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Nagolder TagLlattDer Gesellschafter«

Montag, den 16. November 1931.

i n sollen. Bon dieser Eteuererhöhung haben Reich und < e m e i n d e n, wie Schaffer ausführt, gar keine n Rußen, das deutsche Gewerbe aber sehr großen Schaden gehabt, denn der Bierverbrauch ist gegenübe'' 1929 um 32 v. H. zurückgegangen. Schaffer glaubt, daß iein Vorschlag für den Hopfen- und Gerstenbau und für das Ge­werbe weiter Landstriche eine wirtschaftliche Rettung und für das Reich sogar ein fühlbarer Gewinn wäre.

Werbefeldzug für britische Waren

London, 15. Nov. Der am Montag beginnende Werbe- feldzug, um die Engländer zum Kauf britischer Waren zu veranlassen, wird das größte Werbewerk sein, das die Eng­länder bisher zu Friedenszeiten ausgeführt haben. Der Prinz von Wales wird diesen Feldzug durch einen Aufruf im Rundfunk eröffnen. Der Erste Minister Mac Donald und der Führer der Opposition Lans- bury werden in einem Sprechfilm ähnliche Aufrufe erlassen, die bei jeder Vorführung in 3000 Sprechfilmtheatern in ganz England gezeigt werden. Ueber vier Millionen Plakate sind im ganzen Land verteilt worden. Die Automobilklubs haben an ihre Mitglieder 125 000 kleine Zettel ausgegeben, die in den Privatkraftwagen angebracht werden sollen. Auf all die­sen Plakaten stehen die beiden Worte: 6uv Lritisk! (Kauft britische Waren!) Der Werbefeldzug wird bis Weihnachten dauern. Um die Ausfuhr englischer Waren zu heben, hat die englische Regierung beschlossen, sich amtlich an der Früh­jahrsmesse in Leipzig zu beteiligen.

Vorrücken der Japaner auf Tsitsikar

Schanghai, 15. Nov. DieCentral Daily News" in Nanking melden, japanische Truppen haben Agantschi genommen und rücken auf Tsitsikar vor. Der chinesische General Matschangschen sei entschlossen, Tsitsikar aufs äußerste zu verteidigen.

Auch von chinesischer Seite wird gemeldet, daß größere Gefechte bevorstehen.

Die Telegraphenagentur der Sowjetunion erklärt, die japanischen Behauptungen, daß chinesische und koreanische Kommunisten einen Angriff gemacht hätten, für unsinnige Erfindungen, die nur den Zweck haben, die Aufmerksamkeit von den japanischen Unternehmungen abzulenken.

Japanische Forderungen

Tokio, 15. Nov. Auf Weisung der Regierung hat der japanische Oberbefehlshaber in der Mandschurei vom Ge­neral Matschangschen mit Frist bis 25. November verlangt, die um Angantschi und Tsitsikar stehenden chinesischen Trup­pen bis auf eine kleine Abteilung zurückzuziehen: südlich der ostchinesischen Bahn dürfen keine chinesischen Truppen stehen bleiben: die Eisenbahn TaonanAnganrschi soll von der zuständigen Eisenbahngesellschaft (japanisch) verwaltet werden und China dürfe sich nicht in diese Verwaltung ein- rnischen, andernfalls würde Japan das Recht erhalten, jede von ihm für notwendig erachtete Maßnahme zu ergreifen.

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Stuttgart, 14. November

Der Lanorac, hat heute zunächst den Jnitiativgesetzentwurf mehrerer Parteien zur Äenderung der württembergischen E emeindeordnung an den Berwaltungs- und Wirtschaftsaus­schuß überwiesen. Bei der dann fortgesetzten Beratung des Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch knüpfte sich an Artikel 301, der die Aufhebung zahlreicher früherer Ge­st tze vorsieht, eine längere Anssprache in Verbindung mit e nem Antrag der Abgeordneten Fischer (Dem.). Heymann (Soz.) und Körner (BB), wonach Presseoergehen und Presseverbrechen im engeren Sinn wie seither unter der Zuständigkeit der Schwurgerichte bleiben sollen. Justizminister Dr. Beyerle warnte vor einer Ueber- schätzung der Tragweite der bisherigen Regelung. Der Ent­wurf wolle eine alte württembergische Eigentümlichkeit be­stätigen. Vor das Schwurgericht gehörten heute nur noch die

allerschwersten Verbrechen, und da sei es nicht zu verantwor­ten, selbst kleine, ja fahrlässige Pressedelikte vor das Schwur­gericht zu bringen. Man sollte sich dahin einigen- die politi­schen Pressedelikte vor das Schöffengericht zu bringen, wo das Laienelement ebenso wie beim Schwurgericht überwiege. Die hohe Bedeutung der Presse werde von der Juristenschaft durchaus anerkannt. Abg. Körner (BB) erklärte, man müsse die Wünsche der Presse in dieser Frage berücksichtigen.

Bei der Abstimmung wird der Antrag mit großer Mehr­heit angenommen. Dagegen stimmten Zentrum, Bür­gerpartei, Christi. Volksdienst, Nat.-Soz. und einige Bauern- bündler. Es bleibt also bei der Zuständigkeit der Schwur­gerichte für Pressedelikte. Das Gesetz tritt am 1. April 1932 in Kraft.

Damit ist die zweite Lesung des Entwurfs erledigt. Dritte Lesung später. Nächste Sitzung: Mittwoch, 18. November nachmittags 3 Uhr.

Württemberg

Stuttgart, 15. November.

Gedenkstein der Eisenbahntruppen. Unter großer Be- teiligung wurde am gestrigen Sonntag auf dem Waldfried­hof den über 3000 im Weltkrieg Gefallenen der württ. Feld­eisenbahntruppen ein Gedenkstein der vorletzte an dieser geweihten Stätte feierlich enthüllt. Viele hohe Offiziere des alten und neuen Heeres, darunter Herzog Philipp von Württemberg, die obersten Beamten der Reichsbahn, Staats­und städtische Behörden, die Traditionskompagnie des Pionierbataillons 5 in Ulm mit der alten Fahne, ehemalige Feldeisenbahner und Angehörige der Gefallenen nahmen an der erhebenden Feier teil. 25 Gedenksteine für zehn Divi­sionen und 15 Sonderformationen und Spezialwaffen lind auf dem Waldfriedhof errichtet, die von den großen Taten der Württemberger im Weltkrieg Zeugnis oblegen. 550 OVO Mann hat Württemberg im Krieg unter die Waffen gesteift und 82 900 Gefallene zu beklagen.

Kommunistische Propaganda im Rundfunk. Die Rund­funkhörer, die Freitag abend 11 Uhr die Uebertragung

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auch auf den Stuttgarter Sender übertragen wurde, wurden gegen Schluß der Uebertragung Ohrenzcuge eines kom- mumstischen Propagandatricks. 5m Lautsprecher ertönte nämlich ein Sprechchor mit einem kommunistischen Promi- gandaruf. Wie später mitgeteilt wurde, waren vier Kom­munisten in den Senderaum eingedrungen und hatten dort ihren Sprechchor in das Rundfunkprogrämm eingeschmuggelt.

Sechstagerennen. Stand Sonntag nachmittag 4.30 Uhr'

ftn Führung Rausch-Hürtgen mit 1 Runde vor Rick!!-' Busawnhagen. ^

Kornwestheim, 15. Nov. S t e i m l e k a n d i d i e r t w: e- o e r. Als neuester, 23. Bewerber um den verwaisten Posten des Stadtvorstands hak sich Dr. Th. S t e i m l e. der frühere Amtsinhaber, gemeldet. ^

Lorch OA. Welzheim, 15. Nov. Versteigerung einer Fabrik. Das Anwesen der Firma Konrad H ö r- ger, Wagenfabrik hier. Wohn- und Fabrikgebäude mit Ge­müsegarten, wurden gestern auf dem hiesigen Rathaus ver- steigert. Den Zuschlag erhielt die Oberamtssparkasse Welz- beim, die Hypotheken auf dem Anwesen stehen hat, um den Betrag von 32 000 RM Das Anwesen war ohne Einrich- tung und Maschinen auf 70 000 RM. geschaht.

Lonfee OA. Ulm, 14. Nov. Diamantene Hoch­zeit. Am Sonntag feiert das Bahnwärter-Ehepaar Jakob und Luise Rößler in verhältnismäßig guter Gesundheit das seltene Fest der diamantenen Hochzeit. Rößler steht im 85., seine Gattin im 82. Lebensjahr. Rößler ist in Neckar­tailfingen geboren, wo er bei seinem Vater das Küfer­handwerk erlernte. Seit 1913 lebt er hier im Ruhestand.

Aus Baden, 15. Nov. Keine Geldgeschenke mehr. Einem Beschluß des badischen Staatsministeriums zufolge muß im Hinblick auf die derzeitige Finanzlage bis auf weiteres die Ehrung von Ehepaaren aus Anlaß ihrer goldenen, diamantenen oder eisernen Hochzeit, sowie von Einzelpersonen bei Erreichung ihres hundertsten Geburts­tags auf die Erteilung von Glückwunschschreiben beschränkt werden. Geldgeschenke können also nicht mehr gewährt werden. Sparsamkeit am falschen Platz.

(Fortsetzung siehe Seite 5)

Aus

Nagold, den 16. November 1931.

Ich hasse die Leute, die nichts bewundern, denn ich habe mein Leben lang damit hingebracht, alles zu bewundern. ^ Goethe.

Dienstnachrichtcn.

Im Bereich der Reichsvahndireklion Stuttgart ist der Reichsbahnobersekretär Re der in Nagold (Bahnhof) nach Gmünd (Schwäb.) Hbf. versetzt worden.

*

Ein Tag im Nebelmond

Ueber so ziemlich alles hinweg, was uns das Wetter bescheren konnte, über Sturm, Regen und Schnee, sind wir bei der Eigenart des Novembers angelangt, dem Nebel. Während des ganzen Sonntags und auch schon während des Samstags lag er wie ein dichter Schleier über der Erde, alles hemmend, was auf der Erde da kreucht und fleucht, sogar das sonst nicht so leicht zu bändigende Temperament der Autos. Wenn wir ihn mit Alltagsgesicht und Normal­gefühlen erleben, dann frösteln wir, knöpfen Rock und Man­tel dicht zu, damit die kriechende, feuchte Kühle nicht zu nah an uns dringt. Wollen wir jedoch lieber Träumer sein: Jedesmal, wenn der Nebel mit seiner novemberlichen Dichte auftritt und man an keine Sonne und an keinen Tag mehr glauben möchte, mutz die Gestalt Mörickes vor uns erschei­nen, des Dichters, der uns das schönste Nebellied gesungen hat. Er hat in Worte gefaßt, in klingende, schwingende Zeilen, was wir empfinden, wenn der Som-

und Land

mer vergangen und eines Morgens die herbstlich-winter­lichen Nebel in silberner Dichte in den Tälern und auf den Höhen liegen:

Im Nebel ruhet nun die Welt,

Noch träumet Wald und Wiesen:

Bald siehst du, wenn der Schleier fällt Den blauen Himmel unverstellt,

Herbftkrästig die gedämpfte Welt in warmem Golds fließen.

Innige Verse, hundert Jahre alt und die Zeit hat sich gewandelt, da Möricke sie schrieb, aber in den Herzen der Stillen sind noch die silbernen Saiten gespannt, die wunder­sam erklingen, wenn einer spricht mit leise bebender, von besinnlicher Wehmut erfüllter Stimme: Im Nebel ruhet noch die Weltl!

Mancheinen, der den Nebel auf seinen Alltagsmsnschen wirken läßt, überkommt bei solchem Wetter etwas wie Le­bensverneinung, wer diese Verse aber in sich ausnimmt, der weiß, daß auch wieder Sonnenschein kommen wird, lachen­des Leben. Die Nagolder haben diese Lebenskunst scheinbar zumeist geübt. Bei dem üblichenpresse-amtlichen" Rund­gang kam so der Reporter am Sonntag am Samstag abend in dieWaldlust", wo der

Deutschnationale Handlungsghilfenverband

Ortsgruppen Nagold und Altensteig sich zu einem bunten Abend zusammengefunden hat­ten. Der große Saal war gut besetzt, an Kleidung und Ge­sichtern merkte man fröhliche, festliche Stimmung. Herr Kaufmann Sprenger-Nagold fand treffende Ve-

^Der absolute Idealist"

(Zu Hegels 100. Todestag am 14. November 1931.)

Von vr. Richard Grant.

Wir sind gewöhnt, Georg Wilhelm Friedrich Hegel als den Vollender der idealistischen Philosophie in Deutsch­land zu bezeichnen, als den neben Fichte und Schelling be­deutendsten Vertreter des nachkantischen (spekulativen) Idealismus. Dennoch war dieser verstandskühle Denker nicht das, was wir gemeinhin unter einem deutschen Idea­listen begreifen, weil zu abstrakt in seiner Wesenheit und zu-absolut. Gleich Schelling schien auch ihm, demRegie­rungsphilosophen im Zeitalter der Reaktion" alles Lein aus einem einheitlichen Weltgrunde, dem absoluten, ent­standen, einer Einheit, zu der sich Geist und Materie als Spaltstücke des Absoluten" wieder ergänzten. Den Ent­wicklungsgedanken glaubte Hegel in alle Gebiete mensch­licher Forschung hineintragen zu müssen. In seinerP h ä- nomenologie des Geistes" unternahm er den küh­nen Versuch, die Entwicklungsphasen der verschiedenen Er­scheinungen des Geisteslebens, Recht, Sitte, Staat. Kunst, Religion und Wissenschaft, in sein geistesphilosophisches System mehr oder weniger gewaltsam einzugliedern. Seine Logik war ein aus Quadern scharsgeschlissener Dialektik aus­getürmtes Lehrgebäude von der Entwicklung allgemeiner Vernunstsbegrisfe, seine Naturphilosophie die Lehre von der Entwicklung der realen Welt. Alle Erscheinungen lei­tete er auf spekulative Weise ab, was naturgemäß zu man­cherlei Unzulänglichkeiten seines Systems führen mußte.

Auf dem kürzlich in Berlin abgehaltenen Internatio­nalen Hegel-Kongreß nahmen bedeutende Hegelforscher Deutschlands, Hollands und Italiens zu den Hauptproble­men der Hegelschen Phänomenologie, Staatsphilosophic, Aesthetik und Logik Stellung, aber kein einziger, der sorg­fältig ausgearbeiteten Vorträge betraf das Leben des in seiner Art universalen Denkers. Ueber Hegel den Denker ist immer noch manches, über den Menschen wenig zu sagen. In Hegels Bücherschrank befindet sich noch heute sine lau­nige Widmung, die Goethe mit einem böhmischen Glas, das er gelegentlich Hegel verehrte, verband. Sie lautete bezeichnenderweise:Dem Absoluten empfiehlt sich schön­stens zu freundlichem Andenken das Urphänomen. Weimar Sommers Anfang 1821." Eine leicht satirische Anspielung,

die doch einer tieferen Bedeutung nicht ganz entbehrte.

Am 27. August 1770 kam Georg Wilhelm Friedrich Hegel in Stuttgart zur Welt. Als Sohn eines mittleren Beamten, der nach den kärglichen Aufzeichnungen, die wir über ihn besitzen, ein gestrenger Pedant gewesen sein muß, der seinen Sohn fühzeitig die Achtung vor der Autorität in jeder sich bietenden Form einzuimpfen versuchte. Wir besitzen Tagebuchaufzeichnungen des jungen Hegel, die uns bereits jene später zur zweiten Natur gewordene Ange­wohnheit des Denkers verraten, jede Lektüre mit der Fe­der in der Hand vorzunehmen. Er macht sich umfangreiche Auszüge aus allen ihm zugänglichen Wissensgebieten und versucht, sie sich geistig zu erobern. Im Oktober 1788 wurde er als herzoglicher Stipendarius im theologischen Stift der Universität Tübingen ausgenommen. Den Acht­zehnjährigen nannten schon die Studiengefährten einen alten Mann", einfragwürdiges Licht" und was derglei­chen Schmeicheleien noch mehr waren. Dabei saß er gern bei einem gemütlichen Schoppen, spielte seine Partie Ta­rock, in Berlin später seinen Whist, und stellte nicht gerade das Beispiel eines verschlossenen Besserwissers dar. Wohl aber gab er sich als ein Andersgearteter. Die Welt erschien ihm als Selbstentwicklung der Idee. In seiner Naturphi­losophie wies er nach, wie die Natur,die Idee in ihrem Anderssein" ständig höhere Fvrmen erzeugt, die das Be­streben des Geistes zeigen, sich von der Materie zu befreien und zum Selbstbewußtsein vorzudringen. In drei Stufen vollzieht sich die Entwicklung der Natur: Mechanik, Physik, Organik. Auch der Geist macht drei Wandlungen durch. Er subjektiv als Seele und Vernunft im Einzelwesen, dann objektiv in Recht in Sittlichkeit der Gesellschaft sowie des Staates und schließlich absolut in der Gesamtheit des gei­stigen Lebens überhaupt und offenbart sich als solcher in ! Kunst, Religion und Philosophie.

Im Jahre 1805 wurde Hegel Professor in Jena, ein Jahr später übernahm er die Redaktion einer Vamberger Tageszeitung. 1808 wurde er als Gymnasialdirektor nach Nürnberg berufen. 1816 lehrte er an der Universität Hei­delberg, zwei Jahre später kam er nach Berlin und wirkte dort auf dem Katheder, von dem aus früher Fichte die deutsche Jugend geistig aus die Befreiungskriege vorbereitet hatte, alspreußischer Staatsphilosoph" der Restaurations­zeit. Die Jugend verdachte ihm diese seine Stellung, wenn sie auch nicht bestritt, daß die Universität Berlin über ein Jahrzehnt lang völlig im Banne dieses suggestiven Den­

kers,unter dem Gestirne Hegels" stand. Sie warf ihm Mangel an demjenigen Patriotismus, den sie bei Fichte so sehr verehrt hatte, vor und war lieblos genug, seine Lehre alswissenschaftlich formulierte Rechtfertigung der Demagogenverfolgung" hinzustellen. Dennoch war Hegel in seiner Art vaterländisch gesinnt und seine Auffassung vom Staate die philosophische Darstellung des preußischen Staatsgedankens an sich. Allerdings brachte er, der Süd­deutsche, diese Auffassung nicht fertig nach Berlin mit. Er erlebte in Jena den Zusammenbruch des alten Preußen so gründlich, daß er spater nicht recht an den Geist der Be­freiungskriege glauben mochte.Am Tage, da Jena von den Franzosen besetzt wurde und der Kaiser Napoleon dort eintras", schrieb er in einem Brief,war den Preußen freilich kein besseres Prognostikon zu stellen." Er fand auch harte Worte über die politische Unreife seinerneutralen" Landsleute:Lieber sich zehn Millionen mit Gewalt neh­men, sich ins Gesicht spucken, sich mit Füßen treten, sich prügeln lassen als freiwillig sich einer Wunde aussetzen, indem man Wunden austeilt: das ist der Sinn der deutschen Nation. Die Deutschen wollen die Satis­faktion haben, neutral zu bleiben, d. h. von beiden Teilen sich ausschinden zu lassen. Nehmen lassen sie sich alles, den Rock, und aus Gutmütigkeit, um kein böses Gesicht zu bekommen, geben sie noch den Wams." Goldene Worte über die übertriebene Verständigungsbereitschaft des deutschen Volkes, die man nicht vergessen sollte, wenn man sich da­rüber ärgert, daß derselbe Hegel später diepreußischen Patrioten" zusammen mitKosaken, Baschkiren und den andern vortrefflichen Befreiern" auf eine Stufe stellte, Andererseits kommt auch der Marxismus nicht auf seine Kosten, wenn er versucht, Hegel zu seinen geistigen Ahnen zu rechnen. Gewiß ist er von der Hegelschen Eesellschafts- theorie beeinflußt worden, dennoch verband sich bei Hegel der Sozialismus zu einem man könnte sagen nationali­stischen Preußentum, zu einer Staatsgesinnung, die mit derjenigen des Marxismus nichts wesentliches gemein hat.

Hochgeehrt starb er, die Zierde und der Stolz des geisti­gen Preußens der Restaurationsjahre, als Opfer der tücki­schen Cholera. Er wurde neben Johann Eottlieb Fichte beigesetzt. Ein Großes im Reiche des Geistes. Seine Freunde aber behielten recht, als sie an seinem Grabe prophezeiten: Diese deutsche Wissenschaft, wie Hegel sie in mancher durchwachten Nacht bei stiller Lampe ersann und schuf, wird welterobernd in dem Gebiete der Geister werden."