Seite 2 — Nr. 216.
Württemberg
Versuchter Raubmord
Am Dienstag vormittag 10 Uhr wurde im Haus Hasenbergsteige 4 auf die Bewohnerin, eine 77 Jahre alte Witwe, ein Raubmordversuch verübt. Der Täter verschaffte sich unter dem unwahren Vorbringen, Abgesandter des Stadt. Elektrizitätswerks Stuttgart zu sein, in die Wohnung Einlaß. Er brachte vor, eine Zustimmungserklärung darüber einholen zu müssen, daß der Gehweg vor dem Haus für Zwecke des Städt. Elektrizitätswerks aufgegraben werden dürfte. Während die Frau das ihr vorgelegte Schriftstück in ihrem Wohnzimmer unterschrieb, erhielt sie von dem Täter vermutlich mit einem Eisen stück mehrere heftige Schläge gegen den Kopf. Eine in der Wohnung beschäftigte 48 Jahre alte Näherin, die auf die Hilferufe der überfallenen Frau herbeieilte, wurde von dem Täter durch Schläge gegen den Kopf mit dem Eisenstück ebenfalls erheblich verletzt. Auf die Hilferufe der beiden Frauen flüchtete der Täter aus der Wohnung, ohne daß er etwas geraubt hätte.
Der Täter wird wie folgt beschrieben: Etwa 35 Jahrs alt, 1,65—1,70 Meter groß, schlank, schmächtige Gestalt, hat mageres, bleiches Gesicht, ist bartlos, jedoch seit einiger Zeit nicht mehr rasiert und trug braunen Juppenanzug. Bei der Tat wurden beide Hände des Täters stark blutbeschmutzt.
Am Tatort hat der Täter seinen braunen, rund eingedrückten Haarfilzhut mit bräunlichem Band, dessen Masche sich hinten befindet, zurückgelassen. Der Rand des Huts ist mit einem bräunlichen Seidenband abgesteppt. Der Hut hat die Kopfweite 54 und 'die Fabrik-Nummer: „Marke Bahnbrecher" der Firma Gebrüder Baer, Stuttgart.
Sachdienliche Mitteilungen zur Ermittlung des Täters, die auf Wunsch vertraulich behandelt werden, werden auf schnellstem Wege an die Kriminalabteilung des Polizeipräsidiums, Büchsenstr. 37, 2. Stock, Zimmer Nr. 70, erbeten.
Stuttgart, 15. September.
Dienstjubiläum. Geh. Sanitätsrat Grosse, einer der bekanntesten Aerzte und ein bedeutender Chirurg, feiert heute sein 25jähriges Dienstjubiläum am Cannstatter Krankenhaus.
Auch ein Keppler-Iubiläum. Am 17. September begeht Oberpostinspsktor Gustav Keppler bei der Rechnungsstelle des Telegraphenamts Stuttgart, Reinsburgstraße 93, sein 40jähriges Dienstjubiläum. Außer durch seine Berufstätigkeit ist der Jubilar dadurch in weitesten Kreisen bekannt geworden, daß er sich seit vielen Jahren eingehend mit der Erforschung der Stammreihe des Astronomen Johannes Kepler aus Weilderstadt beschäftigt. Seine Forschungen fanden ihren Niederschlag in der in diesen Wochen erscheinenden zweibändigen Familiengeschichte Keppler. Diese umfaßt neben eingehenden Nachrichten über den bekannten Astronomen, über Bischof Dr. Paul Wilhelm o. Keppler und über zahlreiche andere bekannte Träger dieses Namens, auch die Abkömmlinge im Frauenstamm. Darunter finden sich viele alte schwäbische Geschlechter, wie die Elben, Finckh, Georgii, Hartmann-Heidenheim, Herrmann, Heyd, Hofacker, Jetter, Kienlin, Kraut, Lautenschlager, Lenz, Lemppenau, Maier, Molt, Müller, Pfizer, Rettich, Römer, Stahl, Straub, Zeller und viele andere in ausführlicher Darstellung erwähnt.
ep. Landestagung der Inneren Mission. Für die vom 26. bis 28. Sept. in Heilbronn stattfindende Landestagung der Inneren Mission ist folgende Tagesordnung vorgesehen: Am Samstag, 26. Sept.. spricht Oberregierungsrat Loe- b i ch - Stuttgart abends 8 Uhr im Jugendheim über «Das freie Spiel freier Kräfte beim Werden unserer Anstalten". Der Sonntag wird mit Gottesdiensten in den Kirchen von Heilbronn und Umgebung eröffnet, bei denen ebenso wie in den anschließenden Kindergottesdiensten Berufsarbeiter der Inneren Mission predigen werden. Nachmittags Uhr findet die Feier der Inneren Mission in der Kilianskirche statt mit Ansprachen von Prälat Gauß- Heilbronn, Direktor Schwandner- Ludwigsburg, Sekretär Edler-
Nagolder Tagblatt «Der Gesellschafter"
Monbachtal und Pfarrer O p p e n lä n!d e r - Stuttgart. Bei dem Bolksabenö um 8 Uhr wird Kirchenpräsident O. Wurm einen Bortrag über den «Dienst der Kirche in der heutigen Zeit" halten. Der Montag bringt vormittags die Mitgliederversammlung mit Jahresbericht und Aussprache und nachmittags einen Bortrag von Stadtpfarrer D ö l k e r - Stuttgart über „Das Problem der Arbeitslosenfürsorge".
Fliegermissionar Schulte in Stuttgart. Pater Paul Schulte- Köln, der das Flugzeug in den Dienst der Missionstätigkeit einzuführen gedenkt und zu diesem Zweck die Missionsverkehrs-Ärbeitsgemeinschaft (Miva) mit dem Sitz in Köln gegründet hat, ist nach einem achtmonatigen Expeditionsflug durch Südafrika über München in Stuttgart eingetroffen, von wo er nach Frankfurt a. M. und Köln weiterfliegt.
Verlängerung der Herbstserien. Abg. Kling hat in einer Kleinen Anfrage angeregt, wo ein Bedürfnis hiezu besteht, die Herbstferien für die Volksschulen bis zu sechs Wochentagen zu verlängern und für die Grundschulen die tägliche Unterrichtszeit zu verkürzen.
Kredite zur Amsiedlung nach Norddeutschland. Der Abg.
Joh. Fischer (Dem.) hat im Landtag eine Kleine Anfrage eingebracht, in der das Staatsministerium gefragt wird, ob es bereit sei, die Württ. Wohnungskreditanstalt in den Stand zu setzen, die Beleihung württembergischer Liegenschaften für Zwecke der Umsiedlung nach Norddeutschland wieder aufzunehmen.
heimattreffen der Würkkemberger. Die Vorbereitungen für ein großes Heimattreffen der Württembergs:: ans allen Teilen Deutschlands, dem Kontinent und Ueberkee, vom 30. Juli bis 2. August 1932 in Stuttgart sind in vollem Gang. In der Stadthalle wird ein volkstümlicher Be- grüßungsabend, eine öffentliche Kundgebung für Heimat und Vaterland im Schloßhof stattfinden und ein historischer Trachtenfestzug durchgeführt werden. Träger der Veranstaltung ist der Verband Württ. Vereine Deutschlands E. V.» Mannheim. Nähere Auskunft erteilt die „Schwäbische Heimatzentrale" (Arbeitsgemeinschaft des Verbands Württ. Vereine Deutschlands E. V., Bund für Heimatschutz, Gesellschaft Schwaben) Stuttgart, Sedanstraße 16.
Cannstatt, 15. Sept. Ober st a. D. Dürr gestorben. In der Nacht auf Montag starb im Alter von über 75 Jahren der preußische Oberst a. D. Dür r. 1856 in Stuttgart als Sohn des Oberstabsarztes Daniel Dürr geboren, entschied er sich für die militärische Laufbahn. Mit dem Rang eines Majors verabschiedet, wählte er Cannstatt zum Wohnsitz. Bei Ausbruch des Kriegs war er Kommandeur des Landwehr-Fußartillerie-Bataillons 13 in Breisach und dann Artillerie-Kommandeur auf der Feste Jstein. 1917 wurde er Kommandeur des Fußartilleiie-Regiments 105.
Aus dem Lande
Eßlingen, 15. Sept. Anfall. Heute vormittag stürzte der verheiratete Gipser Alfons Eisele aus Steinbach beim Aeberschreiten eines Gleises unter den fahrenden Zug. Dabei wurde ihm die Hand abgefahren. Er wurde ins Krankenhaus verbracht.
Schorndorf, 15. Sept. Ob st fegen und segensreiche BerWertung im Remstal. Es ist ein reicher Segen in der heurigen Obsternte im Remstal. In allen Ortschaften und in allen Gewänden stehen die Bäume brechend voll und versprechen einen Rekordertrag. Häufig kommen die Obstzüchter kaum dazu, das Fallobst aufzulesen: oft ist es auch so, daß sich für Leute, die das Auflesen durch bezahltes Personal vornehmen lassen müssen, die Sache gar nicht lohnt, weil sie bei den niedrigen Preisen noch Geld darauf bezahlen müssen. In der Oberamtsstadt Schorndorf ist man jetzt dazu übergegangen, in der Hauswirtschaftsschule das oft dem Verderben ausaesetzte Fallobst zu dörren
(?s/77t/<§s /77S/7
/77/>
mSSI-klsisckbmks
Mittwoch, den 16. September 1931.1
uns für den Winter aufzuheben. Das Stadtschultheißenamt - hat die Grundstücksbesitzer gebeten, die Erlaubnis zu er- i teilen, daß das überflüssige Fallobst durch Beauftragte der ' Stadt aufgelesen werden darf, um es hernach für Ernäh- ^ rungszwecke für den bevorstehenden Winter durch Mitglie- , der des Landw. Hausfrauenvereins dörren oder einwecken ^ zu lassen. Auch gibt man dem Wunsch Ausdruck, daß mancher Obstzüchter außer dem Fallobst noch einen Teil vom ' Tafelobst der Stadtgemeinde für den wohltätigen Zweck zukommen läßt. In Grunbach z. B. wurden jetzt schon 50 Zentner Obst gesammelt, die für die Stettener Anstalt - bestimmt sind. Die weitere Sammlung kommt der Win- t nender Anstalt .zugut.
gen Aufforderung zum Steuerstreik wurden die kommunistischen Gemeinderäte Eger, Hegel und Knies von Eningen von der hiesigen Strafkammer je zu 1 Monat Gefängnis oder zu 100 RM. und außerdem noch zu 30 RM Geldstrafe verurteilt, nachdem sie vor dem Erweiterten Schöffengericht freigesprochen worden waren.
Kirchentellinsfurt OA. Tübingen, 15. Sept. Neue Apotheke. Dieser Tage wird hier die neu errichtete Apotheke
eröffnet. Die Berechtigung zur Führung derselben ist der ' Apothekerin Fräulein Hedwig Fink aus Tübingen erteilt worden. Frl. Fink ist damit in Württemberg die erste weib- ' liche Inhaberin einer Apotheken-Konzession. ^
Oberndorf, 15. Sept. Der Bezirksfeuerwehr, j tag abgesagt. Der Bezirksfeuerwehrtag, der am - 20. September in Altobernborf abgehalten werden sollte,
'st der ungünstigen Wirtschaftsverbültnifje wegen abgesagt ^ worden. Es soll Anfang Oktober eine Kommandanten- ! Versammlung gehalten werden.
Göppingen, 15. Sept. Trauer Nachricht. In Zürich ist am Samstag ein Mädchen aus Birenbach, die 25 I. a. Frieda Wahl, die dort als Zimmsrfräulein in Stellung war, von einem verschmähten Liebhaber erschossen worden. Der Täter, der 34 I. a. Maurer Matthias Kreiner, ein österreichischer Staatsangehöriger, der in Zürich in Arbeit stand, hatte dem Mädchen das Heiraten versprochen. Frieda Wahl, die dem Mann nicht recht traute, erkundigte sich auf dem Standesamt über den Liebhaber, wo sie erfuhr, daß Kreiner verheiratet und Vater von drei Kindern war. Als sich der Heiratsschwindler entlarvt sah, war er so erbost, daß er das Mädchen in seinem Zimmer kurzerhand niederschoß. Dann richtete er die Waffe gegen sich selbst und machte seinem Leben durch einen Kopfschuß ein Ende.
Göppingen, 15. Sept. Jagdkarten als Waffenschein. Ein Mitglied einer Jagdgesellschaft kaufte sich im April v. I. und Januar d. I. bei einem hiesigen Waffenhändler unter Vorlage seiner vom Oberamt ausgestellten Jagdkarte zur Ausübung des Jagdsportes eine Jagd- und eine Browningflinte. Sowohl der Jagdkarteninhaber wie auch der Waffenhändler waren des Glaubens, daß die Jagdkarte zugleich als Waffenschein anzusehen sei. Sie wurden in dieser Ansicht noch bestärkt, weil auf Befragen des Iagd- karteninhabers sowohl seine Jagdfreunde, wie auch die Süddeutsche Jägervereinigung die Notwendigkeit einer besonderen behördlichen Erlaubnis zum Erwerb von Waffen verneinten. Entgegen dieser in Jägerkreisen verbreiteten Ansicht ist aber nach den gesetzlichen Bestimmungen die Jagdkarte als Waffenschein nur dann gültig, wenn aus ihr dis Zahl und Art der zu erwerbenden Jagdfeuerwaffen erficht- t lich und gleichzeitig behördlich zugelassen ist. Das Gericht strafte den Jagdkarteninhaber mit fünf Mark, während der t Waffenhändler zu 10 Mark Geldstrafe verurteilt wurde. In > der Begründung wurde ausgeführt, daß die in Jägerkreisen bestehende Auffassung falsch sei. Die die Jagdkarte aus- . stellende Behörde sei zwar im vorliegenden Fall nicht ganz unschuldig. Andererseits aber besagten Seite 3 und 4 der Jagdkarte ausdrücklich, daß für den Erwerb von Jagd- ^ feuerwaffen behördliche Genehmigung nötig sei. ^
Ulm. 15. Sept. Der „zahme" Gemsbock greift j an. Haust, der zahme Gemsbock, verletzte bei seinem mit- ! täglichen Spaziergang an der Adlerbastei eine kleine Schü- s lerin der Grundschule, die ihn harmlos bestaunte, mit sei- l nen Krickeln ernstlich am rechten Oberarm, so daß das Mäd- ! chen in ärztliche Behandlung gebracht werden mußte. t
Berghülen OA. Blaubeuren, 15. Sept. Brand. In s der Nacht zum Dienstag ist das ganze Anwesen des Bartho- ! lomäus Käst mit voller Ernte niedergebrannnt. !
MmOlMiP UM M Me
vvkrn viK/va hiLirrLK
K.OMKKI voll I.5ciHWvkk-ssökk57l.
35. Fortsetzung.
„Ich kann es nicht ändern, Peppo."
„Doch, Fra Ilfonso! Sie können."
„Oh!"
„Ist die Madonna nicht auch eine Frau?" hastete der Knabe heraus. „Laßt die Signora bei ihr in der Kirche schlafen, Fra Ilfonso, dann verstoßt ihr nicht gegen die Regel."
Ueber das bronzene Gesicht zuckte ein Lachen. „Altro — das ginge vielleicht."
Peppos nackter Fuß zog sich zuversichtlich über die nackte Schwelle. Er winkte kaum merklich nach Helene zurück, die langsam näher kam. „Signora, Sie dürfen die ganze Nacht beten vor der Madonna von Sankta della Travestare. — Fra Alfonso erlaubt es."
„Die Regel erlaubt es", berichtete dieser und sah ohne Verlegenheit in das blasse Gesicht, das ihm aus dem Dunkel entgegenleuchtete. „Kommen Sie!" Ueber den schwarzen Hof schritt er ihr voran nach der Kirche hinüber, deren Bogenfenster von rötlichem Lichte übergossen waren.
Er suchte an dem riesigen Schlüsselbunde nach dem passenden, öffnete und wartete bis ihr Fuß die Stufen hinaufgenommen hatte, „kuong nota!" —
Peppo, der nachschlüpsen wollte, wurde am Rückkragen zurückgehalten: „Du weißt, wo dein Platz in der Küche ist und laß dir von Fra Albertina noch gebackenen Mais geben, es ist noch welcher da von Mittag — und ein frisches Hemd, Bambino", ries er dem Jungen nach, als dieser wie eine Geiß davonflitzte.
Mit gewichtigem Schritt folgte ihm Fra Ilfonso ins Haus und drehte den Schlüssel am Tor.
Frauen zu beherbergen widersprach der Regel des Klosters. Aber die Madonna konnte sehr wohl eine ihres Ge
schlechtes Obdach in ihrem Heiligtume gewähren. Die Wallfahrt nach Sankta Travestare stand der Allgemeinheit offen.
Sehr zufrieden, daß Peppo diese Lösung gefunden hatte, löschte er das Licht, das in der Tiefe des Ganges brannte und nahm den Weg in seine Zelle. Drei Stunden Schlaf waren ihm jetzt gegönnt.
Aber die Madonna, die mußte Tag und Nacht wachen, um zu hören, was die Menschen zu erbitten kamen..
Wahrhaftig, es war nicht leicht, Madonna von Sankta della Travestare zu sein.
Die nackten Füße der Mönche und das rauhe Tuch ihrer Kutte zeigten die Armut, welcher sie sich verlobt halten. Die kahlen Wände des Sprechzimmers, das nichts als einen Tisch und zwei Stühle enthielt, zeigten das Gleiche.
Helene hatte, in ihren Mantel gewickelt, die Kälte der Nacht kaum verspürt. Ihre Sinne waren von halber Bewußtlosigkeit umfangen gewesen. Ab und zu war sie aus dem Schlummer gefahren, hatte einen dünnen Faden rötlichen Lichtes nach den Ecken zittern und dort langsam verrinnen sehen. Die Madonna hatte sich hinter dem eisernen Schranke verborgen gehalten und blieb ihrem Auge unsichtbar.
Dafür war Gesicht um Gesicht der Lebendigen an ihr vorllbergezogen, hatte wohl auch eine Minute verweilt und war dann zu wesenlosen Schemen verflüchtigt. Und immer war es Just, der sich über sie neigte und sie fragte: „Ist es mein Sohn, oder der des anderen?" — Und sie hatten sich nicht zu antworten getraut und ihr armer, unglücklicher Junge hatte die Wangen gegen sie gepreßt und gebeten: „Flehe zur Madonna, daß ich sterben kann, ehe er uns beide verstößt!"
Wirr und zerschlagen, durchfroren, und von den nächtlichen Gesichtern beunruhigt, war sie am Morgen erwacht, als die Glocke zur Frühmesse ins Tal hinabbimmelte.
Nun wartete sie auf das Erscheinen des Oberen, den sie um eine Unterredung hatte bitten lassen. Sie erwartete einen ehrwürdigen Greis und sah sich zu ihrem Erstaunen einem noch jungen Manne gegenüber, der das härene Gewand wie ein Purpur trug.
„Pater Umberto wollen Sie sprechen?" — Er sah ihr
verwundert in die tiefliegenden Augen. Ob sie denn nicht wüßte? — i
Nein, sie wußte nichts. '
„Pater Umberto ist schon vor vierzehn Jahren ge- , starben!" s
„Gestorben!" Die Kraft, welche sie von rückwärts aus : den grobgehobelten Stuhl drückte, war so gewaltig, daß das weiße Holz leise darunter ächzte. :
Beide Hände in die weiten Aermel seines Habits ver- ^ borgen, sah der Münch auf sie nieder. !
„Ob er um Pater Umbertos Vergangenheit wüßte?" rang es sich um Helenes Mund.
„Gewiß! — Er ist ein Weltkind gewesen und hat Ein- ; kehr gehalten bei seinem Gott."
„Er hatte eine Frau!" zitterte es durch die Enge des ?
Raumes. i
„Nein! Nur eine Geliebte! — Die Ehe war nicht gültig. Rom selbst hat das Urteil gesprochen. Also bestand sie s nicht." i
Helenes Gesicht glitt gegen die getünchte Mauer und : war so schneeig kalt wie diese. — „Und sein Kind?" —
Die Gestalt des Mönches streckte sich etwas. Unter den > weiten Aermeln knallten die Gelenke der Finger. „Von !
einem Kinde wußte er nichts. Er hätte auch das bekannt, wenn es so gewesen wäre." >
Er wußte nichts! — Den Mund zur Hälfte geöffnet, ^ daß die weißen Zähne von den Lippen kaum mehr be- ! deckt waren, lag sie schwer gegen die Lehne des Stuhles. „Ich bin gekomnmen, seine Verzeihung zu erbitten, ihm -
meine Schuld zu bekennen und Buße zu tun, um dafür ^ meinem armen Sohne Barmherzigkeit von Gott zu erflehen." !
„Das erste ist unmöglich", sagte der Mönch ohne Er- s regung. „Er schläft in Frieden. Das zweite haben Sie ' jetzt getan: Ihre Schuld bekannt. Das andere bleibt Ihnen unbenommen.. — Weiß Ihr Mann um diesen Betrug?" „Nein!"
Die Lider des Paters senkten sich etwas über die Au- aen. „Machen Sie Frieden mit sich selbst. Beten Sie zur Madonna um die Kraft, daß sie Ihnen den Mut gibt, sich ihrem Manne anzuvertrauen."
Fortiekun .1 folgt.