Nagolder TagblattDer Gesellschafter"

Samstag, den 27. Juni 1931.

Seite 5 Nr. 117

k«Utl8vlLV HU«VlLGI»8vIsaKL

Erstens kommt es anders»....! / Hoovers Werk und seine Auswirkungen / Aufschub ist Aufschub und nicht mehr! / 5 Minuten vor 12 / Die Notverordnung bleibt / Ein Blick nach Oesterreich Der Kampf um die Arbeitszeit

Ein Weltmoratorium! Wer hätte das für mög­lich gehalten! War doch der amerikanische Präsident H o o- ver ein ausgesprochener Gegner jeder Revision der Kriegs­schuldenregelung. Und wie oft hat er es ausgesprochen, daß für ihn die Kriegsschulden der Alliierten und die deut­schen Reparationen Zwei ganz verschiedene Dinge seien. Letz­tere gingen Amerika mit Haut und Haar nichts an; sie seien eine rein europäische Angelegenheit, in bie er sich nicht mischen wolle und könne. Freilich ganz richtig war das nicht. Denn erstens wanderte von unserem Poung-Tribut der allergrößte Teil mit rund einer Milliarde über Paris und London und Rom nach Washington. Zweitens waren es echte und gerechte Amerikaner, die den Dawes- wie den Uoungplan aus der Taufe hoben und sie mit ihren unsterb­lichen Namen abstempelten.

Also Hoover schlug am letzten Sonntag der ganzen Welt ein Schonjahr, nickt ein Erlaßjahr, vor, d. h. einen ein­jährigen Aufschub aller Tribut- und Schul­denzahlungen mit Ausnahme des Dienstes aus die Verpflichtungen, die sich in Privathänden finden. Deutsch­land soll also aus die Dauer eines Jahres nicht nur vom Transfer (etwa 1000 Millionen), sondern auch von der Zah­lung der ungeschützten, nicht aufschiebbaren Tributteile (etwa 600 Millionen) entlastet werden mit Ausnahme der rund 130 Millionen, welche die Honorierung der Kupons aus der Dawes- und aus der Poung-Anleihe betreffen. Die deutsche Annuität für 1931/32 stellt sich ohne Dawes - Anleihe auf 1685 Millionen. Da das Schukden-Feierjahr sich mit den Annuitätsjahren überschneiden wird, steht uns eine Iahres- summe von rund 1700 Millionen abzüglich 50 Millionen für die Voung-Anleihe zur Verfügung.

Das ist immerhin eine dankenswerte Erleichterung, die um so mehr zu schätzen ist, als sie sofort am 1. Juli bezw. am 15. Juli, dem nächsten Fälligkeitstermin des Poung- Tributs, in Kraft tritt, und überdies weiter geht als das im Houng-Plan vorgesehene Transfer-Moratorium, welches bekantlich den sog.ungeschützten" Anteil als unaufschiebbar ausnimmt. Ebenso ist die Eisenbahn auf ein Jahr um 660 Millionen entlastet. Ein Jahr Aufschub ist zur Erholung einer bedrängten Wirtschaft immerhin nicht zu verachten. Das zeigte sich auch sofort bei der Reichsbank, die seit Montag weniger Kredite als zuvor zurückzuzahlen brauchte.

Andererseits darf man aber auch nicht allzu sehr jubilie­ren, als ob nun über Nacht alles Elend ein Ende hätte. Aufschub ist Aufschub, mehr nicht. Die Annuität 1931 wird uns nicht erlassen oder geschenkt, so wenig wie unseren Gläubigern ihre amerikanischen Zahlungen. Selbstverständ­lich wird das Jahr den anderen irgendwie angehängt. Auch weiß man heute noch nicht, wie Frankreich sich zum Hooverschen Vorschlag,^der bekanntlich keine Abänderung er­trägt, stellt: ob es überhaupt darauf eingeht oder ob es wenigstens auf der Zahlung des ihm zustehenden 500-Mil- lionen-Anteils an derungeschützten" Rate besteht oder ob es bei dieser Gelegenheit allerlei politische Zugeständnisse (etwa bezüglich der Zollunion und der Abrüstung) aus dem deutschen Schuldner herausschlagen will. Gut ist immerhin, ^ daß England, Italien, Japan und selbstverständlich i Deutschland bereits ihre Zustimmung gegeben haben.

^ Jedenfalls muß rasch gehandelt werden. Gefahr liegt im Verzug.

Ein Gutes hat Hoovers Evangelium jedenfalls. Die Re­visionsfrage ist in Fluß geraten. Seine Boten Stimson und Mellon haben mit eigenen Ohren in London und an­

derwärts hören können in Berlin werden sie noch mehr erfahren, wie es um Deutschland steht?Fünf Minuten vor Zwölf", vielleicht noch weniger. Nun kommt es ganz darauf an, ob wir unsere Gelegenheit richtig auszunützen, verstehen und alle Wege und Mittel anwenden, um der gan­zen Welt, Frankreich nicht ausgenommen, ins Gewissen ein­zuhämmern: die Tribute sind untragbar. Mit Deutschlands Grab grabt ihr eure eigenen Gräber.

Einem Irrtum möge auch hier vorgebeugt werden. Dis Notverordnung vom 5. Juni fällt nicht. Das Reichs­kabinett vertritt vielmehr die Auffassung, daß, falls der Hooverplan verwirklicht wird,alle eintretenden Ersparnisse zur Stärkung und Sicherung der öffentlichen Finanzwirt- schast unter Fortsetzung schärfster Sparsamkeitspolitik' ver­wendet werden müssen, also nicht etwa zur Entlastung der Wirtschaft durch angemessene Steuererleichterungen. Somit bleibt es bei den vorgesehenen Gehaltsabzügen, der Krisen-, der Zucker- und anderen Steuern, der Einschränkung der Arbeitslosenunterstützungen, der Kriegerrenten u. a. m.

Bei unseren österreichischen Nachbarn hat es ge­hörig gekriselt. Das Ministerium En der bröckelte von Woche 'zu Woche ab: zuerst der Sozialminister, dann der Justizminister, dann der Landwirtschaftsminister und am 16. Juni folgte der Rücktritt des Gesamtkabinetts. Von den Schwierigkeiten der österreichischen Kreditan­stalt, die etwa Dreivierkel der Industrie des Landes finan­ziert, haben wir schon früher erzählt. Zuerst hörte man nur von 150 Millionen Schilling Defizit. Der Staat sollte und wollte einspringcn. Aber nach und nach stellte es sich her­aus, daß die Fehlbeträge größer sind und daß das Ausland an neue Kredite nicht recht heran wollte. Man setzte einen Sparkommissar ein, schlug Reformen für die Sozialgesetz­gebung vor, verfügte Gehaltsabkürzung also lauter Dinge ganz wie bei uns". Am meisten machte Frankreich Schwierigkeiten. Es war bereit, zu pumpen, aber unter ge­wissen Bedingungen: Keine Zollunion, keinenAnschluß" und wieder Finanzkontrolle. Da sprang zum Aerger Frank­reichs dieBank von England" ein und bot einen Kredit von 50 Millionen Schilling an, verdarb also im letzten Augenblick das Pariser Konzept. Der Bundespräsident fragte nochmals bei Dr. E n d e r, dann bei Dr. S e i p e l an. Vergeblich. Jetzt hat Dr. Buresch ein Kabinett gebildet. Anläßlich der Uebernahme der Regierung telegraphierie der neue Bundeskanzler an unseren Reichskanzler, auch seine Regierung werde sich angelegen sein lassen,die bestehende innige Freundschaft zwischen den beiden deutschen Bruder­völkern zu pflegen und zu vertiefen."

Noch sei gedacht der 15. Internationalen Ar­beitskonferenz, einer Einrichtung des Völkerbundes bezw. des Versailler Vertrages. In ihrer Schlußsitzung am 18. Juni in Gens hat sie das Arbeitszeitabkommcn für den Kohlenbergbau mit 81 gegen zwei Stimmen bei über 30 Stimmenthaltungen (der Arbeitgeber) angenommen. Hier­nach darf Ke Dauer der Arbeitszeit unter Tag 7?4 Stunden nicht übersteigen. Andere Bestimmungen betreffen die jähr­lichen Ueberstunden (im Steinkohlenbau 60, im Braun­kohlenbau 75 Stunden), die Lohnerhöhung für dieselben (25 Prozent) u. a. Im übrigen gilt der Achtstundentag, der ja jetzt in der deutschen Industrie zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit womöglich auf 10 bezw. 12 Stunden herab­gesetzt werden soll. Im Interesse des Wettbewerbes mit an­deren Völkern ist eine internationale Angleichung auf diesem Gebiete sicherlich sehr erwünscht. Ick.

Steins politisches Erbe und wir'

Ein Gedenkblatt zu seinem hundertsten Todestag am 29. Juni 1931

Von E. Günther.

Es gibt eine Tragik im Leben jedes Genies: die Kluft zwischen dem geistigen Bilde und seiner Verwirklichung, die Spannung zwischen Wollen und Erfüllenkönnen. Stein hat diese Tragik bis zur Neige auskosten müssen. Nur 11 kurze Monate hatte er zur Gestaltung des Staatsideals, das er im Herzen trug. Nur die ersten vorbereitenden Maßnahmen konnte er treffen, dann beseitigte Napoleons mächtige Hand den ihm gefährlichen Mann. And doch war auch dies nicht das Schwerste. Daß er, dauernd ausgeschal­tet aus der Regierung sehen mußte, wie sein Werk ver­stümmelt, verbogen, in sein Gegenteil verkehrt wurde, das blieb die nie überwundene Bitterkeit im Leben dieses Mannes mit dem feinen, klaren Verstände und mit dem Herzen voll heißer Vaterlandsliebe. Ein einiges Deutschland zu schaffen, das war sein Streben, das letzte Ziel der Wie­deraufrichtung Preußens.Ich kenne nur ein Vaterland, und das heißt Deutschland!" Und wir?

Stein war ein Kind der Aufklärungszeit und trotz­dem innerlich ihr grimmigster Feind. Sehr früh begann bei ihm die Kritik an staatlichen Dingen, auch am Abso­lutismus. Wohl erstrebte er eineNational-Repräsenta- tion", aber nicht um die Macht der Krone, die ihm heilig war und blieb zu schwächen, sondern, so heißt es in seinem Politischen Testament", damit siedas Gute wirken kann, das in ihr liegt, schien es mir notwendig, der höchsten Ge­walt ein Mittel zu geben, wodurch sie die Wünsche des Volkes kennen lernen und ihren Bestimmungen Leben geben kann." Ueberhaupt war die Staatsform ihm nicht etwas Zufälliges, durch die Vernunft Bestimmtes, sondern etwas aus dem Leben des Volkes organisch Herauswachsen­des. Mit dieser historischen Auffassung steht Stein in schrof­fem Gegensatz zu dervernunftmäßigen Spekulation" der Aufklärungszeit und lebte er heute in einem noch viel schrofferen zu der durch den Novemberumsturz prokla­mierten Republik und ihrem parlamentarisch-demokrati­schen Regierungssystem.

Aus der ihm eigenen Einstellung heraus mußte Stein notwendigerweise die große französische Revolution ver­dammen. Nicht nur in ihren Methoden, sondern ganz grund­sätzlich. Denn er sah nicht wie sie die Probleme von der Seite des Individuums, sondern er sah sie rein politisch, vom Staate aus und für den Staat. Dieser war für ihn die absolut übergeordnete Größe. Keine unveränderliche auch Staatseinrichtungen veralten,weil sie von ihrem ursprünglichen Geist sich entfernt und daher teils einer neuen Stählung, teils eines Ersatzes bedürfen." So be­deuteten für Stein Aenderungen und Neuschaffungen ein Zuriickführen zu diesem ihren Prinzip in zeitgemäßer Form.

Eben weil der Staat für ihn etwas so absolut Zen­trales war, ließ Stein auch die allgemeinen Menschenrechte der Revolution nicht gelten. Niemand hat ein Recht, aus den Bindungen des Staates befreit zu werden. Wenn trotzdem Stein Erbuntertänigkeit, Orts- und Gewerbezwang beseitigte und die Städte von staatlicher Bevormundung löste, so tat er es,um das Volk zu nötigen, König und Vaterland dergestalt zu lieben, daß es Gut und Leben ihnen gern zum Opfer bringe". Ebenso entschieden lehnte Stein den Grundsatz der Gleichheit ab. Er war voll Stolz auf seine Zugehörigkeit zum Reichsadel, aber auch von der Verant­wortlichkeit durchdrungen, welche die Staatszugehörigkeit ihm auferlegte, und Stein hat es mit dieser Verantwort­lichkeit sehr ernst genommen.

Auch die Stände waren für ihn etwas organisch aus dem deutschen Wesen Herausgewachsenes. Sie zu beseitigen, konnte ihm nie in den Sinn kommen. Gewiß, er war der große Sozialreformer Preußen-Deutschlands. Er reformierte den Adel, er erzog das bisher politisch unbedeutende Bür­gertum durch die Beteiligung an kommunalen und regio­nalen Selbstverwaltungskörpern zu staatlicher Mitarbeit, er widmete besondere Fürsorge dem so lange niedergehal­tenen Bauernstände. Aber das alles tat er nicht, um die Menschen einander gleich zu machen. Er tat es, um sie mit dem Gefühl der Verantwortung zu durchdringen, die gerade ihr Stand dem Staate gegenüber hat. Nicht getrennt soll­ten sie sein, sondern sich als zusammengehörige Glieder desselben Staatskörpers fühlen; nur alle mit der gleichen, aber jedes mit einer notwendigen Funktion. Ein schärferer Gegensatz ist nicht denkbar als zwischen dieser Auffassung der verpflichtenden organischen Verbundenheit durch und für den Staat und zwischen der unter marxistischem Ein­fluß heute üblich gewordenen Gliederung nach scharf ge­trennten und sich bekämpfenden Klassen, deren jede nur von Rechten, nie aber von Pflichten redet.

Grundlage und Krönung des Steinschen Staatsbaus aber sind Religion und Sittlichkeit; seine Aufgabe nicht nur Ordnung und Volkswohlfahrt, sondern Neubelebung des religiösen Gefühls, Erziehung eines physisch und moralisch starken Geschlechts. Freie Staatsbürger wollte Stein schaf­fen. Frei äußerlich, innerlich aber an Herkommen, Sittlich­keit, Religion gebunden. Wer Gott dient, muß dem Staate dienen: denn auch der Staat und seine organische Entwick­lung sind gottgewollt. Wie flach und oberflächlich gegen­über dieser im Höchsten wurzelnden Steinschen Auffassung ist das, was die Aufklärungszeit aus dem Staat gemacht hat! Den göttlichen Zweckverband, den Elückseligkeitsbrin- ger für die möglichst Vielen, den unsere Zeit, getreue Jün­

gerin der Revolutionsideen, zum religiös uninteressierten Fürsorgestaat ausgebaut hat. Genau so wie Stein ob seiner wahrhaften persönlichen Frömmigkeit vielen seiner Zeit­genossen als Phantast galt, genau so fremd, oder noch frem­der stände Stein, lebte er heute, in unsrer von Nützlichkeits­fanatismus und Eottverleugnung verseuchten Welt. Schlecht haben die Nachfahren Steins politisches Erbe verwaltet. Nichts von ihm schien in unserer Gegenwart noch lebendig. Doch: beiseitegeschoben oder angegriffen zu werden war von jeher das Schicksal derer, die sich den allgemeinen Strömun­gen entgegenstellten. Aber auch ihre Stunde kommt einmal. Eine neue nationale Welle kündet sich an. Sie wird zurllck- kehren, nicht zu den Formen Steins (er selbst würde sie für veraltet halten), aber sie wird zu den Grundsätzen Steins zurückkehren, zur eigenen deutschen Art, zu opferbereiter Vaterlandsliebe, zu Sittlichkeit und Fckömrnigkeii und wird den deutschen Staatsbau wieder nach den Gesetzen seines Innern, nach den Gesetzen seines organischen Wachstums gestalten.

Jas ll-BM als ftSrWe Sttkriegswaffe

Die Dreadnoughts untee den Wogen. Interne Strapazen.

Die Griffe im Schlaf.

Von Korvettenkapitän a. D. Dr. F r i e d r i ch S ch l o s s e r.

Der Gedanke der Unterwasserfahrt wurde zuerst von Jules Verne in einem seiner Romane volkstümlich ge­macht. Seine Landsleute waren auch die ersten, die prak­tische Versuche im Unterseebootbau unternahmen und der Idee viele Opfer brachten. 1901 hatte Frankreich bereits gegen fünfzig kampfbereite Unterseeboote, deren größtes 300 Tonnen Wasserverdrängung besaß, und war dadurch allen übrigen Seestaaten unter dieser Waffe weit voraus. Dasseebeherrschende" England verfügte zu jener Zeit nur über vier sehr kleine solcher Boote. Aus jener At­mosphäre entstand damals eine ganze Flut von Zukunfts­kriegsromanen, in denen jedesmal die französische U-Flottille die gesamte britische Flotte auf den Grund der See beför­derte (die Entente Cordiale bestand damals noch nicht, vielmehr herrschte zwischen den beiden Staaten Spannung wegen der Kolorit-sierung Afrikas).

Wie recht aber die Franzosen mit ihrenPhantasien" hatten, bewies schlagend der Weltkrieg, der einen anderen Ausgang genommen haben würde, wenn Deutschland schon zu Anbeginn etwa 100 (statt der tatsächlich vorhandenen zwölf) U-Boote gehabt und eingesetzt hätte.

Die eigentliche Entwicklung der Waffe setzte ein, als geeignete Schwerölmotoren (Diesel und verwandte Systeme) vorhanden waren, womit die Boote für Fernfahrten be­fähigt wurden. An Stelle der 300- und 400-Tonnenboote der Vorkriegszeit traten bald solche von 900 »nd 1000 Ton­nen und heute gibt es bereits wahrellnterseekreuzer" von 2500 bis 4000 Tonnen, mit mittleren Geschützen (13- Zentimeter-Kanonen) und mit 53-Zentimeter-Torpedos armiert. Die ll-Kreuzer können, ganz aus eigene Mittel angewiesen, mehr als 10 000 See-Meilen zurücklegen. Diese Unterseegiganten dienen offensichtlich Angrifsszwecken und sind, beispielsweise in Gruppen zu drei formiert, recht wohl in der Lage, Hafenanlagen, und sonstige an der Küste liegende militärisch wichtige Objekte unter wirksames Ge- schlltzfeuer zu nehmen. Dabei käme ihnen das Moment der Ueberraschung (im Gegensatz zu Überwasserfahrzeugen) ganz besonders zugute, da sie sich ungesehen in eine günstige Schußposition begeben würden. Bevor wirksame Gegen­wehr einsetzen könnte, wäre das Ziel ihrer Geschosse be­reits zerstört und in Flammen. Nach getaner Tat würden sie spurlos verschwinden.

Das Zielen beim Schutz.

Wenn das U-Boot angreift, muß der Steuermann es genau in einer Tiefe halten, daß gerade der oberste Teil des zirka 12 Meter langen Seerohres (Periskop) aus dem Meere heraussieht; je nach dem Zustande der Wasser­oberfläche wird man 5 bis 25 Zentimeter vom See­rohr zeigen. In diesem obersten Teil, der bei modernen Rohren nur zwei Zentimeter Durchmesser hat, sitzt die Objektivlinse, die das Außenbild aufnimmt; ein hinter ihr eingeschaltetes Prisma bricht die Vildstrahlen um 90 Grad so, daß diese durch das senkrecht stehende Rohr weiter­laufen, um am unteren Ende durch ein zweites Prisma wieder um 90 Grad gebrochen zu werden, also wieder wage­recht weitergehen und in das Okular gelangen. Am Okular ruht das Auge des Führers, der die Außenbilder benötigt, um sich zu unterrichten. Das Objekt gibt nur einen Aus­schnitt von 45 bis 50 Grad des Horizonts, der Kommandant muß also das Sehrohr öfter drehen, um den ganzen Ge­sichtskreis rund herum überblicken zu können. DiesesSich- orientieren" unter solchen Erschwerungen (keine freie Ueber- sicht, nur das Teilbild durch das Sehrohr), ist die am schwer­sten zu erlernende, für manchen unerreichbare Kunst. Und doch die notwendigste, denn das langsamer fahrende Boot darf im Jagdsteuern gegen einen Gegner auch nicht einen Kursfehler machen, sonst kommt es nie in richtiger Lan- zierstellung. Nur aus dieses Sehrohrbild angewiesen, muß der Kommandant die Fahrgeschwindigkeit des Gegners schätzen und ebenso dessen Kursrichtung, damit er den rich­tigenVorhaltwinkel" findet. Wie ein Jäger, der auf laufendes oder fliegendes Wild schießt. Wird schlecht ge­schätzt, geht das Geschoß ebendaneben".

Die Strapazen der Bemannung eines U-Bootes, das oft wochenlang die schwersten Unwetter mitmachen muß, während alle anderen in den geschützten Hafen einlausen, sind groß. Das Boot hat zu bleiben, bis sein Zweck erreicht oder im schlimmeren Falle bis seine Vorräte zur Neige gehen. Jede Minute dieses Aufenthalts auf hoher See kann seiner Besatzung den Tod in irgend einer Gestalt bringen; immer muß schärfste Wachsamkeit geübt werden, daneben gibt es ständig schwere Arbeit, wie Bedienung und Ausbesserung der Ober- und llnterwassermaschinen, Nach­laden der Batterie, Reinigungsarbeiten, Bereitstellen des Torpedos und vieles andere. Eigentliche Ruhe hat ein Mann der Besatzung nur während der vier bis sechs Stun­den Schlaf, die ihm innerhalb 21 Stunden zukommen. Aber auch diese karg bemessene Ruhe verliert er oft, wenn das Boot mit dem Feind in Fühlung kommt. Dann müssen all« Mann auf ihrem Posten sein, gleichgültig, ob der eine oder der andere erst knapp vorher seine vierstündige Wache oder schwere Arbeiten gehabt hat. Not kennt kein Gebot. Man wird glauben, daß die Besatzung doch während der Nacht Ruh habe, da während dieser Zeit keine Angriffe gefahren werden können. Das stimmt im allgemeinen, ob­wohl der Weltkrieg auch sehr viele Nachtangriffe durch U-Boote gebracht hat. Das Boot blieb dabei entweder in halb ausgetauchtem Zustande über Wasser, oder es navi-