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Nagolder TagblattDer Gesellschafter"

Donnerstag, den 12. November 1631.

vöirerungsverlufte erleiden werde, deren Dauer und Aus- maß nicht abzusehen sind.

Die Säuglingssterblichkeit hat sich, nachdem sie 1919 etwas zugenommen hatte, nach den vorläufigen Angaben für 1930 und 1931 wieder verringert. Einen noch stärkeren Rückgang weist die Kleinkindersterblichkeit aus. Cholera, Gelbfieber und Pest sind in den letzten Jahren in Deutschland überhaupt nicht ausgetreten. Von den übrigen gemeingefährlichen Krankheiten wurden nur vereinzelte Fälle ermittelt.

In einem Ausblick kommt die Denkschrift zu der Fest­stellung, daß die Quellen unserer Volkskraft allmählich zu versiegen drohen, da es an ausreichendem Nachwuchs mangelt. Angesichts der katastrophalen Folgen des Gebur­tenrückganges für die Zukunft müssen, wie sie hervorhebt, die aus der ständig zunehmenden Aeberalkerung des Volks entstehenden wirtschaftlichen und kulturellen Gefahren immer wieder in den Mittelpunkt gesundheitlicher Betrachtungen gestellt werden. In den Vordergrund treten gegenwärtig die Gefahren, die aus der steigenden Arbeitslosigkeit erwachsen, aus der sich allmählich eine schwer aufzuhaltende Rückwäris- bewegung des Gesundheitszustandes ergibt

Die Einrichtungen zum Schutz von Mutter und Kind

Berlin, 11. Nov. Der Reichsinnen- und der Reichsarbeits­minister haben dem Reichstag auf sein Verlangen eine Denk­schrift über die Einrichtungen zum Schutz von Mutter und Kind, wie sie in der öffentlichen und der freien Wohlfahrts­pflege im Rechnungsjahre 1928/29 bestanden, überreicht. Da­nach waren in der Berichtszeit 279 öffentliche und 343 freie E ntbi nd u n g s a n st a l te n mit einer Gesamtbettenzahl von rund 18 500 vorhanden. Die Zahl der Mütter Heime wird bei der öffentlichen Wohlfahrtsfürsorge mit 70, bei der freien mit 135 (rund 5700 Betten) angegeben, die lder He i l - und Pflegeanstalten für gesunde und kranke Säug­linge und Kleinkinder mit 375 bzw. 835 (mehr als 40 000 Betten), die der Säuglings- und Kinderkrippen mit 108 bzw. 225 (rund 11 500 Betten), die der Kinder­gärten mit 1865 bzw. 5417 (fast 422 000 Betten bzw. Plätze), die der Kinderhorte mit 853 Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege, in denen 42 340 Plätze vorhanden waren, die der Schwangerenberatungsstellen mit 1426 Insti­tutionen der öffentlichen und 1833 der freien Wohlfahrts­pflege, die der Mütterberatungs-, Säuglings, und Klein­kinder für sorge st eilen mit 6159 bzw. 3617 und die der Gemeindep siege st ationen mit 1623 bzw. 9685 Einrichtungen.

tzindenburg Inhaber eines ungarischen Regiments

Berlin. 11. Nov. Die Deutsche Allgemeine Zeitung be­richtet: Am kommenden Sonntag wird in Berlin eine Ab­ordnung des dritten königlichen Infanterie-Regiments, Gar­nison Stuhlweißenburg eintreffen, um dem Reichspräsiden­ten vonHindenburgd ieJnhabers chaftdesRe- giments an zu tragen. Diese Ehrung, die im Auftrag des Reichsverwesers von Hort Hy erfolgt, ist um so freu­diger zu begrüßen, als bisher außer dem Reichsverweser nur der König von Italien zum Chef eines unaariscl'm Regimentes ernannt wurde.Die Abordnung steht unter Füh­rung des Regimentskommandeurs Oberst von Koos, dem ein Oberstleutnant, ein Major, ein Hauptmann und ein Ober­leutnant beigegeben sind. Vor dem vorgesehenen Empfang beim Reichspräsidentne wird sich die Abordnung mit dem verdienten ungarischen Militärattache General Stojakowitsch in Berlin zum Ehrenmal in der Neuen Wache begeben, um zu Ehren ihrer im Weltkrieg gefallenen deutschen Mas, fenbrüder einen Kranz niederzulegen.

Mißglückter Antifaszistenflug nach Italien

Konstanz, 11. Nov. Am Samstag nachmittag landete auf dem Flugplatz in Konstanz das Junkersflugzeug D 2155, angeblich wegen eines kleinen Schadens. Die Insassen waren ein gewisser Viktor Haefner aus Berlin als Flugzeugführer und ein zweiter Mann, der sich als Bel­gier ausgab. Am Sonntag wurde das Flugzeug mit schwerem Gepäck beladen, das von einem Auto mit französischem Kennzeichen in ein Konstanzer Hotel gebracht worden war. Beim Start am Sonntag vormittag, den der angebliche Belgier allein vornahm, stellte sich das Flugzeug auf den Kopf und erlitt geringen Schaden. Da die Flieger aber offenbar Befürchtungen wegen

Zaust über Danzig

Poznan von ^.eonkrne v. lV7nker/e(ck-/Raten

(Nachdruck verboten)

34. Fortsetzung.

O, wie die Hämmer dröhnten, daß es ihn fast schwin­delte! Er mußte sich an dem löwengezierten Geländer hal­ten.

Auf der Diele schwankte ganz leise im Luftzug die kleine Hansekogge unter der Decke. Antje ging die Eichentreppe hinauf, wo die Wohnräume lagen. Klaus Veldeke sah ihr nach.

Du oder Danzig? Was ist das Größere? O, mein Gott, wie man so irre gehen kann mit seinen Gedanken!"

Vertie hat mein Wort.

Und Konstantin Ferber hat mein Wort.

Und Manneswort soll größer sein als Mannesliebe."

Immer noch schwankte das Schifflein da oben im Luft­zug des Treppenhauses.

Es war am Abend des nächsten Tages.

Antje stand oben in ihrem Kämmerlein am Fenster. Still und klar erschienen die Sterne am dunklen Nachthim­mel. Sie hatte den Kopf gegen das Fensterkreuz gelegt und sah unverwandt nach oben, mit großen müden Augen. Ihr Gesichtlein war weiß und um den Mund lag es wie verhal­tenes Weinen. In ihrer Seele war eine große Leere eine tiefe Not. Es war nicht allein darum, daß der Erzengel von St. Marien nun in See gefahren war, daß er nun weit da draußen aus der Ostsee mit seiner Kogge schwamm, daß man nun seinen festen, schweren Tritt nimmer hörte aus der Treppe und unten aus der Diele. Ach, darum allein war die Not ja nicht! Darum nicht. Aber das andere das andere das war ja viel schlimmer. Das war ja so, daß man daran zerbrechen konnte. Denn würde sie nicht mehr hierbleiben können. Nun wollte sie fort vom Veldeke- haus und wieder zurück nach Leba. Und der Vater würde es ihr verzeihen und sie verstehen. Ach, er mußte sein Antje­

Lntherfeier in

ep. Skuttgark, 11. Nov. Am Dienstag abend fand die alljährliche Lutherfeier der Gesamtkirche n- gemeinde Stuttgart in der bis auf den letzten Platz ausverkauften Liederhalle statt. Unter den Güsten sah man u. a. den Herrn Kirchenpräsidenten sowie die Mit­glieder des Eoang. Oberkirchenrats. Das einleitende, ge­meinsam gesungene Gebetslied LuthersErhalt uns, Herr, bei deinem Wort" führte sofort in den Ernst ein, den eine Lutherfeier in der heutigen Zeit tragen mutz. In einer kernigen Ansprache zog der Leiter der Feier, Prälat IT Traub, die Linien von Luthers trefflicher Schrift Mahnung an seine lieben Deutschen" vom Jahr 1531 zur Gegenwart. Diese Mahnung zu evangelischem Glauben und entschiedenem Bekennen gilt auch für unsere heutige Zeit. Besonders geht aus dieser Schrift auch die M a h n ü n g z u sozialer Verantwortlichkeit hervor. Luther war darin mit Landgraf Philipp einig, datzder gemeine Nutzen mehr anzusehen und zu bedenken* sei,denn sonderlicher Aicheu". Wie Luther sich dagegen verwehrte, daß dem kleinen Mann die Lebens- und Genußmittel verteuert wer-

der Liederhalle

den, wie er sich verantwortlich wußte für Stadt und Volk - und offene Augen hatte für die öffentlichen Verhältnisse und j Mihstände, so ist auch für uns die Besserung der Verhält­nisse heute Gewissenspflicht. Nach ihm sprach Stadtpsar- rer Lic. Esenwein überLuther und die evan­gelische Freiheit". Diese evangelische Freiheit ist bei Luther der Ausdruck eines neuen Lebensgefühls und einer neuen Glaubensfreudigkeit, die aus der neuen Erkenntnis des Wesens Gottes flieht. Unter den musikalischen Am- rahmungen der Vorträge seien namentlich hervorgehoben die zwei sechsstimmigen Motetten von Andreas Hammerschmidt und H. Schütz, die unter der Leitung von Musikdirektor A. Strebe! der gemischte Chor der Studierenden der Hochschule für Musik und der kirchlichen Orgelschule mit feinen Stimmen sang. Neue Wege hat wieder Iugend- pfleger Stuzmann mit seinen Sprechchören gezeigt, die Stücke aus derFreiheit eines Christenmenschen" (1520) und die Deutsche Litanei von 1531 zu eindrucksvoller Dar­stellung brachten. Zum Schluß wurden gemeinsam zwei Lutherlieder gesungen.

näherer Kontrolle ihres Flugzeugs und ihres Gepäcks hegten, luden sie mittags in Abwesenheit des Monteurs des Flugplatzes ihr Gepäck wieder aus und schafften es in ihr Hotel, weil nun erst am Montag geflogen werden sollte. Am Montag vormittag wurde jedoch der Weiterflug vom Bezirksamt Konstanz bis zur Klärung der Flugberech­tigung untersagt. Bei der Durchsuchung des Gepäck­raums fand der Flugplatzmonteur zwei Flugblätter in italienischer Sprache. Da die beiden Flieger ein auffallendes Bestreben gezeigt hatten, sich der Kontrolle auf dem Flugplatz zu entziehen und auch Waffen be­saßen, wurden sie zur weiteren Aufklärung der Staats­anwaltschaft übergeben. Es war auch bekannt geworden, daß das Gepäck am gleichen Nachmittag in dem Auto mit dem französischen Kennzeichen weg- geschasft worden war. Durch sofortige Benachrichtigung der Polizei in Freiburg gelang es, das Auto mit drei Insassen bei der Einfahrt nach Freiburg anzu halten. Bei der Durchsuchung des Gepäcks fand mail Tausende von Flugschriften in italienischer Sprache, in denen zur Bildung von antifaszistischen Gruppen mit genau vorgeschriebener Organisation zum Zweck der Bekämpfung des Faszismus aufgefordert wird. Die drei Insassen des Autos waren Italiener. Obwohl die Verhafteten leugnen, besteht kein Zweifel, daß der Zweck des Flugs nur der gewesen ist, mittels Flugzeuge von Konstanz aus über Italien Flugblätter gegen den Fas­zismus abzuwerfen. Die beteiligten Ausländer haben falsche Pässe. Der Deutsche Haefner ist wegen Ver­rats militärischer Geheimnisse mit 5 Jahren Zuchthaus vorbestraft. Die Untersuchung ist im Gang.

Protestkundgebung in Jena

Halle. 11. Nov. lieber 700 Studenten der hiesigen Uni­versität verließen heute vormittag im Sonderzug Halle, um sich an der heute in Jen« stattfindenden Studentenkund- nevnngWider den undeutschen Geist an den deutschen Hoch- schicken" zu beteiligen. Die Gesamtzahl der in Halle Imma­trikulierten beträgt ungefähr 3000.

Württemberg

Stuttgart» 11. Nov. Eine Landtagssihunaohne Interesse für die Oeffentlichkeit. Im Landtag wurde heute der Entwurf eines Aussührungsgesetzss zum Bürgerlichen Gesetzbuch behandelt. Die Beratung, die sich auf Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, des bürgerlichen Rechts und der streitigen Gerichtsbarkeit er­streckte, bot nichts Bemerkenswertes. Es handelt sich meistens um Bestimmungen, die für die Oeffentlichkeit von geringem Interesse sind. Die Tribünen leerten sich deshalb auch zu­sehends. Den Bericht des Rechtsausschusses erstattete der Abg. Mößner (Soz.). Von den 303 Artikeln des Ent­wurfs konnte ein größerer Teil erledigt werden. Morgen wird die Beratung fortgesetzt.

kind ja verstehen, daß sie nimmer und nimmer mit die­sem Rothaarigen würde leben können, weil er ihr so zu­wider war. Sie legte beide Handflächen gegen die Stirn und stöhnte. Denn heute morgen, in aller Herrgotts­frühe, als sie schon unten im Eßsaal war und den Fdiihim- biß richtete, war der Ratsherr hereingekommen. Sehr bleich. Sehr ernst. Da hatte sie es nicht lassen können und ihn ge­fragt. Hatte beide Hände ineinander gelegt und vor ihm ge­standen wie ein bittendes Kind.

Um aller Heiligen willen, hat Euer Bruder Rechte an mir?"

Er war zusammengezuckt wie unter einem Peitschen­hieb. Und sein Gesicht war finster geworden, wie sie es noch nie gesehen.

Er sah sie nicht an, als er endlich sprach.

Ja, Antje, er hat Rechte an dir, leider Gottes. Und das ist meine Not."

Und als er ihre schreckensstarren, großen Augen sah, biß er sich auf die Lippe, daß sie blutete.

Und fuhr dann hoch, als sehe er einen Feind, der ihn unsichtbar anfallen wollte:

Aber habe Geduld, Antje! O, habe Geduld, es währt nicht mehr lange!"

Es waren dann die Mägde gekommen und sie hatten von anderen Dingen geredet.

Das ging ihr alles wieder so scharf und klar durch den Sinn, als sie nun in später Abendstunde einsam an ihrem Fensterlein stand.

Warum sollte sie Geduld haben, was wollte er tun? Wollte er sie nach seiner Rückkehr heimgeleiten? Wollte er ihr Fürsprech werden beim Vater, daß sie den Rothaarigen nimmer brauchte freien? O ja, o ja, sie wollte tun nach seinen Worten und Geduld haben. Dann würde wohl doch noch alles licht!

Als sie am andern Morgen aus ihrer Kammer trat, später als sonst, denn sie war so müde, so müde gewesen, kam ihr Vertie schon auf der Treppe entgegen.

Was bekomme ich, Antje, wenn ich dir gute Botschaft bringe?"

Und er schwenkte einen großen Brief in der Hand.

Aendcrung der Württ. Gemelnseordnung. Die Abgeord­neten des Zentrums, des Bauernbunds, der Sozialdemo­kratie, der Demokratie, der Deutschen Volkspartei und des Christlichen Volksdiensts haben im Landtag folgenden Ini- riativgesetzentwurf zum Entwurf eines Gesetzes zur Aende- rung der Württ. Gemeindeordnung eingebracht: Art. 1. Art. 47 der Württ. Gemeindeordnung vom 19. März 1930 erhält folgende Fassung:Art. 47. Verteilung der Sitze aus die Wahlvorschläge. (1) Die Sitze werden, ausgenommen in den großen Städten von mehr als hunderttausend Ein­wohnern, aus die Mahlvorschläge nach dem Verhältnis der Gesamtsiimmenzahlen verteilt, die auf die sämtlichen in den einzelnen Wahlvorschlägen enthaltenen Bewerber gefallen sind. (2) In den großen Städten von mehr als hundert­tausend Einwohnern werden die auf die einzelnen Wahl­vorschläge entfallenden Sitze nach dem Verhältnis der für sie abgegebenen gültigen Stimmzettel verteilt. (3) Bei glei­chem Anspruch mehrerer Wahlvorschläge auf einen Sitz ent­scheidet das Los." Art. 2. Dieses Gesetz ist dringlich. Es tritt am 1. November 1931 in Kraft.

Zeitungsbeschlagnahme. Von zuständiger Seite wird mit­geteilt: Die Beilage des NS.-Kuriers Nr. 65 vom 11. Nov. Jugend im Kampf" ist beschlagnahmt ivorden.

Vom Tage. Am Sonntag abend wurde Ecke Neckar- und Schillerstraße ein 42 I. a. Mann von einem Personenauto überfahren und einige Meter geschleift. Er erlitt schwere innere und äußere Verletzungen, an deren Folgen er jetzt im Kaiharinenhospitai gestorben ist.

In einem Haus der Düsieldorferstraße in Cannstatt ver­übte abends ein 32 I. a. Mann durch Einatmen von Gas einen Selbstmordversuch, l " rde in das Bürgerhospital

Keine Steuerfreiheit für Weinzucker. Auf ein Schreiben des Reichstagsabgeordneten Weingärtner Haag- Heilbronn wegen Steuerbefreiung des zur Weinzuckerung verwendeten Zuckers hat der Reichsfinanzmimster ablehnend geantwortet, da das Zuckersteuergesetz für eine derartige Vergünstigung keine Ermächtigung enthalte. Ein weiterer Antrag Haags an die Reichsbahndirektion Stuttgart,, für Wein und Most einen billigeren Tarif zu gewähren, wurde von der Direktion be­antwortet, daß der Ausnahmetarif 9 a diesen Zwecken bereits entspreche, und man hoffe, durch diesen Ausnahmetaris den Kraftwagenwcftbewerb in der Beförderung von Wein wirk­samer bekämpfen zu können.

Tagung der Mrkschafksparkei. Am Samstag versammel­ten sich hier die Führer der Wirtschastspartei in Württem­berg, um einen Bericht des württ. Reichstagsabgeordneten Schreinerehrenobermeister Friedrich Silier- Ludwigs­burg entgegenzunehmen. Nach eingehender Aussprache wurde eine Entschließung einmütig angenommen. Die Win- schaftspartei des Wahlkreises Württemberg ersucht die Reichstagsfraktion dringend, auf beschleunigte Weise dafür zu sorgen, daß die durch Notverordnung festgelegten Steuer­verzugszinszuschläge sofort außer Kraft gesetzt werden. Der Reichstagsfraktion wurde das volle Vertrauen für Hal­tung ausgesprochen.

Ztahihelm-Kundaebung. Der zweite Bundesführer des Stahlhelm, Oberstleutnant a. D. Düsterberg, wird am Dienstau, 17. November, abends 8 Uhr im Festsaal der

Es ist heute in aller Frühe ein Fischer von Lebasee gekommen. Anwerben will er sich lassen als Danziger Söld­ner. Er meint, da sei besser zu verdienen als beim Fisch­fang. Und von deinem Vater hat er diesen Brief gebracht. Hat nicht eher durchkommen können, ehe die Polen nicht abgezogen waren. Nun sitzt er unten in der Küche und löffelt seine Morgensuppe. Schon dreimal hat er nach dir gefragt, aber die Jungfrau schlief heute so lange, da mocht ich nicht stören."

Antjes Gesicht war mit jäher Glut übergossen vor lau­ter Freude. Sie riß den Brief an sich und stürmte wortlos an Vertie vorüber die Treppe herunter.

Wo, wo ist er? Der Mann aus Leba?"

Und schon stand sie mitten in der sauberen, kachelaus- gelegten Küche und sah sich um.

Da saß in der Ecke am Holztisch ein Mann mit hän­gendem Schnauzbart u. löffelte behaglich aus der dampfen­den Schüssel.Eike Tomsen! O wirklich, du bist es selbst! Ach, ist das schön, ist das schön! Ein Mensch aus Leba! Was macht denn der Vater und die Kinder? Und meine alte Dörte? Und alle, alle alle!"

Sie hatte sich zu ihm an den Küchentisch gesetzt und im Eifer seinen Arm gepackt. Die heißen Tränen liefen ihr dabei übers Gesicht. Der Mann wischte sich bedächtig mit dem braunen Handrücken über den Mund und die nassen Bart­enden.

Und erzählte in seinem gemütlichen Platt von jedem einzelnen aus Leba. Daß es dem Herrn unverändert gehe mit seinem kranken Vein und daß die Kinder wohlauf und gesund wären.

Von allen Tieren wollte sie dann wissen und am mei­sten von ihrer Stute, die sie einst hergetragen nach Danzig.

Dann ging sie mit großen stillen Augen wieder nach oben in ihr Stübchen, denn der Brief des Vaters wollte sie so ganz ungestört und in Ruhe lesen.

Auf den Holzschemel am offenen Ftznster setzte sie sich und erbrach langsam die gewaltigen Siegel, mit denen er verschlossen war. Dann strich sie zärtlich mit den zitternden Händen über die wohlbekannten, geliebten Schriftzüge und dachte versonnen:

Fortsetzung folgt.