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Nr. 80 Gegründet 1826.
Tagesspiegel
Der deutsch-belgische Handelsvertrag ist am Freitag unterzeichnet worden.
Der „Fragebogen" der Verbündeten soll nach dem „Daily Telegraph" der deutschen Reichsregierung noch vor Ostern zugestellt werden. Die italienische Grenze soll aus dem Kreis der „Fragen" ausAelassen werden, da Mussolini selbst keinen Werk auf die „Sicherheit" der '„deutsch-italienischen Grenze" lege, die es nur geben könnte, wenn Deutschland an Oesterreich angeschlchssn wäre.
Infolge der Verkmpinc! der Heeresreformvorlage durch den Senat ist der italftmsche Kriegsminister di Giorgi zu- rückgelreken.
Eine Zurechtweisung
Frankreich und die Abrüstungskonferenz
Der greise dänische Literat Brandes hielt in voriger Woche in Berlin einen Vortrag über „Das heutige Europa" und stellte folgende politische Betrachtung dabei an: „Frankreich war schon vor dem Weltkrieg sehr empfindlich, setzt aber hat es die Emfindlichkeit eines Hautlosen", und: „Ueber England und die Vereinigten Staaten geht jetzt eine antifranzösische Gefühlswelle, die nicht im Abnehmen begriffen ist.
Wir wissen nicht, ob Brandes vor seinem Vortrag die letzten Nachrichten aus Paris, London und Neuyork gelesen hat. Jedenfalls waren sie eine Bestätigung seiner Worte. In Paris fanden unter dem Vorsitz Herriots bis tief in die Nacht hinein Kabinettssitzungen statt, in denen über die drohende neue Inflation des französischen Franken beraten wurde. In Washington aber gab Präsident Coo- l i d g e die Erklärung ab, daß Amerika künftig nur Anleihen für Wisderaufbauzwscke, nicht aber zur Anschaffung von Waffen gewähren werde, eine Erklärung, die sich ausschließlich gegen Frankreich wegen seiner ablehnenden Haltung gegenüber der Abrüstungskonferenz richtete und die sofort einen neuen empfindlichen Druck auf den Kurs des französischen Franken ausübte. Während der Franken sich im März zum Pfund Sterling von 95 auf 89 verbessert hatte, sank er jetzt auf 93. Und in London? Dort herscht, wie der 83jährige Brandes treffend sagte, dieselbe antifranzösische Gesühlswelle. Dort haben sich chs führenden Bankiers genau wie in Amerika dem Wunsche ihrer Regierung unterworfen, wonach ausländische Anleihen auf dem Kreditmarkt nur dann befriedigt werden sollen, wenn es sich um dringenden Wiederaufbau handelt.
Wie ernst die Amerikaner es mit ihrer Warnung an Frankreich meinen, geht aus den Leitartikeln der von der Washingtoner Regierung beeinflußten Presse hervor. So schreibt z. B. die Neuyorker Zeitung „Evening Post", Frankreichs Einwand, seine Marine sei heute schon unterhalb der vertragsmäßig zulässigen Stärke, mache in den Vereinigten Staaten keinen Eindruck. (In der halbamtlichen Pariser Presse war nämlich mit dem Augenaufschlag der gekränkten Unschuld versichert worden, daß die französischen Flottenrüstungen noch lange nicht die von der Washingtoner Konferenz festgesetzte Grenze erreicht hätten. Frankreich walle durch ein Bauprogramm, das sich aus fünf Jahre erstrecke, lediglich die Versäumnisse nachholen, die während des fünfjährigen Kriegs entstanden, da England und die Vereinigten Staaten während dieser Zeit ungeheure Flotten aufbauten. Die Flottenrüstungen Frankreichs könnten keine andere Macht beunruhigen ... Der Gipfel der L-cheinheiligkeit!) Aber weiter im Text der „Evening Post": Präsident Coo- lidge habe, so schilt das amerikanische Blatt, es bisher vermieden, die Schulden- und Anleihefragen mil der Abrüstung zu verquicken. Aber die Haltung Frankreichs nehme Amerika die Lust, Frankreich anders als kühl und „korrekt" zu behandeln. Der Präsiden? habe versucht, mst allen Mächten osten und aufrichtig zu verhandeln Er verlange aber, daß Europa einige seiner alten Hokus-Pokus- Methoden fallen lass« und ebenso ehrliches offenes Spiel mii den Vereinigten Staaten treibe..
Was gedenkt nun Amerika angesichts der französischen Sabotage des Konserenzplans zu tun? Tool Köge hatte, wie die neuesten Funksprüche van drüben melden, lange Besprechungen mit Kellogg, Hoaver, King und anderen Senatoren, vor allem mit Borah. Dieser führende Politiker hat sich soeben in einer öffentlichen Erklärung ausgesprochen und man kann daraus erkennen, welchen Rat er dem Präsidenten gegeben hat. Borah erklärte: Frankreichs Haltung werde die anderen Nationen nicht davon abbringen, ihre Vorbereitungen für die Konferenz fortzusetzen. „Wenn in Paris wieder st> viel von „Sicherheit" die Rede ist, so wage ich zu behaupte«, daß wirkliche Sicherheit nur erzielt werden kann, wenn dre Steuerlasten und die Rüstungen verringert werden Vielleicht empfindet Frankreich das nicht so stark, da es von allen großen Nationen die geringsten steuerlichen Lasten trügt. Seine wirtschaftliche Lage ist äußerst zufriedenstellend, und seine auswärtigen Schulden bereiten ihm am wenigsten Sorgen. Trotzdem sollte es sich um die allgemeine Wohlfahrt Europas bekümmern."
Gründlicher sind der nationalen Selbstsucht Frankreichs wohl noch nie von befreundeter Seite die Leviten gelesen worden. Nun hat wieder Ministerpräsident Herriot das Wort. Was wird er auf die amerikanische Zurechtweisung erwidern können? —er.
Neue Nachrichten
Aar Reichspräfidenlenwahl
Berlin. 5. April. Auf Veranlassung des Führers der Bäuerischen Volksvartei. Domkavitular Leicht, versuchte
Montag den 6. April 1925
Reichskanzler Dr. L u t h e r am Freitag nächnüttag in wiederholten Besprechungen mit den Vertretern der bürgerlichen Parteien eine bürgerliche Sammelkandidatur zustandezubringen. Da aber die Verständigung des Zentrums mit der Sozialdemokratie nahezu fest war, erklärte der Vertreter des Zentrums, daß von dieser Seite unter allen Umständen Dr. Marx als Bewerber ausgestellt werde. Dr. Leicht schlug vor, die Amtsdauer des Präsidentenstellver- ireters Dr. Simons auf sieben Jahre zu verlängern. Eine Einigung wurde nicht erziel.t.
Abends traten die Beauftragten des Zentrums, der Demokraten und der Sozialdemokraten zusammen und es wurde die Kandidatur des Dr. Marx für die Weimarer Koalition endgültig beschlossen, nachdem nachmittags Otto Braun (Soz.) wieder zum preußischen Ministerpräsidenten gewühlt worden war. Die demokrati- j .1 Vertreter behielten sich die Entscheidung des Purtei- ausschusses, der am Sonntag zusammentreten sollte, vor.
Sozialdemokratische Versammlungen in Berlin und Leipzig sprachen sich gegen die Unterstützung der Kandidatur Marx aus. Die Gewerkschaftshauptleitung erklärte sich gegen me Kandidatur. Auch im Rheinland erhoben sozialdemokratische Bezirksvereine Einspruch gegen das Wahlabkommen.
Die Parteien der Weimarer Koalition nennen sich für den Wahlkampf Volksblock. Sie werden im Ansang nächster Woche zwei Erklärungen bekannt geben.
Dr. Iarres, der am Freitag in Berlin eintraf, hatte am Abend Besprechungen mit dem Reichsblock. Es verlautet, die Bayerische Volkspartei wolle für den zweiten Wahlgang Stimmenthaltung üben.
Es wird darauf hingewiesen, daß nach der Verfassung derReichskanzlerseinAmtdemneugewähl- ten Reichspräsidenten zur Verfügung zu stellen hat.
Der Abschied des Dr. Marx Berlin, 5. April. Der bisherige Ministerpräsident Dr Marx verabschiedete sich gestern von den Beamten des preußischen Staatsministeriums und dankte ihnen für du Unterstützung während der kurzen Zeit seiner Amtstätigkeit. Er wiederhole, was er schon früher gesagt und worüber ei mit dem Reichspräsidenten Ebert oft gesprochen habe, daß Preußen und Baden während der schwersten Zeit die einzigen Länder im Reich waren, die ohne Störung und Reibung arbeiten konnten- Das sei in Preußen in erster Linie der Tatkraft des Ministerpräsidenten Braun zu verdanken gewesen. Er freue sich darum ganz besonders, daß Herr Braun wiederum die Leitung Preußens übernehme.
Reue Lohnforderungen der Eisenbahnarbeiker Berlin, 5. April. In vier Versammlungen der Berliner Werkstättenarbeiter wurde eine allgemeine Lohnerhöhung von 10 v. H. bis 20. April und sofortige Entlassung des Generaldirektors Oeser verlangt.
Aussperrung der Berliner Metallarbeiter?
Berkin, 5. April. In der Berliner Metallindustrie sind die Kupferschmiede mit der Forderung einer 20prozentigen Lohnerhöhung, die vom Arbeitgeberverband abgelehnt wurde, in den Ausstand getreten. Die übrigen Metallarbeiter unterstützen die Forderung und drohen ebenfalls zu streiken. Der Verband Berliner Mstallindnstriellen stellte eine Frist zur'Wiederaufnahme der Arbeit bis Montag. Die Verhandlungen des Metallarbcitervcrbands mit dem Jn- dustriellenverhand haben sich zerschlagen. Es ist damit zu rechnen, daß von den vier Fabriken Borsig. Allg. Elektrizi- tätsgesellschaft, Schwartzkopff-Wildau und Ohrenstein-Koppel 7800 Leute ausgesperrt werden. Von einer allgemeinen Stillegimg der Betriebe würden 150 000 Arbeiter betroffen. Dü Arbeiter haben den Schlichtungsausschuß angerufen.
Schweres Anglück in einem Bergwerk Essen, 5. April. Am Samstag morgens 6 Uhr beim Tinjohren der Bergleute zur Morgenschicht versagte aus der Zeche „Matthias Stinnes" in Karnaz aus noch unbekannten Gründen die Fördermaschine und der mit 70 Mann besetzte Förderkorb sauste bis zum Schachtsumpf in d>e Tiefe. Infolgedessen konnte auch die Bremsvorrichtung nicht in Tätigkeit treten. Das Rettungsmerk setzte sofort ein. Am 10 Uhr waren 63 Mann geborgen, wovon 15 unverletzt, 18 leicht und 3 schwer verletzt, 2 ter waren; 8—9 Mann befinden sich noch in dem untersten stark zusammengedrückten Abteil des Förderkorbs. Diese letzteren dürsten nicht mehr am Leben sein; ihre Bergung ist sehr schwierig
Vertagung des Lberk-Rokhardt-Prozefses Magdeburg, 5. April. Der als Zeuge zu vernehmende Abg. Scheidemann ist immer noch krank und braucht nach dem Gutachten seines Arztes noch etwa acht Wochen SchoiffrP. Da auf die Vernehmung Scherdemanns nicht verzichtet wird, beschließt das Gericht die Vertagung der Verhandlung.
Im Leipziger Tschekaprozeß wurden die Anträge der kommunistischen Verteidiger, mehrere Ze-men aus Moskau zu laden, von dem Gericht abgelehnt und die Be- Deisauina-bme geschloffen-
Augenblickserfolg Herrioks
Varis. 5. April. In einer kurzen Sibnng stimmte dis Kammer der Forderung Herrioks, die Aussprache über den Rückttktt des Finanzministers Llemenkel bis Anfang nächster Woche z« vertagen, mik 530 gegen 29 Stimmen zu.
sin politischen Kreisen wird von der Möglichkeit einer Aussöhnung Poincares mik Caillaux gesprochen. Taisicmr wurde, falls Poincare die Ministerpräsident
Fernsprecher Nr 29 89. IahkgtMg
schuft wieder übcrnebmen sollte, Finav'MM'ster werden, wv- nir er allerdings sich der Kriegspol'tik Doincares, die er seit siahren bekämpfte, anschließen müßte. (Caillaux war aus Betreiben Poincares einige Iabre aus Paris verbannt worden, weil er es mit den Feinden, d. h. den Deutschen halte.)
Die Londoner Blätter führen zufolge einer Regiernngs- anweijung aus, England dürfe Frankreich in seiner gec-en- wärkigen Krise keine Schwierigkeiten und keine neuen Sorgen wegen der Bezahlung der Kriegsschulden bereiten.
Wie die „Abrüstung* oussieht
Tokio, 5. April. Bach amtlicher Mitteilung wird die savanische Regierung sofort mit dem Bau von 22 Kriegsschiffen von zusammen 124 000 Tonnen beginnen. Darunter befinden sich 8 Kreuzer erster, 3 Kreuzer zweiter Klasse. 10 Torpedozerstörer, ein Flugzeugmutterschiff u. a.
Der polnische Reichstag setzte die Rekrutenaushebung für das laufende Jahr auf 170 000 Mann fest. Auch di» Sozialdemokraten stimmten für die Regierungsvorlage.
Neuer Bürgerkrieg in China?
London, 5. April. Die „Morningpost* meldet, in China werde ein Krieg zwischen Tschangksolin und Fengysiang be- fürchkek. — Der neue Krieg könnte für die Weltpollkik von unabsehbaren Folgen werden.
Der Aufstand in Südwest
Kapstadt, 5. April. Ministerpräsident General Hertzog teilte laut „Morning Post* im südafrikanischen Abgeordnetenhaus mit, der Aufstand der Nohvbol-Kaffern drohe sich auf den Stamm der Hereros, der 50 bis 60 000 Köpfe stark ist, auszudehnen. Die Regierung werde genügend starke Polizeikräfte absenden, um die Unruhen zu unterdrücken.
Deutscher Reichstag
Berlin, 5. April. Bei der Beratung des Gesetzentwurfs über den Lehrgangder Grundschule wurde ein sozialdemokratischer Antrag, den Entwurf noch einmal an den Ausschuß zurückzuverweisen, vom Reichstag abge- lebiu. Nach längerer Aussprache, die mik der Sache nicht unmittelbar zusammenhing, wurde der grundlegende Paragraph 1, der den Uebergang begabter Kinder i n mittlere oder höhere Schulen nach dem dritten Jahr aus der Grundschule unter gewissen Voraussetzungen ermöglicht, angenommen. Bei der S-^'iiß- abstimmung wird das ganze Gesetz mit 239 gegen 157 Stimmen bei 4 Enthaltun ,n angenommen. Eine Entschließung der Sozialdemokraten, für unbemittelte Kinder Reichsmit- tcl bereitzustellen, wurde dem Haushaltausschuß überwiesen.
In der 47. Sitzung am Samstag wurde ohne Aussprache eine Entschließung angenommen, die Reichsregierung zu ermächtigen, für die besetzten Gebiete eine Hilfszu - Wendung von vorläufig bis zu 75 Millionen Mark zu machen.
Zu den Notstandsmaßnahmen für Beamte schlägt der Haushaltsausschuß u. a. die Auszahlung von 95 v. H. des Wohnungsgewzuschusses vom 1. April 1925 ab bis auf weiteres vor; die für April nachzuzahlenden Beträge sollen mit den Moibezügen ausbezahlt werden. Die Regierung solle ferner prüfen, ob und nach welcher Grundlage die Bezüge erhöht werden können.
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Im Aufwertungsausschuß teilte der Vertreter des Rrichs- finanzministeriums mit, daß die Denkschrift über die Untersuchung betreffend das Neuentstehcn von Vermögen in der Kriegs- und Nachkriegszeit bzw. die Vermehrung der Vermögen oder die Nichtverminderung in der Inflationszeit demnächst abgeschlossen werden könne. Der Ausschuß beschloß demgemäß, die Entscheidung über ein die Jnflationsgewinne treffendes Steuergesetz in der ersten Sitzung nach Ostern zu treffen.
Württemberg
Stuttgart, 5. April. Badischer Fleischzoll. Abg. Ströbele (Bbd.) hat im Landtag folgende Kleine Anfrage gestellt: Ist dem württemberaischen' Staatsministerium bekannt, daß das Nachbarland Baden für alles aus Württemberg nach Baden eingeführte Fleisch auf Grund eines Gesetzes aus dem Jahr 1886 einen sogenannten Einfuhrzoll in Höhe von 3 pro 100 Kilo durch die badischen Zollämter erheben läßt? Eine solche Zollerhebung ist für den Berkehr mik Fleisch nach Baden völlig ungerechtfertigt und wirkt sich im Handel und Verkauf von Schlachtvieh für die beteiligten Kreise sehr unangenehm aus. Ist das Skaatsministerium bereit, auf Aufhebung dieses Fleischzolles hinzuwirken.
neue Volksschullchrplan. Im Saal der „Schwäbischen Volksbühne" in Stuttgart fand ein von den beiden Oberschulbehörden veranstalteter fünftägiger Kurs für die Einführung des neuen württ. Volksschullehrplans statt. Dazu waren etwa 120 L.hrer einberufen, außerdem nahmen gegen 150 Schulräte, Lehrer und Lehrerinnen aus freien Stücken daran teil- Der Lehrplan tritt für ims fünfte Schuljahr sofort, für das sechste ab 1926, für das siebte 1927 und für das achte 1928 in Kraft.
Osterpersonenverkehr. Zur Bewältigung des stärkeren Personenverkehrs über Ostern werden zu einer Reihe von Schnell- und Personenzügen Vor- und Nachzüge gefahren. Dabei wird besonders darauf aufmerksam gemacht, daß zur Entlastung der Stuttgart-Berliner Nachtschnellzüge D 37/38 die Schnellzüge D 237, Stuttgart ab 7.00 Uhr abends und 238, Stuttgart an 9.40 Uhr vorm, vom 7.—18. April ausgeführt werden. Die beiden Schnellzüge führen Schlafwagen 1. bis 3.-Klasse Mischen Stuttgart und Berlin. Da eine