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Leite 2 Nr. 83

Prozeh Zöpprih. Die Anklageschrift gegen Dr. Rudolf Zöppritz wird im Lauf des April bei der Strafkammer in Ellwangen eingereicht und dann das Hauptverfahren er­öffnet werden. Die Verhandlung vor dem Erweiterten Schöffengericht in Ellwangen dürfte nicht mehr vor den Gerichtsferien zu erwarten sein. Dr Zöppritz befindet sich seit Mitte September gegen hohe Sicherheitsleistung auf freiem Fuß.

Vom Tage. In selbstmörderischer Absicht sprang in der Nähe der König-KarlÄ> rücke eine 26 Jahre alte geistes­kranke Frau in den Neckar. Sie konnte von einem Vor­übergehenden gerettet werden und wurde in das Kranken­haus Cannstatt übergesührt. 3n einer Scheuer der- ltngerstraße in Hedelfingen wollte sich ein 14 Jahre alter Knabe vom Firstgebälk an einem in einer Nolle laufenden Aufzugsseil herablassen. Er ergriff hierbei nur einen Strang des Seils und stürzte in die Tiefe. Durch den Aufschlag auf den Boden erlitt der Knabe eine Hmterkopfverlehung und eine Verstauchung der Wirbelsäule.

Aus dem Lande

Ehlingen, 10. April. AusdemGemeinderat. In der Gemeinderatssitzung wurde beschlossen, dem Planungs­verband Groß-Stuttgart beizutreten. Eine finanzielle Be­lastung ist für die Stadt nicht zu erwarten. Eine inter­essante Sache war die Erörterung der polizeilichen Vor­schrift eines Milchbearbeitungszwangs. DerGemeinde- rat steht auf dem Standpunkt, daß die unbe­handelte Milch in jedem Fall der Milch- zentralen-Milch vorzuziehen sei. Dr. Lang v Langen erklärte, bei einem Milchbearbeitungszwang sei die Staatsaufsicht zu weit getrieben.

Tübingen. 10. April. HoherBesuch. Der amerika­nische Botschafter beim Deutschen Reich, Frederic Mosel«) Sackett, stattete gestern mittag der Universitätsstadt euren Besuch ab. In seiner Begleitung befanden sich der ameri­kanische Generalkosul in Berlin, Messerschmidt mit Gemah­lin, der amerikanische Generalkonsul in Stuttgart, Leon Dominion mit Gemahlin, Staatspräsident Dr. Bolz und die Minister Dr. Dehlinger und Dr. Maier, je mit Gemahlin, der württ. Gesandte in Berlin, Dr. Bosler, und Ministerial­rat Cloß. Die Herrschaften wurden auf dem Rathaus durch Oberbürgermeister Schees begrüßt. Sie besichtigten das Rat­haus und sodann unter Führung von Oberbürgermeister Schees und Unioersitätsprofessor Dr. Littmann auch das SchloßHohentübingen" mit Rittersaal.

Hall, 10. April. Berbandstag württ. Gewerbe- ver ei ne und H o n d w e r k e r v e r e i n i g u n g e n. In diesem Jahr sinder der Verbandc-mg der Gewerbevereine in Schwöb Hall statt und zwar ist die Haupttagung aus den 13. September festgesetzt worden. Der Gewerbeverein in Schwöb. Hall Kanu gleichzeitig sein lOOjährigcs Bestehen feiern.

Neckarsulm, 10. April. B e t r i e b s w a h l e r g e b n i s in d en NS U.-W e r k e n. Bei den in den letzten Tagen vorgenommenen Betriebsratswahlen bei den NSÄ.-Be!einig­ten Fahrzeugwerken in Neckarsulm haben von 1385 Wahl­berechtigten 1434 abgeskimmt. Gültig waren 1M> Stim­men. Hiervon erhielten der Deutsche Metallarbeitervcrband 967 (9 Sitze), die Gewerkschastsopposition (Kommunisten) 271 (2 Sitze) und die christliche Liste 152 sl Sitz).

Gmünd, 10. April. Lehrertagung. In einer Ent­schließung wandte sich die Tagung des Katholischen Lehrer­vereins in Württemberg gegen den geplärrten Schulabbau und die Mindestschülerzahl von 45 in einer Klasse: der Praktikantendienst der Junglehrer solle wieder wie bis zum Jahr 1929 durchgeführt und allen Junglehrern eine Gehalts­ausrückung über die Anfangsstufe der Eingangsgruppe er­möglicht werden. Unverschuldete Wartezeit soll auf das Ver- gütungs- und Besoldungsdienstalter weitergehend als bis­her angerechnet und es sollen nicht mehr Zöglinge in die Seminare ausgenommen werden, als nötig sind, um die offenen Lehrstellen zu decken. Den Privatlehrerinnensemi­naren soll die Heranbildung von Lehrerinnen für den öffent­lichen Schuldienst nicht mehr gestattet werden. Die nächste Tagung findet im April 1933 in Ulm statt.

Von der Jugendherberge. In der Gmünder Jugendherberge war über Ostern ein überaus reges Leben. Etwa dreihundert Uebernachtungen wurden über die Feier­tage gezählt.

Bucha« a. F., 10. April Der Federsee trägt noch C i s. Die Buchten bei Buchau und Oggelshausen sind zwar eisfrei, doch liegt vor Alleshausen und Tiefenbach noch eins Ziemlich große Eisfläche. Es kann dem Alleshauser Ufer entlang noch nicht gefahren werden, während sich bei Tie­fenbach nur ein schmaler eisfreier Durchgang zeigte. Die Eisstärke beträgt noch etwa sieben Zentimeter.

Biberach 10. April. Politischer Ue verfall. In der Mittwochnacht wurde, wie derAnzeiger vom Ober­land" berichtet, beim katholischen Friedhof ein nach Haus fahrender SA.-Mann von 4 Kommunisten mit Prügeln uberfallen und zu Boden geschlagen. Die zur Hilfe herbei­geeilten SA.-L-e-ute brachten ihren Kameraden sofort in ärztliche Behandlung. Die Täter waren inzwischen ver­schwunden.

Vom bayrischen Allgäu, 10. April. Der hartnäckige Winter. W i l d e r e r r. a u f d e r S p u r. I m G ä r- bortich ertrunken. W i r t s h a u s r a u f e r e i. Der Regen vor Ostern hat es nicht fertiggebracht, die im All­gäu liegenden Lrchneemassen restlos zu beseitigen. Südlich gelegene Hänge sind schneefrei. Auffallend ist, daß fast sämt­liche Seen im Allgäu noch vollständig zugefroren sind. Die Straßen im ganzen Allgäu sind von Schnee und Eis größ­tenteils freigelegt und gut befahrbar. Die Hirschfütteermg an verschiedenen Futterplätzen wird nach wie vor fortgesetzt. Zum Futterplatz nach Schwangau kommen allein immer noch 3040 Stück, ein besonderes Zeichen eines schneereichen Winters. Während der Osterfeiertage wurden auf dem Hirschfutterplah bei Pfronten Schlageisen gefunden. Außer­dem wurden durch Futter Hrsche in eine Umzäunung gelockt. Ein wuchtiger, zum Totschlag geeigneter Knüppel lag vor dem Tor dieser Hirschsalle. In der Brauerei zur Sonne in Oberstdorf wurde der Brauer Anton Maier im Gär­bottich ertrunken aufgefunden. Wie der jungverheiratete Mann, der Vater von zwei Kindern ist, ums Leben gekom­men ist, konnte nicht festgestellt werden. Das Bier wurde in Anwesenheit der Gendarmerie aus dem Gärbottich in den Kanal abgelassen. In einer Gastwirtschaft in der Alt­stadt in Kempten gerieten in den Abendstunden fünf Wan­derburschen mit dem Wirt in Streit, in dessen Verlauf einer der Burschen dem Wirt den Wasserkrug auf den Kopf schlug. Mit einer schweren Kopfverletzung wurde der Wirt ins Krankenhaus eingeliefert, der Täter verhaftet.

_Samstag, 11. April 1831 .

Wehende Helmdüscke, dreire Tolenkopfhuiarenhelme, blinkende Kürassierhelme, Sporen, sp egelnde Lockstiefel, scharlachrote Auf- schlage über hellgrauem Tuch; die alte Marineun form, die Uni­form der Kolonien, alte und junge Krieger mit Eisernen Kreuzen und unzähligen Orden die alte Kaiserherrlichkeit schien neu­erstanden zu sein!

Und nun die Studentenschaft. Das war «st eine Pracht. Wichs. Himmelblau, scharlachrot, orange, gelb, schwarz, weiß, grün, viel Gold, Stulpenstiefel, Fahnen. Es war ein Ernst auf den Gesichtem, keiner sprach, die offizielle Kleidung erstreckte sich sogar auf den Gesichtsausdruck. Und ein Glän­zen und ein Flimmern war es, als die Fahnen aufgerollt in der Frühlingssonne zu Hunderten vor dem Neuen Palais stan­den und wie schön muß es ausgesehen haben, als sie sich alle zugleich vor der toten Kaiserin senkten. Und schließlich die Ver­eine, die Innungen und Gewerkschaften mit ihren Fahnen und dann die Kränze, die sie zu viert und zu fünft tragen muhien. Die H«ren ohne Ausnahme im Zylinder, die Damen in Trauer, oder Schwarz oder Dunkel gekleidet.

Ich war nicht ohne Bangen hrngegcwgeir, hätte Spartakus doch eine willkommene Gelegenheit gehabi, ein Attentätcherr zu ocranstalten: Soviel Fürsten, soviel Monarchisten, soviel Anti- iozralisten! Ader Spartakus schwieg, ob aus Versehen oder weil es in ihm einen Rest von Ahnung gib!, daß Pietät und Achtung vor dem Tode auch Tugenoen für Spartakisten sind?

Ich iah auch Orientalen im Fez, sie trugen einen großen Kranz, auf dessen Schleife stand:Der deutschen Dulvenn den ätzten Gruß".

Und dann standen wir in der großen Allee mit Spalier: 6-8>eihig gegliedert das vordere, 34reihig das Hintere. In den Bäumen saßen fast mehr Menschen als Aeüe, man mußte lachen trotz der traurigen Gelegenheit, und ich dachte unwill- küilich an einen Affenwald im amerikanischen Urwald. Sonst war überall Würde und Ernst, und selbst im Gedränge blieben die Menicken ruhig und gesit et. Das Spalier reichte vom Wildpark bis zur Gruft, und nachmittags um 5 Uhr standen sie noch fast ebenso.

Kurz yach '/zlO Uhr schritt der Zug vorüber. Stille lautlos die Masse. Ohne einen Ton zog er voran, stiller konnte der schlichteste Bürger nicht zu Grabe getragen werden!

Allen voran trug man den Kranz ins Kaisers, aus gelben Teero'en, dann Dryander, Orden auf einem Kissen, die Offi­ziere der Leibgarde der Kaiserin, im Schritt. Militär!

Vier Pferde zogen einen stachen Wagen. Ohne eine einzige Blume, lieber dem hohen Sarg ecke lila Decke gebreitet von schwerem Samt. So ur beschreiblich schlicht und still zog diese deutsche Frou in die H.imat zwück.

Und da kam weit vor diN anderen allein, an der Seite eines Herrn, eine hohe Frauengestalt, unbeschreiblich sein und frauenhaft, königlich ui d rührend zugleich. Ter undurch­sichtige Schleier ließ auch nicht das Leiseue sehen. Sie schritt vorüber, da eine Andeutung des Profils, nur cin Stück ich halte sie erkannt die Kronprinzessin. Und was ich sah und was ich wußte das floß zusammen und da schloß ich die liebe Frau in mein Herz. Das war wohl das Unver­geßlichste dieses Tages.

Nach eincr Pause kamen die anderen. Die königlichen Prinzen und die deutschen Fürsten, die Prinzessinnen und Für­stinnen. Man sah kein Gesicht, noch weniger einen Gesichts­zug. Der Hofstaat der Kaiserin und dann Osfizire: Generale und Admirale. Ich schärfte mein Auge nur nach einem -. Und ich fand ihn: Hühnenhaft, wie ein Fels, aufrecht den Feldmarschallstab in der Rechten. Ich sah nur auf ihn, der an der Seite Ludendorffs schritt und brannte meinen Blick in sein Gesicht, das 3 - 4 m von mir vorübcrzog, als müßte ich mir Kraft und Hoffnung daraus holen. Tirpitz, Mackensen, Scheer waren nur an nur vorübergeglitten. Und das übrige war nur noch eine glänzende Versammlung.

Der Zug war vorüber, man stand und schwieg: allmählich kehrte Bewegung und Laute zurück. Wir gingen durch den Park, während im kleinen roten Tempel, beim Rosengarten der Kaiserin, unter den grauen Schleiern hoher Buchen die tote deutsche Kaiserin zur Ruhe gebracht wurde.

Und noch eins: Wir standen vor der Orangerie, da hörten wir fernes Rufen und Bruasen: Die Prinzen und Prinzessin­nen fuhren ab mit ihren Kindern. Und das Brausen kam r äher, die Häupter entblößten sich, Taschentücher flogen .Hock! Hoch! Hoch!"

Hatten wir nicht eine Revolution gehabt? Oder war das nur ein böser Traum? War das die Republik oder das Kaiser­reich Deutschland?

Und nun kam es erst Ein Auto, langsam. Man schrie, man jubelte. Man lstß es nicht weiter fahren. Endlich machte man Platz. Langsam, langsam ließ man ihn durch. Und ich lachte und jubelte mit, dem Mann, in dem sich deutsche Kraft und deutsches Hoffen, deutsche Liebe und Dankbarkeit vereinigt. Ich glaube, dieser Mann, unser Hindendurg strebt nie.

Wie in einem Bann wir konnten nicht viel sprechen gingen wir durch die Wege des stillen Parkes in den köst­lichen Frühlingswald. XS."

Aus Stadt und Land

Nagold, den 11. April 1931.

Ueber Mangel an wahrem Genie muß oft ein Uebermaß an äußerlicher Genialität hinwegtäuschen.

Arbeitslos!

Wir lesen fast täglich in der Zeitung von Selbstmorden und ganzen Familientragödien und dazu heißt es wohl dann: Arbeitslos geworden",wirtschaftlich zerrüttete Verhält­nisse",abgebaut" usw. Es ist ein großes Quälen unter uns deutschen Menschen. Der Hunger geht um und die Sinnlosigkeit eines arbeitsleer gewordenen Lebens. Ganze Stände verderben. Tagtäglich werden immer neue Men­schenscharen vor das graue Nichts gestellt. Und die Ver­zweiflung ballt sich riesengroß in ihren Herzen zusammen. Nein, die krasse Armut ist bei uns keine vereinzelte Sache mehr. Sie ist zu einer Epidemie geworden, die immer wei­tere Kreise mit ihren scharfen Krallen ersaßt. Unter ihren Griffen blutet das Leid in tausend Tragödien aus. Und was das Schlimmste ist: Wie oft erfüllt sich dieses Schicksal des Zusammenbruchs an einem Menschen, ohne daß die andern etwas davon wissen oder davon Notiz nehmen! Todwund geht er in feinem Winkel zugrunde, und die Welt rauscht weiter, lärmend, erbarmungslos. Wie oft verhallt ungestört der Schrei:Wenn doch einer gut zu mir wäre!" Wie oft endigt alles verzweifelnde Suchen nach warmen, mitleiden- Len Menschenherzen mit der bitteren Erkenntnis:Keiner ist für uns da, keiner hört uns!"

Wahrlich, jeder Selbstmord aus wirtschaftlicher Not. jeder Zusammenbruch einer zu Tode gequälten Seele bedeutet eine

Au in Tode einer deutschen Kaiserin am ji. April und ihrem letzten Gang am ly. April ly2f

Vom 2. April bis zur Sonntagsnacht des 11. April 1821 rang eine Frau unter heftigen körperlichen Schmerzen und seelischen Kümmernissen mit dem, was hoch und niedrig in einer Sekunde in eine Linie stellt, mit dem Abscheiden aus dieser Welt und allem, woran sich dos Herz in Liebe und Leid geklammert hat: die letzte deutsche Kaiserin, Auguste Viktoria, tat im stillen Sterbezimmer im Hause Doorn, im Exil, den letzten Atem­zug, betreut von ihm, dem ihr ganzes Denken und Dienen ge­widmet war und den zu verlassen ihr so unendlich schwer fiel: Ich darf nicht sterben, ich kann ihn nicht allein lassen", immer und immer wieder hat sie das stöhnend beteuert und damit die höchste Sendung des Weibes erfüllt, treue Liebe bis zum Grabe .

»Man ziehe die Wertlinie eines Menschen nicht durch sein Alltagsleben, sondern durch seine Höhepunkte. Der Mensch ist, was er sein kann oder sein möchte". So hat Boesch gesprochen und damit unbewußt einen Fingerzeig gegeben, wie man am besten und gerechtesten Stellung gewinnt zu der Frau, die vor nunmehr einem Jahrzehnt von uns ging

Die deutsche Kaiserin ist tot, aber Auguste Victoria lebt. An ihr zerbricht mit absoluter Restlosigkeit der Hader um mo­narchistische Streitereien. Sie hat gewußt, was sie sein kann, und nicht mehr erstrebt als das, was sie sein möchte. Sie war in allen Phasen ihres Lebens immer und ausschließlich zuerst die deutsche Frau, die deutsche Mutter, die fromme Christin, die treue Gattin, die hilfreiche Freundin und wurde sich erst dann ihrer Majestät bewußt, wenn man Sturm lief gegen ihren Mann oder ihre weibliche Würde. Der Verlust der Krone Hai sie tief geschmerzt, der Verzicht auf Pomp und Prunk fiel ihr federleicht, der Verlust der Heimat aber hat sie ins Grab gebracht.

Sie hat es wahrhaft königlich und meisterlich verstanden, in den Uebermittlungen ihres Empfindens, das sie makellos und schlackenrein aufzudecken liebte, weil sie es durfte, ihre Gedanken so klar und ungeschminkt, so gefühlsecht und wirklichkeitsgemäß zu formen, daß man meinen könnte, sie habe das nicht von ihrer hohen Warte aus gesehen und beurteilt, sondern mitten drin gestanden in dem Leben, das sie umpulste.

Führte sie das Schicksal auf Höhen hinauf, so bewahrte sie sich Schwindelfreiheit. Der Thron wurde ihr zur Kanzel, von der aus sie als Landesmutter zu ihren Kindern sprechen durfte, und nicht zur Kommandobrücke, um Befehle zu erteilen. Ihre siebenfache Mutterschaft faßte sie als eine Gnade Gottes auf und als die Aufgabe, in ihren Kindern das Wesen und Wollen ihrer Landeskinder zu erkennen.

»Dona- nannte sie sich selbst als Kindchen, und das läßt sich just auf sie selbst übertragen. Sie wollte geben und nichts sür sich haben! Ueber bescheiden in ihren Ansprüchen, war ihr Sinnen immer auf das Wohl der anderen gerichtet) das war ihr Leben, das war ihr Sterben.

Man forsche nach, was einst ein Geist wie Bismarck an ihr gelobt und bewundert hat und was er an Winken, Hinweisen und Belehrungen von ihr empfangen zu haben freudig aner­kennt. Dian höre unseren Reichspräsidenten von Hindendurg, was dieser Heros jener Frau noch heute dankt.

Im Dörfchen Dölzig bei Sommerfeld in der Niederlsusitz wurde sie am 22. Oktober 1858 geboren. In dem schlesischen Städtchen Primkenau, in ihrem dortigen Lieblingsschlößchen und in Kiel verlebte sie eine glückliche Jugendzeit, um am 27.

Februar 1881 dem Prinzen Wilhelm die Hand fürs Leben zu reichen. Wurde durch ihre Heirat der »tragische Konflikt" zwi­schen ihrem Hause und dem Reiche zu aller Zufriedenheit bei gelegt, so fiel doch auch auf sie der Schatten, der den entthronten Vater frösteln machte) gebar sie sieben Kinder und gab ihnen Lebenslust und Lebensweisheit, so mußte sie gerade ihren Lieb lingssohn Joachim hergeben. Immer hatten die Parzen ein Doppelgewebe für sie bereit, die Seidenschnur der Freude und den Nesselfaden des Lerdes!

Die geliebte heimatliche Erde hat sie wieder. Man wird der Kaiserin Auguste Viktoria viele Nekrologe schreiben, die Zeit wird dem Dichter Paul Warncke recht geben müssen: Königlicher sah ick keine.

Keine, die so deutsch wie Du!"

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Vom Tag der Beerdigung lassen wir den eigentlich nicht zur Veröffentlichung bestimmten Brief einer Augenzeugin spre­chen, dem man am besten nichts vorausschickt und nichts an­fügt, der diktiert ist von einem deutschen Heizen, der uns ein Bild malt, der uns jubelnd und weinend zugleich macht, ein Brief, der uns hinter dem Trauerschlerer dieses Tagech.ein deutsches Glück erinnern und ahnen läßt:

Berlin Dienstag, den 19. April 192l.

Tag von Sansouci!

Sansouci ohne Sorgen"!

Ohne Sorgen ruht da jetzt endlich ein armes, deutsches Menschenherz. Man möchte wünschen, daß da auch bald ein anderes, unruhvolles, ruhen möchte ohne Sorgen.

Ich sah Fünferlei: Die tote Kaiserin, die Kronprinzessin. Hindendurg. Ich sah ein tiefteilnehmendes Volk und sah Hoffnung, Zuversicht auf Deutschlands Zukunft.

Morgens um 4 Uhr brachen wir auf. Es dämmerte) frisch und rein der Morgen, hell der Himmel und strahlend die stei­gende Sonne. Um '/z7 Uhr in Charlottenhof-Potsdam Wir strebten dem Brandenburger Tor zu, dem Menschenstrom ent­gegen. Ob wohl in Berlin auch noch Menschen geblieben waren? Es war erhebend, es war eine Freude, es war jedenfalls so, daß meine Freude die Trauer überstieg. Mann und Frau, jung und alt, vornehm und gering alle, alle kamen, obwohl sie keiner gerufen hatte. Noch nie habe ich dergleichen gesehen. Am Tor brandete es, es war ja auch dasBrandenburger" Tor. Da quoll es herein in die Stadt Und da sah man unter dem schlichten Alltagspublrkum der Städte etwas, was man lange nicht gesehen hatte: den preußischen Offizier der Vorkriegszeit. Und ich war erstaunt und froh, welch prachtvolle Menschen die deutsche Erde erwachsen läßt, soviel Schönheit und Kraft.

> I uniUrnUdsra Osrlsii««,

WKM. 83!j-8vSM888

Stuttgart, IVarsstrsSs 47, Islepkon 26477 gasuekt