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Mit den illustrierten Beilagen „Feierstunden" „Unsere Heimat". „Die Mode vom Tage".
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Nr. IlO Gegründet 1827 Mittwoch, den 13. Mai 1931 Fernsprecher Nr 29 109. Jahrgang
Vierzehn Tage Geduld
Reichskanzler Dr. Brünrng hat in einer Wahloer.
sammlung der Zentrumspartei in Oldenburg am Sonntag erklärt: Wartet noch vierzehn Tage, dünn werden wir euch sagen, was wir zu tun geidenken, um euch zu helfen. Der Kanzler dachte dabei wohl in erster Linie au das Sparprogramm. Vierzehn Tage. Die Frist umsaht die Präsidentenwahl in Frankreich und die Tagung in Genf. Das muß hinter uns liegen, bevor wir sine festumschriebene Stellung beziehen können. Wir sind die, die für einen Zustand des Friedens, der kein wahrer Friede ist, täglich Opfer zu bringen Hachen. Auch mit dieser trockenen Feststellung hat der Kanzler durchaus recht. Die Kehrseite der Medaille uns zu zeigen, hat er sich freilich versagt: der ewige Störer des Friedens, den Europa so dringend nötig hätte, ist Frankreich. Und in Genf muß es sich zeigen, wen alles Frankreich bei seinen neuesten Bemühungen, den Frieden, die Besserung zu sabotieren, noch hinter sich hat, und ob die täglichen Opfer, die wir bringen und nach der Meinung des Kanzlers auch fernerhin noch bringen sollen, noch irgendwelchen Sinn haben oder ob sie sinnlos sind.
Frankreich ist das Land, das unter dem allgemeinen Druck der Wirtschaftskrise und unter der allgemeinen Unruhe eines politisch unbefriedeten Zustands in Europa am wenigsten leidet. Frankreich hat Machtmittel und Gold in Hülle und Fülle, und darum hat Frankreich gar kein ernsthaftes Interesse an der Beendigung des Krisenzustands und an der wahrhaften Befriedung Europas. Je zweifelhafter die Lage der anderen ist, um so sicherer ist die Lage Frankreichs — solange nämlich die anderen Furcht vor den französischen Machtmitteln und Sehnsucht nach dem französischen Gold haben. Mit Peitsche und Zuckerbrot hat Frankreich seine Vorherrschaft über ein innerlich zerrissenes, in seiner Wirtschaft überall gehemmtes Europa bisher vortrefflich erhalten. Daher die französische Wut darüber, daß Deutschland und Oesterreich es unternehmen wollen, ein Hemmnis zwischen den beiderseitigen Volkswirtschaften wegzuräumen, ohne Frankreich um Erlaubnis zu fragen. Käme es nur auf Deutschland und Oesterreich an — Frankreich würde sich mit der Tatsache des Zollbündnisses vielleicht abfinden. Was Frankreich aber um keinen Preis dulden will, das ist das Beispiel, das damit für andere gegeben würde. Es soll und darf in Europa nichts geschehen, was Frankreich nicht ausdrücklich erlaubt hat. Die Meinung darf nicht Auskommen, als könnte Europa sich selbst helfen, ohne daß Frankreich den Ton angibt und die Grenze festfetzt. Das ist für die Vasallen Frankreichs womöglich noch wichtiger als für die ehemaligen Kriegsgegner Frankreichs! Der Glaube der anderen an die Macht ist ja fast noch mehr wert als die Macht selbst. Darum soll und darf der Glaube an die französische Allmacht nicht erschüttert werden, weder im ent- wasfneten Mitteleuropa, noch bei der von Frankreich bewaffneten Kleinen Entente, noch im britischen Reich.
London, 12. Mai. Wie bereits mitgeteilt, hat Lord Lonsdale den Rechtsweg beschritten, um die Veröffentlichung der „Erinnerungen" des verstorbenen Fürsten Bülow, von denen der erste Band im Verlag der Londoner Derlagsfirma Putnam u. Söhne erschienen ist, zu verhindern. Das Buch ist auch bereits beschlagnahmt und das weitere Erscheinen verboten worden. Lord Lonsdale hat die Firma darauf aufmerksam gemacht, daß das Buch von P erl e umd un g en strotze und daß sie sich bei weiterer Verbreitung strafrechtlich mitschuldig mache.
Wie gegen andere Gestalten seiner Zeit, richtet Bülow bekanntlich auch gegen Lord Lonsdale die allerfchärf- sten persönlichen Angriffe. Dieser erscheint als der „größte Lügner in England" und soll auch den Zwist zwischen dem König Eduard VII. und dem Kaiser Wilhelm II. gesät haben. Alle Anzeichen deuten daraus hm, daß das Buch auch in England einen Streit Hervorrufen wird. Es ist auffallend, daß die „Times" und die „Morningpost", beide deutschfeindlich, bis jetzt die einzigen Zeitungen geblieben sind, die die Memoiren günstig kritisieren. Die „Morning- vost" erklärt sogar, daß die Witze Bülows aus Kosten seiner eigenen Landsleute für den englischen Geschmack ebenso kitzelnd sei«, wie seine aufrichtige Würdigung Englands und der Engländer. Es werden dann mit Wohlgefallen gewisse Stellen aus dem Buch hervorgekramt, wie die, daß die Deutschen ein unbegrenztes Maß von Langeweile verdauen können, oder „daß sie sehr laut sind, besonders wenn sie essen". Die Bezuauahme Bülows auf die Bemerkungen zwischen Eduard VII. und Wilhelm II. sei für England ebenso erfreulich, wie sie den früheren Kaiser verbittern müßten. Aehn- lich dis „Times". Man muß zu dem Ergebnis gelangen, daß die Memoiren in diesem Lager der englischen Presse als hervorragendes Doku :n ent zur Verewigung der Kriegsschuldlüge begrüßt werden, was in England um so willkommener ist, als es von einer gänzlich unerwarteten Seite, nämlich einem früheren deutschen Reichskanzler, stammt.
-..Dies, ist allerdings nur die eine Seite der Angelegenheit.
britischen Reich aber ist man nachdenklich geworden. Der Londoner „Observer", der so oft in vorsichtig abgewogener Form ausspricht, was gang England denkt, schreibt ein« Betrachtung unter der Ueberfchrist „Von Paris nach Gens" und gibt ihr die ironische Unterüberschrift „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit". Es wird die Frage aufgeworfen: Was bedeutet die Fortsetzung der Politik, die Briand in seiner Kammer rede Umrissen hat, für Europa? Und die Antwort lautet, kurz zusammengefaßt: Nichts Gutes. Das niedergeworfene Deutschland niederzuhalken — der „Observer" spricht es mit dürren Worten aus — ist Frankreichs Ziel. Und was Frankreich, die „Gouvernante Europas", zu dem Ende als sein Gebot verkündet, das weckt prompt ein Echo bei Herrn Benesch in Prag. Italien ist aber auch noch da und fordert seinen Platz an der Sonne! And daß die Handeisvertragsverhandlungen zwischen Deutschland und Rumänien auf Pariser Befehl abgebrochen werden mußten, das spricht nach der Meinung des „Observer" Bände.
Und was bedeutet das alles für England? Daß, wenn diese Politik planmäßiger Friedensstörung so weiter geht, die Abrüstungskonferenz im nächsten Frühjahr nicht mit Abrüstung, sondern mit Ausrüstung enden wird. Brüning hat es bedauert, daß im Zusammenhang mit der Vorbereitung des deutsch - österreichischen Zollausgleichs das Wort „Krieg" überhaupt ausgesprochen werden durste. Gesprochen wurde das Wort von französischen Politikern. In England ist man offenbar der gleichen Meinung wie Brüning: daß es ein Anfug gewesen sei. Die für uns wichtigste Frage ist aber: wird England etrr.7S unternehmen, um die- sem Anfng zu wehren, solange es noch Zeit ist, oder wird England den Dingen wie bisher seufzend ihren Lauf lassen? Davon wird es abhängen, eine wie große Gefolgschaft Frankreich in Genf hinter sich bringen wird für seine Politik der Sabotage von Frieden und Selbsthilfe. Wenn England sich immer noch nicht entschließen kann, von Seufzern zu Taten überzugehen und die Führung gegen die französische Praxis von Zuckerbrot und Peitsche zu übernehmen, dann stehen die Aussichten auf wirtschaftliche Besserung und europäische Befriedung schlechter als bisher. Denn dann gehört auch England zu den heimlichen Vasallen Frankreichs, und solange das der Fall ist, werden die offenkundigen Vasallen kuschen.
Wie sich England einzustellen gedenkt, werden wir aber erst wissen, wenn Genf hinter uns liegt. Und dann ist da ja auch noch der Besuch, den Brüning und Curtius in Cheguers machen sollen! Aber ach! — ob es überhaupt einen Zweck hat, daß sie nach Cheguers gehen, werden wir erst sehen können, wenn die Ergebnisse der Genfer Tagung vorliegen. Darum hat Brüning schon recht: das Nötigste, was wir brauchen, sind vierzehn Tage Geduld.
Sämtliche Kreise nämlich, die sich im Lauf der letzten zehn Jahre ein unabhängiges Urteil über die diplomatischen Ereignisse. der Vorkriegszeit gebildet haben, verdammen das Buch Bülows als ein von Unwahrheiten strotzendes Machwerk. Der frühere Botschaftssekretär in Berlin, Harald Nlkolfvn, drückt dem deutschen Volk sein Bedauern ans, daß es einen solchen Kanzler besessen hat. Aus der gleichen Stimmung heraus hat sich das Blatt der Arbeiterrogierung, der „Daily Herold", in diesen Tagen an den Kaiser gewandt mit der Bitte, Stellung zu nehmen zu den Angriffen, die Bülow -gegen ihn persönlich gerichtet hat. Die Zeitung veröffentlicht einen Brief, <n dem der Privatfekretär des Kaisers jede Erklärung aus grundsätzlichen Erwägungen ablehnt.
Die Sanierung der Österreichischen Kreditanstalt
für Handel und Gewerbe
Wien, 12. Mai. Die Oesterreichische Kreditanstalt für Handel und Gewerbe, eine der größten Banken Oesterreichs, ist durch die allgemeine wirtschaftliche Lage dein Zusammenbruch entgeaengesührt worden. Die Bedeutung der Bank für das wirtschaftliche Leben Oesterreichs machte es zur zwingenden Motwenüigkeit, sie zu erhalten, und so haben Regierung und Bundesrat beschlossen, großangelegte Gesundungsmaßnahmen durchzüsühren. Rach der Bilanz der Bank vom Ende Dezember 1930 betragen deren Verbindlichkeiten rund 1400 Millionen Schilling (840 Mill. Mark), die allerdings nicht durchweg sicheren Guthaben 1-öOO Mill. Schilling <900 Mill. Mark). Nach der N. Fr. Presse ist nun beabsichtigt, neue Aktien auszu-ge'ben, die wie die alten einen Nennwert von 40 Schilling (24 Mark) haben sollen; sie werden aber mit einem bedeutenden Aufgeld zum Kurs von 72 Sckil-
Lagesspiegel
Auch Reichsfinanzminister Dietrich hak in den Wahlkampf in Oldenburg, wo die Nationalsozialisten in starkem Vordringen sind, eingegriffen. In einer Ver-ammlungsrede in Varel erklärte er. die Arbeikslosigkeik habe nicht in dem erwarteten Maß nachgelassen; man könne sie nur durch Ankurbelung der Wirtschaft bekämpfen, was aber durch den Kapitalmangel sehr erschwert sei. Der Minister wandte sich scharf gegen den Nationalsozialismus.
Adolf Hitler hielt in Oldenburg und Delmenhorst Wahlversammlungen, die so stark besucht waren, daß sie in mehreren Sälen, die durch Rundfunk und Lautsprecher verbunden waren, abgehalten werden mußten. In Oldenburg fand darauf ein Vorbeimarsch der SA -Leuke stakt, der über eine Stunde dauerte.
Wie verlautet, ist die Wahl Berlins für die Olympischen Spiele 1936 gesichert.
Der „Nationalsozialistische Parlamenksdienst" ist bi» 10. Juni verboten worden.
Im Verlag Dumont-Schauberg-Köln wurde die Arbeit wieder ausgenommen. Die Köln. Zkg. ist wieder erschienen.
Die rumänische Regierung hat durch ihren Gesandten in Berlin milteilen lassen, daß sie zur Wiederaufnahme der Handelsvertragsverhandlungen bereit sei. Die Reichsregierung antwortete, sie werde nach der Genfer Tagung be- schließen, wann die Verhandlungen wieder ausgenommen werden können. — Die Verhandlungen, die im Begriff waren, in Bukarest fortgesetzt zu werden, sollen bekanntlich auf Betreiben Briands gestört worden sein. Daraus erklären sich auch lüe plötzlichen gehässigen Ausfälle der r» mänischen Presse gegen Deutschland in voriger Woche.
Der amerikanische Rekordflieger Hawks ist am Dienstag in 2 Stunden 53 Minuten von London nach Berlin (Tempelhof) geflogen. Me rund 1000 Kilometer lange Strecke wurde mit 330 Kilometer Skundengeschwindigkeit znrück- gelegt.
BÄm Empfang der internationalen Pilgerzüge am Frei- tag wird der Papst eine Enzyklika über die Arbeiterfrage auszugsweise bekannt geben.
Präsident Hoover hak mit den Beamten des amerikanischen kriegsamks Besprechungen über Sparmaßnahmen eingeleitet. Die Regierung will etwa 40 kleinere Festungsstandorte aufheben, um Anlerhaikskosien zu sparen; di« Truppenzahl soll jedoch nicht verringert werden.
Der chinesische Volkskonvent in Nanking hat die vorläufige Verfassung unter geringfügigen Aenderungen mit großer Mehrheit angenommen. Die Verfassung bestimmt u. a., daß Ehina Republik und Nankina die ständige Haupk- siadt sein soll.
ling (43.20 Mark) bas Stück begeben. Durch dieses Aufgeld sollen die eigenen Gesa-mtmittel der Bank von bisher 165 auß 185 Mill. Schilling gebracht werden, womit die dringendsten! Schulden gedeckt werden könnten. Die neuen Aktien würden! Vorzugsaktien sein; ihre Besitzer würden bei einer über* 5 v. H. hinausgehenden Dividende vor den alten Aktionären! besonders berücksichtigt werden. Die Aktien mehrheil! soll bis auf weiteres in den Händen der Staatsverwaltung bleiben, die sich dadurch den nötigen Einfluß und die Ueber- wachung der Geschäftsführung sichert.
Die Wiener Blätter fordern, daß diejenigen, die Oesterreichs Drang nach einem erweiterten Wirtschaftsgebiet (Zollgemeinschaft) mit politischen Vorwürfen schlimmster Art beantwortet haben, sich die Bedeutung der Sanierung wohl überlegen. Die Kreditanstalt wie vor ihr die Oesterreichische Bodenkr-editanstalt seien Opfer der Friedensverträge geworden. In Genf werde man jetzt hoffentlich Dr. Schober glauben, daß Oesterreich sich nicht entwickeln könne, wenn man ihm nicht den Wog in ein Wirtschaftsgebiet (Deutschlanv) freigebe, das zwar auch von der Krise schwer betroffen sei, in dem aber doch immer noch der Blutkreislauf der Wirtschaft pulsiere.
Das Vorspiel zur Präsidentenwahl
Paris, 12. Mai. Die Anhänger Briands bzw. dieser selbst bemühten sich nun in den letzten Tagen, den Senatspräsidenten Doumer zur Zurücknahme seiner Kandidatur für Len Posten des Staatspräsidenten zu bewegen. Doumer erklärte, er werde unter allen Umständen als Bewerber für die am 13. Mai stattfindende Wahl auftreten. Außerdem hat sich noch der französische Gesandte und Minister Abg. Jean Hennessy als Bewerber gemeldet. Es stehen sich also drei Bewerber gegenüber: Briand, Doumer und Hennessy.
Briand erklärte nach dem „Echo de Paris", wenn e« zum Staatspräsidenten gewählt werden sollte, so würde er am 14. oder 15. zur Eröffnung der Tagung des Völkerbundsrats und des Studienausschusses für Alleuropa auf zwei Tage nach Genf reisen, für dis weiteren Verhandlungen aber den Ministerpräsidenten
Bülows Schmierereien in England verboten