' Toldau gefallen
Berlin, 16. Aug. Aus Königsberg wird berichte!: Plozk ist von den Bolschewisten genommen. Die roten Truppen haben chre Stellung in Richtung Warschau bis auf 20 Kilo Meter von der Festung vorgeschoben. Außerdem ist Soldau gefallen. Der polnische Rückzug geht nach Nordwesten weiter. Die Stadt ift^nur wenig beschädigt.
' _ Teneral Weygand lehnt ab.
Warschau, 16. August. General Weygand hat es abge- lehnt, die Funktionen eines polnischen Generalstabschefs zu übernehmen. Er bleibt weiterhin nur militärischer Berater.
'Zur Trausporlfrage.
W7 R«rtibor, >6. Aug. Die Arbeiterschaft der Hauptwerk- stätten Ratibors hak wie der oberschlesische Anzeiger berichtet, heute früh einen Transport franz. Truppen ungehalten und den Zug auf ein totes Geleise gesetzt, wo er unter Bewachung der Arbeiterschaft steht. Nach dem gleichen Blatt find auf den arideren Stationen Transportzüge ungehalten worden.
Die polnischen Verluste.
Basel, °16. Aug. »Daily Herold" zufolge besagt ein Moskauer Funkspruch: Die bolschewistische Heeresleitung beziffert die bisherigen polnischen Verluste an Toten und Verwundeten aus über 30000 Mann. Die rote Armee habe über 400 Geschütze, 700 Maschinengewehre und sehr viel son ftigeS Kriegsmaterial in den bisherigen Kämpfen erbeutet.
Die Warschauer Börse geschlofseu.
Basel. 16. Aug. Havas meldet aus Warschau: Infolge des drohenden Zusammenbruchs nahm an der Warschauer Börse der Handel in ausländischen Valuten immer größeren Umfang an. DaS Warschauer Börsenkomitee sah sich deshalb gezwungen, die Notierungen einzustellen und die Schließung oer Börse anzuordnen.
Das dreifache Ziel Washingtons.
London, l4. Aug. Reuter meldet aus Washington: In diplomatischen Kreisen nimmt man allgemein an, daß die Note des Staatsdepartements über die russisch polnische Lage ein dreifaches Ziel verfolge: 1. wolle sie der polnischen Regierung und dem polnischen Volke eine moralische Stütze geben. 2. wolle sie an der Bevölkerung Rußlands appellieren, den Bolschewismus abzuwerfen und eine verfassungsmäßige Regierung einznsetzen, 3. wolle sie auf andere Länder in dem Sinne einwirken, daß sie von e uer Anerkennung des Bolschewismus Abstand nehmen. Man erwartet in Regierungskreisen, daß die Alliierten sich zu dieser Note äußern werden. >
appelliert a« die fraazös. Arbeiter.
Paris, 14. Aug. Die Sowjetregierung hat an die französischen Arbeiter einen Appell gerichtet, in dem sie erklärt, daß durch die französische Anerkennung der Regierung des Generals Wrangel elne große Erregung in Rußland hervorgerufen worden sei und daß die Krise sehr leicht in einen Krieg zwischen Rußland und Frankreich ausarten könne. Krassin und Knmenew hätten sich bei jeder Gelegenheit bemüht, der französischen Regierung klarzumachen, daß Sowjet- rußlaud bestrebt sei, alle Fragen zu prüfen, die Frankreich in der gegebenen Form nicht anerkennen könne. Gerade in dem Augenblick, wo man gehofft habe, durch einen russisch- polnischen Frieden der Wett den allgemeinen Frieden wieder zu geben, würden durch Frankreichs Anerkennung der süd russischen Republik die Verhandlungen mit Polen aus dem Gleise geworfen und so gut wie abgebrochen. Man stehe unter Umständen am Vorabend eines neuen Weltkrieges. Jetzt habe die französische Arbeiterschaft das Schicksal der ganze n Welt in der Hand.
Finnland »vd Rußland.
Helsingfors. 16. Aug. Der zwischen Finnland und Rußland geschloffene Waffenstillstand, der auf die Dauer von 31 Tagen gilt, enthält die Abtretung Kareliens.
W Gesch ichte vomDbraven^Rasperl und demgschönenEAnnerl.
3)UZ^-K' - Von Clemens Brentano.
? W„Es ist zwölfe vorüber," erwiderte ich, verwundert über ihre Rede.
„Gott gebe ihr Trost und Ruhe die vier Stündlein, die sie noch hat!" sagte die Alte und ward still, indem sie die Hände faltete. Ich konnte nicht sprechen so erschütterten mich ihre Worte und ihr ganzes Wesen. Da sie aber ganz stille blieb und der Taler des Offiziers noch in ihrer Schürze lag, sagte ich zu ihr: „Mutter steckt den Taler zu Euch, Ihr könntet ihn verlieren "
„Den wollen wir nicht weglegen, den wollen wir meiner Befreundeten schenken in ihrer letzten Not!" erwiderte sie. „Den ersten Taler nehm ich morgen wieder mit nach Haus, der gehört meinem Enkel, der soll ihn genießen. Ja seht, es ist immer ein herrlicher Junge gewesen und hielt etwas auf seinen Leib und auf seine Seele — ach Gott, auf seine Seele!
Ich habe gebetet den ganzen Weg, es ist nicht möglich der liebe Herr läßt ihn gewiß nicht verderben. Unter allen Burschen war er immer der reinlichste und fleißigste in der Schule, aber auf die Ehre war er vor allem ganz erstaunlich. Sein Leutnant hat auch- immer gesprochen: „Wenn meine Schwadron Ehre im Leibe hat, so fitzt sie bei dem Finkel im Quartier." Er war unter den Ulanen. Als er zum erstenmal Ms Frankreich zurückkam, erzählte er allerlei schöne Geschichten, aber immer war von der Ehre dabei die Rede. Sein Vater und sein Stiefbruder waren bei dem Landsturm und kamen oft mit ihm wegen der Ehre in Streit, denn was er zu viel hatte, hatten sie nicht genug. Gott verzeih mir meine schwere Sünde, ich will nicht schlecht von ihnen reden, jeder hat sein Bündel zu tragen: aber meine selige Tochter, seine Mutter, hat sich zu Tode gearbeitet bei dem Faulpelz, sie konnte nicht erschwingen, seine Schulden zu tilgen. Der Ulan erzählte von den Franzosen, und als der Vater und Stiefbruder sie ganz schlecht machen wollten, sagte der Ulan: »Vater, das versteht Ihr nicht, sie haben doch viel Ehre im Leibe.* Da ward
Die irische Frage.
London. 14 Aug. »Eoenina News" meldet aus zuverlässiger Quelle, daß eine neue politische Krise in Ulster be vorstehe. Eine große Anzahl der Anhänger EarsouS habe mitgeteilt, daß sie ihren Standpunkt geändert hatten und jetzt die Dominion Verfassung für Irland wünschen. Dadurch werde es möglich sein, Nord- und Südirland miteinander zu versöhnen.
Die protestantischen Ulsterleute hielten bisher in überwiegender Mehrheit zu Carsans, jede Aenderung der bestehenden Verfassung ablehnender Richtung. Da die Sinnfeiner sich mit der Selbstverwaltung, wie sie z. B. Kanada hat, nicht zufrieden geben, sondern volle Unabhängigkeit fordern, stünde die Versöhnung auch durch Dominion Verfassung noch in weitem Felde.
Der indische.Boykott gegen England
London, 14. Aug. Der Boykott Groß-Britanniens in Indien macht rapide Fortschritte. Eine Konferenz von 30000 Personen in Bombay beschloß die Unterstützung der Auswanderungspolitik. Zehntausende von Personen sind bereits ausgewandert, die meisten nach Afghanistan. Mehrere Hun derttausend wollen ihnen folgen. An dem Begräbnis des indischen Nationalistenführers Tila! nahmen mehr denn eine halbe Million Hindus und Muselmänner teil. Für ganz Indien war der Bestattungstag ein nationaler Trauertag. Die Asche Tilaks wurde in einer silbernen Urne den Fluten des Ganges übergebet!.
Wir haben über die für den l. August angekündigte Boykottbswegung schon berichtet
Die türkischen Rationalisten.
London, 14. Aug. Der Times wird aus Konstantinopel berichtet, die türkischen Nationalisten hätten Jalowa, den letzten Hasen ani Marmara-Meer verloren. Sie seien von einer türkisch-armenischen Bande, an deren Spitze Ibrahim Bey stehe, verjagt worden und hätten 90 Tote gehavt.
Die Benteoerteilung in Kleinaste».
Paris. 16. Slug. Zwischen England, Frankreich und Italien ist ein Abkommen betr. die Abgrenzung der Besetzungszone in Kleinasien abgeschlossen worden.
Streik der italienische« Hafenarbeiter.
Mailand, 16. Aug. Der „Corners della Sera" berichtet, daß ein Streik aller Hafenarbeiter Italiens proklamiert wurde. Der Streik steht im Zusammenhang mit den in Neapel zwischen der sozialistischen Organisation der Seeleute und den freien Gewerkschaften entftandenenen Differenzen. Dem Streik in Neapel haben sich bereits die Hafenarbeiter von Genua, Livorno und Ancona sowie von anderen Orten angeschloffen. Auch in Venedig macht sich die gleiche Bewegung bemerkbar.
Kleine politische Nachrichten.
Warnung vor »«besonnener Auswanderung nach Rußland. Der russische Volkskommissar siir auswärtige Angelegenheiten gibt bezüglich der Zurerse deutscher Auswanderer bekannt, daß Transporte van Auswanderern, ebenso wie Einzelpersonen, die ohne vorherige Erlaubnis der Sowjetregierung und ohne die erforderlichen Paßformalitäten erfüllt zu haben, die Reife nach Rußland amreren, bedingungslos von der russischen Grenze zurückgeschickr werden müßten.
Erhöhte Erwerbslosen?Anterftützung in Frankfurt a. M. Vor Beginn der Stadtoerordnetensttzung am Dienstag in Frankfurt a. M. hatten nachmittags Erwerbslose die Galerie des Bürgersaals und die Zugänge zum Rathaus besetzt, nachdem vormittags eins Abordnung vom Magistrat eine bedeutende Erhöhung der Unterstützungssätze verlangt hatte. Mit einer dringlichen Vorlage beantragte dann der Magistrat für verheiratete Erwerbslose eine tägliche Zulage von zwei Mark, für Ledige eine solche von einer Mark. Die Aussprache über diesen Punkt wurde vielfach durch Zurufe von der Tribüne gestört. Die erhöhten Unterstützungssätze wurden einstimmig bewilligt. Bei der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses brachten die Erwerbslosen ein Hoch
der Stiefbruder tückisch und sagte: »Wie kannst du deinem Vater so viel von der Ehre vorschwatzen? war er doch Unteroffizier im N...schen Regiment und muß es besser als du verstehen, der nur Gemeiner ist." - „Ja," sagte da der alte Finkei, der nun auch rebellisch ward, „das war ich irnd habe manchen vorlauten Burschen fünfundzwanzig aufgezählt; hätte ich nur Franzosen in der Kompagnie gehabt, die sollten sie noch besser gefühlt haben mit ihrer Ehre!" Die Rede tat dem Ulanen gar weh, und er sagte: ,Zch will ein Stückchen von eineni französischen Unteroffizier erzählen, das gefällt mir besser. Unterm vorigen König sollten auf einmal die Prügel bei der französischen Armee eingeführt werden. Der Befehl des Kriegsministers wurde zu Straßburg bei einer großen Parade bekanntgemacht und die Trappen hörten in Reih und Glied die Bekanntmachung mit stillem Grimm an. Da aber noch am Schluß der Parade ein Gemeiner einen Exzeß machte, wurde sein Unteroffizier vorkommandiert, ihm zwölf Hiebe zu geben. Es wurde ihm mit Strenge befohlen, und er mußte es tun. Ais er aber fertig war, nahm er das Gewehr des Mannes, dm er geschlagen hatte, stellte es vor sich an die Erde und drückte mit dem Fuße los, daß ihm die Kugel durch dm Kopf fuhr und er tot niedersank. Das wurde an den König berichtet, und der Befehl, Prügel zu geben, ward gleich zurückgmommen. Seht, Vater, das war ein Kerl, der Ehre im Leibe hatte!" — „Ein Narr war es," sprach der Bruder. „Freß deine Ehre wenn du Hunger hast!" brummte der Vater. Da nahm mein Enkel seinen Säbel und ging aus dem Haus und kam zu mir in mein Häuschen und erzählte mir alles und weinte die bittern Tränen. Ich konnte ihm nicht helfm. Die Geschichte, die er mir anch erzählte, konnte ich zwar nicht ganz verwerfen, aber ich sagte ihm doch immer zuletzt: „Gib Gott allein die Ehre!" Ich gab ihm noch den Segen, denn sein Urlaub war am andern Tage aus, und er wollte noch eine Meile umreiten nach dem Orte, wo ein Patchen von mir auf dem Edelhof diente, auf die er gar viel hielt, er wollte einmal mit ihr Hausen; — sie werden auch wohl bald zusammmkommen, wenn Gott mein Gebet erhört Er hat seinen Abschied schon genowmm, mein Patchen wird ihn heut erhalten, und die Aussteuer habe ich auch schon bei-
aus die Räterepublik aus. Dies veranlaßt!' den Vorsitzenden, die Sitzung zu unterbrechen. Es dauerte lange, bis sich die Erwerbslosen entfernten. Die Sitzung wurde dann, noch -mmer durch Zurufs unterbrochen, zu Ende geführi.
Vermischtes.
— Unzulässige Drucksachen. In der Bevölkerung herrscht vielfach die Ansicht, daß Durchschläge mit de: Schreibmaschine zur Versendung gegen die ermäßigte Gebühr für Drucksachen zur Postbeförderung zugelassen seien. Diese Auffassung ist irrig. Nach der Postordnung sind als Drucksachen unr solche Abdrucke oder Abzüge zulässig, die durch Buchdruck, Kupfer stich, Stahlstich. Holzschnitt, Lithographie, Metallographie, Photographie, Hekrographie, Papyrographte, Chromographie oder ähnliches mechanisches Verfahren hergestellt sind, Echreid- mafchrnendurchschläge sind keine Vervielfältigungen mi Sinne dieser feit Jahren bestehenden Bestimmung Dagegen werden Abdrucke, die durch besondere Vervielsältigungsinaschineu mit Schreibmaschinentypcn hergestellt sind, als Drucksachen nicht beanstanden Dabei ist indes Buraussetzung, daß die Abdrucke als mechanische Vervielfältigungen deutlich erkennbar sind. Ferner ist vielfach die Meinung verbreitet, daß Brief sendungen, auf denen außer Namen, Stand, Wohnort und Wohnung des Absenders noch S Worte handschrisllich angegeben sind, in jedem Fall als Drucksachen verwendet werden können. Auch dies trifft nicht zu. Nur gedruckte Besuchs karten, Weihnachts- u. Neujahrskarten, auf denen mit höchstens 5 Worten oder den üblichen Anfangsbuchstaben gute Wünsche Glückwünsche, Danksagungen. Beileidsbezeugungen oder andere Höflichkeitsformeln ausgedrückt sind, werden gegen die Druckiachengebühr befördert.
Aus Stadl und Bezirk.
Nagold, den 16. August 1920
* Die im August 1920 abgeschlossene erste evangelisch- theologische Dienstpi üsung baden mit Erfolg erstanden: Martin Haug aus Calw und Rudolf Roller aus Gröm bach OA. Freudenstadt.
* Aufhebung der Eierbewirtschaftung. Mil Wirkung vom 16 August ds. Js. ab ist die öffentliche Bewirtschaftung der Eier in Württemberg grundsätzlich aufgehoben. Für die jenigen Geflügelhalter d-s ihrer Ablieferungspflicht bisher nicht nachgekommen sind, bleibt aber die Pflicht zur Erfüllung ihrer Lrefernngs'chuidigksit anch nach Lem 16. August bestehen. Diese Anordnung war schon im Interesse derjenigen Geflügel Halter, die in richtigem Verständnis für die Allgemeinheit ihre Liefernngsschuld restlos erfüüi haben, geboten Säumige Ge flügelhalter haben gerichtliche Bestrafung zu gewärligen: auch wird mit den zulässigst! Venvalkungsmaßnahmeu gegen sie vorgegangen werden.
' * Zur Brolversorgvng. Die neue Ernte ist gut und reichlich ausgefallen und doch wird von den Regienrngsstel len schon jetzt darauf Angewiesen, daß wir auch im kommenden Verpflegungsjahre ohne die allieits dekannien und ge fürchteten Sireckmitte! — Kartoffeln, Rüben usw. — bei der Brocherstellung nicht anskommen werden. — Im Zusammenhang damit dürfte eine Entschließung interessieren, die einstimmig in Eßlingen von der Jahreshauptver ammiung der Süddeutschen Abteilung des Deutschen Guttemplerordens (J.O.G-T.) angenommen wurde, ein dringendes Bittgesuch 1. an die Württembergische Siaatsregiernna, 2. an den Würktembelgischen Landtag, 3. an sämtliche politischen Parteien zu richten, darauf hinzuwirken, daß der Brauindustrie die versprochenen 5 Millionen 200000 Zentner Getreide nicht voll und ganz ansgeliefert werden, bevor die Mehl und Brotoersorgung aus der deutschen Ernte 1920 für das deutsche Volk sichergestellt ist. Dieselben Vorstellungen sollen von der Deutschen Graßloge des Gutemplsrordens an 1. die deutsche Reichsregierung. 2. an den Deutschen Reichs tag. 3. an den Reichsernährungsminister gerichtet werden.
* Gegen die Weinzuckerung. Der Währung?- und Arbeitsbund wendet sich in einer Eingabe an das Ernährungs-
sammen, es soll auf der Hochzeit weiter niemand sein als ich " Da ward die Alte wieder still und schien zu beten. Ich war in allerlei Gedanken über die Ehre, und ob ein Christ den Tod des Unteroffiziers schön finden dürfe. Ich wollte, es sagte mir einmal einer etwas Hinreichendes darüber.
Als der Nachtwächter ein Uhr anrief, sagte die Alte: „Nun habe ich noch zwei Stunden. Ei, ist Er noch da, warum geht Er nicht schlafen? Er wird morgen nicht arbeiten können und mit seinem Meister Händel kriegen; von welchem Handwerk ist er denn, mein guter Mensch?"
Da wußte ich nicht recht, wie ich es ihr deutlich machen sollte, daß ich ein Schriftsteller sei. Ich bin ein Gestudierter, durste ich nicht sagen, ohne zu lügen. Es ist wunderbar, daß ein Deutscher immer sich ein wenig schämt zu sagen: er sei ein Schriftsteller. Zu Leuten aus den untern Ständen sagt man es am ungernsten, weil diesen gar leicht die Schriftgelehrten und Pharisäer aus der Bibel dabei einfallen. Der Name Schriftsteller ist nicht so eingebürgert bei uns, wie das komme cke lettres bei den Franzosen, welche überhaupt als Schriftsteller zünftig sind und in ihren Arbeiten mehr hergebrachtes Gesetz haben, ja bei denen man auch fragt: Oft aver — von« tsit votre pdilv8opkie? „Wo haben sie ihre Philosophie gemacht?" wie denn ein Franzose selbst viel mehr von einem gemachten Manne hat. Doch diese nicht deutsche Sitte ist es nicht allein, welche das Wort Schriftsteller so schwer auf der Zunge macht, wenn man am Tore um seinen Charakter gefragt wird, sondern eine gewisse innere Scham hält uns zurück, ein Gefühl, welches jeden befällt, der mit freien und geistigen Gütern, mit unmittelbaren Geschenken des Himmels Handel treibt. Gelehrte brauchen sich weniger zu schämen als Dichter, denn sie haben gewöhnlich Lehrgeld gegeben, find meist in Aemtern des Staats, spalten m groben Klötzen oder arbeiten in Schachten, wo viel wilde Wasser auszupumpen find. Aber ein sogenannter Dichter ist am übelsten daran, weil er meistens Ms dem Schulgarten nach dem Parnaß entlaufen, und es ist auch wirklich ein verdächtiges Ding uw einen Dichter von Profession, der es nicht nur nebenher ist.
(Fortsetzung folgt.)