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Nr. 233
Ragolder Tagblatt „Der Seiellschafter-
Dienstag, den 6. Oktober 1931.
ten Satz nicht überschreiten. An den Orten, wo Eilstückgut mit besonderem (Eilgut-) Gespann abgefahren wird, wird dadurch für die bezeichneten Sendungen auch das Rollgeld nicht unwesentlich ermäßigt.
Eine Erwerbslosensiedlung in Degerloch. In den zuständigen gemeinderätlichen Abteilungen des Stuttgarter Ge- meinderats beschäftigt man sich zur Zeit mit einem Erwerbs- losen-Siedlungsplan. Als Siedlungsgelände ist das Hoffeld bei Degerloch, in der Nähe des Degerlocher Senders, in Aussicht genommen. Auf diesem Gelände mit einem Flächeninhalt von etwa 16 Hektar, sollen 300 Kleingärten angelegt werden; für zunächst 300 Erwerbslose eine zusätzliche Er- nährungs- und Arbeitsmöglichkeit auf eigener Scholle. Eine hauptberufliche Siedlung kommt nicht in Betracht. Es handelt sich um eine ausgesprochene Nebenerwerbssiedlung. Ein Verkauf dr gewonnenen gärtnerischen Erzeugnisse soll von vornherein ausgeschlossen sein. Der Ausbau der Schrebergartenkultur wird auch in anderen deutschen Großstädten als praktische Maßnahme zur Linderung der Erwerbslosennot dringend empfohlen.
Die Groß-Stuttgarter Transporkarbeiker vor der Aussperrung. Der Arbeitgeberverband für das Fuhr- und Transportgewerbe Württembergs hat auf 1. Oktober den Lohnrahmen-, sowie den Manteltarifoertrag gekündigt. Der Arbeitgeberverband beabsichtigt laut „Schwab. Tagwacht" bis zu 18 v. H. Lohnabbau und starke einschneidende Verschlechterungen bei Urlaub, Differenzzahlung zwischen Lohn und Krankengeld bei Krankheit und Betriebsunfällen, sowie in der Bezahlung von etwaigen Ueberstunden. Eine vom Gesamtverband, Abteilung Transportgewerbe einberufene Verkauf der gewonnenen gärtnerischen Erzeugnisse soll von Arbeitgeberb-und verlangten Abbauforderungen der Lohn- und Arbeitsbedingungen abgelehnt.
Vom Tage. Beim Waldfriedhof wurde ein 73 Jahre alter Mann erhängt aufgesunden. Es liegt Selbstmord vor. —^ In einem Hause der Rümelmftraße stürzte sich ein 79 I. a. Mann in selbstmörderischer Absicht aus einem Fensirr seiner im 3. Stock gelegenen Wohnung auf die Straße. Er war sofort tot. — In der Rotebiihlstraße sprang ein 20 I. a. Mann in selbstmörderischer Absicht vor einen Slraßsnbahn- zug. Er wurde zur Seite geschleudert und erlitt hierbei ein- Hüftverletzung. '
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Herbsilaqung der demokratischen Parier
Reutlingen, 5. Okt. Unter Vorsitz des Landtagsabgeordneten Gcheimrat Dr. Bruckmann hielt am Sonntag die Deutsche Demokratische Partei Württembergs hier ihre Herbsttagung ab. In der Vertreter Versammlung berichtete Oberbürgermeister Schees über die LandespoMk. lieber die Reichspolitik berichtete der Retchstagsabgeordnete Dr. Theodor Heuß. Er warnte vor einer Ueberschätzung des französischen Besuchs in Berlin und wandte sich gegen eine Erschütterung der Goldwährung. Nach längerer Aussprache wurde eine Entschließung angenommen, die eine Zusammenfassung aller Kräfte im Innern, persönliche Opfei- berei-tschaft und tatkräftige Mithilfe angesichts der Not, entschlossenen Kampf gegen jede Art von politischem Radikalismus, die Beseitigung der Wohnungszwangswirtschaft und außerdem den Abbau der Gebäudeentschnldungsfteuer verlangt.
Nachmittags fand lm Lindachsaal eine öffentliche Kundgebung statt, die Abg. R o t h - Reutlingen mit einer Ansprache eröffnete. Er teilte mit, daß im Handels- kammerbesirk Reutlingen Forderungen an England in Höhe von 1 Million Pfund bestehen und daß der Sturz des Pfundes für den Bezirk einen Verlust vou 4 Millionen Mark bedeute. Abg. Dr. Bruckmann erblickte in dem Besuch der französischen Minister in Berlin einen Fortschritt in der europäischen Verständigungspolitik. Deutschland müsse aut seinen Revisionsfordelungen, ans dem Verlangen nach Schutz der Minderheiten und nach Abrüstung bestehen.
Wirtschaftsminister Dr. Maier hob 'die Notwendigkeit eines staatlichen und wirtschaftlichen Wiederaufbaus mit Hilfe einer breiten lebenskräftigen Mittelschicht selbständig wirtschaftender Menschen in Landwirtschaft, Handel, Handwerk und Industrie hervor. Jeder Stand und Beruf habe in Staat und Wirtschaft sein Löbensrecht. In Württemberg bestehe eine glückliche soziale Mischung und eine gün- sttge Verteilung landwirtschaftlicher und industrieller Produktion. Verfehlt wäre es, wenn eine Siandesorganifation ihre Aufgabe darin erblicken würde, gegen den Staat anzu
rennen. Ohne Rettung des Staats wäre auch eine Rettung der Wirtschaft unmöglich. Johannes Fischer sprach das Schlußwort. In der Versammluna war es auch zu Kundgebungen von Gegnern gekommen, die jedoch durch den Beifall der Parteimitglieder übertönt wurden.
Feuerbach, 5. Okt. Weihe des ersten Kriegshund e - Ge de n k st e i n s. Der gestrige Welttiekschuhtag erhielt in hiesiger Stadt sein besonderes Gepräge durch di-- Weihe des ersten Gedenksteins für die Kriegshunde auf dem Dressurplah des Vereins für Hundesport im Pfostenwäidle. und durch einen höchst originellen Festzug, 3m Festzug war alles vertreten: Zug- und Reitpferde, Ziegen, Hühner und Tauben, Kanarienvögel, Hunde aller Rassen, sogar ein leibhaftiges Kamel und zwei Maultiere vom Tiergarten Doggenburg fehlten nicht. Das schlichte Denkmal, das nach dem Entwurf der Tierbildhauerin Lore Schneider von Bildhauermeister Rudolf Bofinaer ausgeführt wurde, ist aus Travertin und trägt die Inschrift ..Anseren Kriegs- Hunden 1914—18".
Heilbronn, Z. Oktober. Erfolg eines Polizeihundes. Nachts wurde in Untergruppenbach ein Wein- bsrghaus erbrochen. Ein Spürhund der Polizeidirekiion Heilbronn nahm d>s Spur auf, verfolgte sie über Weinberge und Wiesen durch einen Teil der Ortsstraße von einer Länge von 700 Meter bis zu einem Haus, in dem mehrere junge Burschen wohnen. Er verbellte einen von ihnen, der dann zugab, die Tat mit zwei Kameraden verübt zu haben.
Heilbronn, 3. Oktober. Fleischpreisabschlag. Sämtliche Flei-schpreije erhalten ab heute bei den hiesigen Metzgereien einen weiteren Abschlag.
Scharfschießen der Polizei. Die hiesige Polizeibereitschaft erledigt in dieser Woche das Scharfschießen auf dem Truppenübungsplatz Münfingen.
Neckarsuim, 5. Oktober. Winterhilfe. Die Stadt Neckarsulm hat mit 635 Arbeitslosen prozentual den höchsten Erwerbslosenstand in Württemberg. Unter dem Namen „Neckarsulmer Winterhilfe" ist eine umfassende Hilfsaktion im Gang. Im Kasino der NSU.-Werke wird eine Volksküche errichtet. Die NSU.-Werke übermittelten einen Scheck über 1000 RM. für die Winterhilfe, an der sie sich monatlich mit dem gleichen Betrag beteiligen. Die Beamtenschaft der NSU.- Werke spendete 357,50 RM.
Oehringen, 5. Oktober. ZurWarnung. Kürzlich wurden in einem seit Jahren gut mit Forellen besetzten Bach die Maifchereste vom Obstbrennen hineingeschüttet. Durch dieses unvernünftige Handeln sind nun sämtliche Fische vernichtet, so daß nicht ein einziger mehr aus dem sonst großen Bestand vorhanden ist. Die Schuldigen an solchen Verlusten können zur Verantwortung und zum Schadenersatz herangezogen werden.
Dischingen OA. Neresheim, 5. Okt. „Stiller Abschied". Die Pächtersfamilie auf der Wirtschaft zum „Adler" hat „stillen Abschied" genommen. Die Püchters- familie Kümmerer, die seit 1^ Jahren den „Adler" bewirtschaftete, war plötzlich verschwunden unter Hinterlassung nicht weniger Schulden bei Geschäftsleuten und Privaten. Nachts um 2 Uhr war ein Auto vorgefahren, das den Hausrat und die Bewohner des „Adler" entführte. Einen Radioapparat, den sie kurze Zeit vorher probeweise hatten aufstellen lassen, hatten sie in der Wohnung zurückgelassen. Der Aufenthalt des Ehepaars wird wohl bald ermittelt werden. Aber es ist fraglich, ob die finanziell geschädigten Bürger noch auf Bezahlung ihrer Guthaben rechnen können.
Diberach, 5. Okt. Vom Spiel in den Tod. Verschiedene Kinder vergnügten sich am Sonntag nachmittag mit Fangenspiel im Schloßhof des Grafen Brcmdsnstein- Zeppelin. Beim Springen über den Brunnendeckel brach dieser und ein zu Besuch bei seinem Onkel, Förster Hermann hier, weilendes 6 I. a Mädchen, stürzte in den etwa 28 Meter tiefen Brunnen. Sofort wurden die Rettungsarbeiten begonnen. Das Mädchen, das in dem etwa vier Meter tiefen Wasser des Brunnens ertrunken war. wurde geborgen.
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Zaust über Danzig
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(Nachdruck verboten.)
2. Fortsetzung.
Man hatte schon den Abendimbiß in der Halle aufgetragen und auf die Antje gewartet. In zinnernen Tellern dampfte die warme Biersuppe. Am oberen Ende des langen Tisches saß Guntram Borcke und sprach das Tischgebet. Zu beiden Seiten kamen Antje und die alte Dörte, danach die Knechte und Mägde. In den Eisenringen an den hohen Wänden staken Fackeln, man hatte die Fenster weit geöffnet, um die linde Abendluft hereinzulassen. So aß Antje Borcke zum letzten Male Abendbrot mit den Ihren zusammen auf Burg Leba..
Klaus Veldeke hatte sein Wams vorne geöffnet, denn ihm war heiß geworden. Schriftstücke aller Art bedeckten den großen Tisch, vor dem er saß. Es war das Arbeitszimmer seines verstorbenen Vaters, das er unverändert übernommen hatte. Dunkel getäfelt waren die Wände ringsum bis zur Schulterhöhe. Von der Decke hing ein buntgeschnitztes, hölzernes Fischweibchen, das die Leuchte trug. Klaus Veldeke saß just im Lichtkreis dieses Leuchters tief gebückt über krausen Schriftzügen. Seine hohe kantige Stirn lag in tiefen Falten, und er hatte den Kopf in die Rechte gestützt wie in schweren Gedanken. Die bunten Butzenscheiben feines Fensters waren geöffnet nach der Straße zu, und man hörte hin und wieder vorüberhastende Schritte da draußen, oder das dumpfe Schlagen eines fernen Uhrwerks, das hoch vom Turm der Marienkirche kam.
Ein linder August abend hatte sich niedergesentt auf die Straßen und Gaffen der alten Hanfastadt Danzig.
Jetzt hörte man ein leises Pochen an Klaus Veldekes Tür. Und eine stattliche, hochgewachsene Frauengestalt trat über die Schwelle. Man sah den grauen Scheitel unter der Haube schimmern, und ihr ebenmäßiges, strenges Gesicht trug viele Falten.' Sie trat langsam an den großen
Arbeitstisch heran und legte dem Schreibenden die Hand auf die Schulter.
„Darf ich dich einen Augenblick stören, Klaus? Du hast so wenig Zeit jetzt immer für deine Mutter. Da muß ich selber zu dir kommen."
Klaus Veldeke sprang ehrerbietig auf und führte die Hand seiner Mutter an die Lippen.
„Vergebet, Frau Mutter, wenn ich mich die letzte Zeit so wenig um Euch bekümmern konnte. Aber ihr wißt, was in diesen Zeiten auf unseren Schultern lastet."
Und er geleitete sie sorglich zum großen Lehnstuhl, wo sie sich niederließ.
„Ihr wißt, Frau Mutter, wie es um unsere Vaterstadt steht. Wir müssen Tag und Nacht rüsten und alleweil aus der Hut sein. Seit Stephan Bathory diesen Frühling in Krakau zum König gekrönt ist, hat er alle seine Gegner in Polen zu sich herübergezogen. Auch die Preußen, sowie Elbing und Thorn haben ihm bedingungslos gehuldigt.
Nur Danzig blieb fern."
Er straffte sich und hielt sekundenlang inne im Sprechen. Seine dunklen Augenbrauen waren so dicht zusammengezogen, daß sie nur einen Strich zu bilden schienen über der hochgewölbten Nasenwurzel, die scharf und kühn vorsprang in dem schmalen, edelgeformten Gesicht. Die Augen waren von einem lichten, stählernen Grau, wie die der Falken, wenn sie auf Beute gehen. Das eckige Kinn stand ein wenig vor, wie es bei eigentwilligen und energischen Menschen der Fall ist. Die Arme verschränkt ging er vor der Mutter auf und nieder.
„Danzig bleibt fern, weil es vor der Huldigung die Bestätigung seiner Privilegien und seiner Religionsfreiheit verlangt, und der Rat der Stadt ist sich klar darüber, daß die Verhandlungen mit König Stephan nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn wir keinen Zweifel darüber lassen, daß wir zur Verteidigung unseres Standpunktes bis zum äußersten entschlossen sind. Du weißt, wie wir uns für den drohenden Kampf in den letzten Jahren gerüstet haben. Neue Umwallungen mit Erde und Wassergräben ergänzen die veralteten Mauern, ergänzen die veralteten Mauerbesestigungen mit ihren Türmen. Eckige Bastionen haben wir errichtet, die Altstadt und die Vorstadt sind in
Eßlingen. 4. Okt. Ein von Schwimmvögeln dicht bevölkerter Schilfteich. Der dem Bund für Vogelschutz unterstellte Schilfteich, früher Baggersee, am linksufrigen Neckar zwischen Ober- und Untertiirkheim gelegen, erweckt laut Eßlinger Zeitung zurzeit wieder das Interesse vieler Natur- und Vogelfreunde. Dutzende von grünfühigen Rohr- oder Tauchhühnern beleben den Wasserspiegel. Da sie eine versteckte Lebensweise führen, sind sie äußerst scheu. An ihrem roten Schnabel und ihrem eigenartigen Lockruf sind sie leicht erkennbar. Auch eins größere Anzahl Wasserhühner ist versammelt. In den letzten Tagen wurden auch einige Stock- oder Wildenten beobachtet. Im Vorjahr brütete auch die Rohrdommel hier im Schilf.
Stellen i. R. OA. Waiblingen, 5. Oktober. Kelterweihe. Wohl selten hat das Weindorf Stetten eine solche Menge von Menschen in seinen Mauern gesehen wie gestern anläßlich der Weihe seiner neuerrichteten Kelter. Vormittags wurde ein Weihegottesdienst in der Kelter abgehalten. Nachmittags ging der Festzug nach der Kelter. Bürgermeister Möck hielt die Festrede. Er warf einen Rückblick auf die Geschichte des Weinbaus in Stetten, der einst so bedeutend war daß es im Jahre 1494 in Sletteu fünf Keltern gab. 1895 beschäftigten sich drei Viertel der Einwohnerschaft mit Weinbau. Besonders beliebt war das Stettener „Brotwasser". Jetzt umfaßt das Weinbaugebiet über 100 Hektar.
Winnenden, 5. Okt. Zwei Tote bei einem Zusammenstoß. Samstag nacht stieß ein Motorradfahrer mit Beisitzer aus der Heimfahrt nach Backnang auf einen an der Waiblinger Straße stehenden Lastwagenzug mit großer Wucht auf. Beide waren sofort tot. Der Lastwagenzug war vorschriftsmäßig beleuchtet. Anscheinend hat der Motorradfahrer die Herrschaft über sein Motorrad verloren.
Ebingen. 5. Okt. Vor dem großen Schöffengericht hatte sich Hauptlehrer Th. Müller zu verantworten. Dem Angeklagten wurde zur Last gelegt, daß er am 21. März ds. Js. in einer nationalsozialistischen Versammlung in Weilheim bei Balingen den verstorbenen Reichskanzler Müller öffentlich beleidigt habe. Das Gericht verurteilte den Angeklagten zu 20 Tagen Gefängnis oder zu einer Geldstrafe von 300 -4t und Tragung der Gerichts- kostsn.
Tuttlingen. 5. Okt. Gehaltsverzicht des Oberbürgermeisters. Oberbürgermeister Scherer teilt mit, daß er mit Rücksicht aus die derzeitige wirtschaftliche Notlage auf 20 Proz. des Gehaltssatzes samt Wohnungsgeld und aus die Dienstauswandsentschädiguna ganz Verzichter habe, und zwar schon aus Grund einer Vereinbarung mit dem Gemeinderat am 16./18. September 1931.
Aus Stadt und Land
Nagold, den 6. Oktober 1931.
Die Liebe ist das Unbedingteste im Leben. Wenn Liebe erst nach Gründen sucht, dann steht sie schon am AbgrunÄ.
Deutsche Namen
Unser Schatz an guten deutschen Namen ist gewiß nicht arm, und einem jeden Elternpaar steht eine reiche Auswahl für den kleinen Erdenbürger zur Verfügung. Aber trotzdem besteht die Sucht, immer wieder neue, mehr oder weniger fremdartige Namen einzuführen. Film. Roman und Parteipolitik sind die Hauptguellen solcher Neuerfiu- dungen. Den Einfluß des Kinos findet man zum Beispiel in Namen wie Dolores, Marion, Carmen, Rita, Evelyn, Olli, Marcella und viele andere. Auch Romane müssen herhalten: Volto, Henning. Dina, Dagobert, Ottomar, Dagmar, Molita, Etelka, Mirjam, Ada. Vielfach schwungvolle, feurige Namen, gewiß — aber passen sie für einen deutschen Menschen, oder gehören sie nicht besser zu einem exotischen Wesen aus südlichem Himmel? Aber geschmackloser noch als sie sind die zahllosen Verstümperungen von Namen, die nur noch aus ein paar Silbentrümmern der ursprünglichen Namen bestehen. Und vollends stillos sind die aus der Politik stammenden Namen. Da wollte neulich einer auf dem Standesamt in Hilden a. Rhein seine Tochter Hitlerika nennen, wie die „Schönere Zukunft"
den Befestigungsgürtel mit hineingezogen worden. Nur an der Südfront, die ja am wenigsten gefährdet ist, blieb die alte Stadtmauer bestehen. Wir haben die Westfront, gegenüber dem Bischossberge, durch zahlreiche Geschütze verstärkt. Der Leuchtturm rechts neben der Mündung der Weichsel ist durch einen gemauerten Kranz eingefaßt und zur Festung ausgebaut worden. Schon diesen Somtner haben wir fremde Kriegsteute angeworbeu.,' Es geht das Gerücht um, daß der polnische Oberst Ernst von Weyher mit seinen Söldnern im Anzuge sei."
Klaus Veldeke ging immer noch auf und nieder im Gemach, und die hölzernen Diele knarrten unter seinem wuchtigen Schritt. Er trug hohe Reiterstiefel mit kleinen, scharfen Sporen, denn sie waren jetzt schon wechselweise Tag und Nacht in Wehr, der drohenden Gefahr wegen. Und es war der Stolz der Bürger von Danzig, daß sie das Schwert ebenso gut zu führen wußten, wie das Steuer ihrer schweren Schisse und den Federkiel am Ratstisch.
Die stattliche Frau hatte sich ein wenig zurückgelehnt im Gestühl und die beiden sehr weißen, schlanken Hände wie zur Abwehr erhoben.
„Nicht doch, nicht doch, Klaus! Von diesen unliebsamen und kriegerischen Dingen wollte ich heute abend ganz gewiß nicht mit dir reden. Ich weiß ja leider genug über alle diese Zwistigkeiten und Unruhen, die fast ständig in der Luft liegen wie drohendes llngewitter. Von ganz etwas anderem möchte ich heute abend mit djr sprechen."
Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn und sah auf das angesangene Schreibwerk, das im Lichtschein der Leuchte auf dem schweren Eichentisch lag. Dann zwang er sich zur Ruhe und zur Höflichkeit und blieb vor dem Lehnstuhl stehen.
„Was hattet Ihr für Ansinnen an mich, Frau Mutter? Bedarf es so großer Eile, daß ich es heute abend noch hören muß?"
Die Ratsherrin nickte zumal mit dem Kopf, daß ihre große, steife Haub knisterte.
„Freilich bedarf es der Eile, mein Sohn. Hattest du ganz vergessen, daß morgen der 12. August ist? Zmuo clomini 1576?
Wieder fuhr er sich mit der Hand über die Stirn und dachte einen Augenblick nach. (Fortsetzung folgt.)