»einer Personen tn der N. S. P. gehandelt habe, säubern um die Disqualifizier»«»» einer ganzen Richtüng, nämlich der reformistischen, Kautskysche» Richtung des sogenannten Zentrums. Diese Richtung, die gegtzrireoolutionär sei, könne der kommunistischen Internationale nicht angehören.
Die ..Freiheit" hatte gestern bereits in einer Vorschau auf dem Parteitag in Halle als die wichtigste Tatsache hervorgehoben, daß, wer die Bedingungen von Moskau anerkenne, auS der Unabhängigen Sozialdemokratie ausscheide und bei der Kommunistischen Partei um Aufnahme nachsuchen müsse, und im Anschluß daran, allerdings etwas unsicher, die Hoffnung geäußert, daß diese Reinigung die unabhängige Sozial- demokratie erst recht zur Massenpartei des deutschen Proletariats machen »erde. Heute nimmt in dem Blatt einer der Unterzeichner de» kürzlich erwähnten BermittlungsaufrufS, Dr. Kurt Rosenfeld, zu den Anschlußbedingungen das Won. Selbst er, der in dem Anruf verlangt hatte, daß der Parteitag in Halle sich nach keiner Seite festlegen, sondern neue Verhandlungen mit Moskau anstreben falle, muß zugeben, daß die Nnschlußbedingungeu „für denkende, für revolutionäre Sozialisten" unannehmbar find. Er schreibt u. «.:
„Da die K.P.D. bereits jetzt, kurz vor unseren« Parteitag, Sektion der kommunistischen Internationale geworden ist, und da nach den Beschlüssen der kommunistischen Internationale in jedem Lande nur eine Partei der Dritten Internationale «»gehören kann, so führt auch der von Däumig und Stöcker der Partei gewiesene Weg nur über die Verschmelzung mit der Deutschen Kommunistischen Partei zur kommunistischen Internationale. Damit wird völlig in die Hand der K.P.D. gegeben, welche Genoffen, welche Führer, »eiche Parteitagsdelegierte die Türen dieser Partei und die Pforten der Dritten Internationale offen finden werden."
Wie ein Echo auf der anderen Seite auf die Feststellung Rosenfelds klingt eine Erklärung, die von den unbedingten Befürwortern der Moskauer Bedingungen durch «ine ihnen »rahestehende Korrespondenz verbreitet wird und in der eS heißt:
„Heute gibt eS keinen Mittelweg. Ein jeder politische BertuschungSversuch rächt sich. Nach den Erfahrungen von Leipzig gibt eS heute nur ein Entweder-Oder. Kein Kompromiß ist mehr möglich, sondern nur eine klar« Entscheidung".
Fast mit denselben Worten hätte gestern die „Freiheit" allerdings von ihrem Standpunkt aus, die Situation in der U.S.P D. gekennzeichnet. Auch sie hatte festgestellt, daß eS jetzt kein Vertuschen mehr gebe; eS sei notwendig, die Reinigung von den kleinbürgerlich-anarchistischen Elementen, die sich „linker Flügel" nenne, zu vollziehen. Tatsächlich stimmen «Iso jetzt die beiden Gruppen innerhalb der Partei in der lleberzeugung überein, daß in Halle der Schnitt zwischen rechts und links unvermeidlich sei. Ob eS wirklich dazu kommt, wird erst der Verlauf deS Parteitage» zeigen können.
Die Ingelhetmer Schietzaffäre.
Die französische Zensur in Mainz hat die Verbreitung der Note deS hessischen Ministeriums an da» franz. Oberkommando in Mainz wegen der Schießerei französischer Soldaten in Oberingelheim verboten. Die Note darf weder im Wortlaut noch im Auszug wiedergegeben werden. Auch die Mitteilung der bloßen Tatsache ist nicht angängig. DaS verbot ist umso unverständlicher, als Über den Vorfall bisher alles gebracht werden durste.
Verabschiedung.
Berlin, 12. Okt. Dem Vizeadmiral o. Trotha, zur Verfügung deS EhefS der Marineleitung, wurde auf sein Gesuch der Abschied bewilligt.
Arbeitslosenverficherung und Gemeinden.
Der Deutsche Städtetag hat in einer Eingabe an den Reichsarbeitsminister als notwendig bezeichnet, daß entgegen den Absichten der Gesetzesvorlage, die die Arbeitslosenversicherung den Krankenkassenverbänden übertragen will, diese Versicherung an die Einrichtung der Arbeitsvermittlung ungegliedert wird. „Die Arbeitslosenversicherung", so wird aus- geführt, „ist ein untrennbarer Teil der gesamten ErwerbS-
8 Man kommt mit der Phantasie der Fr«uen sehr 8 » schnell vorwärts. Denon. ^
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Hans und Heinz Rirch.
17) Novelle von Theodor Storm.
Der Bruder saß mit gesenktem Kopfe ihr gegenüber, er hatte nie darauf geachtet, wie seinem Heinz die Nase im Gesicht gestanden hatte. „Aber," sagte er — denn das Gespräch von vorhin flog ihm durch den Kopf, doch schienen chm die Worte schwer zu werden — „sein Brief »on damals; wir redeten darüber, er Hot ihn in San Jago selbst zurückerhalten."
Die dicke Frau lachte, daß der Stock ihr aus den Händen stell „Die Briefgefchichte, HanS! Ja, die ist seit den vierzehn Tagen reichlich wieder aufgewärmt, davon konnte er für einen Dreiling bei jedem Bettelkinde einen Suppenlöffel voll bekommen! Und er mußte dir doch auch erzählen, weshalb der echte Heinz denn all die Jahre draußen blieb. Laß dich nicht nasführen, HanS I Warum denn hat er nicht mit dir wollen, als du ihn von Hamburg holtest? War's denn so schlimm, wieder einmal an die volle Krippe und ins warme Nest zu kommen? — Ich will'S dir sagen, das ist'»: er hat sich so geschwind nicht zu dem Schelmenwagstück resolvieren können."
HanS Adam hatte seinen grauen Kopf erhoben, aber er sprach nicht dazwischen; fast begierig horchte er auf alle», was die Schwester vorbrachte.
„Und dann." fuhr Liefe fort, „die Lina hat davon erzählt." -Aber plötzlich stand sie auf und fühlte sich mit
ihrer Krücke, die Lina ihr dienstfertig aufgehoben hatte, nach dem Fenster hin; von draußen Hörle man zwei Männerstimmen in lebhafter Unterhaltung. „O Lina," sagte Tante Jule, „ich hör'», der eine ist der Justizrat, lauf doch und bitte ihn, ein paar Augenblicke hier heraufzukommen."
Der Justizrat war der alte Physikus; bei dem früheren Mangel paffender AlterStttel hierzulande waren alle älteren Phystci Justizräte.
losenfürsorge, durch Arbeitsbeschaffung, Arbeits»ermittlung, Berufsberatung usw. Die Bewilligung und Einstellung der Unterstützungen läßt sich von der Arbeitsbeschaffung nicht trennen. Die von den Gemeinden geschaffene Erwerbslofenunterstützung ist schon jetzt in der Regel den Arbeitsnachweisen angegliedert; diese Verbindung hat sich bewährt. Sehr bedauerlicherweise räumt der Gesetzentwurf.den Gemeinden auf die Verwaltung der Mittel keinerlei Einfluß ein. ES ist unbedingt erforderlich, daß den Gemeinden, die zu den Kosten erheblich beisteuern sollen, in den Organisationen der Arbeitslosenoecsicherung, ebenso wie in denjenigen der Arbeitsnachweise ein maßgebender Einfluß eingeräumt wird. Im Interesse der gesunden Fortentwicklung der Arbeitslosenfürsorge ist dringend zu warnen »or einer Ausschaltung der Gemeinden. So sollte entgegen gewissen anders gerichteten Bestrebungen unter allen Umständen daran festgehalten werden, daß die Vorsitzenden der Verwaltungsausschüsse der Arbeitsnachweise von den Gemeinden bestellt werden. Wenn der Vorsitzende des Verwaltung?- auSschuffeS die verantwortliche Oberleitung und Aufsicht über die Gesamttätigkeit des Arbeitsnachweises erfolgreich führen und vor den städttsben Körperschaften vertreten soll, so kann seine richtige Auswahl nur durch die Geineinde selbst erfolgen."
Keine Ausweisung der russischen Gewerkschastsdelegation.
Berlin, 13. Ok«. Die in der Presse erschienene Darstellung über die Frag« der Aufenthaltoeclängerung für den russischen Gewerkschaftler Losowsky ist teilweise irreführend. Es hat keinerlei Ausweisung des Losowsky stattgefunden. Vielmehr ist seine abgelaufene Aufenthaltserlaubnis, die allgemein bei Ausländern begrenzt ist, noch um einige Zeit verlängert worden, um ihm die Beschaffung der Einreiseerlaubnis nach Italien zu ermöglichen. Dabei ist er an sein früher gegebenes und von ihm nicht gehaltenes Versprechen erinnnert worden, sich jeder öffentlichen politischen Betätigung in Deutschland zu enthalten
Die „kleine Entente".
Prag, 13. Okt. Blättermeldungen zufolge trifft der rumänische Minister des Aeußern, Tage Jonescu, in der 2. Oktober- Hälfte in Prag ein.
Di« Borkriegsverträge von italienischen Staatsbürgern
mit deutsche« Firmen.
Aus Triest wird berichtet: DaS Industrie- und Handelsministerium hat festgestellt, daß die folgenden vor- kriegSverträg« mit deutschen Firmen in Kraft bleiben: Te- sellschaftSoerträge, Verträge, welche die Alimentation von Familienmitgliedern zum Gegenstand« haben, ferner Kontrakte, welche die Förderung von Wohltätigkeitsunternehmungen bezwecken, Schenkuugsvertrüge oder solche, welche die Spende irgendeiner Summe betreffen. Außerdem bleibt noch eine Reihe von Einzelverträgen weiter in Wirksamkeit, sofern «ine amtliche Verständigung in dieser Hinsicht gleichzeitig an die beiden Kompaziszenten ergehen sollte.
Erfolgreiche russische Operationen.
Kopenhagen, 13. Ott. Der hiesige russische Gesandte hat einen offiziellen Bericht vom 9. Oktober von der Krimfront empfangen, wonach die Operationen bet Mariopol vollständig geglückt sind. Der Feind sei »anständig in dieser Gegend geschlagen worden. In der Gegend von Sinelni- kowo sei eS geglückt, eine Eisenbahnbrücke der Eisenbahnlinie Jekaterinoslaw-Tschapltno bei Uljanowka und dem Kreuzpunkt Tschoplino zu zerstören.
Wörttembergische Politik.
Der neue Staatshaushalt.
Von zuständiger Seite wird mitgeteilt: Der Haushaltsplan für das Jahr 1920 ist fertiggestellt und dem Landtag zur Drucklegung zugegangen. Die Gesamtausgaben belaufen sich auf 746 985 978 die Gesamteinnahmen «uf 741 673 982 Mark. Durch den Ausgleich, den die sogenannten Einnahmeetats einbringen, ergibt sich jedoch folgender Etatsabschluß:
Hans Kirch wußte nicht was seine Schwester mit diesem »orhatte; aber er wartete geduldig, und bald auch trat der alte Herr mit der jungen Frau in» Zimmer. „Ei, ei!" rief er, „Tante Jule und Herr Kirch beisammen? Wo ist denn nun der Patient?"
„Der da," sagte Tante Jule und wies auf ihren Bruder, „er hat den Star auf beiden Augen!"
Der Justizrat lachte. „Sie scherzen, liebe Madame; ich wollte, ich hätte selbst nur noch die scharfen Augen unseres Freundes."
„Mach fort, Jule," sagte HanS Kirch, „was gehst du lange um den Brei herum!"
Die dicke Frau ließ sich indes nicht stören. „Es ist nur so sinnbildlich, mein Herr Justizrat," erklärte sie mit Nachdruck. „Aber besinnen Sie sich einmal darauf, wie Sie vor fo ein zwanzig Jahren hier auch ins Hau» geholt wurden, die Lina, die große Frau jetzt, schrie damals ein Zetermordio durch« HauS, denn ihr Bruder Heinz hatte sich nach JungenS- art einen schönen Anker üuf den Unterarm geätzt und sich dabei weidlich zugerichtet."
HanS Kirch fuhr mit seinem Kops herum, denn die ihm derzeit unbeachtet vorübergegangene Unterhaltung bet der ersten Abendmahlzeit kam ihm plötzlich, und jetzt laut und deutlich, wieder.
Aber der alte Doktor wiegte das Haupt: „Ich besinne mich nicht, ich hatte in meinem Leben so viele Jungen unter den Händen."
„Nun so, mein Herr Justizrat," sagte Tante Jule, „aber Sie kennen doch dergleichen Jungenstreiche hier bei un»; es fragt sich nur, und da» möchten wir von Ihnen wissen, ob denn in zwanzig Jahren solch ein Anker ohne Spur verschwinden könne?"
„In zwanzig Jahren?" erwiderte jetzt der Justizrat ohne Zögern, „ei, da» kann gar leicht geschehen."
Aber HanS Kirch mischte sich ins Gespräch: „Sie denken, wie sie'» jetzt machen, Doktor, so mit blauer Tusch«; nein, der Junge war damals nach der alten gründlichen Manier ans Werk gegangen, tüchtige Nadelstiche und dann mit Pulver eingebrannt."
Der alte Arzt rieb sich dt« Stirn. „Ja, ja, ich entsinne mich auch jetzt. Hm l — Nein, da» dürfte wohl unmöglich
Gesamtausgaben 518173030 Gesamteinnahmen 512361034 M«rk. Somit entsteht ein Abm«ngel von 5 311 »98 48 Die Retneinnahmen betrugen im Jahre 191» 226 514 29» so- daß Mehrausgaben von 2SI658 731 zu verzeichnen sind. Unter den Gesamtausgaben von 518173 030 48 befinden sich einmalige Ausgaben in der Höhe von 5g 832 ISO 48. Die Verwaltung der Justiz erfordert 47 »41 947 -48 (also inehr gegenüber d. V. 29 95t »86 ^k). Die Verwaltung de» Ministeriums deS Innern verlangt »4 733 98» «cki (mehr als i. V. 60 102 762 4l). Das ArbettS- und ErnährungSministe- rtum beansprucht 38 702 090 (mehr als i. V. »141» 23» Mark). Für di« Verwaltung de» Kirchen und Schulwesens werden verlangt 209922 547 4l (mehr als t. B 12»»»» 10« Mark.) Darunter befinden sich die Ausgaben für das »trtt. LandeStheater. Die dem Lande verbliebene Finanzverwaitung erfordert 38 748 570 (mehr als i. V. 23 3«3 100 Die Staatsschuld beansprucht 36 310408 4k (mein als t. »orj. 4555 807 48). Für Ablösung der Zivillifte sind notwendig 3 299 688 (mehr als i. D. 2 154800 48). Die Gesamteinnahmen aus Steuern usw. sind folgendermaßen »orgesehen: a) Aus württ. Steuern: Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer 27 155 000 ^ (mehr als i. V. 7 822 900 4H. Die Mehreinnahmen rühren davon her, daß für das Grundkat« ster im Finanzgesetz eine Erhöhung um 100 Proz, für da? Gebäudekataster eine solche von 15 Proz. vorgeschlagen »ird. Die Sportel- und Gerichtskosten sollen bringen 11 7800004! (mehr als i. V. 7 710 000 4k). Die Zuwachssteuer ist veranschlagt auf »90 OM 4k (mehr als i. V. 495 MV 48), der Zuschlag zur neuen Grunderwerbssteuer 2 Mill. ,4k (mehr als i. V. 1 6M0M 4k). b) Aus Reichssteuern sind «n Einnahmen vorgesehen 329 652 MO 4k (mehr als i. V. 125 836 308 Mark). Diese Summe verteilt sich auf die Einkommensteuer von physischen Personen und Gesellschaften (KorperschastS- steuer 300 Millionen 4k, Erbschaftssteuer 4 700 OM >48, Grunderwerbssteuer 10 Millionen 4t, Umsatzsteuer 10 Millionen Mark. Von den früheren Landessteuern sind »eggefallen die Einkommensteuer, die Vermögenssteuer, die Kapitalsteuer, die Grundstück- und Umsatzsteuer, die Ländes Erbschafts- und Schenkungssteuer, der Zuschlag zur ReichserbschastSsteuer mit 194 156 OM 4k. Zu den Einnahmen kommen noch Ueber- weisungen aus den Reineinnahmen der Biersteuer von 2 800 OM 4k, eine Entschädigung aus dem Ertrag der Wstn- steuer von 2 152 OM 48. Bei der Einkommensteuer »urde der Ertr«g der Einkommens, Vermögens- und Kapitalsteuer des Jahres 1919 mit einem Zuschläge von 25 Proz. eingestellt, «veil dieser Betrag den Einzelftaaten durch d«S Reich gemäß Z 56 deS LandeSsteuergesrtzes gewährleistet ist. D«8 Aufkommen ist deshalb so hoch, weil in Württemberg die Einkommensteuer im vorigen Jahre sehr stark «ngesp«nnt wurde, was jetzt, ohne die Steuerzahler zu Gunsten Wärt tembergS in diesem Jahre mehr zu belasten, dem Lande zugute kömmt?
Nahrungsmittelaustausch zwischen Württemberg und
Vorarlberg.
Für die an Württemberg zu liefernden 1000 Stück Zuchtvieh erhält Vorarlberg 4M Eisenbahnwagen Kartoffeln, 16 Wagen Saatgetreide und 40 Wagen Weißkraut. 42» Stück Vieh wurden bereits nach Württemberg geliefert. Sehr erschwert wurde die Lieferung durch die Viehseuche, di« neuerdings weiter um sich greift. DaS tägliche Milchquantum auf den Kopf der Bevölkerung mußte z. B. im Bezirk Bregenz letzter Tage auf einen Zehntelliter herabgesetzt werden und selbst dafür wird keine Gewähr übernommen.
Ernennung.
Der RerchsoerkehrSnrinister hat den württ. Landtagsabgeordneten Geh. Hofrat Bruckmann in Heilbronn als Vertreter deS Südd. Kanalvereins und der württ. Jirdustrre zum Mitglied deS Neckarkanal-BeiratS ernannt.
Das Ergebnis der Arwahl.
Der „Sozialdemokrat" nennt als Ergebnis der itrwahl in Württemberg 4912 für und 1»8» gegen den Anschluß an Moskau.
sein, da- geht bis auf die Cutis. Der alte Heinrich J«k«bS läuft noch heut' mit seinem Anker."
Tante Jule nickte beifällig. Frau Lina stand, die Hand an der Stuhllehne, blaß und zitternd neben ihr.
..Aber," sagte HanS Kirch, und auch bei ihm schlich sich die Stimme nur wie mit Zagen aus der Kehle, „sollte eS nicht Krankheiten geben? Da drüben, in d«n heißen Ländern?"
Der Arzt bedachte sich eine Weile und schüttelte dann sehr bestimmt den Kopf: „Nein, nein, das ist nicht anzunehmen; es müßten denn die Blattern ihm den Arm zerrissen haben."
Eine Pause entstand, während Frau Jule ihre gestrickten Handschuhe anzog. „Nun, HanS," sagte sie dann, „ich muß nach HauS. Aber du hast nun die Wahl: de« Anker oder die Blatternnarben. Was hat dein neuer Heinz denn aufzuwetsen? Die Lina hat nichts von beiden sehe« können. Nun sieh du selber zu, wenn deine Augen noch gesund sind k"
-Bald darauf ging HanS Kirch die Straße hinauf
nach seinem Speicher; er hatte die Hände über dem Rücken gefaltet, der Kopf hing ihm noch tiefer als gewöhnlich auf di« Brust. Auch Frau Lina hatte das HauS verlassen und war dem Vater nachgegangen. AIS sie in den unteren dämmerhellen Raum des Speichers trat, sah sie ihn in der Mitte desselben stehen, als müsse er sich erst besinnen, weshalb er denn hierhergegangen sei. Bei dem Geräusche de- Korn- umschaufelns, das von den oberen Böden herabscholl, mochte er den Eintritt der Tochter überhört haben; denn er stieß sie fast zurück, als er sie jetzt so plötzlich vor sich sah: „Da, Lina! Was hast du hier zu suchen?"
Die junge Frau zitterte und wischte sich das Gesicht mit ihrem Tuche. „Nichts, Vater," sagte sie, „aber Christian ist unten am Hafen, und da litt eS mich nicht so allein zu Hause mit ihm — mit dein fremden Menschen! Ich fürchte mich; o, «S ist schrecklich, Vater."
HanS Kirch hatte während Kiefer Worte wieder seinen Kopf gesenkt; jetzt hob er, wie auS einem Abgmnde seine Augen zu denen seiner Tochter und blickt« sie lange und unbeweglich an. „Ja, ja, Lina," sagte er dann hastig; „Gott Dank, daß eS ein Fremder ist."
Hierauf wandte er sich rasch, und die Tochter hörte, wie er die Treppen zu dem obersten Bodenraum htnaufstieg.
(Fortsetzung folgt.)