Seile 2 - Nr. 27S

Ist «6en, wie der britische Außenminister wiederholt aus­gesprochen hat und wie auch wir nicht ost genug wieder­holen können, kein Ende, sondern ein Anfang.

Ueber den Eintritt in den Völkerbund laufen zwn Strö­mungen im deutschen Volk gegeneinander an. Die eine sieht im Eintritt in den Völkerbund die Verwirklichung einer neuen Lebensgrundlage für das Völkerkeben Europas. D e andere Strömung ist davon beherrscht, daß der Völkerbund nach seiner Gründung zunächst nichts anderes zu sein schien, als ein Instrument zur Forlsthunc, der gegen Deutschland gerichteten Politik von Versailles, Nun handelt es sich ab r um die Frage, ob und wie sich Deutschlands nesmnte welt­politische Lage durch den Eintritt in den Völkerbund ver- Sadern könnte- Dabei steht im Kernpunkt die Sorge, ob m Deutschland sich etwa durch diesen Eintritt eine Westorientie- rung im Sinn einer Abwendung von Osten vollziehen würde. Ich stehe nicht an. zu erklären, daß ich eine solche Wahl zwischen West und Ost mit Deutschlands geographische Sage für einfach unmöglich Helte. Daneben aber muß Deutschland von sich aus da - S">ne tun. um sich t-enjenigen Schuh gegen etwaige zukünftige politische Gefahren zu sichern, der in Deutschlands geographischer Lage unerläßlich ist. So viele Erörterungen bisher über den Artikel 16 innerhalb und außerhalb des Völkerbunds auch stattaesund n Untren, so unterliegt es doch nach der Völkerbund'satznnq und der Entschließung der Vollversammlung keinem Zweifel, daß gegen den Willen keines Landes, affo auch nicht oeg»n den Willen Deutschlands, jemals eine für das betref'ende Land bindende Entscheidung darüber getroffen werden kann, vb in einem gegebenen Fall die Voraussetzungen für d e Anwendung des Artikels 16 und gegen melden Steak als Friodensbrecber sie vorliegen- Die Möglichkeit, daß w'r uns in der einen oder anderen Form an einem kriegerischen Strafverfahren gegen einen Staat beteiligen mufften, den wir selbst gar nicht als Friedensbrecher, d. h. als Angreifer anseben, ist also von vornherein ausgeschalt-t. Somit taucht die Frage unserer Teilnahme an einem Völker^,nb<-.r>erfab- ren überhaupt erst dann auf, wenn auch wir selbst d«s Frage, wer bei einem bewaffneten Sl-mtsstreit den Angriff eröffnet hat, für geklärt erachten. Aber selbst, wenn die Angriffsfrage von uns zu, Ungunstm des einen oder anderen Staats beiaht wird, so ist keine Instanz gegeben, die etwa gegen unsere eigene Auffassung mit bindender Wirkung für uns darüber zu entscheiden hätte, welche bestimmte Einzelmassnahmen deutscherseits ,zu treffen wären. Es be­steht auch auf keinen Fall das Recht eines anderen B"nd"s- mitg.licds, uns in irgend einer Form engen unseren Wollen zu einer Strasmaßnahme, z. B. zur Duldung des Durch- «nsrschrcchls, zu zwingen. Wir können aber ande'-erseits nicht außer Betracht lallen, daß der praktischen Betätigung der Vundesgesinnung Deutschlands gerade bei ein»r et­waigen Anwendung des Artikels Iss in vielen Fällen Schranken gezooen sein werden. Das ist die Fol"e seiner völligen Entwaffnung, deren Bedeutung und Gefahren durch Deutschlands zentrale g^oaraphssche Lome noch auß»r- ordentlich verstärkt werden. Dieses Ziel wird durch die in Locarno vereinbarte Erklärung zum Artikel 16 erreicht. Die Erklärung erkennt somit ausdrücklich an, daß Deutsch­land berechtigt ist, bei der pflichtmäßigen Prüfung der Krage, ob und inwieweit es sich an einzuleitenden Maß­nahmen beteiligen will, d-n besonderen Maßstab anzulegen, den ihm seine besondere Lage vorschreibt.

Aus dem Schriftwechsel, der sich an das Böffsrbund- Memorandum angeschlossen hat, und aus den Erklärungen ln Locarno ergibt sich, daß Deutschland des Sitzes im Völker- bundsral und einer entsprechenden Vertretung in der Völker- tnmdverwaltung sicher ist. Wegen der Aolonialffaae ist das Recht Deutschlands auf Kolonialmandate ausdrücklich an­erkannt worden. Was endlich die Frage einer Anerkennung moralischer Belastungen, insbesondere die Sriegsschuldfrage. betrifft, so hat die deutsche Regierung vor Beginn der Ver­handlungen in Locarno gegenüber den Verhandlungsgegncrn Ibre Auffassung in der Kriegsschuldfrage förmlich zur Kennt- n s gebracht und hat ihr Festhalten an ihrer Auffassung auch bei den Verhandlungen in Locarno ausgesprochen. Dieser Standpunkt der deutschen Negierung in Locarno wird such bei unserem Eintritt in den Völkerbund festgehalkea werden.

Zu den in Locarno mit allem Nachdruck gestellten Fragen gehört die allgemeine Abrüstung. Die bestehende ungeheuer­liche Ungleichheit des Abrüstungszustands schließt sogar die unmittelbare Gefahr ein, daß immer wieder die Wafsenkraft der bewaffneten Mächte zum Vorstoß in die abgerüsteten Staaten dränat. Gerade darum muß Deutschland alles daran

Nagolder Tassblall «Der Gesellschafter'

Dienstag» 24. November 1825

setzen, den Gedanken d'r Abrästung, wie er i n

Versailler Vertrag festgelegc ist, jederzeit rvachzuhalten und vorwärts zu treiben. ' Die grundsätzliche Zustimmung der Vertragsgegner von Locarno zu fortschreitender Abrüstung ist in den Verhandlungen und im Schlußprotokoll aus­gesprochen.

Die Frage des Eintritts Deutschlands in den Völkerbund bekommt jedoch ihre ganz bestimmte Note erst durch die Verbindung mit dem Sicherheiksverlraa und den Schieds- vsrträgen. denn Sicherheitspakt und Schiedsverträge stellen einen erheblichen Schritt zur Deckung und Stärkung gerade jener Kräfte des Friedens dar, die Deutschlands Stellung innerhalb und außerhalb des Völkerbundes zu festigen ge­eignet sind. Bisher sind nur keine Aeußerungen von maß­gebender Bedeutung des Auslands bekannt geworden, dis mit unserer eiaenen Auslegung der Verträge in sachlichem Widerspruch ständen.

Dos Kernstück des Vertragswerts, der Westvertrag, ist bestimmt, unsere Grenzen im Westen zu befrieden und das Rheinland zu schützen gegen die Gefahren, die ohne unmittel­bare Grenzverletzung im Weg des See- oder Luftangriffs auf deutsches Geriet sich ergeben könnten. EntsMießt sich Frankreich oder Belgien gegen Deutschland, oder entschließt sich umgekehrt Deutschland, gegen Frankreich oder Be'gi'n zmn Angriffskrieg oder zu einer Invasion, so muß England und Italien dem angegriffenen Land mit seinen Machtmitteln zu Hilfe kommen. Inflagranten" Fällen, wo sich die An­griffsabsicht in der militärischen Ueberschreitung der Grenze oder in der Eröffnung von Feindseligkeiten auswirkt, haben die Bürgen dem angegriffenen Land ihren Beistand sofort und ohne weiteres zu gewähren; in anderen Fällen ist zu­nächst die Entscheidung des VölkerbuNdsrats herbeizuführeu. Es war das deutsche Verhandlungsziel, durch den Sicher- heitsvert.ag den Versailler Vertrag als solchen zu ändern. Das bedeutet nicht, daß Deutschland erneut ein formales und feierliches Bekenntnis zum Versailler Vertrag abege und bedeutet ebensowenig, daß ein neuer Rechtsgrund für d-e Geltung und Dauer dieses Vertrags geschaffen würde. Es bedeutet vielmehr, daß es mit der Geltung der Rechte und Pflichten aus dem Vertrag so bleibt» wie es vor dem Ab­schluß des Westpaktes stand. Was aber durch den Weff- pakt geändert wird, das ist die Handhabung der an sich unberührt bleibenden Vertragsrechte, die durch die Unter­werfung dieser Rechte unter das pflichtmäßige Schieds­verfahren auf eine neue Grundlage gestellt werden. Damit wird der Politik der Diktatur und der Ultimaten der Boden onkogen. Jetzt wird eine politische Vertragsgemeinschaft ge­schlossen, der olle 5 Länder auf dem Fuße der Gleichberech­tigung angeboren. Der Gebaute eines Sicherheitspaktes Deutschland ist endaü'tig beieiffgt.

Wir haben stets offen ausgesprochen, daß unsere Einstellung zu den Ostfragen nicht die oleiche ist wie zu den Mefffragen. Die Schiedsverträge mit Polen und der Tschechoslowakei gleichen inhaltlich genau den Schiedsvertrügen mit Belgien und Frankreich, nur mit dem Unterschied, daß sie sich nicht, nffe diele letzteren, an einen besonderen Sicherheitsrat an- lebnen. Im Zusammenhang mit d-esen Schiedsverträaen bat Frankreich in Locarno besondere Vereinbarungen mit Polen und der Tschechoslowakei abgeschlossen. Sie bilden k-unen Bestandteil des Vertragswerts von Locarno. Durch d^ese Sondervereinbarungen sind die nun einmal bestehenden Bündniffe Frankreichs mit Bolen und der Tschechoslowakei den Bestimmungen des Westpaktes anaepaßt und dadurch, sowie durch die Eingliederung in das Snstem der Völker­bundssatzung, ouf eine Grundlage gestellt worden, die als Klärung und Resserung des bisherigen Zustandes begrüßt werden kann. Das ganze System von Verpflichtungen gip­felt schließlich im Völkerbund, dessen Organe die oberste In­stanz für die Entscheidung über die Durchführung jener Verpflichtungen bilden. Das Vertragswerk von Locarno stellt also letzten Endes einen Ausbau der Völkerbund­satzung dar. Es handelt sich um die Entwicklung aus den Bahnen der Gewalt in die Bahnen des Rechts zu leiten. Dem sucht auch die Völkerbundssatzung Rechnung zu tragen mit dem Satz, daß Verträge, die unannehmbar geworden sind, und internationale Verhältnisse, deren Aufrechterhal­tung den Weltfrieden gefährden könnten, einer Revision unterzogen werden müssen. Dieser Grundsatz hat auf den gesamten Umfang der Fragen zu gelten, auf die sich das Vertragswert von Locarno erstreckt. Auch das Selbst- beslimmungsrecht der Völker ist in keiner Weise eingeschränkt.

Die Annahme des Vertragswerts bedeutet den Ent­schluß zu positiver Mitarbeit im Völkerleben. Selbstverständ­lich bedeutet jeder positive Entschluß gleichzeitig eine Bin- du»«. Ich pcrm.ag Ldrr nicht .zu rrkennen. Inwieweit sich

ein "Wachsen der deutschen Kraft durch Abseitsble'ben von der Vöikerentwicklung vollziehen sollte. Deutschland unter­wirft sich beim Eintritt in den Völkerbund denselben Be­schränkungen, denen die anderen Völkerbundsmüchte ein- jch'.-chlich der Großstädten selbst unterliegen. Gewiß ergibt sich hier ein tatsächlicher Unterschied durch die militärische Machtlage, aber inwiefern wirkt sich dieser Machtunter- schied geringer zu Deutschlands Nachteil aus. wenn Deutsch­land dein Völkerbund fcrnbleibt? Was das Verhältnis Deutschlands zu Rußland anbetrifft, so hat Deutschland durch 'Abschluß des deutsch-russischen Handelsvertrags einen ilaren Willen kundgetan, aus dem Abschluß des Locarno­vertrags keinerlei Trübung seiner freundschaftlichen Be­ziehungen zu Rußland entstehen zu lassen. Das Deutsche Reich wird, wenn die Zustimmung des hohen Hauses er­folgt, den Vertrag von Locarno in der festen Absicht ab­schließen, auf dem dadurch eröffneten Friedensweg mit aller Kraft voranzuschreiten.

Die Rede des Reichskanzlers wurde an vielen Stellen von lebhaftem Beifall der Mitte begleitet. Zwischenrufe von 'echts und links sind nur in ganz geringem Maße vor- gekommen, sovay der Reichskanzler seinen einstündigen Vortrog in verhältnismäßig ruhiger Haltung des Hauses zu Ende führen konnte. Am Schluß ertönte be, den Völ- tischen und den Kommunisten Zischen, das durch den Bei­fall anderer Parteien übertönt wurde.

Präsident Löbe teilte mit, daß von den Kommunisten ein Mißtrauensantrag gegen die Reichsregierung ein­gebracht worden ist. , .

Die Verhandlungen werden aus Dienstag 10 Uhr

vertagt.

Neuestes vom Tage

Landwirtschaftliche Einheitsfront in Bayern München. 23 Nov. Der Präsident der bayerischen Landes­bauernkammer hat die landwirtschaftlichen Verbände und Genossenschaften zu einer Aussprache eingeladen, um an­gesichts der Notlage der Landwirtschaft eine geschloffene Arbeitsfront herzustellen.

Das Kabinett Painleve gestürzt Paris. 23. Nov. Bei der Fortsetzung der Beratung des Fincinzresormplans Painleoes wurde statt der geforderten weiteren Ausgabe von 2^ Milliarden ungedeckter Bank­noten nur der Betrag von 1>L Milliarden bewilligt, womit sich Painleve schließlich einverstanden erklärt hatte jedoch unter der Bedingung, daß die Einlösung der jetzt fälligen kurzfristigen Schatzscheine im Betrog von einer Milliarde lwozu Ende Dezember weitere 2^s Milliarden kommen) aus 25 Jahre zwangsweise verteilt werden. Die Kammer nahm den Artikel 5 des Entwurfes, der diese Forderung enthielt, mit nur 273 gegen 277 Stimmen an, worauf Painleve seinen Rücktritt erklärte.

Staatspräsident Doumergue berief den Senatspräsi­denten de Selve, Herriot und den bisherigen Minister de Monzie zu einer Besprechung. Es wird aber auch von der Möglichkeit gesvrochen, daß Senator D o um er zur Neubildung des Kabinetts berufen werden könnte. Dou- mer ist einer der schärfsten Gegner Deutschlands.

DieHumanste" schreibt: Das Ministerium des Marokko- Abenteuers und der Bankiers ist gestürzt. Seine größten Taten sind der Krieg in Marokko und Syrien die Frank­reich 2)4 Milliarden Franken oekostet haben; 10 473 Mann sind seit April in Marokko getötet und verwundet worden, 1500 in Syrien.

Mussolini geht nicht nach London London. 23. Nov. Blättermeldungen aus Rom zufolge, wird Mussolini nicht zur Unterzeichnung des Locarnopaktes nach London kommen, sondern Italien durch Sciatojas oe» treten lassen.

Auflösung der italienischen Freimaurerlogen Rom, 23. Nov. Der Großmeister der italienschen Frei­maurerlogen erläßt einen Aufruf, in welchem er alle Logm Italiens für aufgelöst erklärt. Er betont ferner, daß d>e Freimaurerei die neuen Gesetze gegen die gebeimen Gesell­schaften anerkenne und neue Logen im Einklang mit den neuen gesetzlichen Bestimmungen in Italien gründen werde.

JÄ7/72S/2 u Oy^'scr" rronr

(27. Fortsetzung)

Ich hatte schon damals bemerkt, daß der Alte, der mich ge­führt hatte, der einzige gewesen, der ein paar Worte Englisch sprach. Mit ihr hatte ich nie geredet. Aber jetzt, obgleich ich keine Silbe kannte vom Idiom der Mohave, wutzte ich, daß es hieß: .Limokoa ist allein und verlassen!"

Was sollte ich tun, als leise ihren Namen wiederholen und Oeruhigend ihr Gesicht streicheln, dieses schmale, zarte Gesicht! Sie schmiegte sich an meine Füße und umklammerte mit ihren Armen meine Knie. Sie weinte, daß ihr ganzer junger Körper erbebte. Ich suchte sie langsam aufzuheben. Nun schlang sie die Arme um meinen Hals. Wie ein hilfloses Kind schmiegte sie sich weinend an meine Brust.

Wie seltsam das wieder war! Ich wußte, daß es nichts war als der Ausdruck ihrer unendlichen Hilflosigkeit, das Anklam­mern an ein Wesen, das ihr Schutz bringen sollte, und doch es «ar, als schmiege sich eine zärtliche Braut in meinen Arm.

Liebe Limokoa! Schon damals liebtest du mich! Hattest mich stiebt, als ich hilflos und krank in Deines Vaters Blatthütte

In mir war plötzlich ein Gefühl unendlichen Glückes und ich hatte doch keinen Grund! Za! Ein köstliches Geschenk war mir geworden! Ein Mensch! Ein lebender, fühlender Mensch! Nicht mehr die furchtbare Einsamkeit!

Sie hob ihr Köpfchen, dieses liebe, kleine Köpfchen, dieses hübsche Kindergestcht, das mir schon damals so gefallen, und lächelte mich an. Dann aber schien es, als schäme sie sich, daß sie so an mich geschmiegt war, sie ließ mich los, trat zurück und senkte die Augen.

Wie kommst du hierher, Limokoa?"

Sie sah mich fragend an, in meinen Augen forschend. Sie war ja so klug und ich so töricht, daß ich fragte und doch wußte, daß sie mich nicht verstand.

Zwei Menschen, zwei junge Menschen inmitten des Verder­bens. Zwei Menschen, denen die Sprache gegeben, die sich doch nicht zu verstehen vermochten und nach Begreifen suchten.

Ich sah mich um. Ich war doch schon ein tüchtiges Stück ge­gangen, denn nur undeutlich erkannte ich den roten Wimpel, den ich an die Ruderstange meines Kahnes gebunden. Ihr scharfes Auge folgte meiner deutenden Hand. Sie verstand. Sie erkannte

mit scharfem Auge der Wilden, was mir nur ein Schimmer war. Sie zeigte dorthin und auf mich und nickte.

Ich machte mit der Hand die Bewegung des Ruderns und dann des Sinkens. Sie nickte wieder, zeigte auf einige Holztrüm­mer eines Canus und hinauf.

Auch sie war also mit dem Kahne geflohen, genau wie ich, und gesunken. Der Kahn war zerschellt, die Männer vielleicht in den Strudel gerissen.

^Arme Limokoa!"

Was mußte sie gelitten haben in dieser Nacht! Dieser furcht­baren Nacht, die mein Innerstes so gewaltig erschütterte!

Jetzt sah ich sie wanken, mein Arm konnte sie eben noch vor einem Fall bewahren. Ich ließ sie niedersinken und eine Ohn­macht schloß ihre Augen. Mich faßte furchtbare Angst. Wenn sie stürbe? Mir war, als könnte ich den Tod dieses Mädchens, dieses Menschen, den mir das Schicksal geschenkt, nicht tragen. Dann verstand ich. Wie verschmachtet mutzte sie sein! Sie war ja ebenso lange hier, als ich, und hatte nichts, gar nichts, gehabt, sich zu laben.

Ein Wunder, daß sie nicht schon vor Durst und Hunger ver­gangen war!

Ich schälte meine Bananen und preßte das weiche Fleisch der Frucht ihr zwischen die Lippen. Wie glücklich war ich, als sie diese öffnete und schluckte, als sie die Hände erhob, noch mit geschlosse­nen Augen die Bananen mir aus der Hand nahm und. In­zwischen hatte ich mit dem kleinen Beil, das ich im Gürtel trug, eine der Konservenbüchsen, die ich im Rucksack hatte, geöffnet. Das Fleisch war sehr heiß von der Sonne, aber noch nicht ver­dorben. Sie saß jetzt mit offenen Augen, sprach nicht, fragte nicht, , bis alles verzehrt war, und ich dachte nicht daran, daß auch mein eigener Gaumen wieder nach Erfrischung lechzte. Dann streichelte sie leise meine Hand und wir saßen nebeneinander in dem langsam immer größer werdenden Schatten der Felsen. Ich war glücklich, hatte wieder Lebenswillen und Lebenshoffnung und war eigentlich um nichts gebessert. Ich war nicht mehr allein und ich, der ich selbst hilflos und schwach war, sollte einem Wesen, das noch hilfloser und schwächer. Schutz bieten und Rettung.

Sie sah mich an und versuchte zu reden. Ich kramte in mei­nem Gedächtnis zusammen und fand nicht ein Wort, das sie verstand.

Ich deutete mit der Hand und sprach meine Laute.

Du nnd ich morgen hinauf!"

Sie verstand. Sie dachte nicht darüber nach, wie unmöglich das war. Sie vertraute mir einfach, lächelte glücklich und nickte.

Die Sonne besann zu finken, der Rand oben warf immer arößere Schatten. Ich stand und überlegte. Wollten wir wirk­lich den Kampf der Verzweiflung kämpfen, und wie sollten wir anders, dann mußten wir stark bleiben.

Wo sollten wir die Nacht verbringen, hier oder im Boot?

Limokoa war schwach. Ich war Stunden gegangen! blickte mich um. Nicht weit von dem Felshügel, auf dein wir saßen und der noch lauge nicht bis zum Rande aufragte, so hatte ich dessen Höhe unterschätzt, war leiser Dampf über der Erde.

Wahrscheinlich wieder ein heißer Quell und etwa hundert Meter abwärts ein größerer, übrig gebliebener Tümpel, fast ein kleiner Teich.

Ich versuchte wieder zu reden. Mit Worten und Gesten. Daß ich zu dein Teich wollte, daß sie warten sollte, bis ich zurückkam.

Wie reizend waren ihre klugen Augen, ihr trauriges Gesicht, wenn sie nicht verstand, und ihr strahlendes Leuchten, wenn sie begriff.

Dann stieg ich hinab. Meine Glieder zitterten und ich fühlte, wie matt ich war. O, dieser entsetzliche Durst! Beim Hinunter­steigen sah ich etwas am Boden liegen. Es war ein kleiner, eise^ ner Topf, wahrscheinlich aus dem Jndianerkanu gefallen. Ich wankte bis zu dem kleinen Kessel, in dem ein winziger Geyser sprudelte. Nur so gering, daß er den Rand des Beckens, das viel­leicht einen halben Meter im Durchmesser maß und ebenso tief war, füllte und bisweilen einige Tropfen über den Rand schüt­tete. Ich wollte kosten, es war kochend. Ich füllte den kleinen Topf und netzte, als es etwas abgekühlt war, den Finger. Ein leiser, nicht allzu unangenehmer Schwefelbeigeschmack, aber es war genießbar und kein Salzwasser.

Ich ließ den Topf vollends abkühlen, schon neu belebt durch den bloßen Gedanken, daß ich trinken sollte, daß Wasser war da, dann stieg ich zu dem großen Tümpel hinunter. Ich warf meine Kleider ab und watete in den Teich, der von Fischen wimmelte.

Von unglücklichen Fischen, die sich in diesem letzten Zufluchts­ort zusammendrängten. Es gelang mir leicht, ein großes Twr zu greifen und an das Ufer zu werfen. Ich wußte nicht, was für ein Fisch das war, aber er sah gut aus. Ich erschlug ihn mit dem Veile und war von der kleinen Arbeit erschöpft, wenn auch von dem Bade, so ekelerregend es sonst gewesen, etwas erfrischt.

Als ich mich erholt, stieg ich wieder zur Quelle. Jetzt trank ich das abgekühlte, allerdings noch lauwarme Wasser uno schöpfte den Krug wieder voll für Limokoa. Nun schlitzte ich ven Fisch auf und säuberte ihn, dann warf ich ihn in den natürlichen Kochkessel. Ich hatte bereits in Pellowstone gelernt, daß es M ganz gut kochen läßt in den natürlichen Becken der kleinen wey- sern und bis morgen würde das Wasser schon wieder retn t» Ich wartete, bis ich annehmen konnte, daß der Fisch gar war, dann hob ich ihn mit der Breitseite des Beiles heraus, »«w ietzt noch wog das Tier mehrere Pfund. Wieder mußte ich warr . bis ich den Heiken Fisch anfassen konnte, dann trug ich rh" " den Topf mit Wasser mühsam bergauf.

(Fortsetzung folgt.)