Leite 2 Nr. 54

Nagolder Tagblatt »Der Gesellschafter*

Freitag, 6. März Igzi.

Curtius klier Friede, Mrkßuug uud KrieMuldlkge

Vien, 5. Mürz. In einer Besprechung mit Vertretern der Presse sagte Reichsaußenminister Dr. C u rtiu s: Mein Besuch in Wien ist keineSensation". Ziel und Methode der österreichischen Politik decken sich mit denen der Politik des Deutschen Reichs, alles, was in unsern Kräften steht, zur Förderung und Sicherung eines Friedens der Gerechtig­keit und Gleichberechtigung beizutragen. Die Belastung des deutschen Volks wird dadurch für unser Volk ins Unermen« siche gesteigert, daß uns der Versailler Vertrag noch fort­laufend ungeheure Leistringen auferlegt hat- Ich habe vor kurzem die Wirkschafkswidrigkeit dieser einseitigen Kapital-« entziehungen dargetan und auf die Zusammenhänge zwischen der Wirtschaftskrise und der Verelendung durch unerträg­liche Belastungen hingewiesen. Niemand vermag heute zu sagen, wie sich die Lösung gestalten wird. Auf joden Fall wird sie im Rahmen der Verträge und der Zusammenarbeit liegen, und auf keinen Fall darf Deutschlands sittlicher und sozialer Lehensstand noch weiter gefährdet werden. Die deutsche Politik kann nur auf Erhaltung und Sicherung des Friedens gerichtet sein.

Dies bedeutet den Ausgangspunkt unserer Politik um so mehr, als Deutschland große Forderungen an die Zukunft zu stellen hat. Wir haben sehr wohlbegründete Ansprüche und werden nicht erlahmen, diese mit zäher Geduld und unerschrockenem Mut zu vertreten, dis uns ihre Befriedi­gung sicher ist. Wir werden aber dieses Ringen um unsere Zukunft nur mit friedlichen Mitteln austragen.

Der Völkerbund hat oft genug die Erwartungen nicht erfüllt, die in ihn gesetzt wurden: ich will aber auf der an­dern Seite auch mit Befriedigung anerkennen, daß es dem Völkerbund wiederholt gelungen ist, ausgleichend zu wirken. Sein wahrer Wert wird sich erst erweisen, wenn es ihm ge­lingt, die ihm übertragenen großen Ausgaben zu lösen. Als Deutscher denke ich sehr vor allem an die Durchführung der Abrüstung und eine loyale Regelung der Minderheitenfrage. Wir erwarten von der allgemeinen Abrüstungskonferenz, daß sie der überspannten militärischen Bereitschaft zahlreicher Länder ihren bedrohlich n Charakter nimmt und das gleiche Recht aller Völker ans Sicherheit nicht nur anerkennt, son­dern auch verwirklicht.

Dieses gleiche Recht auf Sicherheit ist für uns aber nicht ein relativer, sondern ein absoluter Begriff. Wir können es nicht verstehen, daß Ursprung oder Ausgang des Kriegs den RlaWab für die Zukunft abgehen, daß aus irgendwelchen Gedankengängen heraus ie nach dem Volk, um das es sich handelt, verschiedene Blaßstäbe gelten sollen, oder daß man versucht, einen Unterschied zu machen in der moralischen Be­rechtigung dieses Anspruchs, je nachdem er von uns oder von den andern erhoben wird. Wir erheben vor allem Einspruch gegen die fteremziehuna der fatschen Kriegsschuldthese in die Zusammenhänge der Abrüstungsfrage.

Abschluß der Besprechungen über die wirtschaftliche Zusammenarbeit

Wien, 5. März. Reichsminister Dr. Curtius und Staatssekretär Dr. Pünder suchten heute vormittag Dr. Schober auf und hatten mit ihm eine neue Bespre- A u n g. die vor allem einer engeren Zusammenarbeit Deutschlands und Oesterreichs auf wirtschaftspoliti­schem Gebiet galt. Die Beratungen, an denen die Ge­sandten der beiden Länder und die beteiligten Sachverstän- drgen teilnahmen, konnten heute abgeschlossen werden.

Line ungarische Stimme zum Wiener Besuch

Budapest, 5. März. In einem Leitartikel desPesker Lloyd" beschäftigt sich der frühere Minister des Aeujzeren, Dr. Gra z, mit dem Wiener Besuch des Reichsnußen- ministers Dr. Curtius und sagt u. a.: In Ungarn wird jeder Beweis einträchtiger Zusammenarbeit zwischen den Heiden deutschen Staaten mit dem Gefühl inniger Befriedigung ausgenommen. Wir fühlen uns als M i t g l i e d e r des­selben politischen Interessenkreises, zu dem auch Deutschland und Oesterreich gehören, und wir sind uns klar de her, daß sich aus dieser Gemeinschaft der Gesichtspunkte, die wir in den großen politischen Fragen zu vertreten haken, Forderungen erbeben, die uns in un­serer Politik bei dem gleichen Ziel einen gleich­laufenden Weg vorschreiben.

nicht länger an, daß Reich und Staat ruhig Zusehen, wie auch die gesündesten Gemeinwesen unter der Last der Wahl­fahrtsausgaben zusammenbrechen. Darüber werden die Ge­meinden demnächst mit dem Minister Severing ein Wörtlein reden.

Die Niederlande im Fall eines Kriegsausbruchs

Haag. 5. März. In Beantwortung einer Anfrage, welche Stellung die Niederlande im Fall eines Kriegsausbruchs zu anderen Staaten einzunehmen hätten, hat der Außenminister der Ersten Kammer folgende Erklärung zugehen lassen: Nach Ansicht der Regierung könne sich Holland im Hinblick auf seine Mitgliedschaft beim Völkerbund nicht mehrin allen den Fällen, in denen dies im Jahr 1914 noch möglich gewesen wäre, für neutral erklären. Bei einem Kriegsausbruch müsse man davon ausgehen, daß einer kriegführenden Macht der D u r ch m a r s ch durch hol­ländisches Gebiet nur unter den im Völkerbundspakt vorgesehenen Bedingungen gestattet werden dürfe und daß in den übrigen Fällen Holland vollkommene Hand­lungsfreiheit habe. Die pflicksimäßige Beteiligung an einer wirtschaftlichen Blockade, die sich gegen den als An­greifer bezeichneten Staat richte, beschränke sich gleichfalls auf die im Völkerbundspakt voraesehenen Fälle. Die hollän­dische Wehrmacht sei nach Auffassung der holländischen Re­gierung auf Grund der Bestimmungen des Völkerbunds­paktes zur praktischen Beteiligung an einem Krieg nicht genötigt. Holland müsse im Gegenteil dazu beitragen, der Ausdehnung eines etwaioen kriegeri­schen Zusammenstoßes vorzv^eugen und die Einbenehung holländischen Gebiets in die Kriegszone zu verhindern.

Aus Stadt und Land

Nagold, den 6. März 1931.

Nur wer sich an einen Menschen ganz verliere« kann, findet sich selbst.

Gieb ihm Süßes!

Die tägliche Portion Seelenstärkung

Wir sehen täglich, daß nichtssagende, eigentlich völlig überflüssige weibliche Lebewesen ernste, tüchtige Männer beherrschen und sie am Gängelband führen, wie junge Tiere. Die Macht beruht lediglich in der instinktiven Er­fassung der menschlichen und männlichen Natur. Denn diese Frauen verabreichen ihren Männern jene tägliche Dosis seelischen Honigs, die notwendig ist zum Leben, wie Eiweis und Kohle.

Nicht der ist dein größter Feind, der dir Geld und Ent raubt, sondern der dir dein Selbstgefühl und den Glauben an dich stiehlt.

Man liest in Aphorismen und schönen Leitsätzen immer wieder von dem hohen Wert des ehrlichen, derben Freun­des, der dir die Wahrheit wie einen Kinnhaken ins Gesicht schlägt und dich von deiner Minderwertigkeit überzeugt. Glaube mir: Auf die Dauer wird dieser unerträglich und überflüssig. Du hörst es gern, wie klug, tüchtig, bescheiden, eigenartig und hübsch du bist und wie flott und leicht du schreiben kannst. Dich kümmert es gar nicht, ob der Schmeichler es so meint. Du klammerst dich an den Gedan­ken. daß vielleicht doch etwas Wahres an seinen schönen Worten sein könnte!

Zeige mir nun den Mann, der vorgibt, für Schmeiche­leien unempfindlich zu sein: Er täuscht sich oder dich. Von der Frau braucht nicht gesprochen zu werden. Sie kann vielleicht ohne Sauerstoff und ohne Vitamine, aber nie­mals ohne Schmeicheleien leben.

Aber auch dem Manne muß im täglichen Leben immer aufs Neue beigebracht werden, wie tüchtig stark und klug er ist. Es mag ein paar verhärtete Exemplare geben, die wie ein Fels im Meer, unberührt von den brandenden Wogen blieben. Aber dem Durchschnittsmann ist dieser tägliche Honig nicht weniger wichtig, als der Frau.

Und hier setzt die weibliche Macht ein.

Die Frau, die entweder aus Dummheit und lleberzeu- gung, oder aus Klugheit und freundlicher Unehrlichkeit täglich neue Wege findet, ihrem Manne seine Hochwertig­keit beizubringen, hat am wenigsten eine Rivalin zu be­fürchten. Sie beherrscht ihn, indem sie ihn anbetet.

Das ist das ganze Geheimnis.

Und je beschränkter die Frau ist, mit desto ehrlicher Ueberzeugung reicht sie ihm diese Portion Honig für das tägliche Brot seines Selbstgefühls. Desto Heller strahlt auch seine Elorole und desto klarer erkennt er, was er an dieser

Frau hat. An dieser famosen, klugen Frau, die manch­mal als einzige in der ganzen Welt, seinen wahren Wert zu schätzen weiß.

Die NSDAP, trommelt weiter

Nach einleitenden Worten des hiesigen Ortsgruppen­leiters, der die Verhältnisse in den Zentrumsversamm­lungen in Horb insbesondere beleuchtete, wonach in diese Versammlungen nur Bezirks- oder Dekanatsamtsangehö- rige hinein dürfen, sprach der Reichstagsabgeordnete und Schriftleiter der märkischen nationalsozialistischen Zei­tung Wigand vor voll besetztem Löwensaal über den Auszug der 198 Reichstagsabgeordneten. Seine von Be­geisterung getragenen sachlichen und mehrstündigen Aus­führungen waren durch eine feine Satyre und treffenden Witz aufklärend und zugleich unterhaltend gestaltet. In der Behandlung eines hier verteilten sozialdemokratischen Flugblatts wies es die faustdicken Lügen dieser Partei zurück und betonte, daß man hiermit nicht dieKonjunk­turerscheinung" des Nationalsozialismus zurllck- dämmen könne. Kurz gefaßt führte er weiter aus: Das Ausland ist dem Nationalsozialismus deswegen nicht freundlich gesonnen, weil es weiß, daß mit dem 3. Reich die Reparationslasten aufhören, wogegen diese weiter ge­hen, wenn wir das heutige System behalten. Mir sind aus dem Reichstag ausgezogen, weil das oberste Gesetz unseres Handelns das Wohl des Volkes ist und niemals das Volk unfreier war als heute unter dem Regime des Novembersystems, das so faul ist, daß es durch das Re­publikschutzgesetz seine eigenen Verbrechen bemänteln muß. Nach den Worten Göbbels will der Nationalsozia­lismus mit sittlichen Mitteln einen unsittlichen Staat zerstören, wogegen im November 1918 mit unsittlichen Mitteln ein sittlicher Staat zerstört wurde. Der heutige Staat hat nichts mit dem deutschen Wesen zu tun. Auch durch die Aufhebung der Immunität kann man dem Nationalsozialismus nicht Einhalt gebieten, mag auch der Weg der Führer zur Freiheit durch die Zuchthäuser des heutigen korrupten Systems gehen. Allen ihren Program­men entgegen haben sich die Poungparteien mit der So­zialdemokratie gegen den Nationalsozialismus zusammen- geschlosien und brechen die Verfassung, die sie zu schützen angeben. Im Reichstag herrscht allen schönen Worten zum Trotz eine Krisenstimmung, die beweist, daß das Kabi­

nett Brüning auf recht tönernen Füßen steht und die Re­gierung fühlt, daß ihr nahes Ende nicht mehr weit ist. Auch auf dem Gebiete des Volkstums und der Volksseele macht sich das Wirken des NS. bemerkbar und wirkt läu­ternd auf das deutsche Volk. Noch sind wir kein geeintes Volk, das seine Ehre zurückerobert hat, noch sieht das Ausland mit Verachtung auf uns herab, aber bald wird es soweit sein, daß die verantwortlichen Herren nicht nach Palästina laufen, sondern sich vor einem deutschen Gericht und deutschen Gesetzen zu verantworten haben werden, weil sie das Volk bewußt ins Elend führten. Für das deutsche Volk heißt es bald: Sein oder Nichtsein oder übersetzt: Nationalsozialismus oder Novemberdemokratie. Wenn wir aus dem Reichstag ausgezogen sind, dann ver­sagen wir uns nicht der Arbeit, denn im Reichstag der Nachkriegszeit wurde noch niemals gearbeitet, lediglich dem Namen des Ortes entsprechend parliert (Parlament), auf gut Deutsch: geschwätzt.

In seinen nachfolgenden Ausführungen behandelte der Referent die Ziele und die Idee des Nationalsozialis­mus und die geschichtlichen Zeitkäufe von 1848 bis 1914 und fuhr dann fort: Wir verbeugen uns nicht in hündi­scher Ergebenheit vor unserem Führer Hitler, wir sehen ihm frei u. offen in sein deutsches Gesicht u. folgen dem Mann, dessen Gedanken bei Tag und Nacht nur von dem Wie diene ich meinem Volke?" geleitet sind. Hitlers Le­ben beweist, daß er nicht nur Worte macht, sein Leben besteht aus Taten. Wir sind ausgezogen aus diesem Par­lament. um zu bedeuten, daß wir nichts mit denen zu tun haben wollen, die Verrat am Volke getrieben und es in Schmach und Schande gebracht haben und weil man uns durch Brechung der Verfassung eine Arbeit unmöglich machte. Das 3. Reich wird leuchten, wenn der Parlamen­tarismus verschwunden ist und wenn wir gefragt wer­den, was ist Sozialismus, dann antworten wir:Allge­meinwohl geht vor Privatnutz", denn schließlich kann der einzelne nicht bestehen, wenn das Vaterland nicht lebt. Wir handeln nach dem Ausspruch unseres Führer, der sagte, daß Widerstände nicht dazu da sind, um sie zu um­gehen, sondern um sie zu brechen. Der Tag wird nicht mehr fern sein, wo es nicht mehr heißtDeutschland er­wache" sondernDeutschland ist erwacht" und dann gibt es auch keine nationalsozialistische Partei mehr, ebenso wenig wie eine andere, sondern dann haben wir ein freies, geeintes deutsches Volk. Mit großer Begeisterung

Friedrich v. Bodelschwingh

Es ragt Dein Werk, durch frommen Liebeswillen,

Daß es aus Elend Menschenbrüder-rette,

Gegründet, hoch als eine Weihestätte,

Des Christ-Seins tiefstes Wesen zu enthüllen.

Mag rings blindwüt'ger Haß die Geißel schwingen, Fürst Mammon brüsten sich auf güldenem Throne Das Hohelied vom ewigen Menschensohne,

Ich hör's aus jenen Tempelhallen klingen.

Und weiß, wie tief die Welt verstrickt dem Bösen, Einmal, wie spät auch, muß es doch erliegen!

Dein Werk, es lehrt uns, Nöte zu besiegen Und durch der Liebe Macht vom Hatz zu lösen!

Florentine Gebhardt.

Vater Bodelschwinph

Zum 100jährigen Geburtstag

Von O. Bungeroth

Am 6. März dieses Jahres wird in Bethel und weit dar­über hinaus der 100jährige Geburtstag Vater Bodel- fchwings festlich begangen werden.

Warum wird Pastor Friedrich v. Bodelschwingh heute allgemeinVater Bodelschwingh" genannt? Weil er nicht nur der liebevolle und treubesorg^e Vater seiner eigenen acht Kinder war, von denen ihm nicht weniger als vier in wenigen Tagen entrissen wurden. Nein, weil er ein Vater aller leiblich und seelisch Angefochtenen war und in seiner wahrhaft väterlichen Gesinnung Einrichtungen geschaffen hat, die heute noch der Not unseres Volkes zu steuern in weitem Umfang geeignet sind.

Was ihn dazu befähigte, war vor allem sein felsenfestes Gottvertrauen und sein wahrhaft kindlicher Glaube. Kind­lichkeit war bei aller Mannhaftigkeit seines Wesens, die sich nicht scheute, auch den Großen dieser Welt einmal eine ihnen unangenehme Wahrheit zu sagen, ein Hauptgrundzug seines Charakters. Es gehört zu den tiefsten Geheimnissen des christlichen GlaubenÄebens, daß ein Mann, der täglich mit dem größten leiblichen und seelischen Elend in allernächste Berührung kam, doch voller Fröhlichkeit war und einen geradezu unversiegbaren Humor besaß.

Vor allem zeigte sich dies in seinem Umgang mit den Kindern. Er hat keine Predigt gehalten, ohne von der Kanzel herab etn Zwiegespräch zu halten mit den in den vordersten Bänken sitzenden epileptischen Kindern und durch Frage- und Antwortspiel ihre zum Träumen geneigten Sinne anzuregen. Einmal hatte man vergessen,, bei der Ein­weihung der erweiterten Eckardtskirche die Kinder in die vorderste Reihe zu setzen, aber Vater Bodelschwingh ruhte nicht, trotz der Anwesenheit des Herrn General­superintendenten, bis die Kinder vor ihm saßen, weil er ohne ihren Anblick nicht predigen könne.

Vater Bodelschwinghs kindliche Fröhlichkeit strahlte lauter Frohsinn aus, der mit unwiderstehlicher Gewalt auch Trüb­sinn und Traurigkeit überwand. So schreibt auch sein jüng­ster Sohn, der jetzige Anstaltsleiter, er habe als Kind nicht verstanden, was die vielen Leute in die Studierstube seines Vaters geführt habe, aber er und seine kleinen Geschwister haben doch damals schon die ihnen unverständliche Ent­deckung gemacht, daß alle diese Leute mit traurigen Ge­sichtern in die Studierstube hinsingegangen seien, aber mit fröhlichen Gesichtern wieder hinaus.

Bethel, die Stadl der Barmherzigkeit

Bethel wurde 1867 gegründet, 1869 übernahm Pastor Friedrichvon Bodelschwingh die Leitung. Bethel

hat enva 6060 Einwohner, mit Zweiganstalten zählt es 10 000 Menschen. In der Hauptsache dient die Anstalt der Krankenpflege, insbesondere der E p i l e p t i s ch e n p fl e g e. 1929 wurden 2497 Epileptische, 782 Nervenkranke und 5760 körperlich Kranke und Altersschwache gepflegt an 1148 145 Pflegetagen. Im Dienst an diesen Kranken stehen 1841 Schwestern aus der westfälischen Diakonissenanstalt Sarepta mit 300 Helferinnen, und aus der Diakonissenanstalt Naza­reth 554 Diakone.

Im Rahmen der Anstaltsarbeit befinden sich eine ganze Reihe Betriebe, in denen zum größten Teil, soweit es möglich ist, die Pfleglinge angelernt und beschäftigt werden. Es gibt z. B. dort: 3 Tischlereien, 4 Schuhmachereien, 2 Bäcke­reien, 3 Schlossereien. 2 Schneidereien, 2 Waschanstalten, 3 Kolonialwarengeschäfte, Gärtnerei, Sattlerei, Buchbin­derei und Schriftenniederlage, Brockensammlung und Webe­schule. Baubetriebe: 2 Ziegeleien, Töpferei, Maurer­geschäft, 2 Anstreichereien, Zimmerei, 3 elektrische Zentralen, Wasserwerk, Vandschaftsgärtnerei. Bethel ist gewisser­maßen eine selbständig verwaltete Ortschaft, die sogar eine eigene Post hat. An sonstigen Betrieben gibt es noch: 1 Fuhrgeschäft, 1 Druckerei, 2 Schlachthöfe, 1 Mühle, 2 Apotheken, 1 Badeanstalt, 2 Barbierstuben, 1 Kaffeestube und 2 Hospize. Jeder dieser Betriebe steht unter einem be­sonderen Leiter.

Großen Raum nehmen die landwirtschaftlichen Betriebe ein: In Eckartsheim allein sind sechs derartige Betriebe: Wilhelmsdorf und Schillingshof (Arbeiterkolo­nien), Jericho und Rehoboth (für Gemütskranke und Epi­leptische), Heidegrund und Fichtenhof tErziehungshäuser). Hier leben 1600 Menschen auf einer Grundfläche von 2700 Morgen. In Freistatt und Hermannsheide beträgt die Grundfläche insgesamt 4500 Morgen. Die landwirtschaft­lichen Betriebe haben in den letzten Jahren bei zunehmen­der Erwerbslosigkeit immer größere Bedeutung erlangt.