Seite 2 Nr. 27

NagolLrr TagblattDer Gesellschafter"

Dienstag, 3. Februar 1331.

Leute im Felde waren und zufälligerweise wissen, was Dum-Dum-Eeschosse sind. Unserer unmaßgeblichen Mei­nung nach sind Geschosse mit abgezwickten Spitzen, wie sie vor uns auf dem Tisch lagen, keine Platzpatronen.

In einem zweiten Bericht dieser Zeitung finden wir fol­gende Sätze: Mit einem Appell, sich der großen Freiheits­bewegung des arbeitenden Volkes in Deutschland unter Führung der kommunistischen Partei anzuschließen, schlos­sen die Ausführungen des Genossen Schlaffer, die von einem Riesenbeifall des grössten Teiles der Anwesenden begleitet waren. Selbst auf einen großen Teil der Nazi hatten seine Ausführungen sichtlich grohen Eindruck ge­macht.

Wahrscheinlich haben die kommunistischen Ohren bei solchen Anlässen Verstärker eingebaut, sonst können wir uns nicht vorstellen, wo der Beifall desgrößten Teiles der Anwesenden" hergekommen sein sollte.

Zum Schlug hielt Bätzner eine ganz gemeine Hetze ge­gen die Südd. Arbeiterzeitung" und persönliche Hetze ge­gen den Genossen Schlaffer und bereitete damit die später erfolgte blutige Auseinandersetzung vor.

Er stachelte die anwesenden Nationalsozialisten in ei­ner solch unerhörten, schamlosen Weise auf, daß es ein Wunder war, dah die Versammlung nicht schon jetzt aus­einandergehauen wurde. Mit unzweideutigen Worten kündigte er die Saalschlacht an und meinte, dah dann die Nationalsozialisten nie wieder in eine kommunistische Ver­sammlung zu gehen brauchten, weil die Kommunisten keine wieder machen könnten.Lumpen" undStrolche" hagelte es nur so von seinem Munde.

Als Bätzner mit seiner Hetzrede geschlossen hatte, stan­den aus vorher verabredete Kommando die gesammelten nationalsozialistischen Versammlungsbesucher auf und sangen das Hitlerlied.

Trotz dieser verabredeten Provokation blieb die Ver­sammlung ruhig und keinerlei Angriff erfolgte von seiten der Arbeiter. Nur die im Nebenzimmer untergebrachten Jungarbeiter sangen als AntwortBrüder, zur Sonne, zur Freiheit!" Als die Nationalsozialisten geendet hat­ten, da warf nach vorheriger Verabredung der bereits ge­nannte Tambourmajor der Nationalsozialisten ein Bier­glas nach den kommunistischen Versammlungsbesuchern, das wieder zurückgeworfen wurde. Auch jetzt stand infolge der Disziplin der Arbeiter im Saal noch alles so, als ob es schien, dah die Versammlung ruhig beendet werden konnte. Jedoch die Hintere Hälfte der Nationalsozialisten, die sich inzwischen zum Angriff umgruppiert hatte, wandte sich zu einem Angriff gegen die im Nebenzimmer unter­gebrachten Jungarbeiter und überschütteten diese mit ei­nem Hagel von Bierflaschen und Gläsern. Gleichzeitig fie­len Schüsse und ein im Vordergrung befindlicher Natio­nalsozialist begann die Schieherei nach der Bühne und dem Rednerpult. Es steht zweifelsfrei fest, dah die Natio­nalsozialisten ein Blutbad unter unseren Anhängern wollten. Nun setzte natürlich mit aller Wucht der Gegen­angriff der Arbeiter ein. Eine Gruppe Nationalsoziali­sten. die ganz vorne an der Bühne sahen und den Versuch machten, die Bühne zu stürmen, wurden mit einem Ruck in den Saal hineingeworfen und nun setzten sich die ver­sammelten Arbeiter immer energischer zur Wehr. Nachdem Biergläser und Flaschen nicht mehr vorhanden waren, griff man zu den Stühlen und Stuhlfühen. Krachen und Knirschen und Splittern setzte ein, wie wenn die Hölle losgelassen wäre. Diese Gegenwehr der Arbeiter hatten die Nationalsozialisten nicht vorausgesehen! Eine Anzahl Nationalsozialisten sprang zum Fenster hinaus. Ein Teil wurde in den Keller Hinuntergetrieben. Andere hatten sich im Abort verschanzt. Die im Keller befindlichen National­sozialisten kamen unseren Genossen mit flehenden Gebär­den und Beteurungen entgegen. Ein älterer Mann sagte:

Bruder, gib mir Deine Hand, ich habe nichts getan, ich werde nie wieder in eine solche Versammlung gehen, und diese Uniform nie wieder anziehen. Ich habe sechs Kinder zu Hause". Keinem der Arbeiter fiel es ein, diesen Nationalsozialisten irgendwie zu schlagen. Wir waren nach Nagold gegangen, um eine ideologische (!) Auseinander­setzung mit den Nationalsozialisten durchzuführen u. die nationalsozialistischen Arbeiter und Anhänger für den Kommunimus zu gewinnen. Gerade die Bevölkerung von Nagold fühlte besonders schwer den nationalsozialistischen Terror. Kleine Geschäftsleute haben uns noch am Ver­sammlungstage ihr Leid geklagt. Wer nicht mit den na­tionalsozialistischen Wölfen heult, der wird boykottiert und dessen Geschäft wird zugrunde gerichtet. Gerade die Fa­milie Bätzner, die selbst Kleingewerbetreibende sind, ist führend auf diesem Gebiet. So fühlen die Kleingewerbe­treibenden in Nagold den nationalsozialistischen Terror am schlimmsten, obwohl gerade die Nazis immer betonen, dah sie die Interessen der Kleingewerbetreibenden ver­treten. Nach Räumung des Saales begannen die Natio­nalsozialisten die Fenster des Saales von auhen einzu­werfen. Revolverschüsse hallten durch die Nacht. Flaschen von Salmiakgeist wurden durch die kaputten Fenster in den Saal geworfen. Die Arbeiter haben bereits beschlos­sen, auf die Strahe zu gehen und die nationalsozialisti­schen Radauhelden zu vertreiben, als der Landrat und die ganzen nationalsozialistischen Honoratioren von Nagold eintrafen und versprachen, dah die Steinwurfe unterblei­ben. Arbeiter, die sich unvorsichtigerweise ans Fenster wagten oder hinausschauten, auf die wurde dennoch sofort von unten geschossen. Nach dem Eintreffen der Landespo­lizei aus Stuttgart wurde eine eingehende Durchsuchung der im Saal befindlichen Versammlungsteilnehmer durch­geführt und gegen halb 9 Uhr morgens konnten diese ohne Verhaftungen abziehen. Ein Nazi soll mit zwei Bauch­schüssen in der Tübinger Klinik liegen. Trifft dies zu, so steht einwandfrei fest, dah das nur von Nationalsozialisten selbst geschehen konnte, weil von den Arbeitern keine Schuhwaffen gebraucht wurden. Hier ist wieder ein Natio­nalsozialist das Opfer seiner eigenen Freunde geworden, die in ihrer hysterischen Mordgier eben wahllos um sich geschossen haben. Die Arbeiter hatten auch keine Gummi­knüppel oder Stahlruten.

Nun wollen wir es genug sein lassen des grausamen Spieles. Wir glauben diese Gerichte aus der Lügenküche dieses Strauchritterreiches haben genügt, um jeden, der von seinen fünf Sinnen noch einen als gesund bezeich­nen kann, klar aufzuzeigen, wie heute von solchen ver­antwortungslosen Elementen Politik und inWahr­heit" gemacht wird und wie, bewiesen durch die ein­gangs angeführten, zweifelsfrei zu Mord, Totschlag u. Bürgerkrieg. aufhetzende Ueberschriften, bald der Tag kommen wird, wo nur ein einiges deutsches Bürgertum, begonnen vom jungen Menschen bis ins hohe Alter, sich des alles vernichtenden Bolschewismus, erwehren kann. Die Männer Moskaus kennen kein Verhan­deln an und lasten sich nicht belehren, sie gehorchen nur

der harten Faust. Auch unsere Regierung muh endlich hellhörig werden, mit eisernem, rücksichtslosen Willen durchgreifen, wenn sie nicht eines schönen Tages ihr ei­genes Fell über den Kopf gezogen haben und das deut­sche Volk nicht unerbittlichen Fanatikern ausgeliefert sehen will, die, wenn sie einmal die Zügel der Macht wie in Rußland in Händen haben, sie zu halten ver­stehen, koste es auch den Kopf von Hunderttausenden. Darum: Deutsches Volk! Augen auf und erkenne die Gefahr!"

Daß sich die Gemüter nicht wieder so schnell beruhigten ob all den Vorgängen, ist gar sehr begreiflich. So soll man gestern, wie wir hören, auf der Insel zwei Kom­munisten rechtliebevoll" das Ungebührliche ihres Han­delns handschriftlich klargemacht haben. Am Vormittag fand Schweinehändler Kienle beim Mistladen einen Armeerevolver, den vermutlich die Kommunisten durch ein Fenster auf den hinter dem Traubensaal gelegenen Misthaufen geworfen hatten.

Backnang, 2. Febr. Blutige Zusammenstöße zwischen Kommunisten und Nationalsozia­listen. 40 Stuttgarter Nationalsozialisten unternahmen am Sonntag eine Ausfahrt im Lastkraftwagen. Abends gegen 10.30 Uhr fuhren sie von einer Versammlung in Groß- aspach heim. Bei der Fahrt durch die Schillerstraße in Backnang entstand vor der Wirtschaft zurGermania", in der sich eine große Anzahl von Kommunisten aufhielt, eine Schlägerei, bei der von kommunistischer Seite auf die Na­tionalsozialisten geschossen wurde. Zwei'von diesen wur­den schwer, ein Dritter leicht verletzt. Auf kommunistische'' Seite sind vier Mann leicht verletzt. Da Gegenstände, wie Bierflaschen, Gläser, GummZnüppes hoch im Bogen aus der Wirtschaft flogen und den Weg wieder zurücksanden, blieb keine Fensterscheibe mehr heil. Als die Polizei erschien, war der Krach mitten im Gang, doch gelang es dem kleinen Auf­gebot, die Kämpfenden zu trennen und die Ruhe wieder­herzustellen. Auffallend bleibt, daß die Schußwaffe, von der die beiden Nationalsozialisten so schwer getroffen wurden, nicht aufgefunden werden konnte.

Reutlingen, 2. Febr. Politik aus der Straße. In der Nacht vom Samstag auf Sonntag gau es in der Pfäfflinshofstraße eine größere Schlägerei-.zwischen Kom­munisten und Nationalsozialisten. Verletzt wurdku vier Per­sonen, wovon zwei ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen muß­ten. Die Namen der Beteiligten sind festgestellt.

Neueste Nachrichten

Angebliche Pläne Brünings

Berlin, 2. Februar. In verschiedenen Blättern wurden Gerüchte über Diktaturpläne des Reichskanzlers Dr. Brü­ning wiedergegeben. Diese Pressenachrlchten haben >eht ihren Mederschlag auch in einer nationastszlalis'-'.schen An­frage im Preußischen Landtag gefunden: Nach Mitteilung

von zuverlässiger Seite soll Reichskanzler Dr. Brüning an die Regierungen von Preußen, Bayern und Sach­sen mit der Aufforderung herangetreten sein, in ein Di- rekiorium einzutreten, um unter Aufhebung der Ver­fassung des Reichs und der Länder den Reichstag für ein Jahr auszuschalten und die Länderpolizei der Reichswehr zu unterstellen.

An unterrichteter Stelle in Berlin wird diesen Behaup­tungen widersprochen.

Die bayerischen Nationalliberalen schließen sich der Deutschnationalen Volkspartei an

Nürnberg» 2. Febr. Der Landesvorstand des National- liberalen Landesverbands Bayern hat gestern nach mehr­stündigen, von Geheimrat Hans Sachs geleiteten Ver­handlungen Mit 46 gegen 3 Stimmen beschlossen, den Na­tionalliberalen Landesverband Bayern aufzulösen und seine Ortsgruppen geschlossen in die Deutschnationale Volkspartei überzuführen.

Schwere Schlägerei

Nürnberg. 2. Fehr. In einer Versammlung der Sozial­demokratischen Partei in Feucht sollte gestern Pfarrer Klein­schmidt von Eisenberg über das ThemaFaschismus, Chri­stentum und Sozialdemokratie" sprechen. Es kam zu einer schweren Schlägerei zwischen etwa 200 Nationalsozialisten und 300 Sozialdemokraten, in deren Verlaus 7 Sozialdemo­kraten und 3 Nationalsozialisten Kopfwunden davontru­gen. 4 Verletzte wurden in das Nürnberger Krankenhaus eingeliefert. Die Streitenden wurden durch die Gendarmerie getrennt und der Ort später durch ein aus Nürnberg her- beigerusenes Ueberfallkommando geräumt. Die Versamm­lung konnte nicht stattfinden.

Bei einer Schlägerei in Berlin wurde ein Nationalsozia­list erschossen.

Das Urteil im Oppelner Fliegerprozeß

Oppeln, 2. Februar. Die beiden polnischen Militär­flieger, die bei der Anwesenheit des Reichskanzlers in Op­peln dort eine Landung vorgenommen hatten, standen am Samstag vor dem Gericht in Oppeln. Beide wollten «die Richtung verloren" haben. Der Angeklagte Feldwebel Wolfs, der im Krieg d e u t s ch e r Kampfflieger war und nun im polnischen Heeresdienst steht, behauptete, wie der andere Angeklagte Imiela, sie haben keine Kenntnis davon gehabt, daß sich der Reichskanzler in Oppeln befinde, sie wissen überhaupt nicht, wer Brüning'sei ft). Bon Zeugen wurde aber bekundet, daß Wolfs bei seiner Landung fragte: «Ist Brüning da?" Gemäß dem Antrag des Staatsanwalts sprach das Gericht den Imiela fre, und verurteile Wolfs wegen Pnßvergehens zu 2 Wochen Gefängnis, die durch die Untersuchungshaft verbüßt sind.

Die erste Konkordatsbischofswahl in Preußen

Berlin, 2. Februar. Nach einer Mitteilung der Aposto­lischen Nuntiatur hat der Papst den Domprobst Dr. Joseph Vogt von Köln zum ersten Bischof von Aachen er­nannt. Die Ernennung erfolgte zum erstenmal nach den Bestimmungen des preußischen Konkordats in der Weise, dah das Domkapitel Aachen von sich aus dem Heiligen Stuhl drei Bewerber vorschlug.

Weihe des Bischofs von Meißen

Freiburg i. Br 2. Februar. Gestern fand im Freibur­ger Münster die feierliche Weihe des züm Bischof von Meißen gewählten früheren langjährigen Stadtpfarrcrs von Konstanz und Mitglied des Metropolitenkapitels der Erzdiözese Freiburg, Domkapitular Dr. theol. Gröber, durch den Erzbischof Dr. Fritz statt. Zu der Feier, der eine große Anzahl geladener Gäste beiwohnte, waren u. a. erschienen Bischof Dr. Ehrenfried von Würzburg, Erz­abt Walzer von Beuron, als Bertreter der Diözese Meißen, mfulierter Protonotar Dr. Hartmann von Bautzen, als Bertreter der badischen Staatsregierung Staatsoräsidenk Wittemann u. a.

Der ReWMMund gegen die ReWreglerM

Berlin, 2. Febr. Zur Vorbereitung der heute beginnen­den Reichslandbundtagung trat der Bundesvorstand gestern zu einer Beratung zusammen. Dabei wurde eine Ent­schließung gefaßt, die eine Kampfansage gegen die gesamte Regierung einschließlich des Reichsernährungsministers Schiele, der bis vor kurzem der erklärte Führer des Reichs­landbunds war, enthält.

In der Entschließung wird darauf hingewiesen, daß de». Reichspräsident in seiner Botschaft vom 18. März 1930 der Reichsregierung die Aufgabe gestellt habe, die Agrarmaß­nahmen mit aller Beschleunigung durchzuführen. Statt dessen hat sich die Lage der Landwirtschaft von Monat zu Monat verschlechtert. Insbesondere vermissen wir jed s Verständnis und die erforderliche rische Hilfeleistung für den wirtschaftlich zusammenbrechenden und damit national­politisch gefährdeten deutschen Osten. Die Schuld an dieser katastrophalen Entwicklung der landwirtschaftlichen Krise ist den einseitig händlerisch und exporkinduslrieil eingestellt n Interessen zuzuschreiben. Auch die gegenwärtige Reichs­regierung ist diesen Einflüssen Schritt für Schritt erlegen

und dadurch mitschuldig. Diesen Gegenkräften hätte eine Reichsregierung nur dann im Sinn des Hindenburg-Auf- trags erfolgreich begegnen können, wenn sie sich auf die Kräfte gestützt hätte, die bereit waren, die Tributfrage an- zupacken, den Schutz der deutschen Arbeit als sicherste Le­bensgrundlage des deutschen Volks aufzurichten, und wenn die Regierung sich von den marxistischen Mächten, die gegen­wärtig Preußen und von da aus die Reichspolitik beherr­schen, gelöst hätte. Die Reichsregierung habe durch ihr Versagen das deutsche Volk aufs schwerste enttäuscht und tiefstes Mißtrauen erweckt. Die Verhandlungen der letzten Tage über neue Agrarmaßnahmen können an diesem Urteil umso weniger ändern, als di« von der Regierung in Aus­sicht genommene Methode der Durchführung zu Halbheiten und Mißerfolgen führen muß. Der Reichslandbund kämpft um eine Reichsleitung, die sich freimacht von den bisherigen schädigenden Einflüssen und Abhängigkeiten und fordert daher den Rücktritt einer Regierung» die nicht sofort und ungeschmälert diese Forderung zur Tat macht.

1V. Reichslandbundtag

Der zehnte Reichslandbundtag wurde am Montag mit­tag im Zirkus Busch eröffnet. Es sprachen die Präsidenten des Bunds, Landwirt und Bürgermeister Lind, Mitglied des Reichstags, Graf Kalckreuth und Bauernhosbesttzer Bethge. In sämtlichen drei Reden kam eine entschiedene Stellungnahme gegen die Regierung Brüning in schärfster Form zum Ausdruck. Es wurde auch mit besonderer Be­tonung an die Kampftage der Caprivizeit erinnert. Gegen die Regierung wurden die in der Entschließung genann­ten Vorwürfe erhoben. In politischer Beziehung wurde scharfe Kritik dorou geübt, daß die Regierung Brüning es

nicht verstanden habe, nach den Wahlen vorn 14. September die stark auflodernde nationale Bewegung in ihrem natio­nalen Willen und ihrer Opserfreudigikeit für das Vaterland zu erfassen, um in ihr eine Stütze für notwendige, aber zwangsläufige unpopuläre Gesundung-maßnahmen zu su­chen. Als Ausgaben, die sofort der Lösung entgegengeführt weiden müssen, bezeichnete Gras Kalckreuth:

1. Rettung der Landwirtschaft vor dem völligen Er­liegen. Mit Lösung diese»: Aufgabe werde auch die heute vordringlich erscheinende Aufgabe, WiedereinsckMltung der 3 Millionen Arbeitslosen in den Produktionsprozeß, am meisten gefördert werden.

2. Befreiung der deutschen Wirtschaft von den Fesseln des Toungplans.

3. Abbau der die Hälfte des Arbeitsverdienstes des deut­schen Volks auszehrenden Ausgaben der öffentlichen Hand.

4. Umstellung der gesamten sozialen Fürsorge aus ihrer heutigen Form, in der sie nicht nur einen Anreiz, sondern geradezu in vielen Fällen einen Zwang zur Arbeitsenthal­tung bedeute.

Es wurde betont, daß der Reichslandbund nach wie vor außerhalb der politischen Parteien stehe.

Folgende Sätze am Schluß des Kalckreuthschen Berichts dürften besonders beachtet werden:

Heute darf die neue Aufgabe der produktiven llmstel- lung und der systematischen Absatzregelung nur dann mit voller Kraft von der Landwirtschaft ausgenommen werden, wenn ihr die geforderten Sicherheiter geboten sind. Bis dahin aber heißt es, äußerste Zurückhaltung wahren und unter Zurückstellung aller nicht unbedingt erforderlichen Ausgaben nur die eine Aufgabe zu sehen, den Betrieb in den nächsten Monaten nicht zürn Erliegen kommen zu lassen. Deshalb wird auch jeder Landwirt, der seine Tribukmög- lichkeiken erschöpft sieht und das dürfte heute die große Masse der Landwirte des Ostens sein sich, ehe er. sich der letzten Barmittel durch Steuerzahlung beraubt, die Frag« varlegen müssen: kannst du denn auch noch die zur Fort­führung deiner Wirtschaft notwendigen Barmittel bis zur neuen Ernte sicherstellen? Wenn nicht, dann ist es Pflicht jedes Landwirtes, im Rahmen der gesetzlich zulästigen Mit­tel alle Hebel anzusehen, um nicht durch Skeuerzahlung sich der Möglichkeiten der Erhaltung seines Betriebs Zu be­rauben."

Die Versammlung faßte zum Schluß folgende Entschlie­ßung: Die auf der Reichslandbundtagung am 1. Februar zu Berlin versammelten Vertreter der Provinzial- und Kreislandbünde erklären, daß sie geschlossen hinter der Füh­rung des Reichslandbnnds stehen und erwarten, daß die Ge­samtheit des Reich-landbunds einmütig die Maßnahmen befolgt, deren Durchführung beschlossen wird. Nur d-r Ein­satz jedes einzelnen verfügt kür den Kampf des Ganzen den Erfolg.