien die Hauptsache und das Fin­den von Lösungen Nebensache war. Die große Zeitspanne von 10 Jahren wird aber als wirtschaftlich außerordentlich bedeu­tungsvoll angesehen.

In Paris erklärt inan mit süß-saurer Miene, daß die französische Politik solche Ab­kommen immer willkommen geheißen hätte; das Frankreich verbündete und befreun­dete" Polen hätte einen Beitrag zum Frie­denswerk geleistet.

In Prä g hat die Nachricht wie ein Blitz gezündet. Sie kam aber so spät, daß nur dasPrager Tagblatt" (jüdisch-demokra­tisch, tschechisch beeinflußt) dazu Stellung nehmen kann. Das Blatt sagt, daß der Ver­trag kein vollständiges Ost-Locarno sei, weil dann die Tschechoslowakei dazugehören müßte. Prag aber halte am Grundsatz fest, daß nur im Nalnnen des Völkerbundes ein solches Abkommen mit Deutschland geschlos­sen werden könnte.

Ser Anhalt des Paktes

Die Unterzeichnete Erklärung unterscheide! sich grundsätzlich von den bisher üblichen zwischenstaatlichen Vereinbarungen schon da­durch, daß es aus alle, jederzeit dreh- und wendbaren juridischen Satzklügeleien verzich­tet und in klarer Sprache Ziel und Zweck der Vereinbarung fcstlegt. Es heißt in der Vereinbarung n. a.:

Die deutsche Regierung und die polnische Negierung halten den Zeitpunkt für gekom­men. um durch eine unmittelbare Verständi­gung von Staat zu Staat eine neue Phase m den politischen Beziehungen zwischen Deutschland um- Polen einznleiten ... Beide Regierungen gehen von der Tatsache auS. daß die Aufrechterhaltung und Sicherung eines dauernden Friedens zwischen ihren Ländern eine wesentliche Voraussetzung für den allgemeinen Frieden in Europa ist ...

Dabei stellt jede der beiden Negierungen fest, daß die von ihr bisher schon nach ande­rer Seite hin übernommenen internationalen Verpflichtungen die friedliche Entwicklung ihrer gegenseitigen Beziehungen nicht hin­dern, der jetzigen Erklärung nicht widerspre­chen und durch diese Erklärung nicht berührt werden. Sie stellen ferner fest, daß diese Er­klärung sich nicht auf solche Fragen erstreckt, die nach internationalem Recht ausschließ­lich als innere Angelegenheit eines der bei­den Staaten aiizusehen sind.

Beide Regierungen erklären ihre Absichi sich in den ihre gegenseitigen Beziehungen betreffenden Fragen, welcher Art sie auch sein mögen, unmittelbar zu verstän^- - Sollten etwa Streitfragen zwischen ihnen entstehen und sollte sich deren Bereinigung durch unmittelbare Verhandlungen nicht er­reichen lassen, so werden sie in jedem be­sonderen Falle auf Grund gegenseitigen Ein­vernehmens eine Lösung nach anderen fried­lichen Mitteln suchen, unbeschadet der Mög­lichkeit. nötigenfalls diejenigen Verfahrens­arten zur Anwendung zu bringen, die für solchen Fall vorgesehen sind. Unter kei­nen Umständen werden sie jedoch -um Zweck der Austragung sol­cher Streitfragen zur Anwen­dung von Gewalt schreiten.

Beide Regierungen sind der Ueberzeugung. daß sich auf diese Weise die Beziehungen zwi­schen ihren Ländern fruchtbar entwickeln und zur Begründung eines gutnachbarlichen Ver­hältnisses führen werden, das nicht nur ihren beiden Ländern, sondern auch den übrigen Völkern Europas zum Segen gereicht.

Die gegenwärtige Erklärung soll ratifiziert und die Ratifikationsurkunden sollen sobald als möglich in Warschau auSgetanschl wer­den. Die Erklärung gilt für einen Zeitraum von 10 Jahren, gerechnet vom Tage des Aus­tausches der Ratifikationsurkunden an. Fall? sie nicht von einer der beiden Regierungen ! i> Monate vor Ablauf dieses Zeitraums ge­kündigt wird, bleibt sie auch weiterhin in Kraft, kann jedoch alsdann von jeder Regie­rung jederzeit mit einer Frist von 6 Mona­ten gekündigt werden.

Ansgefertigt in doppelter Urschrift in deut­scher und polnischer Sprache. "

Es ist noch nicht lange her, daß sich.beide Vertraaspartner" so schreibt derVöl­kische Beobachter"zu wiederholten Malen vor dem Forum des Bölkerbnndes gegenüberstanden, ohne einen Weg der gegenseitigen Verständigung zu iinden. Das n a t i o n a l s o z i a l i st i s eh e D e u t s ch l a n d hat sich mit ein e m klaren Entschluß ans dieser ver­gifteten Atmosphäre der inter­nationalen Diplomatie gelö p und cs ist eine mutige Tat, daß ebenso die polnische Regierung sich über alle Quertrei­bereien hinwegsetzte, um in direkter, persön­licher Aussprache den Weg zur Annäherung zu finden, der in Genf immer wieder von interessierten Kräften verstellt wurde. Die neue europäische Politik hat mit diesem Tag den ersten großen Erfolg errungen."

Und richtig kennzeichnet die Berliner Deutsche Zeitung" die Bedeutung des Er­eignisses:War der Völkerbundsaustritt Deutschlands der entschlossene Schlußstrich unter die zu wirklichen Friedenstaten un­fähige Politik, so beweist das nationalsozia­listische Deutschland mit diesem Abkommen, daß es allen Widersachern z n in Hohn wirklicher, großer, epoche­machender Friedenstaten fähig i st."

VenMttW der Wett siir Hitlers Slmtsdlivft

Das gewaltige Echo des deutsch-polnischen Paktes

kll. Berlin, 26. Jan. Der Abschluß des deutsch-polnischen Verständigungspaktes hat in der ganzen Welt nicht nur ungeheures Aufsehen, sondern auch Bewunderung für Hitlers Staatsknnst ansgelöst. Wir geben im nachstehenden das Echo der deutsch-polnischen Verständigung in der Weltpresse wieder:

3n Polen:

K ii r j e r Poranny": Das Abkom­men ist eine bedeutsame Etappe auf dem Wege zur Befriedung ganz Europas.

An Sejterreikb:

Die Regierung hat anscheinend eine Kom­mentierung des Ereignisses ver­boten, da dieser Beweis deutscher Frie­densbereitschaft den Herren Dollfuß und Feh unbequem ist. Nur dieWiener Neue­sten Nachrichten" und derOester­reich i s ch e Beobachter" veröffentlichen die Nachricht an erster Stelle, die übrigen Blätter verstecken sie nach Möglichkeit.

An Großbritannien:

Daily Telegraph": Ter wichtigste Beitrag des nationalsozialistischen Deutsch­land zur Sicherung des Friedens in Europa.

Daily Mail": Was Hitler und Pil- sudski getan haben, scheint beinahe ein Wunder zu sein.

Daily Expreß": Hitlers Zehnjahr­pakt mit Polen ist von allererster Bedeutung.

I Er ist die Konsolidierung der Gewinne einer ! einjährigen Diplomatie. Die neue deutsch- polnische Freundschaft wird Frankreich ver­drießen. da Frankreichs Unvermögen, seine östlichen Verbündeten zu halten, a n ch i n Oesterreich eine Reaktion Her­vorrufen wird.

D a ily H e r a l d" (marxistisch): Ans die Abrüstungstage wird das Abkommen günstig wirken, denn es ist so gut wie sicher, daß Polen jetzt der deutschen Forderung aus so­fortige Gleichberechtigung sympathisch gegen­überstehen wird.

Times": Ter Reichskanzler hat von neuem gezeigt, daß er zwischen einem Agita­tor und einem Staatsmann einen Unter­schied mache. Es sei klar, daß ganz Deutsch­land der Führung der Negierung Hitlers folgen werde.

! An Frankreich:

! In Paris war man s e h r ü berraschl. l P a ii l - B o n c o n r. der Außenminister, er- ! klärte: Wie sollte ich über diesen Pakt nicht l zufrieden sein? Er trägt zur Wiederkehr in­ternationaler Zusammenarbeit bei. die an ! der Wurzel der französischen Politik liegt (?).

!Journal": Die Unterzeichnung des Abkommens hat in diplomatischen Kreisen überrasch!.

Matin": Ein Ereignis von beträcht­licher Tragweite.

Excelsior": Ter Vertrag hat mehr Psychologische und symbolische Bedeutung.

Petit Jon r n a l": Tie Unterzeichnung beweist, daß die Warschauer Politik sich in Richtung aus eine größere Selbständigkeil entwickelt.

Le Jour": Wenn die direkten deutsch polnischen Verhandlungen einen Sinn haben dann neymen sie Europa das Anfstchtsrechl und die Jnterveittionspflicht in dieser Frage. Das neue System gibt Pol n -war seine Be- wegnngssreiheit wieder, aber es isoliert es auch.

Echo de Paris": Wenn der franzö­sische Außenminister Panl-Boncour sich ge­genüber Berlin genau so verhalten Hütte wie Beck, dann wäre man nicht da ange­langt, wo man jetzt steht. Polen will einmal zeigen, daß cs ans Frankreich verzichten kann.

An Aasten:

Giornale d'Jtalia": Eine bemer­kenswerte Festigkeit des Friedens und ver­güten Beziehungen an der deutschen Ost­grenze, eine Zone, die bis zum letzten Jahre als besonders schwierig und gefährlich be­trachtet. worden ist. Italien kann nur erfreut

gl. Paris, 28. Januar. I

lieber die letzten Stunden des Kabinetts Chantemps erfährt man:

Sanistag morgen überreichte Justizmini­ster Naynaldy dem Ministerpräsidenten abermals sein Nücktrittsgesuch, das von Ministerpräsident Chantemps angenom­men wurde. Chantemps berief dann für Nachmittag einen Ministerrat ein.

Von der Erwägung ausgehend, daß ein weiteres Abbröckeln des Kabi­netts zu befürchten ist nach dem im Zusammenhang mit der Stavisky-Ange- legenheit erfolgten Rücktritt des Kolonial­ministers Dalimier und dem Rücktritt des Justizministers Naynaldy wegen der allerdings fünf Jahre zurückliegenden An­gelegenheit der Bank Sacazan wurde auch Finanzininister Bon net gewisser Geschäfte beschuldigt entschloß sich das Kabinett zum G e s a m t r ü ck t r i t t.

Staatspräsident Lebrun hat zunächst Chantemps mit der Neubildung der Regie­rung betrauen wollen; dieser lehnte jedoch ab. Der Staatspräsident hat dar­auf noch am Samstag die Besprechung zur Regierungsneubildung eingeleitet.

In der Kammer verlautete abends, daß der kommende Mann Herr tot sei; als Justizminister komme Senator Chsron in Frage.

Tie Blätter stellen fast übereinstimmend fest, daß der Rücktritt der Reaiernna eine j

Das Neueste tn Kürze

In Berlin ist dieGrüne Woche" mit einer Rede des Reichsbauernführers Darr« eröffnet worden.

Der Kernstahlhelm ist durch einen neuen Erlaß ebenfalls der SA. eingeglicdert wor­den und wird nur mehr das Braunhemd tragen.

Sämtliche ev. Kirchenführer Deutschlands haben sich durch eine Erklärung hinter den Neichsbischof gestellt.

Das französische Kabinett Chantemps ist zurückgetrete .

Von Schanghai wird gemeldet, daß durch eine Ueberschwemmung, die der Hoan-Ho ver­ursachte, 10 000 Menschen ums Leben gekom­men seien.

sein über dieses neue Ergebnis, das den Horizont am Ostrand Europas aufhellt.

L avoroFascist a": Es ist wohl mög­lich, daß mit diesem Abkommen eine Bresche m das System der französischen Allianzen geschlagen ist. Aber darüber können nur jene Pariser Kreise betrübt sein, die ganz andere Ziele als die des Friedens verfolgen. Das Abkommen dient dem Frieden.

An der Tschechoslowakei:

Narodny L i st y": Es handelt sich für Deutschland um die Durchbrechung der Iso­lierung.

Ceske Slovo": Da Polen außer Ge­fahr ist, schwinden auch die Besorgnisse seiner Freunde.

An Ungarn:

Budapesti Hirlap": Das Abkom­men macht den Weg für die friedliche Er­örterung der zwischen den beiden Staaten bestehenden Streitfragen frei. Ungarn be­grüßt dieses Ergebnis mit ungeteilter Freude und Genugtuung.

Magyar sag": Frankreich war stets bestrebt, Deutschland durch Polen in Schach zu halten. Das Abkommen stellt einen wich­tigen Gegenzug Deutschlands gegen Frank­reich dar.

Zn Amerika:

Im Weißen Hanse (inoffiziell): Der Pakr ist der wichtigste Schritt seit dem Versailler Friedensschluß. Der Pakt istkein weiterer Vertrag", sondern eine ganz große st a a t s m ä n n i s ch e Tat.

Folge des Stavisky-Skandals und unvermeidlich gewesen sei. Das oppositionelleEcho de Paris" jubelt und erklärt, daß es Ausschluß zu erhalten hoffe über die hundert Schecks, die der radikal­sozialistische Abgeordnete Bonnaure von Stavisky erhalten hat vermutlich für Wahlzwecke, weshalb Chantemps Rahnaldh solange gehalten hat.

Das Kabinett Chantemps war genau zwei Monate im Amte. Am Anfang hatte es den Erfolg, die Budgetsanierung in der Kam­mer durchdrücken zu können, was der Re­gierung Sarraut mißlungen war. Die Er­ledigung des Haushaltplanes für 1934 stand allerdings noch bevor, so daß das Kabinett auch ohne den Stavisky-Skandal noch vor einer Kraftprobe gestanden wäre.

Am Samstag abend fanden in Paris wieder große D e m o n st r a t i v n e n der Royalisten (Camelots du Roi) und Kommunisten statt, die zeitweise gefährlichen Charakter annahmen, da die Polizei am An­fang machtlos war. Gegen Mitternacht lösten sich aber die Kundgebungen allmählich in heitere Einzelepisodcn auf. Für viele Teil­nehmer war nicht der Kampf gegen die Re­gierung, sondern die Gelegenheit zum Schreien die Hauptsache.

Besprechungen am Sonntag

Sonntag vormittag empfing der Präsident der Republik zunächst Tardieu, der kür die

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