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die feierliche Amtseinführung des neuernannten dritten Stadtpfarrers Schneider, bisher Repetent am Eoang.- theol. Seminar in Tübingen, durch Stadtdekan Prälat l). Traub statt. Der neue Stodtpfarrer ist am 5. Januar 1902 in Dürrmenz geboren.

kommunistische Kundgebungen. Am Samstag nachmittag versammelten sich die Kommunisten zu Tausenden auf dem Karlsplatz, um gegen die Notverordnung der Reichsregie­rung und gegen das inzwischen abgelaufene Verbot von Straßenumzügen zu demonstrieren. Nach der Versammlung erfolgte ein Urnzrrg durch viele Straßen mit Musik und Sprechchören. Ein Transparent mit der AufschriftUnter­stützt die Volksaktion gegen den 8 218" wurde auf dem Karlsplatz von der Polizei beschlagnahmt. Auch am Sonn- tag nachmittag fand auf dem Karlsplatz eine Kundgebung statt mit anschließendem Marsch durch die Straßen der In­nenstadt. Die Umzüge verursachten vielfach Verkebrs-, fiörungen.

Beschlagnahmt. Die illustrierte Zeitung desVölkischen Beobachters" wurde am Samstag von der Polizei bei den Zeitungsoerkaufsständen beschlagnahmt.

Auch ein Schönheitswettbewerb. Im Stadlgarten wurde am Samstag um die Mitternachtsstunde dieschönste Stutt- garterin" von einemPreisrichterkollegmm" gewählt. Un­ter 17 Bewerberinnen wurde der Preis einein Fräulein Lilly Lehmann aus Würzburg zuerkannt.Fräu­lein Stuttgart" erhielt ordnungsmäßig 100 Mark, ein paar Blumenkörbe, eine Freikarte nach Berlin und eine Schärpe in den Farben der Stadt Stuttgart.

Aus dem Lande

Steinenbronn OA. Stuttgart, 13. April. Den Tod gesucht. Gestern nachmittag hat sich hier der in den 60er Jahren stehende Gärtner B. aus Kaltental in der Hütte seiner hiesigen Gärtnerei erhängt. Seine Frau und ein Ge­hilfe haben in der Gärtnerei gearbeitet. Als sie die Tat bemerkten, war er bereits tot. Die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse dürften den Mann zu dem Schritt veranlaßt haben. Die Gärtnerei Steinenbronn war die 17., die er gegründet har, da ihm der Glücksstern nie geschienen hat.

Tübingen, 13. April. Ungetreuer Lagerhaus­verwalter. Das erweiterte Schöffengericht hat den Ver­walter der Landw. Lagerhausgenossenschaft Mössingen, Scheffbuch-Mössingen, wegen Verbrechens der erschwerten PlivaturkundenfAschung und Betrugs zu 6 Monaten Ge­fängnis verurteilt. Unterschlagung und Untreue konnten ihm nicht nachgewiesen werden, weshalb in dieser Richtung Frei­spruch erfolgte.

Ebingen, 13. April. AufdemKre uzottern fang. Am gestrigen Sonntag hat Eugen Lörcher 8 Kreuzottern gefangen, nachdem er bereits an einem der vergangenen Sonntage deren 10 erlegt hatte.

Ulm, 13. April. Entsprang er Fischotter. Dieser Tage entsprang hier einem Tiertransport ein Fischotter; er konnte nach drei Tagen in einem unter dem Güterschuppen befindlichen Loch von fachkundiger Hand mit einem Netze emgesangen werden, ehe er unter den zahlreich anfallenden Fischsendungen Schaden anrichtete.

Am Samstag nachmittag wurde hier ein Handwerkslehr­ling aus Bernstadt von einem Kraftwagen überfahren und schwer verletzt. Der 16jährige Junge wurde sofort ins städt. Krankenhaus eingeliefert, wo er wenige Minuten nach fei­ner Einlieserung gestorben ist.

Protest gegen die Goltlosen-Werbung

Regensburg, 13. April. Vertreter von über 100 katholi­schen Vereinigungen Regensbur gs haben an die Reichsregie­rung und die bayerische Staatsregierung die dringende Bitte um wirksamen Schutz vor der Beschimpfung der Glau­bensüberzeugung durch die Verbände der Gottlosen gerich­tet. Das katholische Volk erwarte ein nachdrückliches und ziel-

Ragolder Tagblatt »Der «eseülschafter"

bewußtes Eingreifen zum "Schutz von Religion und Sitte. , Die Hemmungslosigkeir und Offenheit des Angriffs gegen gute deutsche und christliche Kultur dulde auch in der Abwehr keine halben Maßnahmen mehr, die in ruhigen Zeiten aus­gereicht haben mögen. Die katholische Bevölkerung verlange daher für sich und alle gläubigen Christen nachdrückliche Handhabung der Gesetze, auch der in der neuen Notverord­nung gegebenen Abwehrmöglichkeiten, sowie darüber hinaus Erlaß von weiter möglichen Schulgesetzen gegen die fortgesetzte Verletzung dessen, was den Christen heilig sei.

Aus Stadt und Land

Nagold, den 14. April 1931.

Man steht oft denjenigen am nächst n, die am weitesten entfernt von einem wetten.

*

Losiage im April. Der April, auch Ostermonat, Krim­monat oder Grasmonat geirannt, bringt vier Lostage. Am 14. d. M. istTiburtius". Von ihm sagen alte Bauernregeln: Auf Tiburti sollen alle Felder grünen."Tiburtius kommt mit Sang und Schall; er bringt Kuckuck und Nachtigall." Aelter ist die Form:Kommt Tiburtius mit Schall, bringt er Gauch und Nachtigall." Der 23. April ist Georgitag. Er ist für den Bauer von bevorzugter Bedeutung. Für die Wiesen beginnt die Schonzeit. Der Rasen darf nicht mehr be­treten werden.Auf Sankt Georgen soll man die Kuh von den Wiesen schergen." Auch andere Bauernregeln knüpfen an Georg! an:Regnet es vorm Georgitag, währt noch lang des Regens Plag."Kommt St. Georgen geritten aus einem Schimmel, so kommt ein gutes Frühjahr vom Him­mel."Wenn Geargi schön und warm, wird das Land an Sonne arm." Aber auch:Auf St. Georgens Güte stehen alle Bäum in Blüte." Der dritte Losiag ist der Markus­tag. Von ihm sagt der Bauer:Wenn die Kräh am Markus­tag sich im Korn verstecken mag, wirds Jahr gut."Sankt Georg und Sankt Marks, dräuen viel Args." Am 28. April ist Vitalis. ..Friet's am Tag von Sankt Vital, friert es wohl noch sünfzebnmal."

Die Generalversammlung der Gewerbebank Nagold e. G. m. b. H.

fand am Samstag, 11. April im Gasthof z »goldenen Adler" hier unter dem Vorsitz von Herrn Paul Schmid, Kfm., statt. Er eröffnete die Versammlung um 5 Uhr, begrüßte die erschie neuen Genossen und widrmte sodann dem im vergangenen Jahr verstorbenen Aufsichlsratsvc» sitzenden Herrn Friedr. Schmid, Kfm., hier für seine treuen Dienste einen ehrenden Nachruf, ge­hörte er doch seit 1884 der Gen. an und bekleidete seit dem Jahre 1894 das Amt eines Aufsichtsrats. Die Versammlung erhob sich zu Ehren des Verstorbenen von ihren S tzen. Ferner gedachte der Vorsitzende des jetzigen Aufsichtsratsvorsitzenden, Herrn Johs. Schüttle, Kfm., Ebhausen, welcher infolge Krank httt an der Teilnahme der G.-V. leider verhindert war, und gab der Hoffnung und dem Wunsche auf Genesung Ausdruck.

Zu Punkt 1 der Tagesordnung: »Bericht und Rech­nungsvorlage über das Jahr 1930" wurde Herrn Dolmetsch, das Wort erteilt; welcher in kurzen Zügen die gegenwärtige wirtschaftliche Lage streifte und berichien konnte, daß die Ge nossenschakt das Jahr 1930 trotz der schlechten Konjunktur gut überstanden, ja sogar eine befriedigende Weiterentwicklung in >930 erfahren durfte, denn die Bilanz-Summe ist um rd.

430 000. gewachsen (gegenüber .LF 350 000. in 1929),

IvZscksn 2 ligarsttsn

Dienstag, 14. April 1981.

sodaß solche nunmehr 3 > 64 000. beträgt. Von diese», Zuwachs entfallen rd .7LF 400 000. auf die Spareinlagen welche nunmehr rd. 2 370 000. betragen. D. glaubte ge

rade den Zuwachs der Spareinlagen als einen Beweis dafrn ansehen zu dürfen, daß doch noch gute Kräfte in unserem Volke schlummern, die ihre Ersparnisse der einheimischen Wirtschaft zur Verfügung stellen und nicht dem uns bedrückenden Ausland die Nutznießung ihres Geldes einräumen. Bezüglich der Zah lungsbereitschaft wurde betont, daß diese jederzeit gewährleistet ist und außerdem von der Vorstandschaft keine Geschäfte getä tigt werden, von denen der Aufstchtsrat keine Kenntnis erhält.

Die Umsätze wurden mit 34 244 000. angegeben,

(im Vorjahr 34196 000.).

Der Reingewinn inst 26 602.95 blieb hinter dem­jenigen von 1929 um ca. L-L iOOOO. zurück. Diese Erschei­nung ist allerdings kein Zufall, sondern das Ergebnis der vor­der Verwaltung verfolgten Zinspolitik, die darauf abzielt, die Kreditnehmer möglichst günstig zu bedienen, so ist z. B. der Kontokorrent Soll-Zinsfuß ab l.Juli um l °/ ermäßigt wor­den, ebenso der Diskontsatz um Vs"/», ohne am der andern Seite die Zinssätze für Einlagen zu beschneiden. Während der Rein grwinn im Vorjahr 1,4 °/y der Bilanzsumme betrug, beläuft sich der Satz in >930 nur auf ca. 0,8 °/g der Bilanzsumme An dem Umsatz gemessen (in 1929 0,l°/o) in l930 0,08°/,

Das Kontokorrentgeschäft wurde als ein lebhaftes geschildert, besonders habe der Ueberwellungsverkehr zugenom men. Auch die Konlokorrett-Debilorcn haben sich vermehrt und dank des neuen Geldzuflusses ist es möglich gewesen, alle be­rechtigten Kreditgesuche aus eigenen Mitteln zu befriedigen, so kann auch die Genossenschaft ihre Selbständigkeit bewahren. Gerade die Unabhängigkeit einerseits und die verhältnismäßig hohe Bilanzsumme andererseits haben die vor.rwähute Jins- ermäßigung zugelussen. Das Wechsel-, Effekten-, Sor­ten- und Devisen- Konto haben befriedigende Ergebnisse gebracht, wenngleich auch der Umsatz auf dem »rstgenaimlen Conto den Zeitverhältnissen entsprechend etwas nachgelassen hat. Der Mitgliederstand erböhle sich auf I l35 Mitglieder, welche mit insgesamt 1162 Geschäftsante len beteiligt sind. Zum Schluffe richtete D an die Mitglieder d e B>nc auch m dieser ernsten Zeit weiterhin treu zu ihrer Genossenschaft zu halten und versicherte andererseits, daß sich auch die Verwaltung be­mühen wird, den Wünschen der Genossen gereckt zu werden. Zu Punkt 2 der TagesordnungBeschlußfassung über die Verteilung des Reingewinns, sonne über die dem Vorstand und Aussichtsrat zu erteilende Entlastung" schlug der Vorsitzende die Verteilung des Reingewinns wie folgt vor: 7°/, Dividende und Stückzinsen auf Geschäftsgulhaben >3 349.40, 10°/, Kapitalertragsteuer hiervon ZLL 1198.07, Zuweisung an die Aufwertungsrücklage 5000., Zuweisung an die gesetzliche

Rücklag vT^4735., Abschreibung an Mobilien K/ 450., Vortrag auf neue Rechnung !875.-t8, zus. HsF 26 602.95 Ter Vorschlag wurde einstimmig angenommen, ebenso dem Vor­stand und Äufsichtsral auf Antrag einstimmig Entlastung erteilt. Punkt 3 der Tagesordnung:Wahl von Aufsichtsralsmitgtie- dern": Wiedergewählt wurden die satzungsmäßig ausscheidenden Mitglieder, die Herren L Wohlbold und W. Sckraeder, neugewählt Herr Herrn. Kapp hier, welcher die Wahl ange­nommen hast Anschließend d nan fordert der Vorsitzende zur Diskussion auf. Nachdem sich indessen niemand mehr zum Wort meldete, wurde die Versammlung um 6 Uhr geschlossen.

Generalversammlung

des Christ!. Vereins Junger Männer e. B.

Letzten Samstag, abends 8 Uhr, fand die ordcnilicke Ge­neralversammlung im Vereinslokal statt, welche zahlreich besucht war. Zieht man einen Schlußstr ch mtter das ganze Tun und Treiben in diesem abgelaufenen 67 Vereinsjahr, so>e und könnte man nach äußerlickem Ermessen schon einen größeren Erfolg erhoffen, als er tatsächlich eingelreien ist. Nach dem Iland der Mitglieüerzahl wurde festgesiellt, daß zahlenmäßig ziemlich alles gleickgeblieben ist. Gewiß würde dieser sogen. Stillstand in der Vereinsentwicklung zu bedenken geben, wenn unsere Einstellung auf die Masse und nicht auf den Ein­zelnen gerichtet wäre. Nach Worten der Begrüßung durch Vorstand Unrath folgie der Kassenbericht, der von

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(Nachdruck verboten).

(Fortsetzung 62).

Um sich selber zu entfliehen hatte sich Eke mit ernster Hin­gabe wieder ihrem wohltätigen Wirken gewidmet. Es füllte sie ganz aus. Nur dann und wann trieb sie es einmal auch wieder hinauf in die Berge. So war alles wie früher, als sie noch ein Mädchen war. Oft erschien es ihr selber wie ein Traum, daß sie Frau sein zollte, wenn sie so allein durch den Wald schweifte. Erst die Heimkehr in das dunkle graue Haus drunten erinnerte sie an die Wirklichkeit.

Auch heute war wieder ein Tag, wo Eke von Selbach für Stunden ganz der Gegenwart entflohen war. Mit dem Jagdgewehr über der Schulter war sie durch den Forst ge­strichen. Die Kaninchen machten viel Schaden droben an der Wiese. Der Oheim laß sick ja nur selten noch blicken in sei­nem Revier, und auch ihr Mann kaum noch, seitdem ihn seine Geschäfte immer häufiger nach der Hauptstadt riefen. Da hatte sie einmal gründlich aufgeräumt unter den Schädlingen. Kall­mann, der sie begleitete, hatte den gebäuften Rucksack mit der Beute schon mit hinabgenommen. Sie selber war indessen noch etwas im Revier geblieben. Sie labte es, den Abend cmbrechen zu sehen im schweigenden Forst. Das gab der Seele Frieden, und danach trug sie jetzt so manchmal ein sehnendes Verlangen.

Gedankenverloren schritt Eke am Waldsaum hin. Es war an der Grenze des Reviers. Ouer durch die Wiese lief die Grenze. Jenseits begann die Gemeindejagd, deren Pächter seit dem Tode des alten Reusch Gerhard Bertsch war. Leise be­gannen schon die Schatten durch den Forst zu schleichen. Kein Dogellaut mehr unter den hohen Tannen. Draußen über der Wiese stand bereits schwer das geheimnisvolle Licht vor der Dämmerung.

Verloren glitt ihr Blick über das sattgrüne, mehr als knie­hohe Gras. Aber da weitete sich plötzlich ihr Auge, und an- gewurz lt stand ihr Faß. Dort mitten in der Wiese der r«te Fleck. Kein Zweifel, es war ein Bock. Jetzt warf er auf, sicherte einen Moment, mißtrauisch nach dem Holz äugend, doch äste nun ruhig weiter, den Kopf wieder tief im weichen

Gras verborgen. Aber Ekes scharfes Auge hatte genug gesehen, > das selten schwere Gehör» erkannt. Der ganz alle Buck war cs, der stets hier oben stand, aber aus den selbst der Onkel so oft vergebens gegangen war. Und nun lief er hier im Zufall über den Weg!

Das Weidmannsblut fing da an in ihr zu pulsen. Ein schnelles Abschätzen: gut hundert Meter. An sich nichi zu viel. Aber es war kaum noch Büchsenlicht und sie hatte nur die Kugel im Lauf. Doch ganz gleich die Gelegenheit kam nicht wieder.

Vorsichtig nahm sie das Gewehr von der Schulter, ent­sicherte und machte fertig. Aber das leise Knacken, kaum hör­bar, war doch durch die Abendstille gedrungen. Sofort war der Bock wieder auf seiner Hut, ein blitzschneller Blick und er hatte sie er'päht. Mit großen Flüchten wollte er abpehen, hin­über ins Nachbarrevier. Doch schon peitschte der Schuß durch t,as Waldesschweigen. Ein wilder Satz nach vorn, ein Ueber- schlagen und der Bock war verschwunden im hohen Grase. Gleich zwar tauchte er wieder auf. Aber ein seltsamer Anblick nur mit Kopf und Hals, als schwämme er in der grünen Grasflut. So arbeitete er sich langsam hinüber zum Holz hin.

Eke begriff. Sie hatte ihn nur krank geschossen. Die ! Kugel hatte die Hinterläufe gelähmt. Wie ärgerlich! Sie schoß sonst stets so sicher. Aber freilich das Zwielicht. Doch nlsoald, wie sie den weidwunden Bock sich so Hinschleppen sah, kam ihr ein Mitleid. Sie suchte in ihrem Patronengürtel, ob­wohl sie wußte, daß da ja nichts mehr steckte. Das anne Tier! Nun würde es sich hi» quälen, drüben im Holz, irgendwo in der Dickung. Wer weiß, wie lange noch. Bis es elend ein­ging. Oder die Füchse kamen.

Unschlüssig ging sie auf den Bock zu, der bei ihrer An­näherung seine Anstrengungen vermehrte. Angstvoll traten ihm die dunkel glänzenden Lichter hervor Ratlos blickte sie um sich. Was sollte sie denn nur machen? Sie bereute jetzt leb- laft den voreiligen Schuß. Der hitzige Jagdeifer war mit cinemmal verflogen. Sie sah nur noch ein armes, leidendes Tier vor sich.

Jetzt brach es drüben im Holz. Wie unter herannahen- ^rn Tritten.

Ein Mann trat dort aus dem Wald ins Freie. Beim ersten Blick erkannte sie ihn. Ihr Herz schlug auf. Gerhard Bertsch.

Auch er stutzte, wie er sie gewahrte. Doch nun traf sein Auge den Bock, der beim Anblick des zweiten Bedrängers mit einer verzweifelten Anstrengung die Richtung seiner Flucht ändern wollte.

Bei seinen qualvollen Bemühungen runzelte sich Bertschs Stirn.

Haben Sie denn keine Patronen mehr im Lauf?"

Rauh klang es zu ihr hin.

Nein ich habe mich ganz verschossen!"

Bedrückt kam es von ihr zurück; fast beschämt.

Ein kurzes Besinnen bei ihm er war zwar in der Jagd­joppe, hatte aber kein Gewehr bei sich bei seinem Abendgange ourchs Revier. Dann warf er seinen Stock aus der Hand und griff entschlossen zur Tasche, wo er den Genickfänger wußte. M t drei großen Schritten war er bei dem Bock und seine Linke packte das Gehörn. Nach einem kraftlosen Aufbäumen ergab sich der Bock in sein Schicksal. Aber er stieß in Todesangst einen langhallenden, röchelnden Laut aus.

Eke schauerte zusammen. Wie wenn ein Mensch starb! Und sie schloß die Augen vor der entblößten Klinge, die schon nach dem Nacken des Tieres zuckle im Gnadenstoß.

Ein jähes Verstummen.

- Als Eke scheu wieder aufsah, lag der Bock schon auf der Decke mit brechenden Lichiern. Aber die schlanken Läufe ruder­ten noch krampfhaft durch die Luft.

Das arme Tier!"

Nur noch Reflexbewegungen. Er ist schon hinüber." Nit demselben rauhen Ton erwiderte er es und streifte die Klinge an einem Büschel Gras ab. Menschen haben cs nicht so gut. Die leben weiter auch mit durchschnittenem Lebensnerv".

Da zwang es ihren Blick hin zu ihm. Zum ersten Male sah sie ihn srit jener Stunde des Abschieds und erschrak. Wie hager er geworden war im Gesicht, so scharf und finster die Züge. Und da an der Stirn die brennend rote Narbe! War das alles nur von dem kaum überstandenen schweren Unfall, oder ?

Unruhig begann es ihr in der Brust zu pochen. Irgend­ein Wort suchte sie, einen Dank für seine Hilfe, ein Wort der Teilnahme für ihn, nach der ernsten Gefahr, in der er geschwebt. Aber die Kehle war ihr wie zugeschnürt.

Da deutete er auf den Bock zu ihren Füßen. Starr und steif hatten sich jetzt die Läuse in die Luft gestreckt.

Es ist vorbei. Soll ich ihn Ihnen aufhängen? Drüben an einem Baum, bis einer von Ihren Leuten kommt?"

Sein harter, kalter Ton, der jede persönliche Annäherun- zwischen ihnen weit weg wies, gab auch ihr das Gleichgewicht wieder. Sie schüttelte das Haupt und zeigte auf den kleinen Grenzgraben hinter ihnen aus der Wiese.

Der Bock fiel auf Ihrem Repier. Er gehört Ihnen."

Und mit kurzem, schweigendem Gruß wandte sie sich ab, zurück in die eigene Jagd.

(Fortsetzung folgt).