Seite 2 Nr. 12

Nagolder Tagblatt «Der Gesellschafter"

Freitag, 16. Januar 1931

Aus Stadl

Nagold, den 16. Januar 1931.

Wir berufen uns gerne auf unsere Objektivität. In Wirklichkeit aber meinen wir damit eine Tradition des Denkens, die uns nur deshalb so sachlich anmutet, weil sie den Gewohnheiten einer Mehrzahl entspricht. Per­sönlichkeiten sind daher immer subjektiv.

Gelenkte Kraft

Von Berufsberater D i g e l-Stuttgart.

Gor 26 Jahren war ich im Murgtal, im oberen Teil an der Badischen Grenze. Die Murg kugelte und sprudelte über hohe Felsen und Geröll aus Granit zu Tal, einge­faßt von Straßen und prachtvollen Wäldern. Und heute? Ausgetrocknet liegt der Bach, liegen die Felsen zurück­getreten vom Ufer der Wald, dagegen sind prächtige Straßen und die Eisenbahn da. Die Natur ist gestört, verändert, aber wohin kam das Wasser? Das zeigt eine Fahrt das Schwarzenbachtal, ein Seitental der Murg hinauf. Eine über 60 Meter hohe Staumauer schließt das Tal ab und dahinter ein riesiger, kilometerlanger See dort sind die Wasser der Murg, des Schwarzen- und an­derer Bäche aufgestaut und sie werden als Kraft gelenkt auf das Werk tief unten im Murgtal, in Röhren geleitet zur Erzeugung von Licht- und Kraftstrom fürs ganze Land. Vorher fast zwecklos verpufftes Spiel der Wellen, heute vollendete Ausnützung der darin liegenden Kraft­fülle; vorher ein langsames Rieseln hinab ins Tal, heute Verwertung des Gefälles und schnellster Abfluß auf die Turbinen des Werkes. Gelenkte Kraft!

Und wie viel Kraft wird verwendet auf die Erlernung eines Berufs. Ist sie auch gelenkt? Oder ist sie nutzlos aufgewendet? Verspielt, verpufft, wie die Wellen des un­gezügelten Vachs? Wie oft hat der Berufsberater das Bild der verfehlten Berufswahl vor sich!

Eine Tante, ein Onkel, irgendein Bekannter, womög­lich einer, der Interesse daran hat, empfiehlt dem Jungen, dem Mädchen den und den Beruf, die Eltern lesen im Blatt eine Stelle, hören irgendwo von einem Meister und schon ist der Entschluß da, schon ist das Kind im Beruf, in der Lehre. Wurde das Kind nach seinem Wunsch gefragt oder gingen die Eltern darüber hinweg? War das Kind für den Beruf geeignet? Ist die Lehrstelle wirklich emp­fehlenswert? Hat der Meister die Anleitungsbefugnis für Lehrlinge? Wie sind die Aussichten in dem Berufe? Ist die nötige Kraft und Gesundheit für den Beruf beim Kind vorhanden? Diese und noch eine große Reihe ande­rer Fragen wären zu erwägen gewesen, ehe der Beruf er­griffen wurde! Unsere Kinder stehen jetzt wieder vor der Entscheidung. Welcher Weg kommt für sie im Frühjahr in Frage? Sind wir uns darüber im Klaren? Haben wir uns schon umgeschaut und erkundigt? Oder lasten wir uns durch Zufälligkeiten leiten?

Gelenkte Kraft! Nur wenn das Kind am Beruf Freude hat, nur wenn es in die rechte, geeignete Bahn gelenkt wird, kann sich der vorhandene Lebensstau in den Beruf ergießen, nur dann wird die Kraft ohne allzugroße Rei­bung erzeugt, die später zur vollen Ausbildung der Per­sönlichkeit im Beruf führen kann kann! leider nicht im­mer führt! Aber geben wir die Möglichkeiten nicht zu die­ser Entwicklung, nämlich die gute, solide Grundlage, dann ist auch später die Höherführung des Baues in Frage ge­stellt. Wer aber hilft zum Finden der rechten Bahn mit? Wer lenkt die ungehobenen Kräfte ins rechte Fahrwasser? Wer zeigt die Wege? Dazu sind die Berufsberatungsstel­len da, die den Arbeitsämtern unterstehen, und wo keine vorhanden ist. kann man bei den letzteren die nächste zu­ständige Stelle erfragen. Benützet sie! Sie geben gerne unentgeltlich und unparteiisch nach jeder Richtung Aus­kunft und Rat, sie vermitteln grundsätzlich nur Lehrstel­len, die empfehlenswert sind. Die Auswahl ist in den meisten Berufen zur Zeit groß, darum gute Wahl mög­lich. Auch über Schullaufbahn, Fachschul- und Hochschul­ausbildung geben sie Auskunft, im Notfall unter Zuzie­hung des Akademischen Berufsamts in Tübingen. Kinder und Eltern weichet euch an diese, zu eurem Vesten einge­richteten Verufsberatungsstellen!.

Versammlung D.D.S.

Man bittet uns um Aufnahme folgender Zeilen:

In Nagold hat am 14. Januar eine von der Bauspar­kasse der Deutschen Vau- und Siedelungsgemeinschaft lD. B. S.) in Darmstadt abgehaltene Versammlung statt­gefunden, in der Herr Korn-Mannheim über das We­sen und die Ziele dieser Bausparkasse sprach. An der Hand ziffernmäßiger Beispiele wurden die Vorzüge des Systems der D. V. S. und seiner günstigen Wirksamkeit dargelegt. Es wurde gezeigt, daß die Zinsfreiheit der Darlehen der D. B. S. dem Vau- und Entschuldungsparer die größtmög­lichen Vorteile bietet. Weiter wurde von dem Redner der Gang der aufsteigenden Entwicklung der D. B. S. beleuch­tet. Die Zahl der Bausparer hat im vergangenen Jahre um beinahe 40 Prozent zugenommen. Der Spargelderein­gang ist um über 40 Prozent gestiegen. Die Zahl der zu­geteilten Darlehen hat sich von 1572 auf 2343 oder um beinahe 50 Proz. erhöht. Die Gesamtsumme der zugeteil- ten Darlehen ist im vergangenen Jahr von 22 auf 34 Millionen Reichsmark gestiegen. Der Redner konnte da­rauf verweisen, daß trotz der Ungunst der Zeiten infolge der Wirtschaftskrise die aufwärtsführende Entwicklung der D. B. S. nicht nur angehalten, sondern im vergangenen Jahr sich noch weiter verstärkt hat. Dies hat auch auf die Anziehungskraft der D. B. S. insofern eingewirkt, als der Neuzugang von Sparern mit einem verhältnismäßig sehr geringen Aufwand an Propaganda und sonstigen Unkosten bewirkt werden konnte. Die D. B, S. kann für sich in An­spruch nehmen, die billigst arbeitende Bausparkasse zu fein. Infolge ihres gefestigten Aufbaues bietet - sie auch die größtmöglichste Sicherheit. Die Ausführungen des Redners fanden bei den Erschienenen großes Interesse. Es ist anzunehmen, daß auch in hiesiger Gegend das für das Volkswohl günstige Wirken der D. B. S. einen weiteren Aufschwung nimmt.

Borspielabend

In der steten Reihe der Vorspielabende war gestern wiederum einmal ein Singabend zu hören und er darf in feiner Eignung für weitere Kreise als besonders erwäh­nenswert bezeichnet werden.

und Land

Durch Herrn Stud.-Rat 2 chmid am Flügel und Herrn K. Hoffmann als Tenorist kamen Löwesche Bal­laden zum Vortrag, Musik, die eine ungemeine Frische zeigt, voll echter musikalischer Freudigkeit, warm in der Empfindung und edel im Ausdruck ist, eine Musik, die, wie wir bereits in der Vorbesprechung schrieben, in ganz besonderem Maße eine Angelegenheit des deutschen Volks­tums ist und jeden als Zuhörer fesseln und gewinnen kann, der sich sonst nicht in schwierige musikalische Angele­genheit eingelebt hat. Aus der Reihe der 9 Balladen darf man denNöck" durch das feine und tiefe Verstehen der Vortragenden als gut charakterisiert und weiter das Hoch­zeitslied in einzelnen Teilen in der Disponierung als be­sonders gut gelungen bezeichnen. Das größte Gewicht lag natürlich im wuchtigenArchibald Douglas". Die Zu­sammenstellung des Programmes war Hrn.Hoffmann sehr glücklich gelungen, stets empfand man zur Erholung be­grüßenswerte innere Ruhepausen. Herr Stud.-Rat Schmid gab in glücklicher Weise vor jedem Vortrag eine eingehende Erklärung.

Der Beifall der Zuhörer war ungeheim freudig und veranlaßte Herrn Hoffmann zu einer Dreingabe, zu der er Hinkende Jamben" wählte. Ueber alles Erwarten gut war der Besuch, denn der Festsaal war bis ins letzte Eck­chen besetzt, ja, man kann ruhig vonüberfüllt" sprechen. Unter diesem Gesichtswinkel dürfte man auch einmal, zu­mal wenn man an die Aufführungen des Seminars bei dem Krippenspiele und Aehnliches denkt, an die Möglich­keit tippen, ob eine Vergrößerung des Festsaales nicht an­gebracht wäre. Wäre es möglich, so könnte es bestimmt für die Belange des Seminars nur von Nutzen und Frommen sein.

Evangelifationsvorlriige der Methodisterrgemeinde

Die Methodistengemeinde Nagold hat für die Zeit vom 18. bis 23. Januar Evangelisationsvorträge angesetzt, die von Prediger Hans Schmeißner aus Hegnach-Waib­lingen abgehalten werden. In unserer heutigen schweren Zeit beschäftigt sich wohl jeder verantwortungsbewußte Mensch eingehender denn sonst mit Fragen, die für unser Volk und für den einzelnen wichtig sind, mit Lösung von Problemen, die in einer Notzeit im engen Können mit dem menschlichen Leben stehen. So mag auch mancher sich in stiller Stunde mit dem Ziel eines jeden Lebens, dem Tode, auseinandersetzen und unbeantwortete Fragen mö­gen oft dabei aufgeworfen werden. Aus diesem Grunde wird sicherlich das Thema der angesagten Evangelisation Hinter der Todespforte" begrüßt, wissensdurstige und dankbare Zuhörer finden und mancher suchenden Seele Klarheit verschaffen. Näheres wird im morgigen Anzei­genteil bekanntgegeben.

Württ. Volksbühne

Heiterer Klassikerabend"

Die Zahl unserer klastischen Lustspiele ist gering. Les­sing begnügte sich wenn man von seinen wenig origi­nellen Jugendkomödien absieht mit der unsterblichen Minna von Varnhelm", Goethes Lustspielproduktion beschränkt sich fast ausschließlich auf seine ersten dramati­schen Versuche, Schiller war der heiteren Muse überhaupt abhold, obgleich ihm der Humor durchaus nicht abging, wie einige wohlgelungene komische Figuren in seinen Schauspielen beweisen, und Kleist hat außer seinemzer­brochenen Krug" leider nichts Heiteres mehr geschrieben.

Die Mitschuldigen" Lustspiel in Versen und drei Auf­zügen stammt aus Goethes Leipziger Studentenzeit. Es steht noch ganz im Banne der von Gottsched protegierten Nachahmung französischer Vorbilder und atmet in seiner graziös verspielten Art, ernsthafte Konflikte zu umgehen und mit anmutiger Leichtfertigkeit pikante Situationen mit bürgerlicher Moralität zu paralysieren, noch ganz den Geist des Rokokos mit seinen eben so verliebten wie ver­logenen Schäferspielen.

Der zerbrochene Krug" von Heinrich v. Kleist ist aus einem ganz anderen Ton gebrannt: Er ahnt den Natu­ralismus fast um ein Jahrhundert voraus, die Figuren sind aus dem Leben gegriffen; und ist die Sprache auch noch in den üblichen fünffüßigen Jambus geklemmt, so scheut sich der Dichter nicht, gelegentlich durch handfeste Derbheiten die Charakteristik des Milieus und der Ge­stalten zu vertiefen. Die prachtvolle Figur des Dorfrich­ters Adam, der in einer grandios gesteigerten Eerichts- scene sich selbstden Hals ins Eisen judiziert", steht wohl einzigartig in der Literatur da und hat von jeher zu den Lieblingsrollen unserer großen Charakterdarsteller gehört.

Löwen-Lichtspiele

Pat und Patachon sind wieder einmal in Nagold und zwar in einer neuen Aufmachung als Schwiegersöhne. Daß die beiden recht vergnügte Stunden bereiten können, ist wohl eine altbekannte Tatsache und wir dürfen deswe­gen gerne auf die Vorstellungen in den Löwenlichtspielen empfehlend Hinweisen. Näheres ist aus dem Anzeigenteil zu ersehen.

Eisenbahn «nd Auto in Konflikt

Gestern mittag kurz vor 12 Uhr kam das Zügle von Al­tensteig her über die Jselshäuserstraße, beim Sägewerk Theurer, angeschnauft. Zu gleicher Zeit befuhr ein schwerer Lastwagen des Tübinger Telegraphenbauamtes die Straße und der Fahrer wollte wohl auf die sonst üb­liche Entfernung seinen Wagen zum Stehen bringen, um den Zug vorbeizulasten. Durch die spiegelglatte Eisfläche aber rutschte der Lastwagen weiter und in den Zug hin­ein. Personen kamen bei dem Zusammenstoß glücklicher­weise keine zu Schaden, dagegen wurde das Auto ziemlich stark beschädigt. Ein Teil der Eisenbahnwagen mutzte ab­gekoppelt werden und wurde, nachdem die Lokomotive den vorderen Teil des Zuges zum Bahnhof befördert hatte, mit ungefähr halbstündiger Verspätung zum Ziel ge­bracht.

In der Zeitrechnung geirrt

Ein kleines Nagolder Fräulein hat gestern am Schlotz- berg einen Maikäfer gefangen. Sicherlich ist das arme Kerlchen ein Analphabet, der sich im weltlichen Kalenda­rium nicht auskannte und diese Unkenntnis mit dem Tode wird büßen müssen.

Schülerferienharken. Nach einer am 1. April 1930 in AE getretenen Aenderng her Tarifbsstimmungen der Reichsbahn werden Schülerferienkarken nur zum Beginn und am Schluß des Schuljahrs sowie zum Beginn und am Schluß größerer Ferien (von mindestens 7 Tagen Dauei? ausgegeben. Für die Pfingstferien werden bis auf weiteres ohne Rücksicht auf ihre Dauer ausnahmsweise ebenfalls Schulerferienkarten gewährt-

Behandlung von gefrorenem Obst. Obst, welches durch plötzliches Eintreten von Frost und Kälte'im Keller oder Borratshaus gefroren ist, lege man in kaltes Wasser. Letz- teres zieht die Kälte allmählich heraus und macht das Obsk nach einiger Zeit haltbar. Man räume aber darnach mög­lichst bald mit demselben auf.

Wart, 15. Jan. Pfarrersabschied. Herr und Frau Pfar­rer Stäbler verließen heute die Gemeinde Wart und Ebershardt, um einem Rufe an das Knabeninstitut Korn­tal Folge zu leisten. Nach einem kurzen Beisammensein init den kirchlichen und bürgerlichen Gemeinderäten voll­zog sich der Abschied des geschätzten Predigers und Seel­sorgers unter großer Anteilnahme der Einwohnerschaft beider Gemeinden. Mögen die vielen Wünsche, di.e den Scheidenden mitgegeben wurden, reichlich in Erfüllung gehen.

Herrenberg, 15. Jan. Zum Konkurs des Kon­sumvereins. Im Konkurs über das Vermögen des Spar- und Konsumvereins Herrenberg und Umgegend e. G. m. b. H. in Herrenberg ist Termin zur Erklärung über die Nachschuhberechnung des Konkursverwalters auf Dienstag, 27. Januar 1931, vor dem Amtsgericht Herrenberg be­stimmt worden.

Herrenberg, 15. Jan. Heimatabend in Herrenberg. Nach mehrjähriger Pause trafen sich die zahlreichen Heimat­freunde unserer Stadt zu einem Heimatabend. Wie bei den früheren Heimatabenden trug auch diesmal wieder der hier vohlbekannte und gern gesehene Heimatschriftsteller Hans Reyhing aus seinen eigenen Werken vor. In Scherz und Ernst versteht er es ausgezeichnet, all die Töne anzuschlagen, die uns zum Herzen sprechen. In den Pau­sen trug ein von Musikdirektor Hening zusammenge­stelltes und geleitetes Doppelquartett passende Lieder vor, darunter ein von Herrn Henning selbst verfaßtes und ver­tontes Herrenberger Lied. Frau Eräb in der Tracht der Gäubäurin forderte die Anwesenden auf, die richtige Liebe zur Scholle und zum Bauernstand zu betätigen. Schriftleiter Merz brachte heitere Verse von ihm selbst zum Vortrag.

Wildbad, 15. Jan. Im Kampf um das Schwarzwald- wasser-Projekt. In seinem Jahresbericht im Gemeinderat erklärte der Vorsitzende, es sei zu hoffen, daß das neue Jahr auch endlich die Entscheidung über das Stuttgarter Schwarzwaldwasserversorgungsprojekt bringe, daß der Landtag und die Regierung, die die Verantwortung für eine Vernichtung unserer Heilquellen nicht übernehmen können, das Projekt endgültig ablehnen, das durch den Widerstand des badischen Staats ohnedies aussichtslos ge­worden sei. Wenn Stuttgart neuerdings erklärt, daß es auf eine Talsperre im Eyachtal verzichten und Wasser aus dem Schwarzwald erst 1950 holen wolle, so ist damit die Gefahr für unsere Heilquellen nicht beseitigt. Jeder Eingriff in die Wasserläufe des Eyachtals, jede Senkung seines Grundwasserspiegels, auch ohne Talsperre, kann die Vernichtung unserer Heilquellen zur Folge haben, wie Vorgänge an anderen Orten, z.B. bei den Cannst. Mine­ralquellen beweisen. Ob sich die Einwohnerschaft Stutt­garts dazu versteht, noch bis 1950 das verschmutzte Neckar- waster zu trinken und nach 1950, d. h. für immer noch zum größten Teil mit diesem bedenklichen Trinkwasser versorgt zu werden, da das Eyachwasser nur zu einem Bruchteil den Wasserbedarf Stuttgart decken kann, ist sehr fraglich. Das tadellose Wasser aus der Landeswasserversorgung könnte Stuttgart schon in zwei bis drei Jahren haben. Es ist zu hoffen, daß uns in der öffentlichen Meinung Stutt­garts, die sich jetzt schon regt und auf die Gefahren des mit Auswurf und Verwesungsstoffen verunreinigten Nek- karwassers für die Volksgesundheit hinweist, ein Bundes­genosse in unserem Kampfe für unsere Heilquelle erwächst. Würde die Einwohnerschaft Stuttgarts das Eyachwasser, das Professor Lueger eineMoorbrühe" nannte, näher kennen, so wäre ihre Entscheidung für die Landeswasser­versorgung nicht mehr zweifelhaft.

Gsrichtssaal

Bom Lastwagen an die Wand gedrückt.

Tübingen, 15. Jan. Große Strafkammer. Dem 1902 in Ne- bringen OA. Herrenberg geborenen Kraftwagenführer Gottl. Kuß maul passierte das unliebsame Mißgeschick, daß er in Ausübung seines Berufs einen seiner Nebenmenschen körperlich aus Fahrlässigkeit schwer verletzte, weshalb er vor dem Schöffengericht Tübingen mit einer Geldstrafe von 40 Mark oder 8 Tagen Gefängnis, ein Urteil, dem weitestegehende mildernde Umstände zu Grunde liegen, belegt worden ist. Kuß- maul legte Berufung ein. Der Sachverhalt ist folgender: Der Angeklagte führte am 10. Juni v. Js. abends zwischen 7 und 8 Uhr für den Georg Schwarz, Bauarbeiter, in Nufringen Sand zu dessen Neubau mit dem Kraftwagen herbei. Zu diesem Zweck mußte Angeklagter zwischen einer 11,20 Meter hohen Mauer eingefaßten Dunglege und einem Schotterhaufen hindurchfah­ren. Angesichts dieses schmalen Zwischenraumes gelang die erst­malige Einfahrt nicht. Während dieser Zeit hatte sich der 29 Jahre alte Hilfsarbeiter Wilh. Vreitmayer von Nufrin­gen (ein Schwager des Schwarz) weiter hinten in dem Hof be­funden, wo er auch vom Angeklagten gesehen worden war. Als der Wagen wieder zurückfuhr, bemerkte Breitmayer, daß in der Einfahrt ein Schlauch war, er wollte diesen entfernen, ging darum zu der Dunglege, an welcher der Schlauch lag, vorbei. Dabei hob er gegen den Angeklagten Kußmaul die Hand auf und sagte, er wolle noch den Schlauch wegtun. Br. bückte sich, hob den Schlauch auf. wollte ihn auf die Seite werfen, wäh­rend er mit dem Rücken gegen den Lastwagen stand. In diesem Augenblick fuhr der Angeklagte mit dem ersten Gang an. Da­bei wurde Vreitmayer, der sich an der östlichen Seite der Dunglege befand, gegen die Mauer der Dunglege gequetscht. Er riefHalt", worauf der Angeklagte anhielt und dann zu­rückfuhr, damit Vreitmayer frei werden konnte. Letzterer war jedoch bereits derart an die Wand gedrückt worden, daß er einen Riß der Harnröhre und einen doppelten Beckenbruch er­litten hatte und in die Klinik nach Tübingen verbracht wer­den mußte. (Heute noch ist Br. nicht wieder hergestellt oder