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Nagolder Tagblatt „Der Gesellschafter^
Donnerstag, den 8. Oktober 1831.
ihm die Kopfhaut von vorn nach hinten regelrecht abgezogen wurde.
Schwerer Verkehrsunfall. Heute nachmittag ^5 Uhr stieß an der Ecke der Retvoitestraße ein Motorradfahrer aus einen Lastkraftwagen auf. Der Motorradfahrer wurde schwervsr- ietzt ms Karl-Olga-Krankenhaus gebracht. An seinem Auskommen wird gezweifelt. Sein Rad wurde vollständig demoliert.
Lin Zeitungsveteran. Redakteur Vaigel von Kohlhammers Verlag kann in aller Kürze auf 40jährige ununterbrochene Tätigkeit als Schriftleiter der „Kriegerzeitung", des „Neuen Familienblatts" und anderer Blätter zurückblicken.
Verbotene Beamken- und Angeslellkenversammlung. Der
Allgemeine Freie Angestelltenbund und der Allgemeine Deutsche Beamtenbund hatten auf Dienstag abend in den großen Vortragssaal des Hauses des Deutschtums in Stuttgart eine Protestversammlung einberufen mit der Tagesordnung „Der Kampf der Beamten- und Behördenangestelh ten um ihre Lebensexistenz" und den Reichs- und Land- tagsabg. Keil als Referenten. Das Polizeipräsidium hat lt. Schwäbischer Tagwacht das Thema jedoch als politisch erklärt und die ganze Versammlung verboten, da sie nicht entsprechend der Notverordnung des Reichspräsidenten spätestens 24 Stunden vorher angemeldet war. Eine solche Anmeldung war unterblieben, weil die Einberufer nicht an eine Organisationsversammlung gedacht hatten. Das Verbot der Versammlung wurde, wie die Schwäb. Tagwacht weiter mitteilt ,dem Versammlungseinberufer 30 Minuten vor Versammlungsbeginn telephonisch mitgeteilt.
Verurkeilkec Bürgermeister. Das erweiterte Schöffengericht Cannstatt hat den Bürgermeister Friedrich Schrnid von Sulzbach a. d. Murr wegen eines Verbrechens der passiven Bestechung zu 5 Monaten Gefängnis verurteilt. Ferner wurde auf Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter auf die Dauer von 3 Jahren erkannt. Von der dem Angeklagten zur Last gelegten Amtsunterschlagung wurde Schmid freigesprochen, da ihm nicht nachgewiesen werden konnte, daß er dabei das Bewußtsein der Rechtswidrigkeil gehabt habe, wenn auch seine Handlungsweise mindestens disziplinär zu beanstanden sei. Der Angeklagte will Ve- oifung einlegen.
Festnahme eines Belrügers. Der Betrüger, der Mitte September in den Gängen des Justizgebäudes gegenüber einer Händlerin, die zu einer Verhandlung vorgeladen war, als Gehilfe ihres Anwalts sich aufgespielt und ihr einen Honorarvorschuß abgenommen hat, ist in der Person des 29 I. a. Kaufmanns Paul Beck von Renningen ermittelt und dem Strafrichter vorgeführt worden.
Riesendiebstähle bei Breuninger. Im Kaufhaus Breu- ninger AG. sind große Diebereien aufgedeckt worden, die immer weitere Kreise ziehen. Für etwa 15 000 Mark Waren, Kleider, Wäsche, Einrichtungsgegenstände usw. wurden dabei veruntreut, und zwar vor allem von gehobenen Angestellten. Direktricen, die seit Jahren, teilweiie fett Jahrzehnten schon, in einem Fall seit 22 Jahren, bei der Firma tätig sind und in einem besonderen Vertrauensverhältnis zu ihr standen. Bis jetzt sind drei Verhaftungen vorgenommen worden. In Heslach wurde bei zwei Beteiligten ein Teil der gestohlenen Ware wieder abgeholt. In die Angelegenheit ist auch die Frau eines Bürgermeisters aus dem Oberamt Gaildorf verwickelt, die bereits wegen gewerbsmäßiger Hehlerei verhaftet wurde.
Vom Tage. In einem Haus der Kernerstraße verübte eine 36 I. a. Frau durch Einatmen von Gas einen Selbstmordversuch. Sie konnte an ihrem Vorhaben gehindert werden und wurde in das Katharinenhospital übergeführt. — In selbstmörderischer Absicht stürzte sich in einem Haus des östlichen Stadtteils eine 46 I. a. Frau aus einem Fenster des 1. Stockwerks in den Hof. Sie war sofort tot.
Aus dem Lande
Heilbronn, 7. Okt. Arbeitsausschußsürdeutsche Ware. Nach einem Vortrag des Geschäftsführers Pfisterer des Stuttgarter Arbeitsausschusses „Für deutsche Ware" hat sich nun auch hier ein Arbeitsausschuß gebildet. Ein vorbereitender Ausschuß wird sich mit der Frage der Vec- anstaltung einer „Deutschen Woche" zur Werbung für den Gedanken der Bevorzugung deutscher Waren beschäftigen.
Zaust über Danzig
von /.eo/rlr/re V.
(Nachdruck verboten.)
4. Fortsetzung.
Im Argushos war ein reges Leben und Treiben. Die unruhige Zeit führte die Gilden jetzt öfters zusammen als sonst, wenn die Bierglocke zur Vesperzeit das Zeichen gab, daß die Bürger mit ihren Geschäftsfreunden aus der Fremde sich auf den Bänken des Hofes zu fröhlichem Trünke versammeln sollten.
Klaus Veldeke und der Hauptmann von Ungern schritten über den Hof in den großen Saal, wo die Fackeln aus den Eisenringen leuchteten. An den großen Eichentischen saßen die Brüderschaften, die in der Mehrzahl aus heimischen Kaufleuten bestanden. Jede hatte ihre Bank für sich. So die Bank Marienburg, die Schifferbank, die Lhristoffer oder Lubische Bank, — und wie sie alle hießen. Klaus Veldeke und der Hauptmann gingen, nach allen Seiten grüßend, zur Bank der St.< Reinhold-Vrüderschaften herüber, die als die angesehenste der Brüderschaften galt. Das hölzerne Standbild Reinholds, wie er das Haupt des von ihm getöteten Karlmanns auf dem Spieße trägt, schmückte den Pfeiler der Wand, wo der lange Eichentisch stand, an dem schon etliche der Kaufherrn und Ratsmänner in eifrigem Gespräch saßen. Auf den Trinkgeschirren prangte das Bildnis Reinholds, wie er mit seinen drei Brüdern auf dem Rosse Bayard davoneilt.
Ein junger Mensch mit schmalem, weißem Gesicht und rötlichem Haar hob lachend den Humpen.
„Nun Klaus, du kommst so spät heute, und es ist doch gar Wichtiges zu besprechen, wie die Herein hier meinen. Setze dich zu uns und tu' uns Bescheid."
Es war Berthold Veldeke, Klaus jüngerer Brüder, der ihm aber ähnlich sah. Er hatte die weiße Gesichtsfarbe der lieben Mutter und ihr rötliches Haar das in jungen Jahren ihre Schönheit war.. Auch war' er feiner und zarter gebaut als der breite, hochgewachsene Bruder. Sorglose Lebenslust und unbekümmerter Leichtsinn sprachen
Vom Iagstkal. 7. Okt. Die Preisbewegung. Dis Viehpreise gehen stark zurück und nehmen heute den niedrigsten Stand der Prelle bei allen landwirtschaftlichen Produkten ein.
Alm. 7. Okt. SOjähriges D o k to r j u b i l ä u m. Rechtsanwalt Dr. Robert Hirsch I feierte am 6. Oktober sein SOjähriges Doktorjubiläum. Aus diesem Anlaß hat die Rechtssakultät der Universität Tübingen seinen Doktorgrad erneuert.
Verlangsamung der Elektrifizierung. Wie man erfährt, wird die Elektrifizierung unter dem Einfluß der Wirtschaftslage nicht so schnell fortschreit-n, wie es im vorläufigen Programm vorgesehen war. Schwierigkeiten bietet die Zuleitung des Hochspannungsstroms von Bayern zum Umformerwerk Plochingen. Zur Aufstellung der Hochspanungsmasten müssen Verhandlungen mit weit mehr als tausend Grundstückseigentümern ausgenommen werden. Vis jetzt sind Zwangsenteignungsoerfahren noch nicht eingeleitet, doch werden sich diese Maßnahmen nicht vermeiden lassen, da auf gütlichem Wege eine Einigung mit allen Grundstückseigentümern nicht zu erzielen ist.
Rottweil, 7. Okt. Meineid. Das Schwurgericht hat dtzn Zimmermann Christian Fader wegen Meineids und Vollstreckungsvereitelung zu einer Gesamtzuchthausstrafe von 1 Jahr 2 Monaten und 1 Woche verurteilt.
Königseggwald OA. Saulgau, 7. Okt. Nur dieSäcke reizen den Dieb. In Königseggwald ließ ein Landwirt sein Obst an der Straße durch sein Personal auflesen. Die mitgegebenen sechs Obstsäcke reichten nicht aus und /o wurde der Rest auf einen Haufen gelesen Am ersten und zweiten Tag hatte der Landwirt keine Zeit, sein Obst zu holen. Am dritten Tag fand er das Obst in langen Reihen ausgeleert. Die Säcke waren gestohlen, aber das Obst lag alles da. Also soweit sind wir in diesem Jahr. Die Verpackung ist begehrter als das Obst selbst,
Friedrichshafen, 7. Okt. Diebstahl. Vor mehreren Wochen wurde in einem hiesigen Hotel ein Koffer entwendet, der Herren- und Damenkleider im Wert von 1600 RM. enthielt. Jede Spur vom Täter fehlte. Nun fand ein Sportfifcher diefein Koffer, noch mit den Kleidern gefüllt, im See.
Friedrichshafen. 7. Okt. Das Luftschiff „Graf Zeppelin" wird seine dritte Südamerikafahrt in der Nacht zum 17. Oktober antreteir.
Vom Bodensee. 7. Okt. Das größte Wasserrad Deutschlands. Das bekannte, 8!-- Meter hohe, ober- schlächtige Wasserrad der Schlotzmühle in Meersburg muß der Neuzeit weichen. An seiner Stelle wird eine Turbine die zwei Gänge der 1650 erbauten Mühle treiben. Man hofft, das ehrwürdige Rad für die Nachwelt zu erhalten. Ein Modell dieses Rads, das größte Wasserrad Deutschlands, befindet sich im Deutschen Museum in München.
Aus Stadt und Land
Nagold, den 8, Oktober 1931.
Eine törichte Frau bricht die Kraft: aber eine verständnisvolle verdoppelt sie. Damaschke.
Lausche....
Lausche zuweilen dem Liede der Meise, die in Winterdürre vom Leben singt, vom nimmerversiegenden Leben!
Lausche zuweilen dem zarten Ton der Fliege, die summend durch die Stube fliegt! Auch dieses unscheinbare, kaum vernehmbare Lied ist ein Klang im großen Choral der Wesen, die den Schöpfer loben und die, allen Zweiflern zum Trotz, herrliche leuchtende Schöpfung.
Und bist du draußen in einem stadtfernen Tale, vernimm, was der Bach spricht, der zwischen Wiesen dahingeht. Es ist die ewige Melodie, die schwingt und klingt in allem Geschaffenen, die froh macht, still, die lehrt, gelassen zu ertragen die Pein des Daseins und die Steine aus dem Wege zu räumen oder sie zu überspringen, wie der Bach es tut, der kleine, nimmermüde Bach . . .
Lerne das Lauschen wieder, hastender Mensch!
aus den weichen, fast knabenhaften Zügen und aus den Hellen, lachenden Augen. Ihm fehlte das Schwere, Ernste, wie es Klaus Veldeke besaß, dem schon durch eine frühe und große Verantwortung Geist und Seele gereift.
Klaus zog einen Stuhl zurück und setzte sich zu den Ratsherren. Durstig hob er den schweren Humpen mit Vier an die Lippen.
Olwig Eltermann, einer der angesehensten Leute im Rat, beugte sich vor.
„Es ist uns Kunde geworden, daß die Scharen des polnischen Obersten Ernst von Weyher, die in Pommern und Preußen bei Praust plündernd in Danziger Gebiet einfallen wollen, sich Danzig nähern. Wenn das Wahrheit wird, dann ist der Krieg da."
Er schob den Humpen beiseite und fuhr sich erregt durch den langen, grauen Bart.
Klaus Veldeke hatte den Kopf in die Hand gestützt und starrte vor sich hin. Er sagte kein Wort. Nur hinter seiner hohen Stirn schien es zu arbeiten.
Olwig Eltermanns Augen blitzten.
„Mag der Feind kommen! Er soll Danzig wohlgerüstet finden. Stephan Bathory will die Uneinigkeit, die zwischen Rat und Bürgerschaft alleweil umgeht wegen der Anteilnahme an der Regierung der Stadt, — zu seinem Vorteil nutzen. Ueberall hat er Späher und Lauscher, und es gibt Hunde genug, die ihm unsere Schwächen verraten."
Von der Bank der Fleischer hob es sich schwer und wuchtig. Sie hatten alleweil Konflikte mit dem Rat gehabt und waren deswegen streng von ihm bestraft worden.
Nun schlug ihr Wortführer mit dem schweren Humpen auf den Tisch, daß es dröhnte.
„Stephan Bathory wird sich täuschen. Was ist Uneinigkeit und Zwist innerhalb der Gilden, wenn der Feind von draußen im Anmarsch ist? Treu stehen wir zu unserer Stadt! Und um eines möchten wir den Rat nur immer und immer wieder bitten: Nicht nachzugeben! Sondern auf unseren verbrieften Privilegien zu bestehen bis aufs äußerste! Das ganze Volk steht hinter uns mit seiner Empörung über diesen drohenden Verlust. Nur dem Polenkönig hart gegenübertreten! Es ist das Einzige, was uns retten kann."
Er ließ sich den Humpen wieder vollschenken und hob ihn in der sehnigen Fauste
Vernimm wieder das Lied des Windes, der um die Häuser stürmt, und den Fall der Regentropfen, die auch ihre Weisen singen, ihr Lied von singenden Wolken und fruchtbringendem, segnendem Regen . . .
Glücklich, wer nicht verlernt hat, es zu vernehmen.
Lausche zuweilen . . .
Steuerumlage 1831
Die Steuerzettel für 1931 sind ausgegeben und jeder Steuerpflichtige will nachrechnen, ob seine Schuldigkeit richtig berechnet ist. Um dies zu ermöglichen, enthält jeder Steuerzettel das der Besteuerung unterliegende Erund- Gefäll-, Gebäude- und Eewerbekataster. Aus diesen Katastern ist eine Staatssteuer mit 5 Prozent und eine Eemeindeumlage von 22 Prozent zu bezahlen. Bei der Berechnung der Staatssteuer ist aber zu berücksichtigen, daß das Erundkataster infolge der Notlage der Landwirtschaft nur in halber Höhe zur Steuer herangezogen werden, während bei der Eemeindeumlage das Gesamtkataster zu Grunde gelegt wird. Wenn z. V. der Steuerpflichtige A. ein Kataster aus Grund von 120.—, Gebäude 300.—, Gewerbe 280.— hat, so betrügt die Staatssteuer aus 640.— (Grund 50 Prozent 60.—, Gebäude 300.—, Gewerbe 280.—) — 32 -/l und die Eemeindeumlage aus 700.— (Grund 120.—, Gebäude 300.— Gewerbe 280.—) — 154
Bei der Eeböudeentschuldungssteuer sind die gesetzlichen Befreiungen und Ermäßigungen bereits berücksichtigt.' Nachlässe wegen Krankheit, Arbeitslosigkeit, starker Verschuldung können innerhalb der Einspruchsfrist geltend gemacht werden. Beschwerden und Einsprüche wegen zu hoher Veranlagung zur Gewerbesteuer können nicht mehr eingelegt werden, da die Gewerbesteuerveranlagung bereits rechtskräftig geworden ist.
Die Umlage für die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft beträgt 7 Prozent. Sie ist nur für die landwirtschaftlich oder forstwirtschaftlich benützten Grundstücke zu bezahlen. Der Landwirtschaftskammerumlage unterliegen ebenfalls nur diese Grundstücke, lieber die Erhebung der Kirchensteuer ist Näheres aus der Bekanntmachung der Kirchengemeinde zu ersehen.
Handharmonikakonzert
Am Sonntag, den 11. Oktober 1931 abends 6 Uhr veranstaltet das Lemaz-Hurmonika-Orchester, Stuttgart im Saalbau zur Traube in Nagold ein Handharmonik a- Konzert. Das Orchester besteht aus 15 Handharmonikaspielern und steht unter der Leitung von Dipl.-Jng. L. E. Mazzoni aus Stuttgart, der dort als Handharmonika- lchrer bestens bekannt ist. Die bisher in Stuttgart veranstalteten Konzerte des Orchesters waren stets ein großer Erfolg und wurden von der führenden Stuttgarter Presse bestens beurteilt. So schreibt z. B- das Stuttgarter Neue Tagblatt u. a.: „Das Lemaz-Harmonika-Orchester zeigte in seinem Vorspielabend im überfüllten Saal des Hindenburg- baus die Handharmonika auf ihrem eigentlichen Gebiet, in der volkstümlichen Musik. Das Lemaz-Harmonika-Orchester, die Lemaz-Harmonika-Jugend und das Lemaz-Hoh- ner-Duett unter der Leitung von Dipl.-Jng. L. G. Mazzoni hatten mit dem flotten Vortrag von Tänzen, Märschen und Charakterstücken stürmischen Beifall."
Man darf demnach dem Konzert mit Interesse entgegensehen, zumal ein derartig stark besetzes Handharmonika-Orchester in Nagold noch nicht zu hören. Der Beginn des Konzertes ist absichtlich so früh gelegt, um auch Auswärtigen Besuch zu ermöglichen. Als Eintritt wird ein linkostenbeitrag von 60 Pfg. für Erwachsene und 30 Pfg. für Jugendliche erhoben. Nach dem Konzert findet eine Tanz Unterhaltung statt. Den Insassen der Versorgungskuranstalt Waldeck und des Bezirkskrankenhauses wird gegen 11 Uhr ein kurzes Ständchen gebracht.
Walddorf, 7. Okt. Von der Scheune gestürzt. Heute stürzte die led. Christine Walz vom Scheunenboden und verletzte sich so unglücklich an einet: Heugabel, daß sie ins Bez.-Krankenhaus überführt werden mußte.
Vollmaringen, 7. Okt. Eine Scheune niedergebrannt. Am Dienstag früh 4 einhalb llhr war hier Feueralarm. Die kleine ans Wohnhaus des Adolf Vogt angebaute
„Ich trinke auf das Wohl und den ungebrochenen Stab unserer heiligen Vaterstadt Danzig!"
Wie ein Mann waren sie alle aufgesprungen. Von allen Bänken aller Brüderschaften. Hoch flogen die Becher mit dem schäumenden Vier.
„Heil Danzig in alle Ewigkeit!" braust es wie gewaltiger Schwur zur hohen Decke des Saales empor.
Stehend tranken sie ihre Humpen bis aus die Neige leer. Und es war jäh eine lautlose Stille dabei. Durch die offenen Fenster hörte man die Turmuhr der Marienkirche schlagen. Da griffen die Meister nach ihren Kappen und machten sich aus den Heimweg. Nur an der St. Rein- bolds-Bank waren die Brüder Veldeke und der Hauptmann von Ungern noch sitzen geblieben.
Berthold beugte sich vor und sah dem Bruder aufmerksam in das nachdenkliche Gesicht.
„Was hast du, Bruderherz? Läßt das Bier stehen und sinnst und grübelst wie ein altes Weib. Oder sorgst du dich so um Danzigs Zukunft?"
Klaus Veldeke strich sich mit allen fünf Fingern der Rechten durch das dichte blonde, Haar.
„Um Danzigs Zukunft ist mir nicht bange, weil ich die Männer kenne, die diese Zukunft in Händen halten. Aber auch nichts anderes darf jetzt unseren Sinn ablenken oder beirren, als nur das Wohl und Wehe der Stadt. Alles Persönliche muß dabei in den Hintergrund treten. Das seht Ihr ein, nicht wahr?"
Die andern beiden nickten und sahen sich ein wenig verständnislos an. Sie wußten nicht, wo Klaus Veldeke damit hinaus wollte.
„Wer will denn etwas von dir, Bruderherz?" lachte Berthold, „daß du so grimmig und zürnend bist?"
Klaus Veldeke schob den Humpen beiseite und legre beide Ellbogen weit auf den Tisch. Sein kantiges Gesicht sah unwirsch und verärgert aus.
„Die Frau Mutter will, daß ich moraen nach Lauenburg reite, um die Braut in Empfang zu nehmen. Der Tag ist da, an dem einst die Abholung vereinbart war."
„Potz Blitz!"
Und Berthold schlug mit der Faust auf den Tisch, daß cs dröhnte.